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516 Stahl und Eisen. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. 1. Juli 1896. wenig von den am Continent gebräuchlichen Formen. Man findet die mannigfachen Ofenconstructionen mit separat stehenden Regeneratoren mit theilweise liegen den und stehenden Kammern und endlich auch die ursprüngliche Gonstruction der Firma Siemens ver treten. Die Herdplatten liegen aber meistens auf gufseisernen Trägern, die durch kräftige Gufseisen- säulen getragen werden, so dafs der Raum unterhalb des Hodens frei zugänglich ist. Zur Zustellung der basischen Ausfütterung der Oefen wird durchaus Dolomit verwendet. Als neutrale Schicht wird Chrom erz benützt. Die Hälfte des Bodens wird eingestampft und der obere Theil sodann, nachdem der Ofen an geheizt ist, in dünnen Lagen so eingebrannt, wie der Sandboden im sauren Martinofen. Vor jeder gröfseren Ofenreparatur werden die obersten Schichten des Bodens ausgeschmolzen, um nach dem Anheizen frisch eingebrannt zu werden. Zum Einbrennen des Bodens verwendet man gut gebrannten trockenen und ge mahlenen Dolomit ohne Theer. Der Dolomit soll 2 bis 3 % Eisen enthalten. Der Abstich wird mit trockenem Dolomit geschlossen. Die Generatoren sind durchwegs mit langen und sehr weiten Rohrleitungen, die sie gemeinsam mit Gas versorgen, mit den Oefen verbunden. Das Gas steht unter schwachem Druck, wird in den Leitungen stark abgekühlt und setzt, bevor es durch die Gas ventile der Oefen strömt. Theer und Staub ab. Die Generatoren sind fast durchwegs nach der bekannten Wilsontype gebaut. Eine der verbreitetsten Con- structionen ist die Ingham type, die eine Abart der früheren ist. Die Generatoren sind rund und mit Blechmänteln und Dampfstrahlgebläsen versehen. Die verwendete Kohle ist Feingries. Der Kohlenverbrauch beträgt 50 bis 55 % des Ausbringens. Vor den fast allgemein in einer geraden Linie angeordneten Oefen befindet sich die Gufsgrube, über welche die Gufs- pfanne mittels Dampfhaspeln und einer Kette hin und her bewegt wird. Die genaue Einstellung erfolgt von Hand aus über der Coquillenmündung. Es werden nie Blöcke unter 1000 kg gegossen, da alle englischen Martinwerke grofse Blockstrafsen besitzen und nicht wie viele deutsche Hütten angewiesen sind, kleine Blöcke communicirend zu giefsen. Das Einheben der Coquillen in die Gufsgrube und das Herausheben der Blöcke aus denselben besorgen kräftige fahrbare Dampf- krähne. Die Baukosten eines 20-t-Ofens sammt den nöthigen Generatoren der Gasleitungen, der Esse, dem ent fallenden Antheil der Gufsgrube und der Gufspfanne betragen bei einer Anlage von mindestens 4 Oefen etwa 2500 £. Aus dem Angeführten geht hervor, dafs der basische Martinofen in England meistentheils dort an gewendet wird, wo der Thomasconverter am Platze wäre und die Thomashütten nicht genügend selbständig und modern entwickelt wurden. Bei den Processen mangelt aber in England vor allem die nothwendige technische Führung, die nur an einigen Orten in er forderlichem Mafse vorhanden ist, und ist dies haupt sächlich der Grund, dafs sich die beiden Processe in England nicht so entwickeln konnten, wie es mit Rücksicht auf die dortigen natürlichen Hülfsquellen an Erzen und vorhandenem Kapital zu erwarten wäre. Wenn jedoch die Verluste, welche die Engländer im Concurrenzkampf mit Deutschland und Belgien erleiden, sich immer steigern werden, wird man dort gezwungen sein, mit dem alten System zu brechen und die dortige Eisenindustrie auf Grundlage der basischen Stahl- processe zu organisiren. — In der Besprechung wendet sich Oberbergrath Prof. Franz Kupelwieser zunächst gegen die Bezeichnung des Martinprocesses als Siemens-Martin- procefs, da dieser Stahlprocefs lediglich von den Brüdern Martin erfunden wurde.* Weiters mifst er dem hohen Phosphorgehalt rücksichtlich des heifsen Chargenganges keine wesentliche Bedeutung zu; denn ein gröfserer Phosphorgehalt von 2 bis 3 % sei aller dings mafsgebend im Converter, wo der Verlauf des Processes in etwa 20 Minuten stattfindet, jedoch im Martinofen, wo sich der Procefs auf mehrere Stunden ausdehnt, sei ein gröfserer oder geringerer Phosphor gehalt ohne Bedeutung für die schliefsliche Temperatur des Bade» während des Chargenverlaufs. Es seien auch in Oesterreich mehr Martinwerke, die schon seit langer Zeit die Martinöfen mit 80 % Roheisen betreiben, so dafs gegenüber der bezüglichen Ofen- processe in England kein Unterschied besteht. Der Vortragende stimmt den Ansichten, dafs die Führung des Processes in unserer Heimath und in Eng land nicht voneinander abweiche, nicht zu, da seines Wissens in Oesterreich nirgends 70 bis 80% des Einsatzes der Martinöfen current auf 2 bis 3 % iges Phosphoreisen entfällt, weil man mit Ausnahme von Böhmen über ein derartiges Roheisen nicht verfüge und dort dasselbe im Thomasconverter verarbeite. I Der Vortragende giebt noch über die leichtere Tempe raturführung des Stahlbades in jenen Fällen, wo der | mittlere Phosphorgehalt über 1 % steigt, entsprechende 1 Aufklärungen und beantwortet sodann die seitens des | Generaldirectors Heyrowsky an ihn gerichtete An frage über das von der Admiralität untersuchte । Probematerial dahin, dafs die Proben mit Martin- und Thomasmaterial durchgeführt wurden und, wie schon | während des Vortrages erwähnt, sehr zufrieden- । stellende Resultate ergeben haben. * Die Redaction gestattet sich hierzu die Be- | merkung, dafs die beiden Martin erst dann Erfolge verzeichnen konnten, nachdem sie sich entschlossen hatten, die epochemachende Erfindung der Regenerativ feuerung von Friedr, und William Siemens auch j bei ihren Versuchen in Anwendung zu bringen, dafs daher ihres Erachtens der Procefs seitdem auch viel fach beider Erfinder Namen mit Recht trägt. (Siehe auch „Gemeinfafsliche Darstellung des Eisenhütten- , wesens“ Seite 40.)