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514 Stahl und Eisen. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. 1. Juli 1896. und der Ausstellung für Elektrotechnik, sowie einiger gewerblicher Anlagen, darunter die Maschinenfabrik von G. Kuhn, statt; am Abend wurde Vorstand und Vorstandsrath vom König in huldvollster Weise empfangen. Die am 9. Juni wiedereröffnete Sitzung war der Erledigung des geschäftlichen Theiles und den ver ! Ingenieure mit Zweifeln erfüllten, bis endlich durch die Erfahrungen des modernen Dampfmaschinenbaues das allgemein beachtet und als zutreffend an erkannt wurde, was Watt schon 100 Jahre früher als eine der Grundbedingungen für den wirthschaftliehen Werth seiner Maschinen aufgestellt und selbst an gewendet hatte. schiedenen Anträgen gewidmet. Zum Vorsitzenden stellvertreter werden für 1897/98 Director Rieppel- Nürnberg, als Beisitzer Director Tie mann-Dortmund und Prof. S c h ö 111 e r - Braunschweig gewählt. Ver sammlung billigt sodann nach einigem Widerspruch das vorgeschlagene gemeinsame Vorgehen mit dem „Verein deutscher Eisen- und Stahlindustrieller“ bezw. dem „Verein deutscher Eisenhüttenleute“, um vor der technischen Hochschule in Charlottenburg die Auf stellung von Denkmälern für W. Siemens und Alfred Krupp auszuführen. Die Grashof-Denkmünze wird an Kraufs-München und Geh. Regierungsrath Wöhler- Hannover verliehen. Ueber die Einführung des metri schen Gewindes berichtet C. M e h - 1 er - Aachen, dafs im Auslande eine Zunahme in der Einführung des metrischen Mafs- und Gewichts systems festzustellen sei, dafs die Kundgebungen für ein internatio nales metrisches Gewindesystem sich mehre und dafs die Ver handlungen zur Anbahnung eines solchen im Fortgang begriffen seien. Der Antrag des Frankfurter Bezirksvereins, betr. die Frage der Gesundheitsschädlichkeit des Kohlenrauchs, wird abgelehnt; der Antrag des Siegener Bezirksver eins, betr. das Rosten von Schweifs- und Flufseisen,* wird, ohne dafs die Versammlung Stellung zu der demselben zu Grunde gelegten Vor aussetzung nimmt, an die Bezirks vereine verwiesen. Die nächste Hauptversammlung soll in Cassel stattfinden. Der dritte Sitzungstag wurde durch einen trefflichen Vortrag von Prof. Ad. Ernst über: Gegen Ende des Vortrags streift Prof. Ernst auch die überraschend vielseitige und stets schöpferisch Neues schaffende Thätigkeit Watts auf Gebieten, die aufserhalb seiner Hauptlebensaufgabe lagen. Hier ist von besonderem Interesse der Nachweis für die scheinbar ganz in Vergessenheit gerathene Thatsache, dafs unser einheitliches Mafs- und Gewichtssystem den Anregungen Watts entsprungen ist, als er für seine wissenschaftlichen Arbeiten und für den Vergleich der in verschiedenen Ländern angestellten physikalischen und chemischen Versuche das Bedürfnifs empfand, ein internationales System zu vereinbaren. Die persönlichen Beziehungen zu französischen Gelehrten verschafften seinen Gedanken zunächst Eingang in Frankreich, und der im Jahre 1790 von der Nationalversamm lung zu Paris gefafste Beschlufs über das neue bürgerliche Mafs- und Gewichtssystem deckt sich vollkommen mit den Wattschen Vorschlägen, die er schon im Jahre 1783 englischen Gelehrten und den Franzosen De Luc und La Place übermittelt hatte. Nach einem Rückblick auf die ergänzenden Arbeiten, mit denen Watt seine Dampfmaschine auch hinsichtlich der erforderlichen Mefsinstrumente vollständig aus stattete, indem er sie mit Mano meter und Vacuummeter, mit In- dicator und selbst registrirendem Hubzähler ausrüstete, schliefst der Redner mit dem Hinweis, wie nach zeitweisen Stillstandsperio den in der Weiterentwicklung der Aufschwung des modernen Dampf maschinenbaues mit der Rück kehr zum wissenschaftlichen For James Watt. Nach einem von Prof. Ernst in der Versammlung vertheilten Bildnifs. James Watt und die Grundlagen des modernen Dampfmaschinenbaues. Redner stützt sich auf sein umfassendes Studium der englischen Quellen aus der Wattschen Zeit, die bisher in Deutschland nur wenig durchforscht zu sein scheinen, und entwickelt aus diesen, an Hand der zahlreichen im Saale aufgehängten Zeichnungen von Versuchsapparaten und vollständigen Maschinen aus der Zeit 1764 bis 1800, die Erfindung und fortschreitende Vervollkommnung der Wattschen Niederdruckdampf maschine mit ihrem wichtigsten Zubehör, dem Conden- sator, von der einfach wirkenden Dampfpumpe bis zur doppelt wirkenden Maschine mit Expansions steuerung, Schwungrad und Regulator für allgemeine Betriebszwecke. Von Anfang an bauen sich die Watt schen Erfindungen auf planmäfsig und streng wissen schaftlich durchgeführte Forschungsversuche. Aus den Patentschriften und aus dem Wattschen Brief wechsel folgt, dafs der Schöpfer des weltumgestaltenden Cuiturmittels auf diesem Wege schon durch seine ersten grundlegenden Untersuchungen über die Vor gänge in der älteren Newcomenschen Maschine so tief in die thermodynamischen Erscheinungen eindrang, um mit Sicherheit äufserst verwickelte Fragen, wie z. B. den Werth des Dampfmantels für den Arbeits- cylinder, zu entscheiden, die noch Generationen späterer * Vergl. „Stahl und Eisen“ Seite 365 d. J. schungsversuch im Wattschen Geiste und mit den von ihm selbst hierzu gebotenen Hülfsmitteln zu sammenfällt. Nichts könne die Berechtigung der Be strebungen des „Vereins deutscher Ingenieure“, dem technisch - wissenschaftlichen Versuch in der Aus bildung der jungen Ingenieure an unseren technischen Hochschulen durch Ingenieur-Laboratorien eine be fruchtende Pflegstätte zu sichern, deutlicher veran schaulichen, als der geschichtliche Rückblick auf das, was unter dem Einflufs einseitiger abstracter Forschung für die Erkenntnifs der thatsächlichen Vorgänge un entwickelt blieb und was andererseits durch Watt und später durch die Wiederaufnahme der wissenschaft lichen Prüfungsversuche geschaffen und kräftig weiter gefördert wurde. Die Geschichte der Dampfmaschine liefert den Beweis, dafs die Vernachlässigung der ex perimentellen Untersuchung nicht nur den Fortschritt hemmt, sondern auch die Gefahr von Rückschritten in sich schliefst, wie sie der häufige Verzicht auf den Dampfmantel, der theoretische Federkrieg um seinen Werth in Fachzeitschriften, die vollständig zweck widrige Verwendung von Abdampf zum Heizen der Cylinder und die Vernachlässigung des unentbehrlichen Indicatorgebrauchs während eines mehr als sechzig jährigen Zeitraums nach dem Abschlufs der Wattschen Arbeiten bekunden. Da es gleichzeitig an einem gründ lichen Quellenstudium fehlte, das über lange Zeit streitige Fragen leichten Aufschlufs hätte geben können, gingen kostbare Erfahrungen und Versuchsergebnisse