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Zur Versicherungspflicht der „Techniker“. Zeichner, Techniker und Ingenieure, welche eine gewisse Vorbildung erlangt haben, sind dem Arbeiter-Versicherungs-Gesetz nicht unterworfen. Seitdem das Gesetz, betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung, vom 22. Juni 1889 in Kraft getreten, hatte ich für alle auf meinem technischen Bureau Beschäftigten Marken ein- geklebt, bis dieselben ein Jahresgehalt von 2000 •/6 bezogen; die Hälfte des jeweiligen Markenwerthes erstatteten mir die Angestellten. Im Laufe des vorigen Herbstes überstiegen die Einnahmen zweier meiner Herren die Jahres einnahme von 2000 el und wurden für die selben Marken nicht mehr eingeklebt. Bei einer im December 1895 vorgenommenen Revision der Quittungskarten meiner Angestellten bemängelte der Inspector der Invaliditäts- und Altersversicherungs-Anstalt Hannover diese Unter lassung und führte aus, dafs die bei mir An gestellten weder als Betriebs beamte noch als Handlungsgehülfen anzusehen seien und dafs deshalb auf sie der Absatz 2 des S 1 des Gesetzes vom 22. Juni 1889 Anwendung nicht linde. Ich wurde hiergegen am 23. December 1895 auf Grund des § 122 des Gesetzes vom 22. Juni 1889 bei der unteren Verwaltungs behörde, in diesem Falle deshalb bei dem Magistrat der Stadt Osnabrück, vorstellig, und führte aus, dafs die bei mir Beschäftigten als „Gehülfen" anzusehen seien, und dafs ihnen der beschränkende Zusatz zu S 1 Absatz 2 des Gesetzes vom 22. Juni 1889 zu gute kommen müsse, sobald dieselben eine Jahreseinnahme von 2000 •6 hätten. Der Magistrat erklärte unter dem 6. Januar 1890 Folgendes: »Im § 1 Nr. 1 sind für versicherungspflichtig »erklärt Arbeiter, Gesellen, Gehülfen u. s. w., »ohne dafs wegen des Lohnes oder Gehalts ein »Zusatz gemacht wäre; im S 1 Nr. 2 sind für „versicherungspflichtig erklärt Betriebsbeamte und »Handlungsgehülfen, deren regelmäfsiger Jahres- „arbeitsverdienst2000./6 nicht übersteigt. Darnach „sind Betriebsbeamte und Handlungsgehülfen, so- „weit sie nicht mehr als 2000 • verdienen, den „Arbeitern und Gehülfen gleichgestellt. Es wird „also im Gesetz angenommen, dafs Arbeiter und „Gehülfen nicht mehr wie 2000 6 verdienen, „oder anders, dafs Personen, welche mehr als ,2000 •6 an Lohn oder Gehalt bekommen, ,keine Arbeiter, Gesellen und Gehülfen mehr sind. „Das Gesetz will nur diejenigen für ver- „ sicherungspflichtig erklären, welche weniger als „2000 46 an Lohn oder Gehalt erhalten. Lassen »sich nun, wie im vorliegenden Falle, Personen, »welche über 2000 •6 verdienen, weder als „Betriebsbeamte oder Handlungsgehülfen noch als »anderweitig von der Versicherungspflicht Befreite »bezeichnen und greift man deshalb nothgedrungen „auf den allgemeinen Ausdruck »Gehülfen«, so „darf deshalb noch nicht die Folgerung gezogen „werden, dafs dieselben, weil das Wort „Gehülfe" „unter § 1 Nr. 1 steht, unter allen Umständen „ versicherungspflichtig seien. „Die genannten Techniker sind nach »dem Sinn und Willen des Gesetzes vom ,22. Juni 1889 für nicht versicherungs- „pflichtig zu erklären.“ Hiergegen erhob der Vorstand der Invaliditäts- und Altersversicherungs-Anstalt Hannover am 4. Februar 1896 Beschwerde bei der Regierung in Osnabrück. Diese fragte am 19. Februar 1896 nach der Ausbildung und Beschäftigung der bei mir An gestellten. In meiner Beantwortung dieser Verfügung führte ich mm am 27. Februar 1896 aus, dafs die bei mir Beschäftigten auf Grund des Theils IV derAusfdhrungsverordnungen vom 31. October 1890, betreffend den Kreis der nach dem Invaliditäts- und Altersversicherungs- Gesetz versicherten Personen, überhaupt nicht zu den zu versichernden Personen ge hörten, für dieselben also überhaupt nicht ge klebt zu werden brauche, gleichgültig, ob die selben weniger oder mehr als 2000 •6 Jahres einnahme hätten. Der betreffende Theil des Absatzes IV dieser Verordnungen lautet: * „Diejenigen Personen dagegen, welche nicht „mit ausführenden Arbeiten vorwiegend materieller „Art, sondern mit einer ihrer Natur nach höheren, „mehr geistigen (wissenschaftlichen, künstlerischen ,u. s. w.) Thätigkeit beschäftigt werden, und „durch ihre sociale Stellung über den Personen- „kreis sich erheben, der nach dem gewöhnlichen »Sprachgebrauch und vom Standpunkt wirth- „schaftlicher Auffassung dem Arbeiter- und niederen „ Betriebsbeamtenstande angehört, unterliegen nicht „der Versicherungspflicht." Der Entscheid der Regierung vom 8. März 1896 lautete: „Die Beschwerde des Vorstandes vom 4. v. M. »gegen den Bescheid des hiesigen Magistrats vom „6. Januar d. J., betreffend die Versicherungspflicht „der beim Ingenieur Fritz W. Lürmann hier „beschäftigten Techniker Heinrich Schiffer und „Arno Huth, ist für begründet nicht zu erachten.“ * Götze, Taschenkalender zum Gebrauch bei Handhabung der Arbeiter-Versicherungsgesetze 1896, Theil II, Seite 114.