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48 Nr. 1. „STAHL UND EISEN.“ Juli 1881. Diese Maschine dient zum Betrieb eines Schienen walzwerkes und macht 90 bis 100 Umdrehungen pro Minute. Diese letztere Maschine mag nur erwähnt werden, um daran die Mittheilung zu knüpfen, dass sich die im Uebrigen ganz gleiche Construction auch bei bedeutend grösserer Kolbengeschwindigkeit und grösserer Umdrehungszahl durchaus bewährt hat. Kleinere Walzenzugmaschinen von 0,785 m und 0,700 m Diam. des Dampfcylinders sind bereits in grösserer Zahl ausgeführt und an Luppen-, Grob-, Fein- und Drahtwalzwerken in bewährtem Betrieb. Die gedrungene und solide Construction der Ma schine geht aus der Zeichnung genugsam hervor und bedarf wohl keiner weiteren Beschreibung, es mag darauf noch aufmerksam gemacht werden, dass die Mittellinie der Maschine der Auflagerungsfläche des Cylinders möglichst nahe gebracht und dadurch eine möglichst kräftige Verbindung der Schwungradwelle mit dem Dampfeylinder erreicht worden ist. Dagegen mögen der angewandten Steuerung einige Worte gewidmet werden. Bis vor kurzem alle Dampf maschinen, namentlich aber Walzenzugmaschinen, mit Vorliebe nur mit Schiebersteuerung ausrüstend, habe ich nach langer Ueberlegung die Ventilsteuerung erst dann angewandt, nachdem es gelungen war, den Präcisionsmechanismus für dieselbe in die einfachste Form zu bringen, bei welcher sowohl die Beeinflussung durch den Wärter von Hand als durch den Regulator möglich war. Die Gründe, welche mich veranlasst haben, den Ventilen gegenüber den früher angewandten Schieber den Vorzug zu geben, sind die leichte Ver stellung des Füllungsgrades und die Erreichung grosser, der Geschwindigkeit der Maschine entsprechender Dampfkanäle bei verhältnissmässig geringerem, schäd lichem Raum. Letzterer kommt namentlich dann in Betracht, wenn die Maschine gleichzeitig Condensations- Vorrichtung erhält. Die Anordnung der Ventile ist die in neuer Zeit vielfach verbreitete, nach welcher die Einlassventile auf dem Gylinder, die Auslassventile unter demselben angebracht sind. Bei den Ausblaseventilen liegen die Ausblasekanäle zum Theil in den unteren Deckeln, wodurch ein bequemes Aufdichten der Ventilsitze und leichte Zugänglichkeit der Ventile gesichert ist. Der Steuerungsmechanismus ist auf der, mit der Längen richtung der Maschine parallel liegenden, mittelst zweier conischen Räder von der Schwungradwelle an getriebenen Steuerwelle angebracht. Darauf befindet sich für jedes Einlassventil das Excentrik B, dessen Ring vermittelst eines daran befindlichen Armes und der Charnierstange D an den festen Punkt E ange- schlossen ist. Bei F ist ein mit gehärtetem Stahl garnirter Daumen angebracht, der auf ein in der gabelförmigen Zugstange angebrachtes glashartes Stahl stück G einwirken kann. Wird die Welle A in Umdrehung gesetzt, so nimmt der Excenterring eine pendelnde, zugleich auf- und ab wärts gehende Bewegung an; jeder Punkt des Dau mens E bewegt sich also sowohl vertical als horizon tal, wobei die angreifende Fläche innerhalb gewisser Grenzen fast parallel mit der Angriffsfläche G der Ventilzugstange bleibt. Der Daumen wird also die Ventilzugstange in Be wegung setzen, allmählich an der Angriffsfläche ab gleiten und dieselbe nach einer bestimmten Zeitdauer loslassen, worauf dieselbe durch eine Feder in ihre Anfangslage zurückgeschnellt wird. Diese Bewegung der Ventilzugstange ist auf das Einlassventil über tragen. Die Dauer der Einwirkung des Daumens auf die Ventilzugstange hängt ab von der Entfernung der Ventilzugstange G von dem Daumen F. Ist die Zug stange dem Daumen näher, so ist die Einwirkung eine längere, ist dagegen die Entfernung eine grössere, so ist die Einwirkung eine kürzere. Es ist klar, dass dem entsprechend das Einlassventil der Maschine eine längere oder kürzere Zeit geöffnet bleibt, der Expan sionsgrad der Maschine mithin abhängig ist von der Lage der Ventilzugstange G. Mittelst des Hebels II und des Gharnierstücks J stellt der Regulator die Ven tilzugstange G ein und hält sie in ihrer relativen Lage fest. Die schematische Darstellung des Steuerungsme- chanismus stellt diesen ganzen Vorgang in deutlicher Weise dar. Der Endpunkt des Daumens F bewegt sich in einer ellipsenförmigen Kurve, deren geneigte Lage gegen die Ventilzugstange eine glückliche ge nannt zu werden verdient. Der äusserste Punkt des Daumens F bildet mit dem Mittelpunkt des Excentriks und dem Gharnier- punkt K ein rechtwinkliges Dreieck, welches sich mit dem Scheitel seines rechten Winkels in dem Kurbel kreise des Excentriks bewegt. Es erhellt daraus so fort, dass der Daumen F einen bedeutend grösseren Hub macht, als der Excentricität entspricht, und dass namentlich dieser Hub gleich nach Aufschlagen des Daumens auf das Angriffsstück in der Ventilzugstange sehr rasch zunimmt. Es wird also bei einer verhält nissmässig kleinen Excentricität der Daumen mit ge ringer Geschwindigkeit aufschlagen, alsdann aber ein rasches Oeffnen des Ventils stattfinden, wobei selbst bei ganz kleinen Füllungen eine hinreichende Hubhöhe des Ventils erreicht und dieser Hub bis zur Maximal füllung nicht mehr verkleinert wird. Die Breite der Aufschlagflächen ist selbst bei kleinen Füllungen noch hinreichend gross, nimmt aber bei grösseren Füllungen ganz bedeutend zu, wodurch ein sicherer Angriff und ein geringer Verschleiss der Angriffsflächen gesichert ist. Die Füllungsgrade liegen zwischen 0 und 0,8; Füllungen über 0,8 sind zwecklos. Die Belastung des Regulators ist fast gleich Null, daher seine Wirkung eine äusserst empfindliche. Der selbe wird höchstens beeinflusst durch die geringe Reibung des Daumens auf der Angriffsfläche der Ven tilzugstange, es wird jedoch dieser Einwirkung durch eine Oelbremse kräftig entgegengewirkt. Durch Verlängerung oder Verkürzung der Charnier- stange 1) kann die Voreilung innerhalb kleiner Grenzen verstellt und corrigirt werden, ohne dass ein Ver stellen des Excentriks nothwendig ist.