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unterstützen, zeigte jedoch, dass der Reichskanzler die Frage sehr ernst erfasste, dass er die Handels interessen Deutschlands in der Südsee für be deutend genug, die localen und politischen Ver hältnisse für geeignet erachtete, um in jenen Regionen das zu erhalten und zu unterstützen, was deutscher Unternehmungsgeist mit grossen Mühen und bedeutendem Kapitalaufwande ge schallen halte. Der weitblickende Kanzler wollte wohl auch einen Anhaltspunkt für weitere erfolg reiche Schritte auf dem Gebiete der Colonial- Politik gewinnen. Es handelte sich bei dieser Garantie um den für das Reich geringfügigen Betrag von jährlich höchstens •6 300 000; der deutschen Manchesterpartei gelang es aber, die Vorlage am 27. April 1880 zum Falle zu bringen. Es war vielleicht zu bedauern, dass der erste Versuch, dem deutschen Handel unter der Auf sicht und Mitwirkung des Reiches eine weitere Balin zu eröffnen, in die Form der Unterstützung einer Privatgesellschaft gekleidet wurde. Konnte doch gegen diese Form das beliebte Schlagwort »Sonderinteressen« ausserordentlich erfolgreich in den Kampf geführt werden. In Deutschland wird eben, ganz im Gegensätze zu unseren für ihre wirthschaftlichen Interessen so ausserordentlich verständnissvollen westlichen Nachbarn, jede wirth- schaftliche Reform, die nicht gleichzeitig und gleichmässig der Gesammtheit zu Gute kommt, von einer gewissen Klasse von Nationalökonomen als unberechtigte Begünstigung von Sonderinteressen abgethan. Dass solche generelle Massregeln nur in den seltensten Fällen möglich sind, dass da gegen die Hebung und Förderung einzelner Fac- toren unseres wirthschaftlichen Lebens leichter durchzuführen ist, dass diese dann befruchtend auf andere weile Kreise wirken und dass somit auch der Gesammtheit wirksam gedient wird, das vermögen unsere Helden des Principes nicht zu erfassen. Sonderinteressen waren es, die sie in der Samoavorlage erblickten, daher musste dieselbe fallen; dass damit den deutschen Inter essen im fernen Auslande erheblicher Abbruch gethan wurde, bewegte sic nicht, denn andere Befriedigung brauchen sie nicht, als den selbst- geschaffenen Nimbus unentwegter Gesinnungs tüchtigkeit, die stolz an den ewig wechselnden Dingen und Verhältnissen vorübergeht. Die Folge dieses, von der öffentlichen Meinung mit lebhaftem Bedauern, ja mit Groll aufge- nommenen parlamentarischen Misserfolges war, dass der Kanzler seitdem keine weiteren Versuche gemacht hat, auf diesem Wege dem deutschen Ausfuhrhandel die Bahn zu ebnen, dass er seitdem auch der, ähnliche Ziele verfolgenden Thätigkeit freier Vereine gegenüber eine strenge Zurück haltung beobachtet bat. Einen grossen Theil seiner Zeit hat der Reichs tag wiederholt für Abänderungen der Gewerbe ordnung verwendet. Das Verhältniss zwischen I Lehrherrn und Lehrling und zwischen Arbeitgebern und Arbeitern kam dabei in erster Reihe in Betracht. Unablässig thätig waren aber auch die Kräfte, welche die Hauptgrundlage der neueren Gewerbegesetzgebung, die Gewerbefreiheit, ein schränken , oder beseitigen und dieselbe durch Rückkehr zu den lange als abgestorben betrach teten Formen früherer Zeiten ersetzen wollten. Diese Ziele sind bisher nicht erreicht, die Gewerbe freiheit ist unangetastet geblieben, was jedoch nicht verhindert hat, die thatsächlichen Mängel der Gewerbeordnung zu beseitigen, praktischere Bestimmungen an deren Stelle zu setzen und für das immer mehr vom Grossbetriebe und Handel zurückgedrängte Kleingewerbe Formen zu schallen, in denen durch korporative Neubildungen dem Reste des Handwerkes wieder ein grösserer Halt und vermehrte Widerstandskraft gegeben werden soll. Die Novelle zur Gewerbeordnung vom 17. Juli 1878 hatte in erster Reihe den Zweck, das durch die neuere Gestaltung der productiven Thätigkeit, durch die Bedeutung, welche der „jugendliche Arbeiter“ beim Maschinenbetriebe gewonnen hat, ferner durch die fortschreitende Theilung der Arbeit gelockerte Lehrlingsverhältniss wieder in eine festere Form zu bringen, durch schärfere Bestimmungen für den Lehrherrn wie für den Lehrling wieder einer besseren Zucht den Weg zu bahnen. Dieses Streben erstreckte sich auch auf die Fabrikarbeiter. Kinder unter 12 Jahren in Fabriken zu beschäftigen wurde gänzlich ver boten, und die Bestimmungen für die Verwendung jugendlicher Arbeiter wurden verschärft. Zur Be aufsichtigung der Fabrikbetriebe in Bezug auf die Befolgung der Bestimmungen der Gewerbeordnung wurde das Institut der Fabrikinspectoren geschaffen. Die Führung von Arbeitsbüchern wurde für Per sonen unter 21 Jahren obligatorisch, für solche, die diese Altersgrenze überschritten haben, facul- tativ gemacht. Ohne den Forderungen nachzu geben, welche den Gontraetbruch criminell bestrafen wollten, wurde der Versuch gemacht, denselben durch die Aussicht auf civilrechtliche Verfolgung zu bekämpfen. Das Gesetz vom 23. Juli 1878 machte einer seits den Betrieb gewisser Gewerbe wieder von einer zu ertheilenden obrigkeitlichen Concession abhängig und erweiterte andererseits die in dieser Richtung bereits bestehenden Befugnisse der Ver waltungsbehörden. Anträge auf Reorganisation der Innungen gerichtet, die stets von äusserst zahlreichen Peti tionen aus den Kreisen der Handwerker unter stützt waren, wiederholten sich während der letzten Sessionen regelmässig und veranlassten die Regierung einen Gesetzentwurf bezüglich des Innungswesens dein Reichstage in seiner letzten Session vorzulegen. Diese Vorlage, welche den Zweck halte den Gedanken der Genossenschaft in eine, dem Handwerk näher liegende, bekanntere