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lo Nr. 1. „STAHL UND EISEN.“ Juli 1881. Bevor die Gruppen-Sectionen in die Durchberathung der ihr gestellten Aufgaben • eintraten, einigte sich die Gesammt- Commission ferner über die allgemeinen Gesichts punkte, von denen man bei Beurtheilung der einschlägigen Fragen ausgehen wollte. Als erste Bedingung für die vorzuschlagende Materialprüfung wurde festgestellt, dass durch die anzustellenden Proben die Ueberzeugung gewonnen werden kann, dass das Material alle diejenigen Eigenschaften besitzt, welche für die vorgesehene Verwendung erforderlich sind, dass dagegen Proben, welche über dieses nöthige Mass hinausgehen, sowie besonders solche, welche an der äussersten Grenze des Erreichbaren liegen, als widerstreitend sowohl mit den Interessen der Producenten als der Consumenten zu verwerfen sind. Die Zerreissproben anlangend, wurde beschlossen, dass dieselben überall die ge bührende Berücksichtigung finden sollten. Bei Constructions- Material, Blechen, Trä gern etc., überhaupt bei allen denjenigen Fabricaten, welche einer Beanspruchung aus gesetzt sind, die einer ruhigen Belastung gleichkommt, soll denselben für die Beurtheilung des Materials derselbe Werth beigemessen werden, wie den Biege- und Belastungsproben mit ganzen oder abgetrennten Probestücken; jedoch hält es die Commission für nöthig, auf den Werth der Biegeversuche, z. B. für Bleche, als einer Materialprobe, welche der Beanspruchung des Fabricats in der Praxis ganz besonders entspricht, und durch welche neben der, durch die Zerreissproben ermittelten Dehnung auch die Compression des Materials nachzuweisen ist, ausdrücklich hinzuweisen. Bei denjenigen Fabricaten, bei deren Verwendung Stosswirkungen in Betracht kommen, sollen in erster Linie Schlag proben mit ganzen Gebrauchsstücken empfohlen werden. Dieselben geben nach An sicht der Commission für die Beurtheilung des Materials zu solchen Verwendungszwecken einen bei weitem sicherem Anhalt als die Zerreissproben, durch welche die Folgen der Stosswirkung nicht veranschaulicht werden können. Die Zähigkeit des Materials kann durch Schlag- und Biegeproben, die Härte und Widerstandsfähigkeit durch Schlag- und Belastungsproben weitaus sicherer geprüft werden, als durch Zerreissproben mit Stäben von so geringem Querschnitt, dass der kleinste Fehler im Material, der sonst die Brauchbarkeit des Stückes in keiner Weise beeinträch tigen würde, oder der geringste Fehler bei der Bearbeitung des Versuchsstückes einen wesentlichen Einfluss auf das Resultat ausübt. Wir befinden uns mit dieser Ansicht allerdings in vollkommenem Widerspruche mit der des Herrn Prof. Bauschinger, der sich auch hierüber bei dem vorhin erwähnten Vortrage in München ausgesprochen hat. Auf Seite 5 des Berichtes über diesen Vortrag steht über die Schlag-, Biege- und Belastungs proben Folgendes geschrieben: „Diese Proben bestehen in Biegungsversuchen bei Axen und Schienen, die aber in verhältniss- mässig seltenen Fällen mit ruhender Druckbelastung angestellt werden, am häufigsten werden bei obigen Betriebsstücken und namentlich bei Bandagen sogenannte Schlagproben angewandt. Nun, m. H., mit diesen Schlagproben hat es aber eine ganz betrübliche Bewandtniss. Es ist mir geradezu unbegreiflich, wie es noch Lieferungsbedingungen geben kann (und sie sind noch täglich zu lesen), in denen einfach gesagt ist, die Achse oder Bandage habe so und so viel Schläge mit einem so und so schweren Fallhammer auszuhalten und sich höchstens so und so weit durchzubiegen u. s. w.; aber kein Wort davon, auf was die Achse oder Bandage dabei aufzuruhen oder aufzustehen habe, und doch kommt darauf Alles an. Ich kann ja dieselbe Achse mit einem und demselben Fall hammer, der von derselben Höhe herabfällt, mit einem Schlage zertrümmern, während sie unter anderen Umständen, auf elastischen Unterlagen ruhend, Hunderte von solchen Schlägen aushält, ohne zu brechen. Wenn so grosse Unterschiede bei einer Versuchsmethode möglich sind, so ist sie zu verwerfen. Ein Beispiel aus der Praxis wird dieses Urtheil bestätigen: Es handelte sich um die Prüfung von Ban dagen mittelst Schlagproben. Diese Prüfungen wurden wie gewöhnlich auf dem Werke selbst vorge nommen, das die Bandagen erzeugt hatte und mit dessen Lieferungen man bisher ausserordentlich zu frieden war. Die Probe beginnt: Die erste Bandage springt auf den ersten Schlag, die zweite ebenso, die dritte .auch. Alles staunt, man begreift nicht, dass das Material auf einmal so schlecht geworden sein solle. Endlich wird auf Veranlassung desjenigen, welcher die Lieferung zu übernehmen hat, der Boden, auf dem die Bandagen bei der Probe standen, näher untersucht, aufgegraben, und siehe, es fand sich unter der Oberfläche ein Stück einer früher gesprungenen Bandage, auf welches nun die übrigen zu stehen gekommen waren. Nachdem dasselbe beseitigt und der Boden wieder elastisch gemacht worden war, hielten die folgenden Bandagen die Probe vollständig aus.“ Wenn derartige Beispiele als Kriterien für den Weith der Schlagproben hingestellt werden, dann wird es uns ausserordentlich leicht werden, unsere Ansicht zu vertheidigen. Selbstverständlich