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8 Nr. 1. „STAHL UND EISEN.“ Juli 1881. es im Grossen und Ganzen für praktische Zwecke sicher gleichgültig ist, welche Querschnittsform man den Versuchsstücken gibt.“ Ich glaube behaupten zu dürfen, dass durch die Versuche unserer Blechcommission der Nach weis geliefert ist, dass diese Ansicht des Herrn Professors irrig ist, und bin, wie schon gesagt, überzeugt, dass bei weiterer Verfolgung dieses Gegenstandes ein bestimmtes Gesetz gefunden werden wird. Durch solche Beobachtungen ist es jedenfalls nur zu erklären, dass schon kurze Zeit nach Aufstellung der Normal-Lieferungsbedingungen in Salzburg nur noch wenige Bahnen nach diesen Bedingungen ihre Submissionen ausschrieben. Die einen suchten ihr Heil in willkürlicher Verschärfung der Zerreissproben, die anderen behielten die in Salzburg beschlossenen Proben bei, griffen aber, um grössere Sicherheit zu erlangen, ausserdem auf die alten Schlag- und Biegeproben zurück, und noch andere ver schärften beides, um sicher zu gehen, und haben wir somit schon heute wieder mit einer Musterkarte von Lieferungsbedingungen zu rechnen, wie sie bunter nie gewesen ist und welche sich nur durch ihre ganz exorbitanten Anforderungen, die ausserdem oft im schroffsten Widerspruch zu einander stehen, von den früher üblichen Bedin gungen unterscheiden. Eine anerkannte Autorität auf dem Gebiete der Materialproben, Herr C. P. Sand berg, äussert sich in dem Meeting des American Institute of Mining Engineers über das in Deutschland beliebte Abnahme-Verfahren für Schienen wie folgt: „Es scheint, dass seit der Verwendung von Stahlschienen die Prüfungsvorschriften in übertriebener Weise verschärft sind, und zwar legt man in Amerika zu viel Gewicht auf die chemische Analyse, indem eine bestimmte chemische Zusammensetzung vor geschrieben wird, und in Deutschland auf Zerreissproben, wobei besonders der Quer- schnitts-Contraction ein zu hoher Werth beigemessen wird. Ich habe nie gezögert, meine Meinung dahingehend auszusprechen, dass beide Systeme unpraktisch sind, nicht allein ihrer Kostspieligkeit wegen, sondern auch weil die Bedingungen beinahe unmöglich innegehalten werden können. Und selbst wenn sie erfüllt werden, so bringen sie schliesslich doch keinen wirklichen Nutzen. Es ist natürlich, dass die Fisenbahnwelt von einem nervösen Gefühle beherrscht wird, welches sie veranlasst, durch Vorschreibung einer ausserordentlich scharfen, sowohl mechanischen als auch physischen und chemischen Prüfung die Qualität der Schienen gegen Verschlechterung zu schützen. Ich fürchte doch, dass Alles nicht viel nützen wird. Alle drei Arten von Proben habe ich ausgeführt und gefunden, dass nur die Fallprobe nothwendig und in jeder Beziehung genügend ist. Man kann sie leicht auf dem Werke anstellen, sobald die gewalzten Schienen kalt sind, so dass die Zurück weisung von grossen Quantitäten vermieden werden kann, weil die Fabrication von mangelhaftem Stahl unmittelbar nachgewiesen und durch zweckentsprechende Aenderungen beendet werden kann. Aus diesen Gründen sollte die Prüfung und Abnahme immer direct nach der Fabrication geschehen, damit der Fabricant sofort die nöthigen Anord nungen treffen kann, um die Ansammlung eines grösseren Quantums nicht bedingungs gemässer Schienen zu vermeiden.“ In ähnlicher Weise äusserte sich Herr Pollmeyer, Maschinenmeister der Cöln- Mindener Eisenbahn, in der Versammlung des Westfälischen Bezirks-Vereins deutscher Ingenieure am 19. 1880 über den Werth der Contraction für die Beurtheilung der Qualität von Eisen und Stahl. Durch zahlreich angestellte Versuche kommt er zu der Ueberzeugung, dass die Contraction, in Procenten des ursprünglichen Querschnitts fixirt, von zu vielen Zufälligkeiten abhängig ist, als dass man dieselbe der Werth- bestimmung eines Materials zu Grunde legen könnte. Er kommt dadurch zu dem Re sultate, dass die aus dem bisher üblichen Additions-Exempel (Bruch-Belastung — Con- traction) resultirende Zahl gar keinen oder doch nur sehr geringen Anhalt für die Be urtheilung der Qualität eines Materials bietet, und legt als Criterium für die Homoge nität des Materials bei weitem mehl' Werth auf regelmässige Dehnung bei entsprechen der Festigkeit. Diese wenigen, aber jedenfalls sehr beachtenswerthen Urtheile aus den Kreisen der Consumenten dürften im Zusammenhänge mit dein vorhin Erwähnten genügen, um die überaus unsichere Basis, auf welche die immer höher gespannten Qualitätsvor schriften der Eisenbahn-Verwaltungen aufgebaut sind, erkennen zu lassen. Die grossen Schäden, welche der Eisen - Industrie während der letzten Jahre aus diesen Vorschriften erwachsen sind, haben selbstverständlich in den weitesten Kreisen Beachtung gefunden und hat es der Verein deutscher Eisen - und Stahl - Industrieller