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anderes gehandelt, als um die Feststellung, ob die Er zählung des jungen Grafen von Doktor Odemars fluchtähnlicher Abreise auf Wahrheit beruhte oder nicht. Bei alledem war nichts gesprochen worden, was ihm in Wahrheit aber wohl aus einem anderen Grunde." „Und diesen anderen Grund — darf man ihn er fahren ?" „Oh, es ist ja am Ende nur eine Vermutung. Aber das Benehmen des Majors ist in den letzten in den Feinheiten dieses Spiels unterweisen zu lassen, daß es wohl begreiflich schien, wenn alle Welt von dem reizenden, alten Herrn entzückt war. Aber der Senator ich es unternommen habe, einen sehr dornigen Pfad zu gehen, und daß ich sehr dankbar bin für jede Unter stützung, die ich auf diesem Wege finde. Gerade die Ihrige würde mir von unschätzbarem Werte sein, und darum wage ich, aus Sie zu rechnen." „Sie wissen, daß ich um des guten Zweckes willen, den Sie verfolgen, mit Freuden zu allem bereit bin. Aber Sie müssen mir schon etwas deutliche» erklären, was Sie von mir erwarten." „Ich möchte Sie bitten, den Major Brandenfels scharf zu beobachten, während ich mit dem Senator spreche. Ich möchte den Anschein erwecken, als ob ich an dem Major nicht das mindeste Interesse nähme, in Wahrheit aber liegt mir außerordentlich viel daran, festzustellen, wie er die kleine Ueberraschung aufnimmt, die ich für ihn in Bereitschaft habe, vorausgesetzt, daß es wirklich eine Ueberraschung für ihn ist. Ihre scharfen Augen sollen das eben ergründen, und ich bin gewiß, daß sie es besser können, als die irgendeines anderen Menschen." „Ich werde Ihr Vertrauen zu rechtfertigen suchen," erwiderte die junge Amerikanerin, aber ihre Zustimmung hatte einen nicht gerade freudigen Klang. „Allerdings hoffe ich, daß es nicht Ihre Absicht ist, grausam gegen den armen Major zu sein. Ich würde es nicht gern sehen, daß ihm irgendein Leid widerführe. Denn er ist ein sehr sympathischer, liebenswürdiger Mensch, und ich glaube, daß er für keinen mißratenen Neffen eher alles andere als zärtliche Gefühle hegt. „Gewiß, er ist eine sehr sympathische Persönlichkeit, und ich beabsichtige durchaus nicht, ihm zu nahe zu treten," erwiderte der Freiherr in seiner ruhig verbind lichen Art, in der Stille seines Herzens aber machte er allerdings den kleinen Vorbehalt: „Es müßte denn sein, daß er es nicht besser verdient." Sie machten sich auf den Weg nach dem Billard zimmer wo sie in der Tat die beiden ganz in ihr Spiel vertieft fanden. Der Major war mit großer Zu vorkommenheit bemüht, den eifrigen Lehrmeister zu machen, und er hatte dabei eine so gewinnende Art, Tagen ein so sonderbares gewesen, und sein Verhältnis zu dem jungen Grafen erscheint in einem so eigentüm lichen Lichte, daß ich es durchaus begreiflich finden würde, wenn mein Onkel den lebhaften Wunsch hätte, etwas von den Geheimnissen zu ergründen, die sich möglicherweise hinter alledem verbergen." „Sie sind eine ausgezeichnete Beobachterin, Miß Trimmer, und ich bin fest überzeugt, daß Sie mit Ihrer Vermutung recht haben. Wie wäre es, wenn wir miteinander in das Billardzimmer gingen und dem Unterricht ein wenig zuschauten?" „Es würde wahrscheinlich sehr zweckmäßig sein, wenn Sie hingingen. Mich aber haben Sie dabei doch wohl nicht durchaus nötig?" „Ich würde im Gegenteil das allergrößte Gewicht auf Ihre Begleitung legen. Denn ich könnte meine Absicht ohne Ihre freundliche Hilfe wahrscheinlich gar nicht erreichen." „Ah, Sie scherzen, Herr Baron I Oder Sie wollen sich ein wenig über mich lustig machen." „Gewiß nicht. Und ich gebe Ihnen die Versicherung, daß ich gerade in diesem Augenblick ganz und gar nicht scherzhaft gestimmt bin. Mein Gesicht und wohl auch meine Worte mögen ja zuweilen den Anschein erwecken, als ob ich die Dinge sehr leicht nähme, und zumeist ist es geradezu mein Wunsch, diesen Eindruck hervorzu rufen. Bon Ihnen aber möchte ich doch nicht gern falsch beurteilt werden, und darum sage ich Ihnen, daß die Reiseidee der Komtesse erklärlich machte. Er konnte also nur annehmen, daß sie diese Idee schon vorher gefaßt hatte für den Fall, daß sie auch den Doktor in der Hauptstadt vermuten dürfe Warum aber sollte sie das getan und welchen Zweck sollte sie damit verfolgt haben? Sie war doch nicht in der Lage, ihm irgend einen Dienst zu leisten. Und sie gehörte sicherlich nicht zu jener Gattung verliebter Frauen, die einem davon- aelaufenen Liebhaber nachrennen, um ihn unter allen Umständen zurückzuholen. Auch hätte ihre Fahrt doch nur dann einen Sinn gehabt, wenn sie überzeugt gewesen wäre, die wahren Beweggründe für Odemars Flucht zu kennen. Nur dann würde ihr Stolz ihr gestattet haben, ihr nachzu reisen. Es waren lauter Ungewißheiten und Unklar heiten, in denen der Verstand des Freiherrn vergebens nach einem greifbaren Anhalt suchte, und das ganze Ergebnis seines Nachdenkens bestand darin, daß er jetzt mehr denn je geneigt war, den Besuch bei der jungen Gräfin Steinkirch lediglich für einen Vorwand zu halten, der ganz andere und bedeutsamere Absichten verschleiern sollte. „Sehr interessant," wiederholte er nach einer Pause, deren Länge ihm selber wohl kaum zum Bewußtsein gekommen war. „Aber nicht eben geeignet, uns über die wahre Beschaffenheit der Dinge aufzuklären. Leider können wir nicht viel tun, um solche Aufklärung her beizuführen. Wir müssen abwarten, ob Edith es für aut findet, uns nach ihrer Rückkehr mitzuteilen, ob sie irgendwelche besonderen Absichten verfolgte, und dürfen uns bis dahin über ihre Motive nicht allzusehr den Kopf zerbrechen. Wo ist der Herr Senator? Weil ich doch einmal hier bin, möchte ich nicht gern wieder fortgehen, ohne ihn begrüßt zu haben." „Mein Onkel ist mit dem Major Brandenfels im Billardzimmer — unter dem Vorwande, sich von ihm schien trotzdem schon etwas ermüdet, denn sowie er die beiden eintreten sah, beeilte er sich, sein Queue bei seite zu stellen und sie mit einem Seufzer der Er leichterung zu begrüßen. „Haben Sie sich mutig in die Höhle des Löwen gewagt?" fragte er, dem Freiherrn herzlich die Hand schüttelnd. „Ich freue mich aufrichtig. Sie zu sehen — wäre es auch nur im Interesse des armen Majors, der sich bis jetzt mit wahrem Heroismus geopfert hat, ohne doch allzuviel Freude an meiner Gelehrigkeit zu erleben." Der Major sah in Wahrheit recht erschöpft aus, aber es war schwerlich die Ungelehrigkeit seines Schülers gewesen, die eine so aufreibende Wirkung auf seine Nerven geübt hatte. Er hatte dem Freiherrn nur freundlich zugenickt und sich dann in einen der an der Wand stehenden Ledersessel niedergelassen — im Gegen satz zu seiner früheren Frische jetzt wirklich das rührende Bild eines hilflosen und gebrechlichen alten Mannes. Miß Trimmer lehnte sich an den Kamin, von wo aus sie sein Gesicht unauffällig beobachten konnte, während von Reckenburg dem Senator in leichtem Konver sationston erzählte, daß er froh wäre, wieder aus der Hauptstadt zurück zu sein, wo eine beinahe unerträg liche Hitze geherrsckt hätte. Der Amerikaner hatte sofort den Blick verstanden, den der andere ihm dabei zuge worfen, und mit dem Anschein der Ueberraschung sagte er, aus die kleine Komödie eingehend: „Ah, Sie sind in der Stadt gewesen? Die scheint ja augenblicklich eine ganz besondere Anziehungskraft zu besitzen, denn auch meine Enkelin ist heute früh dahin gefahren. Ich kann wohl annehmen, daß Sie nichts von ihr gesehen haben." (Forts, folgt.)