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jVlaren. Ein Geschehnis aus dem Seeleben. Bon Heinz E'Mouts. (Nachdruck verboten.) 1. Ueber der Nordsee lag ein blaffes Licht; blaß unt farblos, wie das der Laterne, die über der Tür zr Baas Haasens Heuerkontor hängt. Es fiel wie die Reflexe einer toten Sonne auf alle Gegen, stände, das Auge vermochte kaum zu erkennen, was wohl das Meer sein mochte. Es. sah aus, wie der blinde Spiegel unten in der Kajüte der »Vier Gebrüder". Das war ein kleiner Schuner. Dick und plump sah Ler in der Ruhe aus, mit seinen massige» Gliedern und seinen salzzerfressenen Planken. Aber wenn eine frische Brise stand und »Jan vom Moor" und alle die kleinen holländischen Kähne unter dichtgercfften Segeln lagen, da sand er seine richtige Schnelligkeit wieder, wie die Möwen, Lie der Wind erweckt. An dem Tage, da meine Geschichte einsetzt, standen die „Vier Gebrüder" auf der Höhe von Wangeroog, auf der Reise von Schweden nach Antwerpen begriffen. Langsam schaukelte das Fahrzeug in der leichten Dünung, fast ohne von der Stelle zu kommen, immer dieselbe Klage ausstoßend, die so eintönig klang, wie das Lied, das aus dem an Deck befindlichen Ausbau drang, der den Matrosen als Wohnung diente. Dort drinnen saßen um einen massigen Tisch vier junge Männer, und ihr Lied, das sie sangen, war bald wie das Stöhnen und Knarren der Läufer in den Blöcken und das Raunen des Windes in der Takelage, bald klang es wie das Rasseln von Marsschotenkettcn und das Brausen und Blasen des Windes. Man war schon bei der fünfzehnten Strophe angelangt, aber noch immer sangen die vier un entwegt weiter: Ein Lebewohl dem schönen Landleben, den jungen Mädchen, den vollen Flaschen, aber auch dem treu losen Heuerbaas, dem Landhai, der den Löwenanteil ander letzten Abrechnung in der Tasche hatte. Schließlich aber stellte der, welcher die Sänger auf der geliebten Harmonika begleitet hatte, sein Instrument bei- seite und meinte, nun sei es wohl genug. Nun wolle man mal ein vernünftiges Garn spinnen. Und nicht lange dauerte ks, da floß ihre Rede munter sort. Das hättet ihr mal hören sollen. Wo sie Hineingriffen in das Gewimmel ihrer Erinne- mngen, da gewann alles frisches Leben und plastische Form. Roh zwar und unfertig, wie ein Galwnsbild, das noch der vollendenden Hand des Meisters harrt, aber kräftig, massig und wahr; wie das Seevolk selbst, wie seine Sitten, seine Sprache. Sie wogen ihre Worte nicht nach Gramm und Milli gramm, wie Hein Blassen in Bremerhaven seinen schlechten Labak, wenn er ihn den Matrosen anschwindelte: derb und knochig polterten ihre Witze über den Tisch. Wie wenn svischerleule breitbeinig über ihr Stnrmdeck stampfen, in Oelzeug und Südwester und in schweren Stiefeln. Sie waren zuletzt auf einen zu sprechen gekommen, den sie Hinnerl nannten. „Ob hei wohl frieen ward, wenn wi no Hus hin kamt," sagte Jochen Blind, ein wahrer Hüne von Gestalt. „Hei is all 28 Johr un es ward Tid for em." „Hei mag keene mehr," lachte Jan Stirksen, der Halb- mann, „se sm'it em fick jo alle an den Hals un do het hei jum öwer kregen." „Du schienst jo all bannig klauk mit dine IS Johr," mißbilligte Karl Brekwold die Rede des Uebermütigen. „Du schallst man leiwer en beeten beeter oppassen, dat du endlich mol in dine seemännische Arbeit fast warst." „Kam an Deck, nehm de Seils weg," rief es in diesem Augenblick draußen. „Es givt ne stise Bris." Es war Jurgen Spilker, der Führer der „Vier Ge brüder". Da eilten die in dem Roof — so nennt man die Wohnung der Matrosen auf Segelschiffen — an Deck, dem heraufziehenden Unwetter zu wehren und alles überflüssige Luch zu bergen. Der Jager und der Buttenklüver klapperten und schlugen einen Augenblick, wie große Möwen, wenn sie vom Schuß getroffen aus der Lust herabsinken; dann rauschten sie klirrend an den Stagen nieder. Unter taktmäßigem Singen geite man die Fock und holte das dreieckige Toppsegel nieder. Dann ging Jan Stirksen, der Halbmann, hinaus auf den Klüverbaum, die Stngsegel zu beschlage», und die anderen stiegen in den Vortopv, um auch dorten die Arbeit des Segelbergens zu vollenden. Als dann alles fertig war, gingen sie wieder nach dem Roos. Es war ja Sonntag, und an solchen ruht alle nicht notwendige Arbeit an Bord. Vorerst aber sahen sie gewohnheitsmäßig hinaus auf die Wasser: mit spähendem Blick. Der war scharf, wie der der Sturmvögel und Möwen. Das Meer, die gewaltige Scheibe, war nun völlig jchwarz geworden. Weiße Streifen leuchteten darauf gar unheimlich, und es sah aus, wie eine ungeheure Schabracke. „Dat givt wat hüt nacht," sagte man. Und man sagte es ganz ruhig. Dann spann man das unterbrochene Garn weiter. Erst aber hatte man die im Laufe der Reise zu kurzen schwarzen Stummeln gewordenen Kalkpfeifen angezündet, und deren Rauch quoll in dünnen blauen Säulen in die Höhe, ballte sich über den Kopsen der Erzähler zu einer dichten Wolke, kroch träge in die Kojen, mit den geblümten Mssenbczügcn, sie mit einem durchdringenden Tabaksgeruche schwängernd. Der, welchen sie Hinnerk genannt hatten, ging während« idefsen mit großen Schritten bei d in Kompaß auf und nieder. Er war der Bestmann der „Bier Geländer", und Jürgen Spilker hatte ihm die Wache übertragen. Er hielt die buutgest'ickte Tellermütze in der Hand. Die frische Brise wühlte in seinem leicht gelockten Haar. „Hier bnttcn is dat doch am allericheunsten," sagte er vor sich hin nnd richtete den B'ick ins Weite. DaS war bis zum Horizont bereits ein einziges weißes Gewimmel, wie wenn Tausende vor» schneeigen Hengste«! m emer ungeheuren Arena sich dräust«^ «Fortfetzung lo!g>.) Kurze Inlands-Ll ronik. Bel Siegburg überschlug sich ein Automobll- omnibus und stürzte die Böschung hinab. Der Chauffeur und ein Passagier wurden getötet, mehrere andere Per sonen verletzt. Bei der Ueberfahrt einer Ueberführung in der Nähe der Station Kreuz wurde das Fuhrwerk des Besitzers Höft aus Drawitz-Mühle überfahren. Ein 2V-jähriger Knabe wurde getötet, der Besitzer und seine Frau schwer verletzt. In München sind drei schwere Fälle von spinaler Kinderlähmung ausgetreten. Einer davon ist tödlich ver lausen. «US aller Wett. Präsident Poin'car 6 hat seinen Besuch in Kopenhagen aufgegeben und kehrt, ebenso wie der Mi- > nister des Aeußern Viviani, aus schnellstem Wege nach ! Paris zurück. Eigenartig ist das Verhalten der deutschen So zialdemokratie. Der „Vorwärts", der noch vor wenig Tagen gegen die großserbischen Kriegshetzer wetterte, ! schilt jetzt auf einmal auf Oesterreich und kündigt fürGroß- ! Berlin Massenversammlungen für Dienstag an, um gegen l den Krieg zu demonstrieren. — Eine EifersuchtstragSvle. Ein furchtbares Famtlien- ! drama hat sich in Königsberg i. Pr. zugetragen. Der j Dekorationsmaler Stange wurde am Sonntagoormittag von seiner Frau mit einem Beil erschlagen. Die Frau ! brachte sich nach der Tat mit einem dolchartigen Messer j mehrere Stiche bei und öffnete sich die Pulsadern, ebenso j ihrem fünfjährigen Sohn. Ein zweites Kind ist unverletzt geblieben. Die Frau und der Sohn wurden noch lebend ! in das Krankenhaus übergeführt, während Stange bereits als Leiche aufgesunden wurde. Das Motiv der Tat soll Eifersucht sein. Eine bayrische Hatz. Auch in München kam es in ! der Sonnabendnacht vor der österreichischen und preußischen Gesandtschaft und vor dem Künigsschlosse wiederholt zu patriotischen Kundgebungen. Im Cafe Fahrig erlaubten sich einige slawische Herrschaften bei dem Vortrag eines österreichischen Marsches zu pfeifen. Sie wurden von den empörten Gästen erst gehörig verhauen und dann an die frische Luft befördert. Als dann der Cafebesitzer keine deutschen und österreichischen Lieder mehr spielen lassen wollte, wurde der Unmut des Publikums so groß, daß es zu Tätlichkeiten überging. Unter gewaltigem Radau wurde alles demoliert, die Marmortische zer brochen, die geflochtenen Stuhlsitze zertreten und die Kronleuchter bombardiert. Die Schutzleute waren zu erst machtlos, räumten aber schließlich das Lokal. § Allein aus der verkehrsbewegten Stadt, in der es auch zu Schlägereien kam, kam immer wieder neuer Zuzug, da sich die Kunde von der „Hatz" wie ein Lauffeuer ver breitet hatte. Das Cafe wurde von Tausenden umlagert. Schließlich wurden von einem Neubau Pflastersteine in einem Automobil geholt und alle Fenster und Spiegel scheiben, ja selbst die Fenster des ersten Stockes zer trümmert. Es entstand unter den Hotelgästen eine Panik, und sie flüchteten aus dem Hotel. Die Polizei erschien um 4 Uhr morgens, sie mußte noch 30 berittene Schutz- leute hinzuziehen, ehe es gelang, die Straße zu räumen. Der ganze Krawall hat fünf Stunden gedauert. Schweres Motorradunglück des Prinzen Heinrich Reuß XLII Prinz Heinrich Neuß XOH., Leutnant im Husarenregiment vonZieten Nr.3, ist am Sonntagnachmittag aus einer Motorradspazierfahrt bei Rathenow nicht uner heblich verunglückt. Der Prinz geriet auf einer Chaussee mit einem Droschkenfuhrwerk zusammen und zog sich hierbei einen Bruch des linken Unterschenkels zu; der Verletzte wurde demRathenowerGarnisonlazarett zugeführt. Dampserkollision in der Nordsee. Der englische Dampfer „Red Rose" wurde in der Sonntagnacht aus der Reede von Kuxhaven durch einen einkommenden Dampfer, Lessen Name und Nationalität > och nicht ermittelt ist, in den Grund gerannt. Die Maiumpaft wurde gerettet und nach Kuxhaven gebracht. „Red Rose", die von Fowey nach Hamburg unterwegs war, ragt mit den Mastspitzen aus dem Wasser. Eine Sittlichkeiksaffäre am Rhein. Die Kriminal polizei in Oberhausen (Rheinland) ist mit der Untersuchung schwerer sittlicher Verfehlungen beschäftigt, die an die be kannten Vorgänge in Breslau erinnern. Eines der be teiligten Mädchen wurde aus der Schule herausgeholt und wird in eine Fürsorgeanstalt gebracht werden. Mehrere erwachsene Personen sind bereits festgenommen worden; weitere Verhaftungen sollen bevorstehen. Fünfzig Schülerinnen von einem Felsblock ge- lrofsen. Eine schwere Katastrophe hat sich am Sonutag- nachmittag bei einer Prozession in der Gegend von Saint- Etienne in Frankreich ereignet. Ungefähr 2000 Personen, darunter viele Schülerinnen eines Waisenstiftes, waren mit ihren Lehrerinnen nach dein Wallfahrtsort Val fleuri bei Saint-Chamond gepilgert. Gegen 4 Uhr befanden sich die Mädchen in einer talartigen Vertiefung, die von einem Felsvorsprung, dem sogenannten Kalvarienberg, überragt wird. Aus der Spitze des Berges hatte soeben der Priester Loucharny in Anwesenheit eines katholischen Turnvereins eine feierliche Messe zelebriert. Kaurn war der Gottes dienst beendet, als sich plötzlich der gewaltige Felsblock löste und in die Tiefe stürzte, mitten in die Schar der Mädchen. Etwa fünfzig von ihnen wurden von den Steinmassen getroffen, zwei blieben auf der Stelle tot, drei liegen im Sterben und ein Dutzend erlitt schwere Verletzungen. Vier Schwestern im vraulschleier. Eine seltene Zeremonie fand vor kurzem in der St.-Varnabas-Kirche des Londoner Stadtteils Bethnal Green statt. Nicht weniger als vier Schwestern traten gemeinsam zum Altar, um den Bund fürs Leben zu schließen. Als die Ge schwister Bradley vor mehreren Jahren beide Eltern ver loren, gelobten sie einander, nicht eher zu heiraten, bis alle vier so weit wären, den eigenen Hausstand zu grün den. Bis dahin wollten sie treu zusammenhalten, um durch gemeinschaftliches Wirtschaften die Kosten der Lebens- führung zu verringern. Die älteste der L-chwejtern bat ihr 25. Jahr überschritten, die jüngste zählt erst 10 LenzS. Vas heißt, es ist noch eine jüngere Schwester vorhanden, doch diese hat kaum das Backsischalter erreicht und wird von den anderen als „das Kind" betrachtet, dem jede der Neu vermählten ein Heim zu geben bereit ist. Als die vier Paare die Kirche verließen, wurden sie von den heraus drängenden Zuschauerinnen mit Gratulationen und Blumen geradezu überschüttet. Kurze Auslands-Ldronlt. Brandkatastrophe in Galizien. Wie das „N. W. Tgbl." aus Krakau meldet, sind in der Stadt Bursztyn zwei hundert Häuser abgebrannt. Vier Kinder fielen den Flammen zum Opfer, außerdem wurden viele Personen verletzt. Ueber dreihundert Familien sind obdachlos. In mehreren Petersburger Fabriken wurde am Sonnabend die Arbeit wieder ausgenommen. Auch in der Mehrzahl der Druckereien wird gearbeitet. In Odessa ist der Streik fast völlig beendet. Nur Arbeiter einer Fabrik streiken noch. Wie aus Orel gemeldet wird, sind in den Brjansk- Werken 7000 Arbeiter in der« Ausstand getreten. Die Ruhe wurde nicht gestört. Aus dem Gerichtssaal. Nach dem Muster des Kösliner Bürgermeisters. Die Strafkammer in Halle a. S. verurteilte den früheren Angestellten der Anhaltisch-Dessaulfchen Landesbank Gustav Ortfcheid zu acht Monaten Gefängnis. Er hatte als Dr. Ortfcheid nach dem Muster des Kösliner Bürgermeisters Alexander alias Thormann mit ge fälschten Zeugnissen der Stadtverwaltung Essen in Halle di« Direkwrstelle des städtischen Arbeitsnachweises zu erhalten versucht. Geschichtskalender. Mittwoch, 29. Juli. 1S52. Passauer Vertrag zwischen Karl V. und Moritz von Sachsen. — IMS. Simon Dach, Dichter, * Memel. — 1831. Freiherr vom Stein, preußischer Staatsmann, 's Kappenberg, Westfalen. — 1833. W. Wilberforce, Vorkämpfer für die Befreiung der Sklaven, Chelsea. — 1848. S. I. Witte, russischer Staatsmann, * Tiflis. — 18S6. Robert Schumann, Kom ponist, f Endenich. — 1900. Humbert, König von Italien, in Monza ermordet. — 1802. Joseph Kürschner, Schriftsteller und Verleger, f bei Windisch-Matrei in Tirol. — 1904. Abschluß des deutsch-russischen Handelsvertrages in Berlin. — 1911. Portugal, Abschaffung der Todesstrafe und der körperlichen Strafe. Zum österreichisch-serbischen Konflikt. Nachdem zwischen Oesterreich-Ungarn und Serbien die diplomatischen Beziehungen abgebrochen worden sind, ist stündlich mit einem Ausbruch der Feindseligkeiten zu rechnen. Aus diesem Anlaß bieten wir unseren Lesern eine Kartenskizze, in der wir ersichtlich machten, wie sich die militärischen Streitkräfte in beiden Ländern verleilen. Handel und Verkehr. Die Reingewinne der neun maßgebenden Groß banken. Die absoluten Zahlen nach der endgültigen Aus- und Abrechnung über die Reingewinne der neun maß gebenden Großbanken belaufen sich, wie der „N. Pr. K." «nitgeteilt wird, für das Jahr 1913 wie folgt: Die Deutsche Bant schließt mit 32 730 000 ab und einem Ueberschuß von 0,95 Millionen gegen das Jahr 1912; die Dresdner Bank mit 32300000 und einemlleberschuß von 1,15Millionen gegen das Jahr 1912; die Diskonto-Gesellschaft mit 24240000 gegen 0,17 Millionen des Jahres 1912; die Darrn- städter Bant mit 10 680 000 und einer Wenigereinnahme von 0,09 im Vorjahre; der A. Schaaffhaujenfche Bank verein mit 9 010 000 und einem Ueberschuß von 0,13 Mill, gegen das Vorjahr; die Berliner Handelsgesellschaft mit 11 490 000 und einem Ueberschuß von 1,32 Millionen gegen das Vorjahr; die Kommerz- und Distontobank mit 6 620 000 und einem Ueberschuß von 0,07 gegen das Vor- jahr; die Nationalbank für Deutschland mit 7 030 000 und einer Wenigereinnahme von 1,26 Millionen des Vorjahres; die Mitteldeutsche Kreditbank mit 4 670 000 und einer Wemgereinnahme von 0,20 Millionen gegen das Vorjahr. Humoristisches. Anker Freundinnen. Lilli: „Weißt du schon, daß Hans und Georg sich deinetwegen furchlbar geprügelt haben?" Tilli: „Ach, wie himmlisch aufregend I Weißt du näheres darüber'?" Lilli: „Ja, ich hörte, wie sie sich gegenseitig „Schafs» köpf" schimpften, weil jeder vom anderen glaubte, er sei in dich verliebt!" Das recyie Work. A.: „Die Frau des Assessors hat gefärbtes Haar, gemaM Augenbrauen und geschminkte Wangen und Lippen I Und das nennt man eine bessere Hälfte I" B.: „Allerdings; das wäre schon eher eine verbesserte Häljlei"