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Dresdner Journal : 19.08.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188208190
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820819
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820819
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-08
- Tag 1882-08-19
-
Monat
1882-08
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 19.08.1882
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Meinungsäußerung beeinträchtigt, sich nicht anschließen lünne. Daß diese Auffassung die richtige ist, bemerkt die „N. Pr. Ztg.", dafür spricht die Thatsache, daß eine große Zahl von HandelSkammerberichten, welche die Zoll- und Wirtschaftspolitik der Regierung be kämpfen, unbeanstandet vom Handelsminister zur Ver öffentlichung zugrlassen sind. Nur thatsächliche Jrr- thümer, nicht Ueberzeugungen sollen berichtigt werden, wie z. B. jüngst in ernem Falle, wo ver Regierung Aeußerungen über da» Tabakmonopol in den Mund gelegt waren, die sie gar nicht gethan hatte, eine Be richtigung angezeigt war und nun auch infolge der neuen Einrichtung ohne Nachtheil hatte eintreten kön nen. — Ueber da» Vorgehen de» Fürstbischof» von Brr»lau gegen die sogenannten „StaatSpfarrer" schreibt man dem „Hamb. Corr." von hier: Wenn es auch richtig ist, daß das Vorgehen de« neuen Fürst bischof» in Breslau in Varzin verstimmt hat, so ist man dort doch weit entfernt, die Haltung de» Fürst bischof» so hart zu verurtheilrn, wie dies in einem großen Theil der liberalen Presse geschieht. Die Slaatsregierung hat durch ihre Zustimmung zu der im Abgeordnetenhaus« bei der Berathung des letzten kirchenpolitischen Gesetze- verlangten Beseitigung de» Instituts der StaatSpfarrer ihrer Ueberzeugung Aus druck gegeben, daß diese» Institut, welches al» den kanonischen Satzungen direct widersprechend auf die stärkste Abneigung beim Centrum stieß, nicht haltbar sei, und war auch darauf vorbereitet, daß die Personen, welche noch gegenwärtig in einem solchen Pfarramt thätig sind, ohne eine Verständigung mit dem be treffenden Oberhirten eine sehr schwere, ja unhaltbare Stellung haben würden. Allerdings aber hat der mit den gesetzlichen Bestimmungen im entschiedensten Wider spruch stehende Propst des StaatSpfarrer» Sterba in RegierungSkreisen ein sehr unangenehmes Aufsehen hervorgerufen, da hierdurch der Fürstbischof leicht zu Maßregeln provocirt werden könnte, die ein Einschrei ten de» kirchlichen Gerichtshofes, den die StaatSregie- rung möglichst außer Thätigkeit gesetzt zu sehen wünscht, zur Nothwendigkeit machen würde. Viel unangenehmer, al» die Schritte de« Fürstbischof» gegen dre StaatS- pfarrer wird an leitender Stelle seine Haltung in Sachen der gemischten Ehen empfunden, welche man mit der Stockung der Unterhandlungen mit der Curie in Verbindung bringt. Ganz au» der Luft gegriffen war übrigen» die neuliche Nachricht von einem Vor trage, welchen Hr. v Puttkamer über die kirchlichen Angelegenheiten dem Kaiser gehalten haben sollte. Drese Angelegenheiten fallen ganz speciell in das Ressort de» CultuSministers v. Goßler, welcher damal» von seinem Urlaube noch nicht zurückgekehrt war. Entscheidende Schritte in der kirchenpolülschen An gelegenheit werden vor den allgemeinen Wahlen diese» Herbste» seiten der Regierung nicht erfolgen; dieselbe überläßt eS dem eigenen Ermessen der Cen- trumSsührer, ob sie ein Wahlbündniß mit den Li beralen oder Conservativen den Interessen der katholi schen Kirche in Deutschland für heilsamer halten. — Wie die „Nat.-Ztg." vernimmt, sind im CultuS- ministerium die Vorarbeiten für ein Dotationsgesetz für Volksschullehrer fast beendet. Auf den ein stimmigen Beschluß der AgeordnetenhauseS, dem Land tage in seiner nächsten Session eine bezügliche Vorlage zu unterbreiten, hatte der CultuSminister v. Goßler in der vorigen Session bekanntlich zusagend geantwortet. — — Die Beerdigung der Todten findet bei der Judenschaft vielfach noch in der Weife Statt, daß, dem jüdischen Ritu» gemäß, der in Tücher gehüllte Leichnam au» dem sargähnlichrn Kasten, in welchem man denselben zum Begräbnißplatze tranSportirt hat, bei dem Begräbnisse herausgenommen und so der Erde übergeben wird. Wie die „N. Pr. Ztg." vernimmt, finden gegenwärtig Erhebungen darüber Statt, in wel cher Ausdehnung noch in der beschriebenen Weise ver fahren wird, und man geht damit um, die» Verfahren aut Sanität-rücksichten zu inhibiren. Darmstadt, 16. August. Nachdem infolge der neuen Justizorganisation viele junge Juristen theil» al» Beamte de» Justizressorts, theil» al» Rechtsanwälte Stellung gefunden, machte sich unausgesetzt ein solcher Andrang zu dem Justiz- und Verwaltungs dienst geltend, daß schon seit längerer Zeit in unter richteten Kreisen von dem juristischen Studium abge- rathen wurde. Jetzt giebt die „Darmst. Ztg." an her vorragender Stelle einer deSsallsigen Warnung sehr bestimmten Ausdruck. Es sei, so bemerkt sie, in Rück sicht auf die dermalen im Großherzogthum statifinde: - den Reifeprüfungen und die damit verbundene Berufs wahl für weitere Kreise von Interesse, zu erfahren, daß augenblicklich in dem Großherzogthum 49 Acces- sisten, welche die zweite Prüfung für da» Justiz- und Verwaltung-fach bestanden haben, und 114 Accessisten, welche noch vor dieser Prüfung stehen, vorhanden seien, daß die Beförderung im Gericht»- und Ver waltung-fach sehr langsam, hiernach aber die Aus sichten auf eine Anstellung im Staat»dienste deSGroß- herzogthumS für solche junge Leute, welche sich gegen wärtig der Rechtswissenschaft widmen, sehr ungünstig seien. Triest, 17. August. Man telegraphier der„Pr.": Wegen Leerstehen- vieler Wohnungen, zufolge Land aufenthalts hiesiger Familien, unterbleibt heute die Illumination von Triest und wurde auf die Zeit der Ankunft de- Kaisers, Ende September, verschoben. — Gestern Nachmittag wurden in einer Druckerei 3 Setzerlehrlinge wegen Verbreitung hochver- rätherischer Proklamationen verhaftet. Bei einem derselben, dessen Vater Portier beim italienischen Consulate ist, sind 26 Exemplare und weitere 100 Exemplare in seiner Wohnung gefunden worden. Die Unterschrift auf den Proklamationen lautet: „LoeistL SeeratL Triosts libsra." Alr Druckerei ist angegeben die Tipografia der Circolo. Die Proklamation schließt mit: „Lvviva Oaribalüi! Ituli» Irrsüsutu!" Der Inhalt ist nicht reproducirbar. Buda-Pest, 17. August. Ein Telegramm der „Pr." meldet: Die TheißdistrictSversammlung der evangelischen Kirche AugSburglscher Confession beschloß, jeden panslawistisch gesinnten Geistlichen ab- zusetzen. Parit, 17. August. (Tel.) Von den Unruh stiftern in Monceau-leS-Mine» (im Creusot) wurden die Kirche, da» Presbyterium und die congre- ganistischen Schulen geplündert; der Maire und der Pfarrer wurden von ihnen festgenommen, später aber wieder in Freiheit gesetzt. Die Bergbauarbeiter haben sich mit den Unruhestiftern, die meist Ausländer sind, nicht eingelassen. Die vergangene Nacht verlief ruhig; heute früh schien Alles zur Ruhe zurücktehren zu wollen. Rom, 14. August. (Wes.-Ztg.) Die Anarchie, welche hier in der Presse dominirt und die Gemüther nicht wenig mitBesorgniß erfüllt, dauert leider immer nrch fort. Seit Coccapieller und Tognetti im Ge- fängniß sind, schießen täglich neue Preßpilze aus der Erde. Die Sprache derselben ist provocirend und pöbelhaft im höchsten Grade. Das niedere Volk ver schlingt die Schandblätter mit Heißhunger. Ein neues Organ der republikanischen Gruppe, welche hauptjäch- lich die Zielscheibe Coccapieller'- war, ist gestern zu erst unter dem Titel „Jl Fulmine" erschienen. In der ersten Nummer wird Ricciotti Garibaldi als schon lange aus der Partei ausgestohen bezeichnet und gleich zeitig angeklagt, im Einverständniß mit dem Mini sterium des Innern diesen schmachvollen Preßkrieg an gezettelt zu haben. Der „Fulmine" beschuldigt den Sohn Garibaldi's, den der General selbst nicht mehr anerkannt habe, zahlloser ruchloser Betrügereien im großen Stil. Ricciotti hat auf diese Anklage bis jetzt keine Zeile erwidert. — Unter dem Vorwande, daß der Fleischer Tognetti, welcher den Pamphletschreiber Coccapieller mit dem Revolver angriff, sich in Haft befindet, wurde das anticlericale Banket, welches er und feine Genossen für gestern (Sonntag, 13. August) zu einer frivolen Jahresfeier der Leichenschändung von PiuS IX. veranstalten wollte, im letzten Augenblick abgesagt, obgleich bereit» 500 Personen, lauter Leute aus den niederen Ständen, dazu angemeldet waren. Diese Absagung war ein wahres Glück, denn bei der Erregtheit, welche die gesammte niedere Be völkerung Rom» in diesem Augenblicke beherrscht, hätte sich der blutige Conflict vom Freitag zweifelsohne in großem Maßstabe wiederholt. Dabei wäre es aber nicht bei einer Schlägerei geblieben, denn die waren nie Mode in Rom, wo bisher der Dolch die Volks waffe war, welche jedoch seit einigen Jahren einen Ersatz im Revolver gefunden hat. — Wie sehr aber die Affaire Coccapieller hier die Leute in Athem hält, beweist die gestrige Stichwahl zum Parlament im zweiten römischen Wahlbezirke. Der genannte Pam phletist war vor 8 Tagen mit 9 Stimmen gegen 360, welche der UniversitätSprosessor der Chemie Ratti (ministeriell) erhielt, in die Stichwahl gekommen. Gestern erhielt derselbe 119 Stimmen, während jene Rattr'S, welcher gewählt wurde, aus 340 sanken. — Inzwischen ist die Untersuchung wegen deS Re- volverattentat- in vollem Gange. Au» den ver schiedenen Versionen der TageSpresse scheint sich trotz der lebhaften Ableugnung der Republikaner herau»zu- stellen, daß man e» mit einem vollständigen Complot zu thun hatte, weiche» offenbar den Zweck verfolgte, len widerhaarigen iruchtlosen Libellisten au» der Welt zu schaffen. * London, 16. August. Die gestern in Dublin zur Eröffnung der irischen Ausstellung und zur Ent hüllung des Denkmals O'Connell'S veranstalteten Feierlichkeiten sind ruhig verlausen. Gegen 10 Uhr Vormittag» bewegte sich vom Mansionhouse, der Amts wohnung de» LordmayorS, ein langer Festzug von über 40000 Personen, zusammengesetzt au» den städ tischen Behörden, den Vertretern von 50 irischen Städ ten, den meisten irischen Parlamentsmitgliedern, da runter Parnell und Dillon, Gewerkvereinen, Deputa tionen der Homerule- und Landligen, Delegirten au» England, Schottland und Amerika u. s. w., mit un zähligen Fahnen, Bannern und Musikbanden nach dem zu enthüllenden Standbilde O'Counell's in der Sack villestreet. In dem Zuge befand sich auch der Triumph wagen O'Connell'S, in welchem einige Mitglieder der Familie de» „Befreier- Irland»" saßen. Sämmtliche Festlheilnehmer trugen grüne Rosetten, Schärpen oder O'Connell- und Parnell-Medaillen an einem grünen Bande. Als der Zug vor dem Standbilde angelangt war, verlas der Oberscherif,Parlamentsmitglied Mr. Gray, eine Adresse deS Festcomüe- an den Lordmayor, worin der Stadt das zu Ehren O'Connell'S errichtete Denk mal übergeben und die Hoffnung au-gedrückt wird, daß „der laute Beifall des Volkes bald als Triumph seiner Sache den Wiederzusammentrüt eines irischen Parlaments verkünden würde." In Erwiderung da rauf hielt der Lordmayor, Parlamentsmitglied Mr. Dawson, eine Rede, in welcher er bemerkte, die Masse des irischen Volkes hätte erst vor ganz Kurzem die Bortheile seiner Agitation genossen. Die Aufgabe Irlands fei aber noch nicht gelöst. Die Bodenreform sei noch nicht vollständig; das Wahlrecht sei noch be schränkt; die Industrie stocke noch immer, und es mangle noch an einer nationalen Legislatur. Die Statue wurde sodann unter begeistertem Jubel enthüllt. Der Festzug setzte sich hieraus nach dem Ausstellungs gebäude in Bewegung, woselbst der Lordmayor unter entsprechender Feierlichkeit die Ausstellung für eröffnet erklärte. Abends wurde die Stadt illuminirt — Leider ist ein Nachspiel gefolgt, das unter der irischen Be völkerung eine außerordentlich große Aufregung ver ursacht hat. Die Ursache ist die bereits gemeldete Verurtheilung des Parlamentsmitgliedes und Obrr- scherifS von Dublin, Gray, wegen PreßvergehenS zu 3 monatigem Gefägniß und 500 Pfd. Sterl. Geldstrafe. AuS einem der „Voss. Ztg." zugegangenen Privattele gramm ersehen wir, daß dieser Verurtheilung sofort auch die Verhaftung gefolgt ist Am letzten Sonn abend hatte der zweite unter dem vor Kurzem erst in Kraft getretenen neuen Gesetz „zur Verhütung von Verbrechen m Irland" geführte Proceß mit der Ver- urtheilung des Angeklagten zum Tode geendet. In „Freeman'S Journal", dessen Eigenthümer Mr. Gray ist, erschien vorgestern (Montag) Morgens ein Bries, unter zeichnet William O'Brien. Zn demselben wurde dar über Beschwerde erhoben, daß 3 oder 4 Geschworene, welche jenes Urtheil gegen Hynes gefällt, in dem Hotel, wo sie während der Dauer der Schwur gerichtssitzungen unter Bewachung gehalten werden, be trunken gewesen seien und die Ruhe gestört hätten. Als am Montag die Jury in einem weitern Proceß gegen 3 schwere agrarische Verbrecher abermals ihr Schuldig ausgesprochen hatte, lenkte der Vormann derselben die Aufmerksamkeit des Vorsitzenden Richter- auf jene Beschuldigung und erklärte sie für unwahr. Richter Lawson erblickte in dem veröffentlichten Artikel die Absicht, die Geschworenen einzuschüchtern und die Ausübung der Rechtspflege unmöglich zu machen. Der Staatsanwalt war der gleichen Ansicht und gab die Erklärung ab, daß er bereits die Absicht gehabt habe, die Aufmerksamkeit deS Gerichtshofes auf einige Artikel de- genannten Journals zu lenken, welche un- zw ifelhaft aus Untergrabung aller Rechtspflege ab zielten und daß er am nächsten Mittwoch dieserhalb m formeller Weise die Anklage erheben werde. DaS ist heute geschehen und auch zugleich die Ver urtheilung erfolgt. Die Aufregung, welche sich darüber der Bevölkerung Dublins bemächtigte, war ungeheuer. Zwar wurde feiten des LordmayorS und der Parlamentsmitglieder Parnell, Dillon und Davitt ein öffentlicher Aufruf erlasfen, in welchem die Bürger der Stadt aufgefordert wurden, trotz der Ver urtheilung Gray'S eine ruhige und würdige Haltung anzunehmen und die Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Aufregung war aber so groß, daß, wie der „Boss. Ztg." ein Privattelegramm meldet, die Thme der Burg geschlossen und militärische Vorsichtsmaßregeln ergriffen wurden. Gray mußte unter starker Husaren bedeckung nach dem Gesängnlsse gebracht werden. Ein weiteres Nachspiel werden diese Vorgänge noch im Parlament finden. Da» Privattelegramm der „Voss. Ztg." sagt darüber: „Parnell schickt Sexton, Biggar, O'Connor und O'Kelly nach London, um Gray'S Ver urtheilung zum Gegenstand einer Debatte im Unter hause zu machen. Die „Daily News" ausgenommen, billigen alle Londoner Morgenblätter die Strassentenz." — Die Rede, welche Parnell anläßlich der Verleihung deS Ehrenbürgerrecht- an ihn und Dillon heute im Dubliner Stadthause gehalten hat, war maßvoll; indeß bezeichnete er die legislative Unabhängigkeit Irlands al» Endziel der Agitation, während Dillon gegen die Union mit Großbritannien eiferte. Zur ägyptischen „Frage. Die Conferenz kann seit Montag al» vorläufig beendet angesehen werden, und in der Sitzung am Montag wurde auch schon die Vertagung besprochen; mit ihrer formellen Ankündigung wird jedoch noch gewartet, bis man wissen wird, zu welchem Resultate die wieder schwieriger gewordenen englisch-türkischen Verhandlungen geführt haben. Der Abschluß der englisch-türkischen Convention begegnet neuen Schwierigkeiten, an welchen allem Anscheine nach die Pforte die Hauptfchuld trägt. Wie dem „Frdbl." au- Konstantinopel berichtet wird, hat der Sultan noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben, Arad» Bey durch feine Mahnungen zur Unterwerfung zu bestimmen; die Pforte fucht infolge desfen die Entscheidung über die Convention hinau-zuschieben. In einer Konstantino peler Privatdepesche der „Franks. Ztg." wird die Zöge rung Ler Pforte, die Proclamation gegen Arabi zu erlassen, damit erklärt, daß Arabi dem Sultan tele- graphirt habe, er sei bereit, sich ihm als Khalis zu unterwerfen; es fei ihm aber unmöglich, das Com- mando seiner Armee vor der Ankunft türkischer Trup pen niederzulegen; er werde nach der Landung der selben dcn Oberbefehl dem türkischen General über geben und sich zurückziehen. Durch diese Erklärung soll er bei der Pforte wieder Terrain gewonnen haben. Da Lord Dufferin darauf besteht, daß die Procla mation gegen Arabi vor der Landung der türkischen Truppen erlassen werde, so schwankt die Pforte noch immer zwischen einem Compromiß mit England oder Arabi. Diese erneuerte Zauderpolüik der otto- manischen Regierung, bemerkt das „Frdbl.", muß nicht bloS auf die englischen Unterhändler, sondern auf alle Diejenigen, welche in einer freundschaftlichen Aus einandersetzung zwischen England und der Türkei ein Unterpfand für die Erhaltung des europäischen Frie dens erblicken, einen ungünstigen Eindruck machen. Die Pforte sollte doch endlich zu der Erkcnntniß ge langt sein, daß die türkischen Interessen ein rasche- Handeln erheischen und durch diese» stete Zögern und Schwanken wahrscheinlich nicht gefördert werden. Da durch, daß man im Aildiz-Kio-k allen Rathschlägen, die von der Türkei freundlicher Seite gemacht werden, zum Trotz, immer neue Ausflüchte fucht, setzt man sich seinen Feinden gegenüber in» Unrecht und fördert die der Türkei gegnerischen Strömungen. Je länger die Pforte mit dem Abschlusse der Convention zaudert, desto schwieriger wird ihr der Anschluß an die Action der Engländer werden. Dieselben werden, wenn sie die genügende Trvppenzahl auf ägyptischem Boden haben, nicht zögern, die Feindseligkeiten gegen Arabi Bey mit Nachdruck zu eröffnen. Ist aber einmal die englische Action im Gange, dann wird England kaum noch geneigt sein, die türkischen Truppen zur Mit wirkung zuzulassen. Ein Veto der Mächte gegen daS Vorgehen der Engländer ist nicht zu erwarten. Den Illusionen, denen man sich dieserhalb noch in Kon stantinopel hingiebt, fehlt jeder Anhalt. Wie man der „Polit. Corr." sehr zur rechten Zeit aus St. Peters burg meldet, sind das russische Cabinet und die ande ren mit demselben in der ägytlschen Frage einverständlich vorgehenden Regierungen principiell übereingekommen, der ägyptischen Action Englands, nachdem letzteres be stimmt erklärt hat, nur im Einklänge mit dem euro päischen Concert und im allgemein europäischen In teresse handeln zu wollen, keinerlei Hindernisse zu be reiten und in den Conferenzberalhungen in Konstanli- nopel eine Vertagung bi» zu dem Zeitpunkte Platz und als er finden durste, daß ihm nicht- passirt sei bei der Katastrophe, war er wieder ruhig geworden und blickte so gleichgiltig auf die herzzerreißende Scene, wie ein Mensch, dem das Alles zu fern liegt, als daß er sich darum bekümmern sollte. Mr. Timsen hatte an einem einzigen Markttage in St. LouiS hunderttausend Dollars in Baumwolle verloren, da- war schlimmer, als auf dem Mississippi, aber doch währte seine Aufregung nur eine Viertel stunde und dann war eS vorbei. Aber hätte jetzt einer seiner speculativen Mißstreben von drüben ihm in die Augen, inS Gesicht gesehen, wie er jetzt die Handschrift tudirte, so hätte er sicher dcn Verlust, den Mr. Tim en soeben betroffen, auf rund eine Million Dollar- chätzen müssen. Mr. Timsen schob den Brief in die Brustwfche, ließ dann die wasserblauen Augen in allen Winkeln de- Zimmers herumgehen, ob nicht irgendwo Jemand stecke, der ihn beobachtet habe, und als er sich über zeugt, daß dieser Fall nicht eingetreten sei, griff er nach seinem Hute und schlich au» dem Hause. Mr. Timsen hatte lange Beine und konnte große Schritte machen, aber das genügte ihm heute nicht. Der Weg erschien ihm entsetzlich lang bi- nach dem Hotel, und darum requirirte er eine Kutsche, die deS WegeS kam und fuhr in tollem Trabe nach dem Hotel. Dort angekommen rannte er sofort in sein Zimmer, verriegelte die Thür, ließ abermals die mässe,blauen Augen in alle Ecken deS Zimmer» umhergehen, und al« er sich so überzeugt, daß er sicher sei vor jedem unberufenen Blick, ritz er da» Couvert auf und ent faltete den Brief. (Fortsetzung folgt.) Der Pessimismus in der modernen Literatur. Es ist eine große, schwere Zeitkrankhelt, die hier berührt werden oll, eine Krankheit, welche oft die scheinbar Gesunden ohne ihr Wissen behaftet, rüstige, kraftvolle Gestalten; ihre Physis ist deS Daseins froh und frisch und doch tragen sie geistig den Todeskeim im Herzen, den TodeSkeim für die tröstend», immer wieder stark und von Zweifeln und Zaghaftigkeit frei machende Leben-Hoffnung, diese anmuthige Verjüngerin der Menfchenseele. An ihre Stelle ist der finstere Pessimismus ge treten, der sich mit den Bitternissen der Ironie und deS SarkaSmuS verbindet. Seine kalte Negation ist mächtig, weil sie gedankenreich ist, denn sie entstammt nicht dem ergebenen Gemüth und der harmlosen Da- seinSfreude, sondern dem klügelnden Verstände und der Philosophie der Entsagung, die sich selbstgefällig an der Unvollkommenheit der Welt wie an einem scharf sinnig entdeckten süßen Gift sättigt. ES ist kein Lethe quell, der ven Leidenden vergessen lehrt, sondern ein Belladonnatrank au- der Hexenküche, der daS Auge krankhaft zu doppeltem Licht für die Wahrnehmung aller irdischen Mängel erweitert und mephistophelisch Helle macht Und diese Krankheit, die den davon Befallenen wie eine Kraft und ein Fortschreiten erscheint, während sie doch in Wahrheit eine Schwäche und rin Rückschritt ist, verdient eS, vor Denen warnend beleuchtet zu werden, die annoch gesund und von ihr verschont ge blieben sind. Auch der verstorbene Friedrich Kreißig, der von guter alter Art war und unter widrigen, wie unter milden Schicksalen das Leben und dessen Arbeit jeden Tag hochgemuth von Neuem anfing, um des Lebens würdig und seiner Pflicht getreu zu sein, hat als red licher Denker die Krankheit deS Pessimismus beobachtet und ihre Schädigungen an unserer Generation tief be klagt. In seinen schon besprochenen nachgelassenen Schriften finden sich ausführliche Erörterungen über diefe beängstigende Erscheinung. Es wird dre Ehren deS Dahingeschiedenen nur vergrößern helfen, wenn wir mit Ausscheidung und Auswahl den schönen Lxtract seiner Worte dem Nachfolgenden zu Grunde legen. ES empfiehlt sich, durch einen Vergleich mit der Vergangenheit die Zeiterscheinung deS modernen Pes simismus sofort ins Auge zu fassen. Ein Jeder kennt Schiller's Hymnus an die Freude. Darf man auch hinzufügen: Für Jeden ist dieses Hohelied des Lebensjubels, des Vertrauens, der Hoff nung mit der Erinnerung an Stunden der Weihe verknüpft. Wer kann sagen, wie die Jugend unserer Tage darüber denkt. Wir Aelteren, alle ästhetisch literarische Kritik jene- immerhin unvollkommenen und überschwenglichen Gedicht- der Seite gesetzt, haben un wohl Alle in manchem schönen Augenblicke unter seinen Symbolen gesammelt und möchten die Erinnerung an manchen von diesen feierlich-jubelnden Klängen beglei teten Jahreswechsel nicht missen. E» waren sacra- mentale Momente, belebt von dem Bewußtsein der Zusammengehörigkeit mit unseren besten Ueberliefr- rungen, mit den Ueberlieferungen jene- Jahrhundert-, dem wir unsere geistige Wiedergeburt, alle unsere besten HerzenSschätze verdanken. Wie ein warmer Frühling-ödem weht e- au- jenen unvergeßlichen siebziger und achtziger Jahren de» vorigen Jahrhundei t« zu uns herüber. Wohl knisterte und krachte da« alte Europa in allen seinen Fugen. Wohl begannen die Altäre der alten Götter zu veröden, wohl schickte ein jugendkräftiges Geschlecht sich an, rücksichtslos aufzu räumen unter dem alten wurmstichigen HauSrath. Aber überall, in jeder Ritze der Ruinen, auf jedem Fleck chen zwischen den Trümmern sproßte neues, junger, üppige- Leben. Wie Gulliver unter den Zwergen reckte der junge Riese, der Geist der Untersuchung, de« Wagens, des Selbstvertrauen- die Glieder und machte sich an die kühnsten Probleme. Man traute sich Alle- zu, denn man hatte den Glauben an die Möglichkeit und Nothwendigkeit de- Fortschritts, an die Güte der Menschennatur, und diesem Glauben entsproß die jubelnde Hoffnung Wie ein tausendstimmiger Hymnus klingt uns diese glückliche Jugend- und SonntagS- stimmung au- der Gesammtüberlieferung jener Zeit entgegen. »Wer wollte sich mit Brillen plagen, So lang noch Lenz und Jugend blüh'n? Wer wollt' in seinen Blüthentagen Die Stirn in düstre Falten zieh'n?" So singt Hölty, schon den Tod in der Brust, i» letzten Glühen seine» jungen Leben». .Seht, wie die Tage sonnig sich verklärenI Blau ist der Himmel und grün ist da» Landl Klage ist Mihton im Reihen der Sphären. Trägt denn die Schöpfung ein Trauergewand - Wenn euch die Rebel de« Trübsinn» umzraue», Hebt zu den Sternen den wankende» Wuthl Vcgel nur männliche», hohe» Vertrauenl Guten ergeht r« am Ende noch gut.'
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