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Dresdner Journal : 19.08.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188208190
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820819
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820819
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-08
- Tag 1882-08-19
-
Monat
1882-08
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 19.08.1882
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WISS Sonnabend, den IS. August 1882, ^bonn«men1»prvl»r Im x»2r»» s»llt,«kvll Loiod«: äLbrlieb: .... 18 Ltarlc. ^)äbrliob: 4 A»rtl KO kk. Lioreln« Aumwsro: 10 kk. Lll,»«rk»Id äe« äeuticken liei^bsL tritt?o»t- unä LtswpsIruieklL^ bioiu. Inseratenprelsor kür äeo N»um einsr ^espLltousn ?otitrsilo SO ?5 vntsr „Kin^s»»nät" äis 2sils bO ?k. 8« uoä 2ik«rvs»tr KO ^usiell»^. Dres-nerAomMl. I»»er»1eo»an«I>m« »n««>rt»r F>. Lranri«trtt«r, 6omwi»iionLr äs» Dresäner äourvsl»; L»wdvr^ -L«rlto -Vi«u - Liusl Lr„I»u rr»oksnrt ». A : //aa«e»u<ei»» ct r«A/rr, L«rliv -VisvUninkvnz - kr»!? - I-rip-iß ^rnallkrt ». H. Hüoed«»: A/o«k- L«rim! /n«aki<ie»i<iant/ Lrsmso L. LclUott«,- Lr««I»v: i8ta«Akn » L«rea« eHii rr»nklnrt » H : ^aeAe^sobs liuckbmictlun^; VSrUt»: «z. S»ru»or«r: 6. §e/iü««Irr, r»r1, Lsrlio - rr»LkSrr1 » II Stiltt^»rt: Dagtbe l/'o., SLwdurx: ^1«i. Lt«»»«'. Lr»el>vli><-» r Hillel» mit ^uonatlms äer 8onn- unä keierte^s ^bsnä» für äsu kolxenäs» Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. ll « r » u « x v d e r r Löoiel. ripe6ition äs» Drenänsr äourv»!», Orvsäsa, Lvio^erstrLM« Ho. 20. - Ämtlicher Tlieil. Dresden, 17. August. Se. Majestät der König haben dem Militär-Pharmazeuten der Landwehr Grimm die Erlaubniß zur Anlegung de- demselben verliehenen Ritterkreuze» deS Kaiserlich Königlich Oesterreichischen Franz - Joseph - Orden» Allergnädigst zu ertheilen geruht. Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichten. Wien, Donnerstag, 17. August, Abend». (Torr.-Bur.) Die „Polit. Corr." meldet: Laut einer Meldung de» ungarjscdrn Infanterieregi ments „Großderzog von ToScana" Nr. 66 auS Bjelani sind im Lager bei Graövica durcd einen Blitzschlag der Lieutenant Simon Feldmann ge- tödlet, der Lieutenant Wladislaus Kicki gelähmt und der Offiziersstellvertreter Karl Hodula verletzt worden. Im Lager bei BegtSce wurden ebenso der Infanterist CiSoigera getödtet, der Gefreite Bajuß schwer und dre Infanteristen Sipoß, Csokot und Cistkov leicht verletzt. Buda-Pest, Freitag, 18. August. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der LandeSverlheidigungSminister v. Szende ist gestorben. Paris, Freitag, 18. August. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die Ruhe in Monceau-leS MineS (Creu- sot) ist wirderhergestellt. ES wurden 20 Personen, meist Fremde, verhaftet. (Vgl. die „Tagesgeschichte*.) Loudon, Donnerstag, 17. August, Nacht». (W. T. B.) In der heutigen Sitzung de» Unter hauses führte die Verhaftung deS vom Assiseu- gericht zu Dublin verurtheilten Parlamentsmit gliedes Gray (vgl. dir „TageSgeschlchte") zu einer langen Verhandlung. Der Sprecher verlas ein Schreiben deS Richters, in welchem die Verhaftung Gray's mitgetheilt wird. — Der Premier Gladstone wie« auf die constitu- twnelle Wichtigkeit des Vorgänge» hin, erklärte eS indeß für unmöglich, den Präcedenzfall der Ernennung einer Untersuchungsausschusses zu befolgen, weil eine große Anzahl von Abgeordneten abwefend sei, und be ontragte, daß das Schreiben deS Richter» auf dem Tisch deS HauseS liegen bleibe. — Die irischen De- putlrten bekämpften das Verfahren deS Richters und der Kronjuristen, und forderten die Regierung auf, für die Freilassung Gray'S Schritte zu thun. Nach Sstündigen Verhandlungen wurde dir Sitzung bi» 0 Uhr Abend» vertagt. Bei Wiederaufnahme der Verhandlungen war von den irischen Deputirten Niemand in der Sitzung erschienen» so daß die Debatte über die Verhaftung Gray's nicht fortgesetzt werden konnte. Der Antrag Gladstone'», daß daS HauS sich mor gen bis zum 24. Oktober vertagen solle, wurde ohne Abstimmung angenommen. London, Freitag, 18. August. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der Prinz und dir Prinzessin v. Wales haben sich mit Familie gestern über Vlisfingen nach Wiesbaden begeben. St. Petersburg, Freitag, 18. August. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die heutige Gesetzsammlung briugt den Wortlaut deS am 14. Mai in Kon- stantinoprl zwischen Rußland und der Türkei ab- geschlossenen Vertrags über die Zahlung der Kriegs entschädigung im Betrage von 802^ Millionen Francs. Konstantinopel, Freitag, 18. August. (Tel. Feuilleton. Redigirt von Otto Banck. Mr. Timsrn der Spekulant. Roman von Lonrad Fifcher-Sallstrin. (Fortsetzung.) Draußen aus dem Gange stand die alte Johanne bei Lieutenant Stamm. Jetzt drängte sie ihn, der Frau v. Leuteritz in FranziSka'S Zimmer zu folgen, und er that eS. Franz ging auf seine Schwester zu, den Blick zu Boden gesenkt, als fürchte er sich, sie anzusehen, und schien dabei nach einem Worte zu ringen, sie anzu reden und — sand kein». Und wie seltsam, auch Frau v. Leuteritz, deren Herz doch in Freude überströmen wollte, konnte keine Silbe finden, mrt der sie daS Glück auch nur andeuten könnte. So standen sie schweigend vor dem reizenden Mädchen, bi» Lieutenant Stamm in» Zimmer trat. Al« Franz den Offizier erblickte, zuckte er ein Wenig zuiammen, als greife eine kalte Hand in daS Allcrheiligste seine- Herzens — dann flammte etwas Eigenartige» in seinen Äugen auf, er schien größer zu werden und ein eiserner Entschluß zog ihm Linien auf die Stirne. „Sie lieben meine Schwester?* begann er jetzt tonlos, als hab« der hohle Mund einer Ma-ke ge sprochen — dann nahm er die Hand FranziSka'S und legte sie in die deS Lieutenants. Er sagte dazu kein Wort, wandte sich mit einer d. DreSdn. Journ.) DaS Gerücht, daß Said Pascha seine Entlassung gegeben habe, ist unbegründet. Alexandrien, Donnerstag, 17.August, Nach mittag». (W. T. B.) Die 1. Division und ein Regiment der 2. Division de» englischen Erpe- ditionScorpS werden sich morgen eivschiffen. Die 2. Division wird unter dem Oberbefehle de» Ge neral» Hawley mit Wood und Alison al» Brigade- generälen stehen. Nach dem Bombardement von Abukir, zu welchem Zwecke alle Krieg»schiffe, mit Ausnahme von zweien von Alexandrien herüber- gezogen werden, wird dir 1. Division, welche unter dem Oberbefehle de» General» Wolseley steht, landen. Die 2. Division wird von Ramlrh aus mit der ersten cooperiren. (Vgl. umstehend die Rubrik „Zur ägyptischen Frage*.) Alexandrien, Freitag, 18. August. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die Gardrdivision ist heute früh von Ramlrh ringetroffen und schiffte sich alöbald ein, um an den Operationen gegen Abukir theil- zunrhmen. Die 2. Division geht heute nach Ram- leh ab, um dieselbe zu ersetzen. Dresden, 18. August. Vielfach bemerkt werden die Betrachtungen, welche die verdienstvolle russische Monatsschrift „Der Bote Europas* in ihrer vor Kurzem erichienenen August- lieferung verschiedenen Fragen deS staatlichen und socialen Lebens in Rußland widmet. Wir entnehmen diesem Artikel das Nachstehende. An drei wichtigen finanziellen Maßregeln der letzten Zeit — der Erhöhung der Stempelsteuer, des Zolltarifs und der Tabaksteuer — eine eingehendere Erörterung knüpfend, kommt der „Bote Europa-*, die drei Reformen zu- fammenfassend, zu folgendem Resultat: Die allgemeine Richtung Vieser Reformen verdient Beifall; sie zeugt von dem Streben, den Ausfall genügend zu decken, der durch die Aufhebung der Kopfsteuer geschaffen ist, und zwar auf einem Wege, durch welchen hauptsächlich die wohlhabenderen Klassen der Bevölkerung belastet werden, oder indem wenigstens solche Gegenstände eine Erhöhung der Auslage erfahren haben, ohne welche die Masse des Volkes relativ gut auskommen kann. Am folgerichtigsten ist dies Princip in dem Gesetz be züglich der Stempelsteuer zum Ausdruck gekommen; in den Veränderungen deS Zolltarifs hat eS ein Wenig gelitten infolge der Einwirkung des Schutzzollsystems, und im neuen Tabakstatut durch specrell finanzielle Erwägungen, welche eine Erhöhung der billigsten, dafür aber auch der verbreitetsten Form der Tabak- producte nach sich gezogen. Ein zweiter gemeinsamer Zug der neuen Gesetze bildet ihr palliativer Cha rakter. Neue Einnahmequellen w.'rden durch sie nicht geschaffen, die bestehenden Steuern sind einfach in dem Maße erhöht worden, als eS die laufen den Bedürfnisse erfordern. Unser Finanzsystem bleibt auf diese Weise unangetastet; jene radikale Resorm, mit welcher gewöhnlich die Aufhebung der Kopfsteuer in Verbindung gebracht wurde, bleibt nach wie vor eine Frage der Zukunft — wahrscheinlich einer nahen Zukunft, da im Laufe weniger Jahre ein Aequivalent für 50 Millionen Rubel, welche die Kopf steuer eintrug, gefunden werden muß. — Für Gesetz lichkeit und Recht gegen Willkür eintretend, kommt der „Bote Europas* dann auf die grausige Katastrophe auf der MoSkau-KurSker Bahn zu sprechen und läßt der Moskauer „Russ* eine Zurechtweisung zu Theil werden. „Wenn der Kaiser* — hatte die „Russ* gesagt — „jedes Proceßverfahren abändern, von dieser verdammten Stelle die ganze Obrigkeit und alle Untersuchungsrichter davonjagen, und einen von den Großfürsten mit unbeschränkter Macht hinschicken, gewissen Hast ab undwolltegehen. — „Franz, Franz l* — rief eS ihm nach. Franz wollte nochmal- nach ihr umsehen, aber die Mutter eilte in diesem Augenblicke in einem herz zerreißenden Aufschrei, als ob ihr das Liebste auf der Welt in diesem Moment zerrissen werden sollte — auf ihr Kind zu. — Franziska lag ohnmächtig in den Armen deS Bräutigams. Die Johanne stand unter der Thür und weinte still; sie wußte, daß eS noch so kommen müsse — und o Gott, eS wird noch schlimmer kommen. Jetzt trat sie an die Seite Franzen'S und sah ihm prüfend in» Gesicht, als wolle sie ihn fragen, ob er jetzt Erbar men haben werde; und sie fragte ihn auch in einem Tone, der die Steine zu Thränrn rühren konnte: „Wollen Sie mein Spargeld nehmen? Wollen Sie'S jetzt nehmen?* Er wollte e» nicht. Elftes Kapitel. Mr. Timsen hatte seit einigen Tagen Frau v. Leuteritz nicht mehr gesehen, und auch daS geschah au» kluger Berechnung. Der schlaue U^kte wollte erst sehen, wie er in dem Elemente sich zurechtsände. I tzt schien er sich darüber klar zu sein, daß Franz ganz so schwimme, wie er eS immer von ihm ge- wünscht Seinen Besuch auf Leuteritz hatte er einzig und allein unternommen, um zu sehen, welchen Werth dieses Majorat habe. Und in der That, er fand alle seine Erwartungen weit übertroffen, denn diese Liegenschaft rrpräsentirte nach seiner oberflächlichen Schätzung einen Werth von mindestens 500000 Dollars. Seine Spe- ihm zwei oder drei „Bahnmeister* von irgend einer guten Linie und einige StationSchefS zur Seite stellen würde, so wäre man gleich im Besitz der Wahrheit, die gegenwärtig immer mehr den Händen entschlüpft.* WaS für eine unglückliche Gewohnheit zur Willkür — ruft die russische Monatsschrift aus —, welch' unver- b,sserliche Hoffnung auf die Allmacht außerordentlicher Mitiel, die sich schon so oft als nutzlos erwiesen! Die Wahrheit ist in dem gegebenen Fall gar nicht so schwer zu finden; die Hauptelemente derselben sind schon jetzt auf Privatw-gen klargestellt. Sie endgiltig aufdecken kann am besten daS öffentliche Gerichtsver fahren. Wenn nur die Untersuchungsrichter durch Niemand „gestört* werden, wird es ihnen schon ge lingen, den Faden zu finden, der von den Bahn wärtern und Maschinisten sie zu den höchsten Spitzen der Eisenbahnadministration sührt. Es ist doch end lich Zeit zu begreifen, daß absolut kein Grund vorliegt, in jedem besondern Falle sich einen besonder« Weg zu bahnen, daß eS viel besser, die bestehenden Wege auSzunutzen, indem man nur die Hindernisse weg räumt, welche die Bewegung hcmmen könnten. . . . Der „Bote Europas* gedenkt endlich auch jenes Todes falls, der vor Kurzem manche Kreise in Rußland in emphatische Trauer gestürzt: wir meinen Skobe- lew'S Tod. Die russische Monatsschrift, deren Juli- lieserung bereits druckfertig vorlag, als aus Moskau jene bedeutungsvolle Nachricht eintraf, hatte bisher noch keine Gelegenheit, dem verstorbenen populären Militärhelden einige Worte deS Nachrufs zu widmen. Sie thut eS jetzt in der Augustlieferung, indem sie den hohen militärischen und persönlichen soldatischen Ta lenten deS früh dahingeschiedenen russischen Generals volle Gerechtigkeit widerfahren läßt. Ader über diese Grenze ging, wie der „Bote Europas* au-führt, die Begabung Skobelew'S nicht hinaus: „Er war kein Staatsmann*. WaS uns nach seinem Tode durch Moskauer Blätter aus seinen Briefen, seinen Tage buchnotizen geboten worden, ist nur ein historischer Dilettantismus, ist ein Spiel mit Worten. In einem Privatbriefe, den man in einem Augenblick momen taner Aufwallung schreibt, braucht man nicht jedes Wort abzuwägen; eine Schuld muß aber Denen bei gelegt werden, die sich beeilen, nicht eine für die Oeffentlichkeit bestimmte Aeußerung, die aber ihre Eigenliebe schmeichelt und ihren Lieblingston anschlägt, zu veröffentlichen. Die Agitation am Grabe Skobe- lew's wird von dem „Boten Europas* als ein be- klagenSwertheS Schauspiel bezeichnet. Die russische Monatsschrift schreibt: „Einerseits erklingt darin der Widerhall des alten wässerigen Patriotismus; an dererseits documentirt sich in ihr ,n unceremoniell- ster Weise die Prätension, im Namen des Volks zu sprechen, die VolkSgefühle zu interpretiren. WaS soll man z. B. von Phrasen sagen, wie die nachstehen den: „und eS war schon nicht mehr eine Hypothese, sondern ganz unzweifelhaft, daß wir Etwas besitzen, WaS wir zum Schutz Rußland- dem ganzen Heerlager unserer auswärtigen Feinde entgegensetzen können, daß ein Mann vorhanden, mit dem sich zu messen die Feinde nicht leicht haben, dessen Name allein gan zer Armeen zu Hunderttausenden werth ist, von dem noch kürzlich einer der am Sarge stehenden Ge- neräle gesagt hat: „gebt den Bauern Aexte und sagt ihnen, daß Skobelew sie führen wird — so habt Ihr «in fertiges Kriegsherr!* Wenn in der That die ser Art die Stimmung der Majorität der rus sischen Gesellschaft wäre — wir sagen nicht: der Masse —so hätte man in nächster Zukunft nichts Gutes zu erwarten; auf Rußland könnte man dann daS alte Wort anwenden: quem Jupiter vult peräere, xrius äemeutat! DaS hieße solchen Katastrophen ent gegengehen, wie sie Preußen im Jahre 1806, Frank reich im Jahre 1870 erlebt. Seine großen Männer culation stand durchaus nicht schlecht und wird sich noch besser gestalten, wenn eS ihm gelungen sein wird, Franz v. Leuteritz mit Fräulein Locher zu verheirathen. Heute hatte Mr. Timsen der Frau v. Leuteritz nach einigen Tagen wieder den ersten Besuch zuge dacht, und so sehen wir ihn denn mit seinem gewohn ten Phlegma dem Hause mit den grünen Jalousien in der Steinstraße zusteuern. Im Hause angekommen, begegnete ihm zuerst die alte Johanne; sie hatte eine blüthweiße Schürze um- gebunden und trug einen Henkelkorb am Arme, als ob sie im Begrifft stehe, auszugehen, um Einkäufe zu machen. „Die gnädige Frau ist unwohl und sitzt drinnen am Bette der Franziska,* sagte die Johanne, den Danker mit einem forschenden Blick betrachtend, „Sie müssen hier hinein ins Zimmer gehen und so lange warten, bi» Frau v. Leuteritz selbst zu Ihnen kommt.* Sie öffnete hier eine nahe Thür und bedeutete ihm hineinzugehen. Mr. Timsen verstand von Dem, was ihm die Jo hanne sagte, kein Wort. Als sie aber die Thüre ge öffnet und mit der Hand hineingedeutet, wurde eS ihm klar, was sie von ihm wünschte, und demzufolge ver fügte er sich sofort hinein in daS kleine, aber äußerst komfortabel auSgestattete Empfangszimmer. Mr. Timsen setzte sich nach seiner alten Manier in ein Polster nieder, thürmte den weißen Cylinder- hut vor sich auf dem Knie auf und berechnete, welche Summe wohl die Ausstattung dieses Zimmers reprä- sentiren möge. So saß er bereits eine Viertelstunde, ohne daß Jemand inS Zimmer kam, und schon begann ihm die schätzen und achten ist nicht gleichbedeutend mit dem Bestreben, sie auf Stelzen zu heben und sie zu Schreck- bildern für den Feind umzugestalten. Von übertrie benen Entzückungen ist nur ein Schritt zu übertrirbener Selbstgewißheit; davon ist aber nur ein Schritt zu einem leichtsinnig vom Zaun gebrochenen und mit schwerem Herzen vollendeten Kriege. ES wäre irrthümlich, zu denken, daß die Gefahr deö Götzendienstes mit dem Tode Skobelew'S geschwunden; auf das einmal errichtete Postament ist eS nicht schwer, Jemand Andere» «u ei heben, und deshalb ist e- eine Pflicht, die Hohlheit solcher Phrasen aufzukecken. Skobelew'S Ruhm bedarf nicht dieses rhetorischen Wortschwalls; wir sind überzeugt, daß er der Erste gewesen, der sich von diesen, von übereifrigen Anbetern aufgehäuften Hyperbeln ab- gewandi hätte. Schließlich gedenkt der „Bote Euro pas* noch der von bekannter Seite gehegten Verschmel zung deS Namen- Skobelew'S mit dem „Drang nach Süden*, nach „Zargrad*, nach Konstantinopel, vor dessen Thoren Skobelew, al- er m,t seinem Heer zu rückziehen mußte, „wie ein Kind heilige Thränen ge weint*. Da gegenwärtig angesichi- der ägyptischen Verwickelungen von slawophiler Seite wieder der Ver such gemacht wird, „Bosporus und Zargrad* zum Losungswort auSzurufen, so sind die kurzen Worte der verbre.tetsten russischen Monatsschrift von besonderm Werth. „Die Zeit der menschlichen Hekatomben — schreibt sie — „ist leider noch nicht vorüber; so mögen sie denn wenigstens höherer Interessen wegen darge- bracht werden, als um den Besitz von Stadt und Meer engen. Die Befreiung der Stammesbrüder und Glau bensgenossen von einem barbarischen Joch — eine solche Devise kann wohl eine Volksmasse enthusiaSmiren; wie aber können wir zugeben, daß auch der Ruf: „An den BoSpocuS, nach Zargrad, in die heilige Sofien- kirchel* enthusiaSmiren könnte; wir können nie und nimmer die vor Konstantinopel vergossenen Thränen „volkSthümlich und heilig* nennen! Große Verant wortlichkeit laden Diejenigen auf sich, die den Augen blick nationaler Trauer benutzen, um eine Politik der Abenteuer zu predigen und die Aufmerksamkeit der Gesellschaft von ben wefentlichsten Fragen deS innern nationalen Lebens abzulenken.* Tagesgeschichtr. Dresden, 18. August. Se. Excellenz der Hr. StaatSminister Frhr. v. Könneritz ist vom Urlaube zurückgekehrt und hat die Leitung der Geschäfte de» Finanzministeriums wieder übernommen. * Berlin, 17. August. Ihre Majestät die Kai serin hat im Laufe dieser Woche mehrere Audienzen ertheilt, setzt aber die nöthige Schonung noch fort, um die gewünschte Genesung zu beschleunigen. Wie die „Prov-Corr.* versichert, giebt die Verletzung, welche die hohe Frau sich am Fuße zugezogen, zu ernsten Besorgnissen keine Veranlassung. — Der „N. Pr. Ztg.* geht von gestern aus Schloß Panker folgende Trauerlunde zu: Heute Mittag Hl Uhr verschied sanft in Kiel an den Folgen einer Knochenmarkentzündung nach nur LOtägiger Krankheit die Prinzessin Maria Polyxena von Hessen, geb. den 29 April 1872, zweiten Tochter Sr. königl. Hoheit de» Landgrafen von Hessen und Ihrer königl. Hoheit der Frau Landgräfin von Hessen, Prinzessin Anna von Preußen. — Der vielbesprochene Erlaß deS HandelSministerS an die Handelskammern über die Einreichung und Veröffent lichung der Jahresberichte hat bekanntlich von Seiten einzelner Kammern Widerspruch hervorgerufen. Zu denjenigen, welche die Unverfänglichkeit der in dem Erlaß enthaltenen Forderungen zugestehen, gehört auch die Handelskammer zu Lüdenscheid, welche er! ärt, daß sie der Auffassung, es werde dadurch eine erfolgreiche Wirksamkeit des Collegiums, namentlich eine freie Sache langweilig zu werden, als er auf ein Mal draußen die HauSthüre gehen hörte und gleich darauf der Tritt eines Mannes im Hausflur vernehmbar wurde. Mr. Timsen, welcher glaubte, daß Franz gekom men sei und mit dem er gern ein Paar Worte im Geheimen gewechselt haben möchte, erhob sich leise und eilte hinaus auf den Hausflur. Aber zu seinem Erstaunen war eS nicht Franz, sondern ein Briefbote, welcher «inen dicken, oft versiegelten Brief in der Hand hielt, dessen gelbes Couvert mit den grünen Marken dem kundigen Blick deS Danke« sofort anzeigtr, auS welchem Lande er komme — au» Amerika. „An Frau v. Leuteritz* sagte der Briefträger und wollte an Mr. Timsen vorüber hinein in» Zimmer. Ohne auch nur eine Miene zu verziehen, mit einer frostigen, hochmüthigen Geberde nahm Mr. Timsen dem Bcirfboten den Brief ab, wandte ihm den Rücken und ging hinein inS Zimmer. Aber als er die Thür leise hinter sich geschlossen, lauschte er mit verhaltenem Athem so lange, di» er sich sagen durfte, daß der Briefbote vom Hause nun «ine weite Strecke entfernt sei. Dann schien er nicht mit sich einig zu sein, ob er dem Briefboten nicht nachgchen solle, warf dann nochmal» einen flüchtigen, hastigen Blick auf da» Couvert — und erkannte sofort in den markigen Schriftzügen die Hand de» wirklichen Capitän» Franz v Leuteritz. Mr. Tmssen fuhr ein Mal auf dem Mississippi auf einem Dampfer, dessen Kessel explodirte und dabei achtzig Menschen, theil- in dre Luft, theil» über Bord schleuderte — damal» hatte er nur ein Mal gezuckt,
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