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daß in den Beweggründen zu diesem Verbrechen von idealen Gesinnungen nicht das Geringste zu ent« decken ist. Das große Publicum wird auS den seinerzeitigen Gerichtsverhandlungen deutlich ersehen können, daß die Anarchisten nichts weniger al« ideale Schwärmer sind, und daß e« ihnen im vorliegenden Falle nur darum zu thun war, sich auS gemeiner Habsucht in den Besitz der Sparpfennige eines red lichen und arbeitsamen Schuhmacher« zu setzen. Da« denkende Publicum und vorzugsweise der besonnene Theil der Arbeiter wird nun mit Deutlichkeit erkennen, wa« er von einer solchen Partei zu halten habe, und der Behörde erwächst nun umsomehr die gebieterische Pflicht, mit allen gesetzlichen Mitteln das vom Auslande importirte Uebel — genannt social - revolutionäre Propaganda — au«zurotten. Selbstverständlich entziehen sich die Detail« der ganzen Angelegenheit au« Rücksichten für die Untersuchung vorläufig der Veröffentlichung." Wie da» „Frdbl." erfährt, sind in Wien am 23. August Abends zwei Verhaftungen in dieser Angelegenheit vorgenommen worden. Der „N. fr.Pr." zufolge sollen noch zahlreiche weitere Verhaftungen, namentlich in Buda-Pest, vorgenommen werden. Die Wiener Polizridirection, welche die außerordentlichste Aengstlichkeit diesem Falle zugewendet hat, wünscht die Unterlassung der Veröffentlichung weiterer Details in so dringlicher Weise, daß die neuesten Wiener Blätter sich auf die vorliegende amtliche Publication beschränken. Die Mittheilungen der Polizeidirection zu Wien, welcher jedenfalls ein ausreichendes amtliches Matcrial zur Begründung vorliegt, haben für Diejenigen, welche die Vorgänge im öffentlichen Leben aufmerksamer ver- folgen, nicht- UeberraschendeS. Wiederholt ist die Anarchistenpartei in Wien in den letzten Wochen in tumultuöser Weise ausgetreten, und mußten mehrere Versammlungen durch den anwesenden Regierung«- commissar geschlossen werden. Seiten der socialistischen Arbeiter in den Provinzen wurde der Unfug in der Hauptstadt selbst in entschiedener Weise getadelt. Namentlich sprach sich ein in Brünn erscheinender Arbeiterblatt mißbilligend über da» Treiben der An hänger Most'» aus. Nunmehr scheint man die Fäden der offenbar mit den Anstrengungen, welche die Feinde der gesellschaftlichen Ordnung anderwärts unternehmen, im Zusammenhang stehenden Verschwörung in der Hand zu haben. Es handelt sich um einen mit den niederträchtigsten Mitteln geführten Kampf gegen unfre gesellschaftliche Ordnung, welche diefe Wahnsinnigen von Grund au» zerstören wollen. »Alle Gesetze sind schlecht, schon darum weil sie Gesetze sind", rief der in voriger Nummer erwähnte exaltirte Redner in Lausanne. Diese Gesetze sollen beseitigt werden, und da man diese» nicht kann, eröffnet man einstweilen den kleinen Krieg gegen die gesellschaftliche Ordnung, man greift zum Verbrechen. Die Regierungen in dem Kampfe gegen folche Verschwörer zu unterstützen, erscheint als Pflicht jeder, ehrenhafte und gesetzliche Ziele verfolgenden Partei, jedes Bürgers und Angehörigen des Staates. Leider zeigen sich aber auch bei den Vorgängen in Wien wieder die zersetzenden Bestrebungen de» Libe ralismus. Ganz wie die „Lanterne" und der „Jn- transigeant" die Pariser „VoyonS" gegen die Polizei in Schutz nehmen, sehen wir bereit- em großes Wiener Blatt, die »Wiener Allgemeine Zeitung", die dortige Polizei anläßlich oben mitgelheilten Commu- niqueS bekritteln. Unserm heutigen Liberalismus ist der Sinn für die große erhaltende Aufgabe de» Staate» völlig abhanden gekommen, und gerade dadurch beweist er, daß sein, mit der fernern gedeihlichen Entwickelung der Staaten unvereinbare» Thun ihn selbst unmöglich macht und daß er anderen Bestrebungen den Platz räumen muß. Lagesgeschichte. Dresden, 26. August. Mehrere Blätter haben eine» Gerüchtes erwähnt, eS werde in sächsischen Re- gierungSkreisen die Frage diScutirt, ob der Congreß, welchen die deutsche Reformpartei in den Tagen des 11. und 12. September in Dresden abzuhalten gedenke, zuzulaffen oder zu hintertreiben sei, und daß, wenn auch ein förmliches Verbot nicht wahrscheinlich sei, doch auS Andeutungen, die in maßgebenden säch sischen Kreisen laut geworden seien, entnommen wer den müsse, daß der geplante Congreß nicht gerade erwünscht sei, und daß derselbe sich jedenfalls einer scharfen polizeilichen Controle zu unterwerfen haben werde. Sicherm Vernehmen nach ist die obige Mit- theilung unbegründet, indem für die Regierung bis jetzt durchaus keine Veranlassung vorgelegen hat, be züglich jene» Congresse« irgend eine Entschließung zu fassen, und keinerlei Umstände vorhanden sind, welche die Anordnung besonderer polizeilicher Maßregeln nothwendig erscheinen lasten könnten. * Berlin, 25. August. Wie die „N. Pr. Ztg." vernimmt, hat Se. Majestät der Kaiser Sr. kömgl. Hoheit dem Prinzen August von Württemberg, commandirendem General de» Gardecorps, den erbete nen Abschied bewilligt. DaS betreffende Ersuchen de» Prinzen, welchem damit entsprochen ist, war durch dessen schonungsbedürftigen Gesundheitszustand motivirt. — Das Befinden Sr. kömgl. Hoheit des Prinzen Karl ist, wie man der„N. Pr.Ztg."mittheilt, fortdauernd ein gutes. Der Aufenthalt auf WilhelmShöhe bleibt vorwiegend vom Wetter abhängig. Bekommen wir warme, regenlose Tage, so wird der Prinz die Rück kehr nach Berlin hmauSschieben; andernfalls würde die Uebersiedelung hierher beschleunigt werden. — Die Rückkehr ihrer königl. Hoheit der PrinzessirlWilhelm aus Norderney verzögert sich, wie man der »Post" berichtet, darum, weil die Frau Prinzessin einen gün stigen Tag abwarten will, um die Rücksahrt zu Land machen zu können. Auf der Hinreife nämlich war die Amme, wie man hört, von den Folgen der Ueber- fahrt nicht ganz unbehelligt geblieben und dieser Even tualität will man aus Rücksicht für die Nahrung des kleinen Prinzen bei der Rückkehr begegnen. — Der wirkt. Geh. Rath vr. Pape, Vorsitzender der Com mission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines bürger lichen Gesetzbuch», ist gestern Nachmittag von semer Badereise nach Berlin zurückgekehrt. Auch die meisten Mitglieder der Commission sind von ihren Bade-, bez. Erholungsreisen wieder hier eingetroffen und haben ihre Thätigkeit wieder ausgenommen. Am 1. Sep tember tritt die Commission im Reichsjustizamt zu ihrer ersten Sitzung nach den Ferien zusammen. Prag, 25. August. Wie bekannt, wurde vor mehreren Wochen der leitende Bezirkshauptmann in Eger, Titularstatthaltereirath Veith, au» DiensteS- rücksichten zur Dienstleistung bei der Statthalterei in Prag einberufen, weil er einem zu Ehren des oppo sitionellen RelchsrathSabgeordneten Edlen v. Plener jun. in Eger veranstalteten Banket beigewohnt hatte. Hr. Beith hat es aber vorgezogen, dieser Versetzung auS dem Wege zu gehen, indem er um seine Pensio- nirung ansuchte. Wie nun die heutige »Prager Ztg." meldet, wurde Hr. Veith »über seine auS Gesundheits rücksichten gestellte Bitte unter Anerkennung seiner vieljahrigen, treuen und ersprießlichen Dienstleistung" seiten des Ministerium» des Innern in den bleibenden Ruhestand versetzt. — In Bezug auf die von Wl-ner Blättern gebrachte Nachricht, daß die konservativen Großgrundbesitzer Böhmen» anläßlich der bevor stehenden, durch das Ableben des verfassungstreuen Barons Ferdinand Kotz v. Dobrz nothwendig gewor denen Ergänzungswahl für da» Abgeordnetenhaus des Reichsraths den verfassungstreuen Wählern des böh mischen Großgrundbesitzes wieder ein Compromiß angeboren Haven, erklärt heute da- Organ Or. Rie- qer'S, der »Pokrok": „Soweit wir unterrichtet sind, ist von irgend einem Compromiß keine Rede." Da vr. Rieger bekanntlich im intimsten Verkehr mit den Führern der conservatwen Adelspartei steht, so ist auch nicht zu zweifeln, daß der »Pokrok" in diesem Falle gut unterrichtet ist. Dasselbe Blatt erklärt es weiter für „sehr zweifelhaft", daß die conservatwen Großgrund besitzer sich an den am 25. Seplember im Wahlkörper des nicht fideicommissarlschen Großgrundbesitzes statt findenden 6 Ergänzungswahlen für den böhmi schen Landtag betheiligen werden. Diese Enthaltung findet wohl ihren Grund darin, daß die conservatwen Großgrundbesitzer bei dieser Wahl, an welcher sich der Wahlkörper de» fideicommissarischen Großgrundbesitze» nicht zu betheiligen hat, voraussichtlich in der Mino rität bleiben würden, während sie bei den ReichSrathS- wahlen, für welche bisher sämmtliche Großgrundbesitzer Einen Wahlkörper bilden, die Majorität auf ihrer Seite haben. — Die Agitation gegen den Prü- fungSerlaß des UnterrichtSmrnisters, betreffend die tichechische Universität, wird von den „Narodni Listy" (dem jungtschechischen Hauptorgan) rastlos fortgesetzt. Heute erklärt dieses Blatt, daß, da die Volksmeetings verboten seien, dem tschechischen Volke als einziger Boden, auf welches e» die Interessen der tschechischen Universität schützen und wahren könne, nur die auto nomen Körperschaften übrig bleiben. Zu bedauern sei, daß die Gemeindevertretung von Prag sich nicht an die Spitze dieser Körperschaften mit einem Protest stelle: um so mehr erscheine ei nothwendig, daß alle tschechischen Bezirktvertretungen der Regierung Anträge unterbreiten, auS welchen dieselbe ersehen könne, wie das tschechische Volk den fraglichen Ministerialerlaß beurtheile. Al» Vorbild stellt da» jungtschechische Organ da» Vorgehen der Raudnitzer Bezirktvertre- tung hin, welche am 22. d. M. folgende Beschlüsse gefaßt hat: LS sei die Regierung zu ersuchen, daß er von dem Prü- sungrerlosse sein Sldkommrn finde, daß die SiaatSprüsungen au beiden Universitäten aus ganz gleiche Weise ersolgen, und zwar an der tschechischen Universität in tschechischer, an der deutschen Universität in deutscher Sprache, dann daß für die StaatSprü- sungen an jeder Universität eine selbstständige PrüsungScom- mission, und zwar je eine tschechische und deutsche, eingesetzt werde, endlich, daß durch besondere Prüsungen außerhalb beider Universitäten die Regierung sich von der Kenntniß beider Lan« versprachen nur bei j-»en RechtShörern Ueberzeugung verschaffe, welche schon bei den Etaattprüsungen sich nutzt durch die Zeug nisse der Mittelschulen über die Kenntniß der andern Landes sprache auSweisen und in den Staatsdienst zu treten beabsich tigen. Die „Nür. Listy" geben sich der Hoffnung hin, daß auch die übrigen tschechischen BezirkSvertretungen Resolutionen im Sinne der von der Raudnitzer Be- zirksvertretung gefaßten Beschlüsse votwen werden, wer den sich aber in dieser Hoffnung wahrscheinlich ent täuscht finden, da das jungtichechische Element nur in wenigen tschechischen BezirkSvertretungen überwiegend ist, die Alttschechen aber die Austragung der PrüfungS« affaire dem vr. Rieger und dessen Gesinnungsgenossen im ReichSrathe überlassen, oqne sich auf eine Agitation durch Meeting-, Resolutionen der autonomen Körper schaften u. s. w. einzulassen. — Die Gemeindevertre tung von Prag kommt demnächst m die Lage, wieder einen Bürgermeister zu wählen, da die zweite drei jährige Amtsperiode des gegenwärtigen Bürgermeister» Skramlik mit Ende August abläuft. Die Eventualität der nochmaligen Wiederwahl Skramlik'» erscheint aus geschlossen, da in diesem Falle derselbe nach der bezüg lichen Bestimmung der Gemeindeordnung für seine Lebensdauer zum Stadtoberhaupte erkoren würde, wa» aber, so zufrieden man mit der amtlichen Thätigkeit deS bisherigen Bürgermeisters ist, doch Niemand wünscht, um nicht ein so wichtiges Wahlrecht auS den Händen zu geben. Zu wünschen ist nur, daß die Neuwahl deS Bürgermeisters wieder von so glücklichem Erfolge be gleitet sei, wie die Wahl Skramlik'». Pari«, 25. August. DaS „Journal officiel" veröffentlicht ein Decret des Präsidenten der Republik, durch welche» im Ministerium de» Krieg» ein Comite der Centralverwaltung errichtet wird. Dasselbe soll als Bindeglied zwischen den 11 Abtheilungen de» Ministeriums dienen, um die nöthige Einheit der An schauung für Fragen herzustellen, welche verschiedene Drenstzweige betreffen, und eine übereinstimmende Ausführung allgemeiner Maßregeln zu sichern. DaS Comite hat schon 1844 und von 1848 bis 1852 mit Erfolg functionirt. Mitglieder des ComiteS sind die 11 Directoren, Vorsitzender der KriegSministrr und in dessen Vertretung der Generalstabschef — Der Ober- unlerrichtsrath hat dre Errichtung höherer Töchterschulen mit Pensionären in salzenden Städten genehmigt: Bordeaux. Havre, Tournon, Gre noble, Lille, Boubaix, Abbeville und Calais. Bis jetzt bestehen Institute dieser Art erst in Montauban, Auxerre und Lons-le-Saulnier. Außerdem erhalten aber etwa 100 höhere Töchterschulen ohne Pensionäre einen Zu schuß vom Staate; von denselben befinden sich 23 im Akademiebezirke von Douai, je 10 in den Bezirken von Pari» und Befanyon, 8 im Bezirke von RenneS und je 7 in den Bezirken von Bordeaux und Poitiers. Die Zahh der Zöglinge dieser Schulen beläuft sich auf 4200, und von ihnen bestanden im vorigen Jahre 70 da« höhere, 309 das niedere Lehrerinnenexamen, während 8 in die Lehrerinnenseminare von Fontenay und SövreS aus genommen wurden. — Da» Ackerbaunrinistierium läßt gegenwärtig die große landwirthschastliche Zählung vornehmen, welche sonst etwa alle 10 Jahre stattzu finden pflegte — 1840, 1852, 1862 —, jedoch im Jahre 1872 unter dem Druck der Wirkungen deS Krieges nicht vorgenommen wurde; die diesjährige wird somit sich über einen Zeitraum von 20 Jahren er strecken, während dessen m der französischen Landwirth- schaft durch die Einführung von Maschinen die raschen Verkehrsmittel, die landwirthschastlichcn Ausstellungen, die Parcellirung u. s. w. die tiefgreifendsten Verände rungen vorgegangen sind. — In Montceau-leS-Mines hat man Juche, einen Beamten der Bürger meisterei verhaftet; er stand an der Spitze der „Schwarzen Bande", über deren Organisation und Treiben er die haarsträubendsten Berichte seinen Vor ¬ gesetzten lieferte; diese Berichte über die roth« Fahne, den nächtlichen Waldspuk, Klrchenschändung haben so ihren Weg in einen Theil der Presse gesunden und bilden den Kern der u. A. auch in der „Köln. Ztg." über diese Ange legenheit veröffentlichten Räubergeschichte. — Obgleich die „R6publ,que franyaise" sehr bestimmte Anhalts punkte dafür mitgetheilt hat, daß die Ruhestörungen der „Schwarzen Bande" in Montceau-leS-MineS von Bonapart,stischen Agenten au«gegangen sind, ve» harrt da» socialistische Blatt „Bataille" darauf, daß jene Bewegung im Volke selbst seine Wurzel habe. Man schelte die dortigen Rebellen gegen die heutige Gesell schaftsordnung „Räuber", wie man 1789 die Anhänger der Revolution „Räuber" schalt; wie diese trotzdem schließlich siegten, so würden auch jene siegen! — Ein italienischer Socialist, Zanardelli, welcher bereit« vor 4 Jahren au« Frankreich au«gewiesen wurde, ist, nachdem er inzwischen die Erlaubniß erhalten hatte, hierher zurückzukehren, sich aber auf« Neue an den Versammlungen betheiligtr, abermals zum Verlaffen des Landes aufgefordert worden. Bern, 25. August. Ein Telegramm der „Köln. Ztg." meldet: Sämmtliche deutsche socialdemo kratische ReichStagSabgeordnete, ausgenommen Rittinghaufen, haben mehrere Tage in Zürich über eine neue Organisation ihrer Partei Rath gepflogen. Amsterdam, 23. August. (Köln. Vlksztg.) Dem General van der Heyden »st endlich, wenn auch nicht völlige Gerechtigkeit widerfahren, so doch eine ehrenvolle Genugthuung geworden. Bekanntlich hatte die Kammer eme Commission zur Untersuchung der Beschwerden eingesetzt, welche in der Adresse dcS Gene rals an die Kammer niedergelegt waren. Der von dieser Commission in den letzten Tagen veröffentlichte Bericht kommt nun zu dem Schluß, daß d,e gegen den General wegen grausamer Kriegführung von untergeordneten indischen Beamten und selbst vom Colonialmimster erhobenen Anklagen unbegründet seien, und daß auch das übrige Verhalten de» Generals durchaus keinen Tadel verdiene. Obschon die Com mission den Minister van Gottstein möglichst zu schonen sucht, so kann sie ihn doch nicht von weitgehender Leichtgläubigkeit, womit er die den General comp'v- mittlrenden Aussagen entgegennahm, freisprechen, wäh rend Alle-, was von anderer Seite zu Gunsten deS Hrn. van der Heyden berichtet wurde, consequent un beachtet blieb. Ueber die Befähigung deS Generals als Civilgouverneur AtchinS will die Commission kein Urtheil abgeben; e» ist dies auch wohl überflüssig, da die Thatsachen längst den Nachfolger van der Heyden'» als total unfählg hingestellt und damit zugleich dem Besieger Atchin» ein glänzende» Zeugniß au»gestellt haben. Die Thatsachen haben nun doch wohl für Jeden, welcher sehen will, auf da« Unzweideutigste er wiesen, daß die Herrschaft der an starren, bureaukra- tlschen Formen festhaltenden Civilverwaltung über haupt für die dortigen Verhältnisse einstweilen noch absolut inopportun, ja im höchsten Maße gefahr bringend und verderblich ist. Nur eme stramme, eiserne Hand kann in Atchin wieder gut machen, war in den letzten Jahren so leichtsinnig verspielt wurde, und nach unserer Ueberzeugung tritt nicht eher wieder Friede und ein geordneter Zustand ein, bis eine Militärver waltung mit einem energischen Mann, wie General van der Heyden, an der Spitze, die „Marodeur» und Bö»willigen" wieder zur Raison bringt. Ueber die jetzt herrschenden Zustände giebt rin Bericht de» Gou verneur» von Atchin, welcher bi» 27. Juni reicht, eine Probe, wobei bemerkt werden muß, daß der Bericht möglichst rosafarben gehalten ist. „ Ein trauriger Fall," heißt e« da, „ist zu melden, dec in der Nacht vom 18. auf den 19. Juni auf der Insel Poulou-BraS stattfand. Eine Bande von etwa 60 Mann steckte die Viehställe und die Schuppen der Lastträger in Brand, ermordete 6 Personen, verwundete noch verschiedene Andere und führte an Waaren und Geld circa 2000 Gulden und einige Waffen mit. Am 22. wurde eine TranSportcolonne von etwa 100 Bewaffneten ange fallen und verschiedene Güter entwendet, wobei 7 Mann verwundet wurden und 1 den Tod fand, während die Atchinesen 2 Tobte zurückließen. Im Uebrigen blieb Alles so ziemlich beim Alten." (Der Colonialminister van Gottstein hat bekanntlich inzwischen seine De mission erhalten und ist durch den bisherigen Ad ministrator im Finanzministerium, de Brauw, ersetzt worden.) Loudon, 22. August. (K. Ztg.) Die Landligisten haben gesunden, wa- sie suchten: ein neue» Programm. Parnrll verkündigte eS gestern auf einer Versammlung seiner politischen Anhänger: e- ist ein Arbeiterpro- soweit bringen kann, wie Sie, Mr. Dorell, trotz Ihrer Jugend?" Um den Mund Dorell'S spielte jetzt ein eigen- thümlicher Zug von unsagbarer Bitterkeit und Weh wuth; eS sah sich an wie ein Lächeln, aber welch ein Lächeln! (Schluß folgt.) Im Nildelta.*) Kein Terrain in ganz Aegypten ist reicher an ge schichtlichen Erinnerungen, an eine große glänzende Vergangenheit, als dasjenige, auf dem zur Stunde ArabiBeyS Truppen den Engländern gegenüberstehen. Entzückende Landschaftsbilder biet n allerdings die Ufer an den Mündungen des „h-iligsten der Ströme" nicht gerade dar; die Gegend, obschon überaus fruchtbar, ist stellenweise sehr sumpfig und sandig. Der Strand am Maryut- (Mareotis), Edku-, BurluS- und Menzalehsee trägt nur hin und wieder Acacien, schlanke Palmen und breitästige Sykomoren, sonst grenzen ihn hohe Schilfmauern vom Ackerboden ab. Die Fellochendörfer erheben sich durchschnittlich 15 bis 20 m über dem Wasserspiegel der Nilarme oder Seen und sind die einzigen Punkte, an denen bisweilen das Auge in dieser abwechselung-losen Fläche haften bleibt. Nur wenn im Herbst oder Winter ein scharfer Ostwind daS gelbe Sandmeer auswirbelt, legt er ab und zu einen Stein oder eine gebrochene Säule mit lateinischen In schriften bloß, die Zeugniß davon geben, daß einst über diese Gefilde röm.sche Cohorten zogen und RomaS siegreiche Adler auch aus diesem Stück afrikanischer Erde im Hellen Sonnenlichte e^glä-zten. * Nachdruck nicht gestattet. Doch davon weiß der Fellah, d. h. zu Deutsch der Pflüger, nicht-. Wenn früh am östlichen Himmel ein schimmernder Purpurreifen sich zeigt, der rasch zu einer feuerrothen Wolke anschwillt und das Nahen des neuen Tage- verkündet, dann erhebt sich der ägyptische AckerS- mann von seinem armseligen Lager, um zu arbeiten, nicht für sich, sondern für den Pascha, den Bey und für den Scheich, feinen nächsten Vorgesetzten. In Kafr- ed-Dauar (häufig fälschlich Kafr - el - Dewar genannt), wo gegenwärtig Arabi Bey einige Cavalleriejchwadro- neu und verschiedene Batterien Artillerie posttrt hat, weilte ich vergangenes Jahr al- Gast bei einem fran zösischen Ingenieur. Gegenüber dem Wohnhause mei ne» freundlichen Wirths arbeiteten einige Dutzend nur nothdürstig bekleideter Fellachen in versengender Son nenhitze. Als ich in ihre Mitte trat, gewahrte ich, daß bei Verschiedenen die nackten Schultern mit tiefen Narben bedeckt waren. Ich erkundigte mich nach der Ursache dieser Verwundungen und erfuhr darauf, daß hier die Peitsche der Steuerexecutoren zum Oeftern sich versucht hatte. Der Fellah trennt sich nur sehr schwer vom blinkenden Metall. So oft ich diesen Leu ten ein Geldstück gab, ließen sie eS regelmäßig in den Mund wandern, denn Börsen sind bei ihnen noch nicht gebräuchlich. Zu Hause angekommen, lassen sie die Münze aus dem Munde herausfallen und vergraben sie in die Erde, entweder in der eigenen Hütte, oder doch in deren nächster Nähe. Kommt der Steuer erheber inS HauS, so läßt er gewöhnlich den Fußbo den aufgroben und aufwühlen, denn au- freien Stücken zahlt der Fellah gewöhnlich nicht. Findet man ober beim Zerwühlen des Erdboden- nicht-, so wird der Fellah auf ein Bret geschnallt und so lange durchgepeitscht, bi» er zahlt. Prügel gelten ihm nicht als Schande, im Gegen- theil zeigen viele Fellachen derartig erhaltene Wunden mit Stolz al« ein Zeichen dafür, daß sie so lange al- möglich den Anordnungen der Regierung zu trotzen wußten. Es ist die- jedenfalls die sonderbarste po litische Opposition, welche man auf der Welt antreffen kann. Vom großen Weltgetriebe erfährt, wie gesagt, der Fellah nicht». Nur monatlich zwei Mal erscheint im Dorfe ein Mann, der au« der Stadt einige Neuigkei ten benchtet, und da- ist der Briefbote. Ist ein Kaffeehaus im Dörfchen (derartige Kaffeehäuser sind nichts Andere«, al» elende, schmutzige, aus Bretern zujammengefügte Buden), so lagert sich der Briefträger vor diesem. In einem großen bunten Tuche sind die Briefe verwahrt. Der Postbeamte breitet da« Tuch au-, ruht vor dem Kaffeehause einige Stunden, und jeder Bewohner, der einen Brief erwartet, begiebt sich vor da» „Cafs" und mustert die auf der Erde au-qe- breiteten Briefe. Kann er selber nicht lesen, so befin det sich in seiner Begleitung gewöhnlich ein Freund, der dieser „Wissenschaft" kundig ist. Bisweilen ist der Briefbote selbst ein öffentlicher Schreiber, der gegen geringe- Honorar die empfangenen Briefe für die Fellachen direct beantwortet. Die Hütten der Land bewohner enthalten nur einen Raum, der von Men schen, Hühnern und Eseln gemeinschaftlich benutzt wird, während die Schafe gewöhnlich die Nächte unter freiem Himmel zubringen. Licht und Luft mangeln in diesem Raume sehr, der im Ganzen nur eine Oeffnung besitzt, die Thür, durch welche allein der Rauch vom innern Herdfeuer abziehen kann und durch welche die Luft Zutritt erhält. Am Nildelta nährt sich die eingeborene Landbe völkerung durchschnittlich Tag für Tag, Sommer wie Winter nur von einer Speise, welche arabisch ,Ful" genannt wird. „Ful" wird früh, Mittag» und Abend« gegessen und besteht au» Bohnen, Mehl, Brod, Gur ken, Salz und Olivenöl. Der Magen eines Euro päer», der diese Speise auch nur in wenigen Löffeln zu sich genommen, verspürt schon nach kurzer Zeil ein Gefühl, da« ihn glauben machen könnte, mit Pflaster steinen sich gesättigt zu haben. Der Schrich-el-Beled (Gemeindevolstand) führt natürlich eme bessere Küche, trinkt regelmäßig seinen Kaffee zu jeder Mahlzeit, und dieser Kaffee ist in ganz Aegypten ein Getränk, welche» nicht da« Geringste zu wünsch-n übrig läßt. Wesent lich ander-, al- m Deutschland wird m Aegypten eine Tasse Kaffee präparirt. Man nimmt zunächst die noch grünen Bohnen, röstet sie, stampft sie in einem höl zernen Mörser mit ebenfalls hölzernen Stampfern fein und vermischt diesen Kaffee, fall« er süß getrunken werden soll, mit zerriebenem Zucker. Dann übergießt man die Mischung von Kaffee und Zucker mit kochen dem Wasser und läßt den Kaffee dick einkochen, der nunmehr au- sehr kleinen Tassen getrunken wird. Dieser in Holzmörsern zerstoßene Kaffee hat einen stark-n aromatischen Beigeschmack, welchen Kaffee, der in eisernen Mühlen zermahlen worden ist, nie haben kann. Kaffee ist in Aegypten übrigen« mehr ein Ge tränk der Männer, denn der Frauen, die jedenfalls unter den Fellachen die niedrigste, ja eine geradezu entwürdigende Stellung einnehmen. An Feiertagen, also gewissermaßen an den Sonn- und Festtagen der Muhamedaner, sah ich sehr häufig Fellachen über Land auf einem Esel reiten. Die Ehe