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Dresdner Journal : 27.08.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-08-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188208273
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820827
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820827
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-08
- Tag 1882-08-27
-
Monat
1882-08
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 27.08.1882
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O19S Sonntag, den 27. August. 1882. Xdvllava»vat»pr«l»t I» r*"" L,»t,eds» L«ivd»: liibriiet»: .... 18 st«rk. ^Mrück: « sl»rk L0 ?k. 2uu«Iu« Itvmiosra: 10 «rk»Id Ui 6sr>t«ct>eo K«icb»» tritt kort- un<1 8t»wpelLu»eUI»2 lÜL»u. loAvroteoprel»«; kvr äen R»ui» eiu«r ^«pulten«» kstitrsils 20 ?k tlntsr „Lill^«»»nät" Ui« 2«i!« SY kk. Lei ^»bsUvll- uo-i 2iUeia»»t« Sy 8b Aukcblsx. 1o««r»t«aLoa»kw« «»«Mkrt»? 1-«ip»lg: ^e Lrancirtetter, t)omwi»»iovLr Ue» DresUner Uourv»I»; S»wd-r, L«rli» - Vi«o - I^iprj, L»„I Lr«,1im-rr«i^tiirr ». H : kv^/rr, S«rUL-Vj«ll Srmdurz kr»^ -k-Lnkka-t ». N-Hü»ed«L: ÄuU äkorrr, Lrrlm: /ivaNUrriUant, Lr«m«n: A ^>tanA<-n >> Lureau ^'mii L^adat?»),' kr»»>lku^ » A : L UaeAer'seks UuckkLnUIun^; VSrMr: LtMee- klrvvavsr i k»rt» Lsriui - r-Lllkkurl » H StoU^LN: Daide tk t/'o , SrmdLrx: ^Ici. ü't«n«r Liickeloeu: UtFlieU mit Auiosdw» U«r 8oml- or»U keisrt»^« Adsoäi Klr Usa kol^soUvn Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. HerausxeKerr Lüviel. Lipeclitiou äs» vresöoer ^ourual», DresUso, ^vio^erstrass« Ho. 2V. Amtlicher Lbeil. Dreidev, 24. August. Se. Königl. Majestät haben dem Localichlachtsteurreinnehmer Johann Gott» lob Hentschel in Gröblitz da» Allgemeine Ehren zeichen Allergnädigst zu verleihen geruht. Bekanntmachung. In Gemäßheit von 8 6 der Verordnung über den Geschäftsbetrieb ausländischer Versicherungsanstalten im Königreiche Sachsen vom 16. September 1856 wird von dem Ministerium des Innern hierdurch bekannt gemacht, daß die Mannheimer Versicherungs-Gesellschaft in Mannheim den Vorschriften in 88 2 bi» 4 der angezogenen Ver ordnung Genüge geleistet und Dresden zum Sitz für ihren Geschäftsbetrieb in Sachsen ge wählt hat. Dresden, den 22. August 1882. Ministerium des Innern, Abthtilung für Ackerbau, Gewerbe und Handel. Für den AbtheilungSvorstand: Böttcher. Fromm. Nichtamtlicher Lheit. Telegraphische Nachrichten. Leipzig, Sonnabend, 26. August, Mittag». (Priv -Tel. d. DreSdn. JournA Der hiesige Polizei- director Oberstaatsanwalt Richter ist in vergange ner Rächt im Bade Em» verstorben. Wien, Freitag, 25. August, Abend». (Tel. d. Boh.) Die heutigen Rachmittag»blLtter bringen ein (nebenstehend unter der Rubrik „ZeitungSschau" mitgetheiltet) polizeiliche» Communiquü über da» raffinirte Raubattentat vom 4. Juli l. I., be gangen an dem Schuhmacher Merstallinger hier- selbst. Die Polizei publicirt aber auch noch fol gende «eitere Enthüllungen über den planmäßi gen Zusammenhang der jüngsten Verbrechen mit der hiesigen anarchistischen Fraktion der Arbeiterpartei: 10 Personen, darunter 2 Frauenzimmer, wurden bereits verhaftet, weil sie beim Raubattentat an dem Schuhmacher Merstallinger betheiligt sein sollen. In der Redaction deS BlatieS „Zukunft", dem Organ der radikalen Arbeiterpartei, fand eine Hausdurchsuchung Statt, bei der man eine Correspondenz fand, au» wel cher die Polizei den Verdacht schöpft, daß da» Atten tat auf Merstallinger nicht blo» von 2 Personen ver übt wurde, sondern ein erster terroristischer Versuch der radikalen Arbeiterpartei sei. Die Polizei will auch An haltspunkte für den Verdacht besitzen, daß der Ein bruch im Palais deS Grafen Andrassy in Buda- Pest ein zweiter derartiger Versuch sei Die unga rischen Behörden wurden bereits nm Einleitung der bezüglichen Erhebungen ersucht. Seit mehreren Tagen finden ununterbrochen Verhöre Statt. Mehrere Verdächtige sollen bereits Geständnisse abgelegt haben. — Von anderer Seite wird gemeldet: Unter den Verhafteten befinden sich die Arbeiter Berendt, Fritz Schmidt, Pfleger, GamS und der Redacteur der „Zu kunft" Peukert, ferner Frau Hotze, deren Mann ent flohen ist. Ihre Kinder und daS Mobiliar wurden vorläufig auf das Gemeindehaus gebracht. Da- Re- dactiontlocal der „Zukunft" wurde heute polizeilich gesperrt, aber nach 2 Stunk rn wieder geöffnet. Triest, Freitag, 25. August, Abend». (Con.- Bur.) Die hiesige Handelskammer beschloß ohne alle Feuilleton. Rekigirt von Otto Bauet. Mr. Timsrv der Spekulant. Roman von Lonrad Fischer-Sallsttin. (Fortsetzung.) Frau v. Leuteritz schien einer Ohnmacht nahe zu sein; sie breitete nicht die Arme aus, um ihn zu um fangen, sondern stand da, still und stumm und blickte den geliebten Sohn an, der doch so ganz ander- war, al» der, um den sie sich soeben noch bekümmert hatte. Franz trat auf seine Mutter hinzu und wollte sie mit brlden Armen umjangen, aber zu seinem außer ordentlichen Erstaunen wich sie beinahe vor ihm zurück. Dann wandte er sich an seine Schwester Fran ziska, die sich jetzt von inneren Gefühlen überwältigt, mit beiden Händen vor da- Gesicht schlug und davon rannte. „Sieh mich nicht an, Franz, sieh mich nicht an", fließ sie dabei hervor und flüchtete sich in ihr Zimmer. Franz v. Leuteritz war auf diese Ueberstürzung, auf diese Uederraschung, die sein Erscheinen im Aeltern- Hause Hervorrufen würde, vorbereitet, denn der ver wundete Dorell hatte ihm Alle» gebeichtet. Er nahm deshalb seine Mutter sanft am Arme, führte sie hinein inS Zimmer und erzählte ihr den Vorgang, soweit er ihn wußte. Frau v. Leuteritz konnte sich kaum fasten und wagte oft nicht den Blick zu der alten Johanne zu erheben, Debatte einstimmig, anläßlich der 500jLhrigen Zugehörigkeit Triest» zu der österreichischen Monar chie eine Ergrdenhrit»adresse an den Kaiser zu richten. Nach einer vom Regierungörommiffar gemachten Mittheilung werden der Kaiser und die Kaiserin, sowie der Kronprinz Rudolf und seine Gemahlin der Stabt Triest am 17., 18. und 1S. k. Mt». einen Besuch abstatten. Die Kammer nahm die Mittheilung mit lebhaften Beifallsrufen und Händeklatschen auf. London, Freitag, 25. August, Abend». (W T. B.) Eine Depesche de» General» Wolseley an da» Departement de» Kriege» au» JSmailia vom 24. d. M. meldet: Ich habe heute Morgen mit Cavallerie und 1000 Mann Infanterie den Vormarsch angetreten und nach einigen Schar mützeln einen von Arabi Bey» Truppen zwischen den Ortschaften Magfar und Mahuta am Canal errichteten Faschinendamm besetzt. Einige Offiziere und Mannschaften sind verwundet. Ich werde morgen die Stellung de» Feinde» bei Halenka an greifen. London, Freitag, 25. August, Nacht». (W. T. B.) General Wolseley berichtet in einer Depesche au» Jsmailia von heute Abend 10 Uhr Folgende»: Er (Wolseley) sei heute früh von Neuem vorge rückt mit der 1. Division, der ganzen Cavalleriebrigade und 16 Kanonen. Die Aegypter hätten ihre Position bei Mahuta stark verschanzt und noch etwa 10000 Mann zur Verstärkung herangezogen, während eng- lisckersiit- im Ganzen nur 1500 Mann den ganzen Tag über, und zwar mit Erfolg, denselben entgegen- gestellt wurden. Er habe dem General Lowe Befehl ertheilt, mit Cavallerie und Artillerie die Aegypter im Rücken anzugreifen; General Lowe habe diese» Ma növer in der geschicktesten Weise auSgeführt; die engli schen Truppen hätten den Feind in die Flucht geschlagen und ihm einen empfindlichen Verlust beigebracht; ein großes Lager bei dem Bahnhofe Mahsamet, 5 Krupp'jche Kanonen, eine Quantität Munition und eine Anzahl Gewehre nebst 75 EisenbahnwaggonS voll Proviant sei in ihre Hände gefallen. Wolseley erklärt weiter, er sei so sehr von dem AuSgang dieses Zusammenstoßes mit den Aegyptern befriedigt, daß er, entgegen seiner frühem Absicht, morgen schon den Weitermarsch an treten werde, um die Schleuse Kassasin am Süßwasser- canal zu besitzen, da diese Position den Weg der Truppen durch die Wüste zwischen JSmailia und Dette sicherstelle. Er erwarte, bevor er nach Zagazig ge lange, keinen ernsthaften Angriff der Aegypter mehr, die durch die heutige Niederlage in hohem Grade ent- muthigt erschienen. Die m dem gestrigen Gefechte englischerfeit- erlittenen Verluste giebt General Wol- seley auf 6 Tobte und 12 Verwundete an. Die heu tigen Verluste seien noch unbekannt, aber nicht bedeu tend. General Seymour habe auf dem Süßwassercanal einen Schiffsverkehr hergestellt, um die Truppen mit Proviant zu versehen. Konstantinopel, Sonnabend, 26. August. (Tel. d. DreSdn. Journ) Lord Dufferin hatte gestern eine Conferenz mit Said Pascha und Asfim Pascha. Dufferin erklärte, England gebe den Bedenken de» Sultans nach und sei bereit, die Forderung zu- rückzuziehrn, daß jede Bewegung durch den eng lischen Commandanten gutgrheißen werde. Der türkische und der englische Cowmandant sollten miteinander brrathen. Wenn die türkischerseit» beabsichtigte Bewegung die englische Zustimmung nicht findet, soll e» den Türken frristehen, dieselbe gleichwohl auSzuführeu. Said Pascha besteht da- rauf, die Landuug der türkischen Truppen in Alexandrien sei zur Combinirung der auSzufüh- rendrn Operationen unerläßlich. die sich immer in der Nähe Franzen'S zu schaffen machte und sich nicht satt sehen konnte an ihm, denn diese alte treue Dienerin hatte genauer gesehen, als selbst daS Mutterauge. Und weit schlimmer erging eS der Franziska, sie wagte sich nicht aus ihrer Kammer heraus, und so oft sie daS Gesicht au» den Kissen deS BelteS, auf das sie sich geworfen, erhob, um in den Spiegel zu sehen, stieg eine Röthe der Scham in ihr auf, ohne daß sie eigentlich wußte, weshalb, bi» endlich die alte Johanne zu ihr kam und sie sich dieser an die Brust warf. „Verzeihe mir, Johanne, Johanne verzeihe mir!" Und wie gern verzieh ihr Johanne, wie herzte und küßte sie FranzrSka und führte sie dann dem guten Franz zu, der immer noch neben seiner Mama saß und ihr von dem schändlichen Treiben deS Danke erzählte. Mit einer brennenden Röthe im Gesicht, mit einem verwirrten Blick kam sie dem Bruder näher und reichte ihm die kleine bebende Hand. „O, eS ist schändlich, mein Bruder, e» ist schänd lich! Nenne mir nicht wieder seinen Namen!" „Meine gute beste Franziska, glaube mir, der Be trüger hat eine furchtbare Strafe erlitten; in Deiner Nähe durchkostete er die Hölle, doch haben wir kein Recht mehr, ihn zu verwünichen, denn Dorell ist todt." Franziska zuckte jäh zusammen und taumelte auf einen Stuhl nieder. „O Got», todt, todt!" „Sein Schicksal hat ihn erreicht; wer weiß, ob er e» verdient hat, denn die Triebfeder de» Verbrechen» war Mr. Timsen, und sicherlich wird auch diesen sein Infolge der von der Pforte eingesetzteu En- quSte bezüglich der jüngsten Unruhen in Beirut wurden 6 bereit» bestrafte Individuen al» An stifter überführt und zur Verbannung verurtheilt; 8 wurden nach Rhodu», 3 nach Marasch und 5 mitschuldige Soldaten nach Jemen tran»portirt. Alexandrien, Sonnabend, 26. August. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der Offizier und die 12 Marinesoldaten de» österreichischen Kriegsschiffe» „RautiluS", welche am 21. d. in Abukir gelandet hatten und von den Truppen Arabi BeyS gefangen genommen worden waren, find nunmehr freigr- lassen worden. Der „NautiluS" ist nach Port- Said abgrgangen. Dre»drn, 26. August. Ein in Wien am 4. Jul: d. I. mit großem Raffinement durch Anwendung von Narkose verübte- Raubattentat erhält eine politische Bedeutung, da dasselbe, wie sich nachträglich herausstellt, mit der Ver schwörung im Zusammenhänge steht, welche die Anar chistenpartei, deren Umtriebe in Frankeich und Italien wir neuerdings wiederholt an dieser Stelle be sprachen, nunmehr auch auf Oesterreich-Ungarn auSzu- dehnen versucht, lieber den im vorliegenden Falle in Frage kommenden Raubanfall wurden seiner Zeit folgende thatsächliche Mlttheilungen veröffentlicht: In der Mittagsstunde der 4. Juli wurde in Wien >n dem Haufe Nr. 8 der Zieglergasse am Neubau, einem fehr belebten Hause, in welchem sich auch das Postamt be findet, ein frecher Raubanfall an einem dort etablirten Schuhwaarensabiikanten auSgeführt. Der Raubanfall wurde von zwei elegant gekleideten Männern verübt, welche in einem Comfortable angefahien kamen. Die Ausführung deS Verbrechens ließ erkennen, daß das selbe sorgfältig vorbereitet war und daß die Thäter von den Verhältnissen ihre» Opfers eingehend ,nfor- mirt waren. In dem erwähnten Hause hat der Schuh- waarensabrikant Josef Merstallinger einen Gassenladen und an denselben angrenzend die Werkstätte und eine kleine Wohnung inne. Al» am 4. Juli Mittags die bei dem Fabrikanten im Dienste stehenden Leute zum Essen fortgegangen waren, sperrte er wie gewöhnlich die Ge- wölbethür ab. Um j»l Uhr fuhr der dem Postamte ein Einspänner vor, welchem zwei elegant gekleidete Herren entstiegen. Dieselben gingen zu dem Ge wölbe deS Schuhmachers. Einer der Herren klopfte an die versperrte Ladenthür. Der Meister öffnete und ließ die Beiden eintreten. Gegen 1 Uhr fanden sich die Arbeiterinnen wieder im Hause ein und klopften an; eS wurde ihnen jedoch nicht geöffnet, worauf sie auf die Gasse hinaus zur Gewölbethür eilten. Sie fanden dieselbe unversperrt und traten ein. Im Laden lag der Meister mit dem Gesichte zur Erde gekehrt auf dem Boden, neben ihm ein Schwamm. Im Wohnzimmer war ein Kasten erbrochen und ein Koffer aufgesprengt, so daß auf den ersten Blick zu erkennen war, daß hier ein Verbrechen verübt worden. Auf da» Geschrei der beiden Mädchen eilten Hausbewohner herbe» und leisteten sofort dem Unglücklichen Beistand. ES zeigte sich nämlich, daß er nur besinnungslos war und außer leichten Hautabschürfungen an den Händen und im Gesichle, sowie einer kleinen Geschwulst an der Nase keinerlei Verletzungen hatte. Merstallinger'S Aus sagen ergaben Folgende-: Die beiden Herren theilten nach ihrem Eintritte in das Gewölbe mit, daß sie größere Einkäufe besorgen möchten. Merstallinger holte au- dem Wohnzimmer da- Einschreibebuch, um die Bestellung zu notiren. Als er wieder in den Laden zurückgekehrt war, ergriffen ihn die Beiden an den Armen. Von den zwei Attentätern war eS der kleinere, welcher dem Fabrikanten einen mit Schwefeläther getränkten Schicksal erreichen; denn wäre Dorell nicht gewesen, so hätte ich Euch, meine Lieben, nie wieder gesehen, für mich ging er in den Tod!" Und nun erzählte Franz v. Leuteritz den Hergang der fürchterlichen Scene. „O Gott, mein Bruder, mein Bruder," rief Fran ziska, als er geendigt, „hast Du ihn wirklich sterben sehen? O Gott, er hat den Tod nicht verdient, nein, nein, er hat ihn nicht verdient!" „Die Aerzte gaben ihn auf, als ich mich von ihm verabschiedete." Ein Gedanke war nun urplötzlich in Franziska aufgestiegen, der ihr jede Fiber erregte; sie erhob sich mit bleichem Gesicht und wollte nach der Thüre eilen. „Um GotteSwillen, Kind, was willst Du thun?" fragte Frau v. Leuteritz erschrocken. „Zu ihm, zu ihm! Ihm mein Verzeihen in» Grab Nachrufen — Franz, o Mutter, Franz, Johanne be- gleitet mich, begleitet mich!" * * „Passen Sie ja auf," sagte Or. Mohrmann zu der Diakonissin, „da» Mr. Dorell nicht wieder den Ver such macht, sich die Wunde aufzureißen: wenn sich der Fall wiederholen sollie, dann gebe ich da» Leben mei ne» Patienten auf. Bedenken Sie, Schwester Helene, daß e» eine Gewissensfrage für Sie ist, und lassen Sie mir den Patienten keine Minute aus den Augen." „Seien Sie unbesorgt, Herr Doctor, ich werde Alle» thun, um eine Wiederholung diese» Vorfälle« zu verhindern." Die Diakonissin beugte sich jetzt über den Patien ten, vor dessen Lager sie stand. „Nicht wahr, Mr. Dorell, Sie werden den Ver- Schwamm mit der rechten Hand an Mund und Nase preßte, indeß er mit der linken Hand den rechten Arm de» Opfer- festhielt. Der zweite Attentäter hatte den lin ken Arm Merstallinger'- gefaßt. Trotz seiner energi schen Gegenwehr konnte er sich von feinen Angreifern nicht lo- machen, war in kürzester Zeit betäubt und stürzte zu Boden. Die Thäter begaben sich nun in daS Wohnzimmer und erbrachen dort die oberste Lade eine- Kastens, au- welchem sie einen Baarbetrag von ungefähr 800 Fl. und diverse Pretiosen entwendeten. Wie genau die Verbrecher informirt fein mußten, geht daraus hervor, daß sie zwei andere im Zimmer be- findliche Kästen völlig unberührt ließen und am dritten Kasten nur die oberste Lade, in welchem sich da- Geld und die Werthsachen befanden, aufsprengten. Dann erbrachen sie in dem Gewölbe eine Handcassette, welche die Tageskasse, ungefähr 300 Fl., enthielt und von welcher nur die im Geschäfte Bekannten wußten. Da mit hatten die Thäter Alle-, was an Geld und Pre tiosen im Laden und in der Wohnung zu finden war, geraubt und fuhren weg. Dieses ist der thatsächliche Hergang de- Vorfalles vom 4. Juli. In den letzten Tagen ist eS endlich gelungen, bezüglich der Thäter Aufklärung zu erhalten, und sind die Ergebnisse der Nachforschungen hoch interessant. Von Seiten deS Wiener Polizeipräsidium- ist hierüber folgendes Communiquä au-gegeben worden: „Schon seit längerer Zeit wird in den Journalen der revolutionären Partei des Au-landeS mit schamloser Frechheit die Agitation durch Aufwiegelung der Arbeitermassen betrieben und insbesondere in aufrührerischen Flugblättern zur Zertrümmerung und Vernichtung aller staatlichen Institutionen auf gestachelt. Durch den unleugbaren Einfluß dieser Preßerzeugnisse bildete sich nach und nach auch in einzelnen Kreisen hiesiger Arbeiter eine Fraktion, welche vollkommen den anarchistischen Standpunkt deS gegenwärtig in England detinirten Most ver tritt und nach Anweisung der von Most mit seltener Brutalität verfochtenen commumstischen Irrlehren in einzelne geheime Gruppen — Clubs genannt — zerfällt. Diese sind dazu berufen, den geplanten gesellschaftlichen Umsturz zu fördern, den Boden in ihren Kreisen zu unterwühlen, die schlimmsten Lei denschaften der unteren Stände aufzustacheln und überhaupt den Zündstoff in die Massen zu werfen. Daß dieser ausgestreute giftige Same nicht lange auf seine Früchte warten ließ, beweist unter Anderm da» jüngst an dem Schuhmacher Merstallinger verüble Raubattentat Die Sicherheitsbehörde hat nämlich schon einige Tage nach der Verübung diese- schweren Verbrechens Anzeichen gewonnen, au- denen mit aller Bestimmtheit zu erkennen war, daß da- Raubattentat von Niemand Anderem, al- von Anhängern der hiesigen radicalen Ar beiterpartei zu dem angeblichen Zwecke ver- übt wurde, um auf diesem verbrecherischen Wege Agitation-gelber aufzubringen. Die mit aller Unausfälligkeit und mit besonderer Umsicht gepflogenen Recherchen führten zu dem Resultate, dug ein Theil de- geraubten Gutes in der Wohnung eines wenige Tage nach verübter That flüchtig ge wordenen Tischlergehilsen, eine- fanatischen Führers dieser Umsturzpartei, em anderer Theil bei einem mit diesen Kreisen liirten Gold orbeiter gefunden wurde, und daß nach Inhalt der bei diesem Anlasse saisirten Correspondenzen auch mehrere mittelbar oder unmittelbar an diesem Raube betheiligten Socialisten, welche zumeist zu den Faiseurs der Partei zählen, in sicheren Ge wahrsam gebracht werden konnten. Die amtlichen Feststellungen ergaben weiter, daß die verbrecherische That ihre Schatten bi- in die RedactionSstube eine- hiesigen socialdemokratischen Parteiorgan- warf, und such nicht wieder machen, sich den Verband aufzu- reißen?" Der Angeredete sah au- dem Kissen hervor die Schwester mit einem Blicke von Schwermuth an, aber redete nicht-. „Der Patient ist etwa» erschlafft, und e» wird nicht- schaden, wenn Sie ihn ein wenig ruhen lassen, Schwester H.lene; sollte sich aber etwa- Ungewöhn liches ereignen, dann läuten Sie unverzüglich." Der Arzt verlieh hier da- Zimmer, um seine Morgenvisite fortzusitzen. Aber wenn er glaubte, daß Dorell alsbald in einen Schlaf versinken würde, so irrte er sich. Die Ruhe Dorell'S war nur scheinbar; denn kaum wußte er, daß der Arzt das Zimmer verlassen, so wandte er sich an die an seinem Lager stehende barmherzige Schwester. „Darf ich Sie bitten, Schwester Helene, mir ein GlaS ganz frisches Wasser holen zu wollen? Mich dürstet." „Nein, nein. Mr. Dorell, ich errathe Ihre Ab sicht, Sie wollen sich Ihre Wunden wieder aufreiben, ich werde nicht von hier fortgehen." Die Augen Dorell'S wurden feucht. „Wenn S'e da» sind, für die ich Sie halte, eine barmherzige Schwester, und wenn Sie Erbarmen mit mir haben, dann lassen Sie mich ein Paar Minuten allein; ich darf und kann nicht mehr leben! Es giebt gewiß hundert Andere, deren Leben für irgend Je manden in der Welt Werth hat, wenden Sie diesen Ihre Sorgfalt zu." ,O Got», ist e- denn möglich, daß e» ein Mersch
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