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Dresdner Journal : 09.08.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-08-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188208098
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820809
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820809
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-08
- Tag 1882-08-09
-
Monat
1882-08
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 09.08.1882
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W183. Mittwoch, den 9. August. 188S. ^dva»ewe»t»prvl»: In <l»»t»ck»o L»i-L«: äLkrlick: .... 18 H»rll. ^)LkrUok: 4 Llicrll KO kk. Li»»«I»« dtumwsrn: 10 kk. ^un«rk»Id äc« äeuticke» Reicks« tritt kost- uoä 8tswp«Iru»ctä»^ tü»»u. Iveerateoprslsvr kLr ä«» Reum eiosr xsepelteosn kstitreil« 20 kk. dl-tor „küo^essllät" äis Heils ü0 kk. >«i keksllua- uoä ^iüvrusutr SO H ^uksckl»^. Dres-NtrImmml. lusereteoennLkms »U8«»i-1»r I-»ip»i^ H. Lranästetter, OommiseiosLr äs» Oresävsr äour»»I«; U»wdar^ Berit»-Vien - I-»ip»i^ L»»»l Br»»I»» Br»»ke»rt ». H //aasen»te,n <L- kuA/erBorim -Vi«» S»wk»r8- Br»U-l.»ip»>^-Br»»>lk»rt ». H-Nbockeei /tuet. Afo«r,- Berlm: /irattäe-it/and, Brems»: L,'Lc/äatte,' Brest»»: L. ütariAen's Lu'«au eHiil L'adatk),' Bi»»Irt»rt » H : L ^aeAeksekv ltuekkeuälunx; Obrtits: tr. Okulier,' Sermorsr: 0. 8c/»ü«ter, Bert» Berti»-Bre»t:k»rt » U- St»Nxerr: Laute 6o., Sewderx: ^1ä. Lte»««r. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Lrsedelaeo r Utzlick mit Xusnellws äer 8onn- u»ä keisrtLKa Xke»ä» für äs» folxsutls» Uvrausxedvrr Lvoiel. Ripeäitio» äes Oresäuer ^ouruels, Orvsäso, ^vio^erstresss Ho. 20. Nichtamtlicher Theil. Urhersicht: Telrßraphische Nachrichten. Zeitung-schau. (Allgemeine Zeitung. Statistische Correspondenz.) Tage-grschichte. (Berlin. München. Stuttgart. Wei mar. Wien. Prag. Triest. Buda-Pest. St. Peters burg. Sofia.) Zur igyptischen Krage. Ernennungen, Versetzungen re. im öffeutl. Dienste. Betriebsergebnisse der königl. Staatteisevbahnen. (Kohlentransport.) Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichteu. (Borna. Crimmitschau. Löbau.) Lotteriegewinnliste vom 7. August, vermischtes. Statistik und BolkSwirthschaft. EingesandteS. Feuilleton. Tage-kalender. Telegraphische WitterungSberichte. Inserate. Beilage. Börsennachrichten. Telegraphische Nachrichten. Pari-, Montag, 7. August, AbeudS. (W. T. B.) Nach amtlicher Mittheilung ist daS neue Cabinet, wie folgt, zusammengesetzt: Duclerc, Con- seil-präfidrnt und Auswärtige-; FallidrrS, In- nereS; DevdS, Justiz; Tirard, Finanzen; Billot, Krieg; Zaursguiberry, Marine; Cochery, Posten; Mahy, Ackerbau; Pierre Legrand, Handel und in terimistisch auch öffentliche Arbeiten; Duvaux, Unterricht. Develle übernahm daö UnterstaatS secretariat im Ministerium de- Innern. DaS neue Ministerium wird, gutem Vernehmen nach, morgen in dem Senat und in der Kammer eine Erklärung zur Verlesung bringen, worin in Bezug auf die auswärtige Politik gesagt wird, daß das neue Cabinet nicht auf die Vergangenheit zurückkommen wolle und daö Votum der Kammer aceeptire. DaS neue Cabinet wolle den Frieden, werde aber, wenn irgend ein Zwischenfall eintreten sollte, der die Würde Frankreich- berühren könnte, sofort die parlamentarischen Körperschaften einbe rufen, um denselben die erforderlichen Maßregeln anzukünbigen. In Bezug auf die innere Politik wird da- neue Ministerium erklären, daß rö die Beschlüsse der Kammer alö die Grundlagen der von ihm zu befolgenden Politik betrachte. London, Montag, 7. August, Abend-. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung deS Unterhauses wurde die Regierung wieder mehrfach in der ägyp tischen Krage interpellier. Gourley fragte an, ob es die Absicht der Regie rung sei, wegen Ankaufs der dem Sultan gehörenden finanziellen Rechte auf dem Suezcanal in Unterhand lung zu treten, im Hinblicke auf ein eventuelles Arrange ment mit den europäischen Mächten, demzufolge die Schifffahrt auf den Canal als die auf einer inter nationalen Weltmeerstraße in Friedens- wie in Kriegs- zeiten gelten solle. — Ler Premier Gladstone be merkte in seiner Erwiderung zunächst, L>sseps habe nur als Privatmann gegen die Landung englischer Truppen protestirt; die Regierung halte es daher nicht sür nöthig, Schritte wegen solcher Proteste zu thun. Die einzige Erwägung, welche mit Erfolg betreff« deS SuezcanalS angestellt werden könne, fei die, daß er offen bleibe. Der Canal aber werde offen bleiben, und die Regierung fei daher nicht geneigt, die von Gourley angeregten Fragen auch ihrerseits aufzu werfen. — Der UnterstaatSsecretär des Aeußern, Sir Charle- Dilke, erwiderte auf eine Anfrage Arnold'S, der Ferman vom Jahre 1879, durch welchen Tewfik Pafcha mit der Investitur bekleidet wurde, sei ein internationale- Engagement, und eS sei ihm nicht be kannt, daß die Conserenz Schritte gethan hätte, um festzustellen, ob der Sultan an diesem Engagement festhalte. Die englische Regierung habe oft darauf al- auf eines der Engagements hingewiesen, welche sie aufrecht zu erhalten wünsche. Dilke antwortete ferner Burke, die Unterhandlungen über die militärische Inter vention der Türkei seien noch nicht bei dem Punkte an gekommen, wo eine Mittheilung darüber thunlich sei. Es liege kein Grund vor, zu glauben, die Conferenz würde die militärische Action Englands controliren oder sich in dieselbe mischen. Die englische Regierung betrachte die Flagge deS Khedive als die in Aegypten zu entfaltende Flagge, wenn die britischen Truppen das Land besetzen und die bürgerliche Autorität im Namen des Khedive auSgeübt werde. Bezüglich eines Protectorats über den Suezcanal sei kein Abkommen getroffen; der einzige Vorschlag sei der gewesen, die Sicherheit des Suezcanals durch Abmachungen festzu stellen, an denen zu participiren alle Mächte eingeladen werden sollten. Der Botschafter Lord Dufferin sei an- gewiefen, zu erklären, daß jedes Abkommen für diesen Zweck auf zeitweilige Arrangements mit Bezug auf die bestehenden Umstände beschränkt sein müsse. Dilke erklärt weiter gegenüber dem Baron Worms, eS seien noch keine türkischen Truppen nach Alexandrien ge sandt, und die Pforte Hube die englifche Regierung be nachrichtigt, die bereits kingeschifften Truppen seien nach Kandia bestimmt. Dilke theilt schließlich mit, dem Sultan sei weder ein Ultimatum überreicht wor den, noch sei die Zeitungsnachricht correct, daß mit der Abberufung des englischen Botfchasters, Lord Dufferin, gedroht worden. Konstantinopel, DienStag, 8. August. (Tel. d. DreSdn. Journ.) In der gestrigen Sitzung der Conferenz erklärte Said Pascha, die Pforte stimme vollständig den Clauseln und Bedingungen zu, welche in der Note der Botschafter vom 15. Juli für die türkische Intervention in Aegypten aufge stellt wurden. Die türkischen Bevollmächtigten unterzeichneten daS diesbezügliche Protokoll. Said Pascha theilte sodann mit, daß dir Proclamation, welche Arabi Bey als Rebellen erklärt, bereits ab- gefaßt sei; er werde eine Uebersetzung derselben wahrscheinlich nächsten Donnerstag vorlegen. Ein Jradeh des Sultans ermächtigt die tür kischen Vertreter bei der Conferenz, dem inter nationalen UeberwachungSdienstr auf dem Suez- canal zuzustimmen und die Politik des Sultans in Aegypten durch eine Proclamation kund zu thun. Der Ministerrath ertheiltr Server Pascha, welcher alS türkischer Commissar in Aegypten be stimmt ist, Instructionen. Alexandrien, Montag, 7. August. (Tel. d. Polit. Corr.) Zwei französische Gesellschaften haben anläßlich der Brandlegung und Plünderung der Araber beim hiesigen Gerichtshöfe Entschädigungs klagen eingebracht. In der ersten Verhandlung hierüber erklärte der ägyptische Regierungsver treter, daß er rückfichtlich der Verantwortlichkeit für die Kacta, auf welche dir Kläger ihre An- spräche bafiren, die formellsten und ausgedehntesten Vorbehalte machen müsse. Alexandrien, DienStag, 8. August. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Die Truppen Arabi BeyS ver schanzen sich zwischen Abukir, Ramleh und dem Westufer deS MahmudiehcanalS. Gestern näherten sich auf einem Bahnzuge ägyptische Truppen und FellahS der Station Mi- halla in der offenbaren Absicht, die Bahnlinie zu zerstören, wurden aber durch die englischen Ge schütze gezwungen, von ihrem Vorhaben abzustehen und sich zurückzvziehen. Der Khedive hat an Ragheb Pascha ein Schrei- ben gerichtet, in welchem daS Ministerium auf gefordert wird, zur Entschädigung aller durch daS Blutbad und die Einäscherung in Alexandrien Ge schädigten sich bereit zu erklären, und Ragheb Pascha angewiesen wird, die Absichten deS Khe dive zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Dresden, 8. August. Bei den eigentümlichen, heute in Rußland be stehenden Verhältnissen verdient Alles, was zur Ver mehrung unserer Kenntniß der socialen Zustände Ruß lands beiträgt, eine dankbare Aufnahme. Vielfach hat sich die Presse in den letzten Jahren mit den von Alexander II. angebahnten bauernfreundlichen Maß regeln, deren Hauptgrundlage das vielbesprochene Ge setz vom 19. Februar 1861 bildet, beschäftigt. Durch dieses Gesetz wurde die Emancipation der Leibeignen ausgesprochen; allein 20 Jahre nach Erlaß dieses Ge setzes stellten sich bei dem moskowitischen Bauer genau dieselben Erscheinungen heraus, welche unter den Zaren Feodor Iwanowitsch und Boris Godunow die Ein führung der Leibeigenschaft zur Folge gehabt. Faul heit und Trunksucht ruinirrn den russischen Bauern stand, und die Verfassung der russischen Dorfgemeinde, der in ihr ausgesprochene Grundsatz des Agrarcommu- niSmus begünstigt diesen allgemeinen Ruin. „Be obachtungen, die sonst für die ganze Welt zuträfen", sagt ein Mitarbeiter der Augsburger „Allgemeinen Zeitung", „werden durch die Trägheit und den Leichtsinn des moskowitischen Landmannes nur zu oft s.6 absurckum geführt. Die Chance, daß kraft des AgrarcommuniSmus und der solidarischen Haftpflicht Eines sür Alle, der Faule in Ruhland durch die Leistungen deS fleißigern oder betri-bsamern Land bebauers gedeckt wird, veranlaßt Erstern häufig die lohnendsten Angebote muthwillig zu vernachlässigen. ES hat Fälle gegeben, daß benachbarte Gutsbesitzer, die um Arbeitskräfte verlegen waren, für das Ein- . sammeln von Getreide den exorbitanten Preis von 20 Rubel per Dessätine gezahlt haben und daß die Bauern doch mitten aus der Arbeit fortliefen, so bald ihnen irgend ein plötzlicher Schnaps- oder Plaisir- gedanke durch den Kopf fuhr. Ost haben die Guts besitzer zum Einsammeln von Getreide für ein Billiges Soldaten annehmen müssen, weil die höchsten Preise die russischen Bauern der Umgegend nicht aus dem äolos tar nients oder aus der Kneipe hervorzulocken vermochten, und doch bleibt stellenweise die Ernte zum Theil liegen. Dann wundert man sich in den natio nalen Kreisen hinterher, wenn Theuerung oder unge nügende Ernten sich geltend machen." Gegen diese wirthschaftliche Unfähigkeit deS russi schen Bauernstandes bieten die seither versuchten Mit tel keine Garantie. Weder die durch ein Gesetz vom 1. Januar d. I. decretirte Herabminderung der Los kaufszahlungen, noch die vorgeschlagene Uebersiedelung nach freien Kronländern dürfte, wie von kundiger Seite versichert wird, irgend welchen heilenden Ein fluß aus das nationalrussifche Bauernthum zu üben vermögen. Jedes neue, den Bauern auf Grundlage des AgrarcommuniSmus überwiefene Land würde nur dem Verwirthschaften überliefert und der Zustand deS russischen Ackerbaues in keiner Weise gebessert werden. Diese bedauerliche Wahrnehmung ist sehr geeignet, nachstehende Darlegung, welche die „Statistische Correspondenz" von den Wirkungen deS oben er wähnten Gesetzes vom 19. Januar 1861 giebt, in ihrem Werthe etwas herabzumindern, wenn auch da- beharrliche Streben der russischen Regierung, die Eman- cipation deS Bauernstandes in ihrem vollen Umsange durchzuführen, die wärmste Anerkennung aller Men schenfreunde verdient. Im Hinblick auf dieses Gesetz dürste eS nicht ohne Interesse sein, die über den Stand der Ablösung am 1. Januar 1882 veröffentlichten Daten kennen zu lernen. Nach denselben beträgt die Zahl der Bauern, sür welche das neue Ablösungs gesetz Geltung hat, 1422012 RevisionSseelen, d. h. Bauern, die noch in zeitweilig verpflichtenden Be ziehungen zum Gutsbesitzer stehen. Im Lause dieses Jahres, spätestens am 1. Januar 1883, werden auch diese Bauern Grundeigenthümer des auf Grundlage deS Gesetzes von 1861 ihnen zugetheilten Bauernlan des, und damit gelangt daS mit diesem Emancipations- gesetz angebahnte Reformwerk zum Abschluß. Die größte Zahl der zur Zeit noch verpflichteten Bauern weisen noch die Gouvernements Kursk mit 155 656 RevisionSseelen oder 42,4 Procent der früher gutsherr lichen Bevölkerung dieses Gouvernements, Nischny Now gorod mit 109 895 RevisionSseelen oder 42 Procent und Tula mit 102932 RevisionSseelen oder 28,3 Procent nach. Von der Gesammtzahl der früher gutsherrlichen Bauern, 7 421 197 RevisionSseelen, haben in den so genannten mnern Gouvernements 5999187 oder fast 81 Procent das Bauernland abgelöst. Welche Be deutung hierbei die Mitwirkung der Staatsregierung durch die Inanspruchnahme deS Staatscredits zur Ab lösung gehabt hat, geht daraus hervor, daß nur 644 094 bäuerliche Seelen durch 3912 Verträge ihr Land ohne Inanspruchnahme, d. h. durch direkte Ver einbarung mit den Gutsbesitzern abgelöst haben; da gegen vermochten 5 355093 Seelen durch 70158 Verträge nur not Hilfe deS StaatScreditS das Eigen thumsrecht am zugetheilten Bauernland zu erwerben, wobei der Staat die Ablösungsschuld der Bauern durch Ausreichung des betreffenden Capitols an die Gutsbesitzer übernahm. Hierdurch wurden die Bauern Schuldner der Regierung und haben dieser halbjähr liche Zins- und AmortisationSzah'.ungen für jenes Capital zu leisten. Zur vorbezeichneten Zahl treten ferner aus den 9 sogenannten westlich-n Gouverne ments 2 716 529 Seelen früher gutSherrlicher Bauern, auf die infolge des polnischen Aufstandes das Eman- cipationSgesetz von 1861 gleichfalls Anwendung fand, so daß mithin überhaupt in 46 Gouvernements von 10137 726 früher gutsherrlichen Seelen 8 715 716 oder 85,4 Procent das Bauernland abgelöst hab-n. Durch das oben angeführte neue Gesetz vom 1. Ja nuar d. I. werden die von den Bauern zu leistenden Ablösungssummen nicht unwesentlicht ermäßigt (1 Rubel pro Revisionsseele; in Klcinrußland 16 Ko peken pro Rubel, d. h. etwa 1 Sechstel der bisherigen Ablösungszahlungen); auch tritt nunmehr die Eigen- thumSverleihung des Landes bezüglich der noch in obligatorischen Beziehungen (Pacht oder Frohne) zu den Gutsbesitzern stehenden Bauern mit dem 1. Ja nuar 1883 überall ein, soweit die Ablösung nicht be reits im Laufe des Jahres 1882 erfolgt ist. Eine große, Rußland, nachdem es das Reform werk vollendet, zur Lösung verbleibende Ausgabe ist die geistige und sittliche Hebung des Bauernstandes selbst: eine Aufgabe, die allerdings noch weit schwieriger ist, als die Ablösung der Leibeigenschaft. Namentlich er blickt man in der zu begünstigenden Einwanderung erprobter Landbauern aus den baltifchen Provinzen und dem Auslande eine nothwendige Ergänzung der agrarischen Reformen, durch welche eS möglich würde, den russischen Bauernstand emporzuheben und ihm die Vortheile der anderwärts betriebenen rationellen Landwirthschaft vor Augen zu führen. Feuilleton. vtedigirt von Otto Banck. Mr. Timsen der Speculant. R»man von Conrad Fischer-Sallsteiu. (Fortsetzung.) „Wissen Sie, wie man die Neigung eines jungen Herzens sehr leicht erkennt, Herr v. Leuteritz?" „Mama, ich bitte Dich", bat Sofie in tiefster Ver legenheit. „Kind, ich habe mit meiner Freundin, mit Frau v. Leuteritz ebenfalls darüber gesprochen, und ich sehe nicht ein, warum ich zum Herrn Capitän nicht da- verrathen soll, wa- ihn doch offenbar erfreuen würde — daß Du seinen Namen im Traume ge nannt." Sofie Locher bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen. „Mama scherzt, sehen Sie selbst, Hr. v. Leuteritz, Mama scherzt." Franz sah mehr betroffen, al» erstaunt, der Dame de» Hause» in da» geröthete Gesicht. Er war dabei geneigt, diese Frau für einen verteufelten Lorporal zu halten, der seine Lorporalschast ohne Erbarmen in» Feuer führt; aber Frau Locher mußte einsehen, daß sie gerade da» Gegentheil von Dem erreichte mit ihrer Kühnheit, wa» Ke erstreben wollte; denn e» entstand auf einmal, zwischen den jungen Leuten eine drückende, befremdende Stille, so daß Frau Locher, vielleicht fühlend, daß sie doch am Ende nicht den richtigen Ton angeschlagen, plötzlich nach Hedwig fragend — al» ob sie nicht wußte, daß diese längst au- dem Zimmer war — mit einem ermunternden Blick auf ihre Tochter da» Zimmer verließ. Nun waren die beiden jungen Leute allein. Sofie ließ sich in einem Anfalle von Verdruß, ein Verdruß, der der graufamen und tactlosen Mama galt, auf da- Sofa sinken und weinte. Franz v. Leuteritz suchte sie zu trösten. „Sie werden eS der Mama nachsehen müssen, Hr. Capitän," begann sie, schüchternd zu ihm auf sehend, „sie meint eS nicht böse, aber sie spricht so eigen." Franz unterdrückte ein Lächeln. „Ich halte ihre Frau Mama für eine sehr liebens würdige Dame und finde Ihre Klagen nicht so ganz begründet, Frl. Locher." „Nicht so ganz," erwiderte Sofie mit einer ge wissen Angst in seinen Augen forschend, „aber doch etwa» — o, Sie wissen sich sehr zart au»zudrücken, Hr. v. Leuteritz." Das arme, von ihrer eigenen Mutter in» Feuer gesührte Mädchen schien aus glühenden Kohlen zu sitzen. Er selber fühlte zu fehr da» Peinliche der Situation, um nicht Mitgefühl mit ihr haben zu fallen; dabei blickte er zu ihr herab und fand, daß sie nicht häßlich, nein, daß sie schön sei. Ohne es zu wollen, verglich er sie mit Franziska und fragte sich, ob e» ihm möglich sein könnte, jemals der Gatte diese- Kinde» zu werden? Ja, er könnte e» werden, und sei eS auch nur des halb, um sich irgend wohin zu retten; vielleicht gelingt e» ihm, gerade durch solche Mittel den Bann zu brechen, unter dem er seufzt und ringt. Franziska war ja feine Schwester und mußte e» sein; ein Mal mußte er mit sich einig werden. Und jetzt, wo er sich aufrafft, als wolle er mit sich und Allem abrechnen, ist er auch gleich bereit, diesen einzigen Weg zu be treten, der ihn aus dieser Hölle voll brennender Ge fühle, aus diesen Qualen hinausführt. Und mit diefem Entschlusse reichte er dem Fräu lein Locher die Hand und blickte ihr eine Weile ernst und sinnend in das Antlitz. „Halten Sie eS für hübsch, Fräulein Locher, wenn sich zwei Menschen bereit erklären, bereit sind, die heißesten Wünsche ihrer Aeltern zu erfüllen?" „Mein Herr, ich weiß nicht, welche Wünsche Sie meinen?" „Unsere Aeltern wünschen, daß wir uns einander angehören und glücklich werden sollen. Warum sollten unsere Wünsche nicht auch dieselben sein?" Die Angeredete warf hier einen ängstlichen Blick nach der Thür. „Reden Sie nicht so laut, Herr v. Leuteritz — die Mama horcht." „Ich meine," sagte Franz mit einem flüchtigen Blick nach der Thür, hinter der Frau Locher horchte, „ob man eS versuchen kann, glücklich zu werden?" „Ich glaube," flüsterte sie, über und über er- röthend. „Gut, dann lassen Sie e» uns versuchen." Franz v. Leuteritz versuchte e», sie an sich heran- zuziehen. „Wie meinen Sie da», Herr v. Leuteritz?" „Lasten Sie un» einander angehören, Sofie." Sofie widerstrebte nicht. Das arme Kind war in einer Verfassung, in der sie überhaupt nicht wußte, was sic that. Er berührte mit dem Munde ihre Lippen und dabei bebte etwas in ihm auf — eS überlief ihn kalt und heiß, wie eine tiefe Reue. Er meinte, die Augen Franziska's ruhten auf ihm, als er dirS that; er ließ Sofie beinahe erschreckt los und konnte nicht- thun, als sich an den einen Gedanken anklammern — Krose- witz wird Glück mit seiner Kugel haben. Mit dieser Scene war das Slichwort für Frau Locher gefallen. Wie eine routinirte Acteurin trat sie durch die Thür, wie aus einer Coulisse heraus auf die Bühne, um ihre Glanzrolle, nämlich die einer zärtlichen Mutter, zu geben. Als Sofie ihr nicht gleich mit dem süßen Ge- ständniß an die Brust fallen wollte, umschlang sie sie selbst mit beiden Armen und riß sie an sich. Dann konnte sie auch dem Verlangen nicht widerstehen, Franzen mit mütterlicher Zärtlichkeit die Stirn zu küssen; er war ja auch eine so herrliche Partie. Nach einer W-ile ließ Frau Locher die Glücklichen abermals allein, stürmte mit rauschender Schleppe durch die Corridore, bis hinunter in den Garten, um da- glücklrche Ereignis, durchs HauS zu schreien und in die Welt zu schleudern. Der Gatte begegnete ihr unten im Hausflur; sie fand es aber überflüssig, ihm Mittheilungen zu machen, er kann ja die Verlobungsanzeige in der Zeitung lesen. Den beiden Mädchen im Garten, Hedwig und Franzi-ka, galt ihre Eile, ihre Hast, mit der sie durch die Gänge rauschte. Sie saßen stumm und kühl neben einander aus
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