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des Haardtwaldes entgegenfuhr. Er hatte für die ver ¬ hältnismäßig kurze Strecke Bruchsal—Karlsruhe so viel . Zeit zur Verfügung, daß es ihm geradezu sündhaft er ¬ schienen wäre, feinem schönen jungen Passagier auch nur eine einzige der abseits von der Hauptstraße liegen- Aber wen die Götter verderben wollen, den schlagen l sie zunächst mit Blindheit und Ahnungslosigkeit. Ein ! Beweis für die ewige Wahrheit dieses Wortes war jedenfalls auch die sonnige Sorglosigkeit, mit der zur nämlichen Stunde Graf Kurt Dietrich von Hoiningen in gemächlichem Tempo auf vortrefflichen Wegen den lieblich vor ihm aufsteigenden, begrünten Höhen „Darf ich fragen, wie dieser Scherz zu verstehen ist, liebste Sylvia? Westenholtz in Kampfbereitschaft gegen den Vicomte? Ja, mein Himmel, aus welcher Ursache denn?" „Soviel ich weiß, aus nicht unberechtigter Ent rüstung darüber, daß Herr de Marigny auf eine recht ungeschickte Weise versuchte, seinen Chauffeur an Westenholtz' Stelle zu bringen." „Der Aermste l" klagte die Baronin. „Das ist nun sein Lohn für die aufopfernde Gefälligkeit, die er Ihnen zu erweisen gedachte." „Oh, ich verkenne seine guten Absichten nicht. Aber ich werde es immer vorziehen, in einem Wagen zu reisen, dessen Lenker sich einfach meinen Anordnungen zu fügen hat, als in einem, der mir aus Gefälligkeit oder Menschenfreundlichkeit zur Verfügung gestellt wurde, und in dem ich darum nichts anderes bin, als ein von vornherein zur Bescheidenheit verurteilter Gast. Hoiningen lächelte still in sich hinein; Frau von Riedberg aber war etwas weniger unbefriedigt, als sie es sonst durch Sylvias Antworten zu sein pflegte. Sie hielt den Hinweis auf den Chauffeur, der sich einfach den Anordnungen seiner Herrin zu fügen habe, für einen wahlberechtigten Wink, um die unerträgliche An maßung dieses Westenholtz zu dämpfen, und sie war naiv genug zu glauben, daß die eben gehörte Erklärung der wirkliche Grund für Sylvias ablehnendes Verhalten gegen den Vicomte gewesen sein könnte. Als sich nach ziemlich langem Aufenthalt das Auto aufs neue in Bewegung setzte, kämpfte sie darum weniger hartnäckig als vorher, wo ihre Seele noch voll quälen den Mißtrauens gewesen war, gegen die durch die Mittagshitze heraufbeschworene Müdigkeit und war schon nach kurzer Zeit sanft und fest entschlummert. Als einer der vielen verstohlenen Blicke, die er in kurzen Zwischen räumen nach rückwärts zu werfen pflegte, den Grafen von dieser Lage der Dinge unterrichtet hatte, mäßigte er das Tempo der Fahrt noch mehr und wandte sich halblaut an Sylvia „Sie haben die Absicht, den ganzen morgigen Tag in Karlsruhe zuzubringen, mein gnädiges Fräulein?" „Ja. Ich bin mit meinen Briefschulden nachgerade allzusehr in Rückstand gekommen," erwiderte sie freundlich. „Namentlich mein Papa dürfte schon etwas ungehalten darüber sein, daß ihm von mir nichts anderes zu Ge sicht kommt als Ansichtspostkarten mit herzlichen Grüßen. Aber warum fragen Sie mich danach, Westenholtz?" „Weil ich auf einer meiner Fahrten zufällig einen entzückenden kleinen Ort kennen gelernt habe, den ich Ihnen sehr gern zeigen würde, wenn Ihre Reise dispositionen den Abstecher gestatten. Er liegt am Ufer des Rheins, kaum acht oder zehn Kilometer von Karlsruhe entfernt, und heißt Königsruh. Ich habe dort einmal einen unvergeßlichen Tag in einem reizenden kleinen Hotel verlebt und habe eine der hübschesten Bootfahrten gemacht, deren ich mich über haupt zu erinnern vermag." „Aber wenn, wie Sie sagen, der Ort am Rhein liegt, befindet er sich doch ziemlich weit außerhalb unserer Route." - „Nicht so weit, daß es unmöglich wäre, ihn zu be suchen. Auf Karlsruhe müßten Sie dann freilich für heute verzichten. Aber wir könnten es morgen vormittag zu guter Zeit erreichen. Und ein ganzer Tag ist voll kommen genügend, um alle wirklichen Sehenswürdig keiten der badischen Hauptstadt kennen zu lernen." Sylvia sagte nicht nein, aber sie blickte nachdenk lich vor sich hin. „Ich fürchte, die Baronin ist keine Freundin von Dootfahrten," sagte sie nur. (Fortsetzung folgt.) den Schönheiten vorzuenthalten, und Sylvia war denn auch niemals eifriger gewesen als heute, die reizvollsten dieser Schönheiten zur dauernden Erinnerung mit ihrer Camera festzuhalten. Di« Baronin von Riedberg mochte an den vielen Abstechern und Aufenthalten zwar nicht ganz so viel Vergnügen finden als ihre junge Schutz- ' befohlene, aber sie machte doch meistens gute Miene zum bösen Spiel, weil sie sich nachgerade hinlänglich hatte überzeugen können, daß sie mit ab fälligen Bemerkungen über diesen ihr so verhaßten Chauffeur gewöhnlich gerade das Gegenteil von dem erreichte, was sie beabsichtigt hatte. Auf einer der sanften Waldhöhen, die Hoiningens nie versagender Wagen mit Leichtigkeit erklommen hatte, grüßte sie eine Bergruine, wie Sylvia malerischer noch keine gesehen zu haben glaubte. Sie teilte die Passion aller Amerikaner für derartige stumme Zeugen einer fernen, romantischen Vergangenheit; denn nach ihrer Auffassung waren ehrwürdige Burgruinen so ziemlich das einzige, was die alte Welt vor der neuen voraushatte. Und um nichts in der Wett hätte sie sich's darum entgehen kaffen, auch diese hier zu photographieren. Aber als sie sich anfchickte, den Apparat einzustellen, fand sie, daß das Bild viel hübscher werden würde, wenn irgend welche Staffage darauf wäre, und in ihrem liebens würdigsten Ton ersuchte sie Hoiningen, diese Staffage abzugeben. Bereitwillig sprang er vom Wagen, um sich auf den Platz zu begeben, den Miß Pendleton als den zweckmäßigsten für ihn ausersehen hatte, und gehorsam leistete er jeder ihrer Anweisungen Folge, bis sie endlich mtt seiner Stellung, mit der Haltung seines Kopfes, der Richtung seines Blickes und mit allem übrigen vollkommen zufrieden war. „Schade, daß sich hier keine alte Ritterrüstung auf treiben läßt," sagte sie scherzend. „Ich glaube, Sie müßten sich famos darin ausnehmen, und auf meinem Bilde würden Sie dann aussehen, als ob Sie der Er bauer oder der Zerstörer dieses Schlosses gewesen wären. Eine Lanze müßten Sie natürlich auch haben, so einen gewaltigen Speer, wie ihn die alten Ritter bei ihren Zweikämpfen führten." „Die Maskerade würde doch wohl etwas unfrei willig Komisches haben," lächelte der Graf. „Von einem Ritter„ dessen vornehmste Lebensaufgabe es ist, zu turnieren und Zweikämpfe auszusechten, fühle ich, offen gestanden, nur noch recht wenig in meinem Blute." Sylvia warf ihm einen bedeutungsvollen Blick zu und zwinkerte verschmitzt mtt den Augen. „Und doch meine ich, --s wäre noch nicht allzu lange her, daß ich Sie in schönster Kampfbereitschaft gesehen hätte, wenn auch allerdings ohne Eisenrüstung und Lanze. Machen Sie ein Gesicht, wie Sie es heute dem Vicomte gegenüber aufgesetzt hatten, und der grimmige Riesen- und Drachentöter aus der Ritterzeit ist fix und fertig." Frau von Riedberg, die ihre Ohren für die Unter haltung der beiden nur dann verschloß, wenn der sanfte Gott des Schlummers sie wider ihren Willen zeitweilig in seine Arme schloß — Frau von Riedberg hatte inter essiert aufgehorcht, und nun mischte sie sich etwas spitzen Tones ein: