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Künd 'mm« l Großmama. Don W Hottner-Grefe. (Nachdruck verboten.) Frau Margot Saltern hatte in ihrer letzten Rolle einen neuen Triumph gefeiert. Sie war eine jener verständigen Künstlerinnen, welche mit dem Aelterwerden rechnen. Und nun spielte sie nach dem frechen Back fisch und der koketten Frau, die einst ihre Domäne gewesen waren, die reiferen, .klugen Salondameu mit einer seinen Grazie, welche alle bezauberte. Als sie am Morgen nach der Premiere aufwachte, hatte sie tein starkes Glücksgefühl. DaS kam nicht nur von dem Erfolg. Vielleicht war doch auch das Wiedersehen mit ihrem alten Freunde Max Normann schuld daran. Sie hatte sich so sehr gefreut, als sie da plötzlich in ihrem kleinen Thcaterboudoir stand, mitten unter allen Len anderen, den Bewunderern von heute und den Be kannten von gestern. Er überragte sie alle, stattlich und schlank, wie er mar, und Lie scharfen, Hellen Augen blitzten noch ebenso frisch aus dem gescheiten Gesicht, wie vor Jahren. Statt eines modernen Straußes hatte er ihr ein paar dunkle, schwerduftende Rosen gegeben. Ganz wie in alter Zeit — Frau Margot zog sich heute allein an. Dabei sah sie genau in den Spiegel. Das feine Gesicht erschien schärfer und sehr blaß. Ein müder Zug lag um den BLund. Sonst hatte sie nicht allzusehr darauf geachtet, aber heute tat's ihr fast weh. Die Rosen, welche neben deni Spiegel standen, hatten einen halbvergessenen Traum heraufbeschworen. Der Traum war mehr als fünfundzwanzig Jahre alt. Da waren sie und Max Normann Nachbarn und schlenderten gemeinsam durch die elterlichen Gärten. Und einmal hatte der Zwanzig jährige sie gefragt, ob sie ihn lieb habe — Es war erne Vollmondnacht, und die Rosen blühten, und sie waren jung. So ganz jung im Herzen. Frau Margot stand resolut auf. Darüber war nun fast ein Menschenalter vergangen und doch war der alte Zauber noch machtvoll. Jene Märchenstunde hatte sie nie vergessen, auch dann nicht, als das Leben sie jäh trennte. Sie folgte dem starken Drängen ihres Talents und ging zur Bühne. Er mußte nach dem plötzlichen Tode seines Vaters die Sorge für zwei Ge schwister übernehmen. Später hatte er geheiratet. Er stand allein, machte als Naturforscher große Reisen, schrieb vielgelesene Bücher darüber. Alles dies wußte Frau Margot aus den Zeitungen, sowie auch er ihren äußeren Lebenslauf verfolgt hatte. Das, was jedes für sich erlebte, das erzählten sie erst, als sie am Tage nach der erfolgreichen Premiere sich an dem Neinen Teetisch gegenübersaßen in Frau Mar gots Salon. Sie sah jetzt wieder sehr gut aus, war von einer Anmut, die ihn in Erstaunen setzte. Und dabet war sie frisch, heiter, natürlich. ,Llnd was haben Sie erlebt?'' fragte er endlich, Nachdem er von sich erzählt. Ein Schatten ging über ihr Gesicht. „Viel," sagte sie knapp. „Sie — waren verheiratet?'< „Ja. Nur zwei Jahre. Es war elne große Leiden schaft, welche rasch aufflammte. Saltern war mein Kollege. Er war Künstler durch und durch. Und Künst ler brauchen Abwechslung. Der Sturm verbrauste so schnell, wie er gekommen war, und dann — dann standen wir uns mit leeren Herzen gegenüber und hatten uns nichts mehr zu geben, gingen jedes einen anderen Weg durch das Leben. AlS er vor zehn Jahren starb, war er mir langst fremd." „Hatten Sie Kinder?'< fragte er nach einer Pause. Und, ein wenig zögernd, entgegnete sie: „Ich habe eine Tochter." Es schien, als wolle sie mehr sagen, aber sie brachte kein Wort hervor. Vielleicht empfand sie es wieder einmal schmerzlich in diesem Augenblicke, wie fremd ihr eigent lich ihr einziges Kind stets gewesen. In Klara wurden alle Eigenschaften des Vaters lebendig; ein wenig gemildert, verfeinert. Aber sie waren da. Das berührte Frau Margot peinlich. Ueberdies hatte sie, als Künst lerin, so oft ihren Wohnort wechseln müssen, daß es unmöglich wurde, die Erziehung des Heranwachsenden Mädchens einheitlich zu leiten. So kam Klara in ein Institut. Dann ging sie zu Verwandten, die auf dem Lande wohnten, da ihre Gesundheit nicht die stärkste war. Und dort lernte sie einen jungen Gutsbesitzer kennen und lieben. Vor etwas mehr als einem Jahre batte sie ihn geheiratet. Vor vier Monaten kam ein Kindchen zur Welt, ein hübscher kleiner Bub'. Seit dem kränkelte die junge Dtutter ein wenig. Frau Mar got war bei dem Ehepärchen gewesen in all den kriti schen Tagen, welche der Ankunft des Enkels voran- gingen und folgten. Gottlob, jene Zeit fiel gerade in die großen Sommerferien des Theaters. Sie hatte von der kränklichen Tochter wenig gehabt, obgleich sie sich merkwürdigerweise außerordentlich zur Pflege eignete. Das Kind aber — ja — das Kind hatte man ganz ihr überlassen. Und sie dachte mit einem stillen, tiefen Entzücken an jene sonnigen Tage zurück, da sie, ineben dem Wägelchen in dem Garten des Gutshauses saß. Damals hatte ihr das Wort „Großmama" gar Nichts ausgemacht. Dann aber mußte sie zurück in verr Beruf, zurück zu ihren Freunden, Kollegen. Hier hätte das Wort einen Beigeschmack gehabt, der ihr nicht paßte. So ließ sie Tochter und Bubi unerwähnt. Max Normann spürte mit dem unfehlbaren Instinkt feinfühliger Personen, daß er mit seiner Frage nach Kindern an irgendeine wunde Stelle gestreift habe. So wechselte er rasch das Thema. Sie war ihm dafür dankbar, denn plötzlich regte sich in ihr der Wunsch, daß.auch er nichts von ihrer großmütterlichen Würdh erfahren möge. Wozu auch? Bubi war weit weg! Und Max Normann erschien ihr als so jung geblieben, trotz der grauen Haare. Sie, als Großmama, würde daneben sich wie eine Jubelgreisin ausnehmen — Von diesem Teestündchen an kam der Jugendfreund vft. Sie hatte für ihn immer Zeit. Seine reiche Bil dung und sein tiefes Wissen machten ihn ihr bald ganz unentbehrlich. Sie gingen zusammen ihre Rollen durch, und sie gewann neue Einblicke und Ansichten, tieferes Verständnis. Er brachte die einzelnen Kapitel seines neuen naturgeschichtlichen Werkes, las ihr vor, besprach mit ihr alles, worüber er im Zweifel war. Immer mehr Harmonien entdeckten sie in ihren Seelen. Und alle diese gemeinsamen Interessen verbanden sie stärker, als Jugend und Leidenschaft oft binden. An einem Dämmernachmittag im Spätherbst saß Frau Margot noch allein an ihrem Teetisch. Sie wartete auf den Freund. Und zum ersten Mole fühlte sie es, daß er ihr so viel geworden war. Sie empfand eS deutlich, daß er ebenso dachte. Aber da war immer ein Gedanke, der sie drückte: was würde er sagen, Denkspruch. 5aN mit üeinem sllen Lsherl Men Mik,mut -ungelegt I ;vr cki« Aunäen, die er lcklög«. Keich« der Leden »uch dar pltsrter. kib der Strom b>n«eg sie Krücke. Mutig in den kskn hinein! Nehm sie kugel dir ein kein. 8-eile ruhig nach der Krückel Slrrub.