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Juli 1884. „STAHL UNI) EISEN.“ Herr Helmholtz-Hannover: Mein Freund Horn hat Ihnen vorhin ganz hübsch auseinandergesetzt, wie ein Langrifs auf einem Stahlblock entsteht, aber wenn er auf einem grofsen Block einmal Langrisse gesehen hätte, und gesehen hätte, wie sie herausgehauen werden, dann hätte er sofort gesagt: „Das ist etwas ganz Anderes.“ Diese Zerstörung der Lagerhülse, wie sie an Slahlwellen auf den verschiedensten Werken vorgekommen ist, hat einen ganz anderen Charakter. Das richtige, ganz genau bekannte Analogon sind die zersprungenen Bremsbandagen. An jeder zersprungenen Brems- bandage können Sie immer noch nachträglich constatiren, ob sie infolge der Bremsung zersprungen ist, oder aus einem andern Grunde. Wenn sie die Bandage auf die Drehbank spannen und stechen die Hälfte davon ab, poliren und ätzen, so finden Sie eine Masse sehr verschieden tiefgehender Sprünge, einer davon ist vollständig durchgekommen und er ist die Bruchfläche. Aufser ihm finden sich Brüche von jeder Tiefe, alle aber parallel der Axe. Das ist die Wirkung des Bremsens. Die zerstörten Lagerhülsen von Stahlwellen zeigen durchaus nicht das Bild eines Langrisses. Ein solcher ist eben ein langer sich fortsetzender Rifs, während die Risse von zerstörten Lagerhülsen absetzen, nicht einzeln, sondern zahllos sind, und je länger Sie mit einer solchen ruinirten Welle arbeiten, desto mehr bedeckt sie sich mit Rissen. Ich habe Wellen gesehen von 22 Zoll Durch messer, wo kein Viertelzoll mehr auf der Peripherie ohne Rifs war, schliefslich addiren sich aller dings die Risse, laufen ineinander über und werden auch so lang wie der Lagerhals. Gleichzeitig erweitern sich die Risse und dringen radial tiefer und tiefer in die Welle ein, ich habe sie über 100 mm tief werden sehen. Ich bin nicht mehr Stahlfabricant, sondern Maschinenfabricant und also nicht interessirt, die Stahlwellen zu vertheidigen, das mögen andere Leute thun, ich mufs aber doch sagen, dafs ich auch schon wegen Rissen eiserne Wellen habe auslegen müssen. Ein Unter schied ist allerdings da, nämlich der, dafs sich bei eisernen Wellen die Erscheinung auf die Schweifsfugen concentrirt. Sie können auf einer solchen Welle nachher sehen, wie sie fabricirl wurde. Wenn ich eben gesagt habe, der Maschinenfabricant hat kein Interesse daran, die Stahl wellen gegenüber eisernen zu vertheidigen, so mufs ich mich doch etwas corrigiren. Es ist mit unter sehr schwer, eiserne Wellen zur Abnahme zu bringen, wenn man Abnehmern gegenüber steht, die sehr ängstlich sind. Es ist z. B. heute schon unangenehm, eiserne Schiffswellen zu liefern, denn an geschweifsten Wellen ist immer etwas zu finden. Mir sind Wellen zurückgewiesen, worden, die ich natürlich nicht fabricirte, sondern an die ich nur die letzte Hand anlegte, wobei ich also nicht direct interessirt war, wo es eine wahre Schande war, dafs sie zurückgewiesen wurden, lediglich wegen geringfügiger Schweifsfehler. (Grofse Heiterkeit.) Die Kenntnifs der Fabrications- methode der eisernen Wellen ist unbekannt, die Schiffsingenieure sind durch die häufigen Wellen- Das allgemeinste Vor- Fig. i. rieben sein. Geschieht Reihe von Jahren, so Das Metall kann nicht sondern es kann nur an dieser Stelle verrieben zwischen Welle und Metall nun dieser Metallconsum in lallt Ihnen das nicht auf. worden ist, die Lagerschalen nicht mehr ihre ursprüngliche Form haben, kommnifs ist, dafs zwischen der Lagerschale und dem gufseisernen Lagerklotz sich Spiel vorfindet (s. Fig. 1 bei a). sein, ver- einer Wird brüche so ängstlich und vorsichtig geworden, dafs sie auch die leisesten Fehler nicht mehr annehmen. Obwohl ich selbst Maschinenfabricant bin und obwohl es mir unter Umständen recht ange nehm sein kann, wenn ich sagen kann, der Fehler liegt im Stahl, den hat die Maschinenfabrik nicht gemacht, so mufs ich doch sagen, diese Bremsbrüche zu vermeiden ist durchaus nicht Sache der Herren Stahlfabricanten, sondern lediglich Sache der Maschinenfabricanten. Nun kann ich allerdings nicht angeben, wie Sie in jedem einzelnen Falle zu construiren haben, ich mufs mich darauf beschränken, den Gesichtspunkt anzugeben und darauf hinzuweisen, dafs in der Richtung, die ich als die richtige ansehe,’andere Leute auch schon Schritte gethan haben. Die Erklärung der Risse ist also folgende: Wenn eine heifs gelaufene Welle abgekühlt wird, schreckt sich die äufsere Peripherie schneller ab als die nächste innere Schicht, die äufsere Peri pherie mufs daher reifsen, es entstehen also Risse. Gehen wir nun vom Wellenhalse zu den Lagerschalen über, so liegt zuvörderst als grofse, durchgehende Erfahrung das Resultat vor, dafs in jedem Falle, wo eine stählerne Welle zerbremst aber bei einem Heifslaufen etwa 1/2 mm fortgerieben, so wird Ihre Welle schon gelitten haben. Es ist ganz unzweifelhaft, dafs sich die Schale nach innen gebogen _ und dort ihr Metall verrieben hat. Ich habe einmal gesehen, dafs man nichtsdesto weniger den entstandenen Zwischenraum durch Blech stücke ausgefüllt hat. Während also die Schale von selbst (d. h. durch die • Abkühlung nach dem