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troffen worden sind, so dafs die eine König liche Direction den Tarif aufhob, während die anderen Königlichen Directionen denselben für die in ihrem Bezirk domicilirten Industriellen noch aufrecht erhalten. Nachdem wir, unserer Pflicht entsprechend, vorstehend die Wünsche dargelegt haben, welche in Bezug auf das Eisenbahnwesen von unseren Mitgliedern geäufsert worden sind, können wir uns nicht versagen, schliefslich noch die Worte eines Berichterstatters hier anzuführen, der mit seinem Werke in einer Gegend liegt, von welcher aus nicht die am wenigsten dringend vorge brachten Wünsche und Forderungen erschallen. Der Herr Berichterstatter verneint die Frage, ob er irgend welche Klagen resp. Wünsche in Bezug auf das Verkehrswesen zu äufsern habe, und fährt dann fort: „Seitdem die Eisenbahnen mehr und mehr in die Hände des Staats kommen, verbessern sich alle betreffenden Verhältnisse zusehends, und man darf hoffen, dafs weitere Fortschritte sich vollziehen werden, auch ohne dafs viel fach kleinliche und nur einseitige Interessen erwägende.Petitionen um Frachtenermäfsigungen und sonstige Begünstigungen gestellt werden.“ Bezüglich der Wasserstrafsen besteht bei den Werken am Niederrhein ein lebhaftes Interesse an der Vertiefung des Fahrwassers des Rheins von Köln bis zur Mündung des Flusses in die See, ferner an der Canalisation der Mosel. Be strebungen , den Rhein bis Ruhrort resp. Köln mit leichteren Seeschiffen zu befahren, die aber doch geeignet sind, den Verkehr mit den Ostsee häfen zu vermitteln, treten bereits seit längerer Zeit hervor und haben zu Ende des vergangenen Jahres durch das Interesse, welches ihnen eine deutsche Schiffbauanstalt zuwendet, an Lebhaftig keit gewonnen. Man ist bemüht, eine Gesell schaft zu bilden zum Zwecke der Errichtung einer regelmäfsigen Dampferverbindung zwischen dem Niederrhein und den preufsischen, schwedischen und russischen Ostseehäfen. Vorläufig geht, wie uns berichtet wird, ein bedeutender Industrieller der Rheinprovinz damit voran, indem er mit einem zu diesem Zwecke eigens gebauten Dampfer für eigene Rechnung einen Versuch machen will. Dafs alle diese Bestrebungen, die Verbindung unseres Industriebezirks zu mehren und zu bessern, leichter ins Leben treten würden, wenn die Ver tiefung des Fahrwassers des Rheins in sicherer Aussicht stände, ist nicht zu bezweifeln. Durch die Canalisation der Mosel würde unseren Werken am Niederrhein der Bezug der Lothringer Erze wesentlich erleichtert werden, was mit Rücksicht auf den basischen Bessemerprocefs von Bedeutung sein würde. Wie fast überall, so treten aber auch hier entgegengesetzte Interessen hervor, die bei den Siegerländer, und Nassauer Gruben besitzern, den Werken an der Saar und den jenigen rheinisch-westfälischen Werken zu suchen sein dürften, die nicht beabsichtigen, das basische Verfahren bei sich einzuführen. Bezüglich der beabsichtigten Kanalverbindung des westfälischen Kohlenbeckens mit den Ems häfen gehen die Interessen der . Eisenindustrie sehr weit auseinander. Abgesehen von einer grofsen Zahl von Freunden und Anhängern dieses Projects, fehlt es auch nicht an Gegnern, die sich grundsätzlich gegen die Anlage neuer künst licher Wasserstrafsen erklären und die Meinung vertreten, dafs dieselben Zwecke billiger und besser durch die Anlage sogenannter Güter schleppbahnen erreicht werden könnten. Auch diejenigen Industriellen verhalten sich dem vor bezeichneten Projecte kühl gegenüber, die einen directen Nutzen von dem Kanale nicht zu er warten haben. In jedem Falle wird das im ver gangenen Jahre den beiden Häusern des Land tages vorgelegte und vom Herrenhause abge lehnte Project für unzureichend erachtet und eine Erweiterung desselben zu einer Verbindung des Rheins mit der Elbe verlangt. Es ist anzu nehmen , dafs ein solches erweitertes Project lebhaftere Unterstützung in den Kreisen der Eisen- und Stahlindustrie finden würde. Von sonstigen Verhältnissen, welche unsere Industrie ungünstig beeinflussen, oder deren Be sprechung hier erforderlich erscheint, heben wir zunächst hervor, dafs unsere ausführlichen Dar legungen bisher unbeachtet geblieben sind, durch welche wir den Nachweis führten, dafs das Ver fahren der Eisenbahnen, ihren Bedarf namentlich an Kleineisenzeug und Waggons mit sehr kurzen Lieferfristen auszuschreiben, höchst nachtheilig für die Industrie wie für die Arbeiter ist. Bei grofsen Waggonlieferungen wurden im vergangenen Jahre so überaus kurze Lieferfristen gesetzt, dafs die betreffenden Werke unter Zuhülfenahme aller disponiblen Kräfte und mit äufserster Anstrengung, jedoch nur verhältnifsmäfsig kurze Zeit, arbeiten mufsten, während sonst die Arbeit fehlte. Die Gewohnheit der Eisenbahnen, ihren Bedarf an Kleineisenzeug meistens - in den Wintermonaten für die Monate Februar bis April, höchstens bis Mai und Juni auszuschreiben, hat die Folge, dafs zur Zeit der Ausschreibungen alle Werke ohne Aufträge in diesen Eisenbahn-Bedarfsartikeln sind und dafs das dringende Arbeitsbedürfnifs dann zu Unterbietungen und zu Preisen führt, die kaum die Selbstkosten decken. Dies mag den Bahnverwaltungen vielleicht vortheilhaft er scheinen; wir meinen aber, dafs die Königl. Verwaltungen der Staatseisenbahnen, so sehr sie auch verpflichtet sein mögen, in fiscalischer Be ziehung jeden Vortheil wahrzunehmen, doch die Nachtheile berücksichtigen sollten, mit denen ihr Verfahren für die Industrie und namentlich für die Arbeiter verknüpft ist. Die Industriellen müssen ohne Nutzen, die Arbeiter einen Theil IV. 2