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Januar 1884. „STAHL UND EISEN.“ sondern auch dem Ideal einer derartigen Aufgabe entsprechend erschien. Demnach bleibt es durch aus gerechtfertigt, dafs aus diesen Motiven bereits im Jahre 1855 die zweite Weltausstellung in Paris arrangirt wurde, welche freilich zu dem eigenthümlichen Resultate führte, dafs sich bei einer um 50% vermehrlen Zahl der Aussteller eine um eine Million verminderte Zahl der Be sucher ergab. Wirthschaftlich weniger zu rechtfertigen er scheint es uns, dafs wiederum schon wenige Jahre später, im Jahre 1862, sodann in den Jahren 1867, 1873, 1876, 1878, 1879 und 1880 in Paris, Wien, Philadelphia, Paris, Sidney und Melbourne neue Weltausstellungen arrangirt wurden. Zwar hat die Betheiligung an denselben, sowohl in Bezug auf die Aussteller, als auf die Besucher, eine beständige Zunahme erfahren. Nicht minder ist das' Programm dieser Aus stellungen fortwährend und zum Theil in rafli- nirtester Weise erweitert worden. Zweifellos ist indessen, für Handel und Industrie der wirth- schaftliche Nutzen derselben nicht im Einklänge geblieben mit den Aufwendungen, welche durch die Betheiligung der Industrie an diesen Ver anstaltungen, sowie durch die Veranstaltung selbst seitens der einzelnen Staaten bedingt wurden. Nur die einzige erste Ausstellung zu London hat o ine ein Delicit abgeschlossen, während die sämmt- liehen übrigen Weltausstellungen ein Deficit auf wiesen, welches sich weit in die Millionen er streckte und geradezu vom nationalökonomischen Standpunkte unvernünftig erscheinen mufs, wenn man die enormen Summen hinzurechnet, welche die Aussteller selbst für ihre Betheiligung haben aufwenden müssen. Von den verschiedenen kleineren internationalen Ausstellungen, zu welchen eigentlich schon die jenigen von Sydney und Melbourne gehören und denen noch einige spätere in Argentinien, sowie in verschiedenen amerikanischen Städten folgten, darf bei unserer Betrachtung füglich abgesehen werden. Auch ist nicht zu übersehen, dafs ver schiedene der erwähnten Weltausstellungen weit mehr besonderen Erwägungen, als wie dem national - ökonomischen Zwecke derartiger Ver anstaltungen ihre Entstehung verdankten, wie denn z. B. die Ausstellung zu Paris im Jahre 1867 der Glorificirung des zweiten Kaiserreiches, dessen Stern im Erbleichen begriffen war, und diejenige des Jahres 1878 ebendaselbst der Gloire der neuen Republik zu dienen bestimmt waren. Die Ausstellung zu Philadelphia im Jahre 1876, welche bekanntlich in Verbindung mit der hundert jährigen Jubelfeier der Begründung des nord- amerikanischen Staatenbundes arrangirt wurde, hatte ihrerseits vorwiegend den Zweck eines amerikanischen Volksfestes, das geeignet erschien, der allgemeinen Feier einen soviel höheren Glanz zu verleihen. Die Ausstellungen in Sidney und Melbourne aber, deren praktischer Erfolg für die Industrieen der verschiedenen Continentalstaaten nicht zu betreiten ist, gingen aus dem vollkommen anzuerkennenden Bestreben jener jugendkräftigen, sich allmählich selbstständig entwickelnden Staatengebilde dieses neuesten und jüngsten Welttheils hervor, seinen Naturschätzen und Erzeugnissen für den .Export nach Europa die Wege zu bahnen und andererseits durch die Ausstellung der industriellen Leistungen Europas ebensowohl Anhaltspunkte für die Entwicklung der eigenen Gewerbthätigkeit, als auch Bezugs quellen für die mit der erstarkenden Wohlhaben- hit der Bevölkerung wachsenden Bedürfnisse derselben zu finden. Im übrigen ist es eine schwere Illusion, anzunehmen, dafs trotz unserer aufserordentlich schnelllebigen Zeit die indu strielle Entwicklung der einzelnen Länder solche Fortschritte zu machen vermöge, dafs Ausstel lungen, in Zwischenräumen von 3 bis 5 Jahren veranstaltet, imstande wären, grofse Cuiturfort schritte auf dem gewerblichen Gebiete erkennen zu lassen. Wer nicht zum erstenmal eine Aus stellung besucht bat, sondern schon wiederholt veranlafst war, oder Gelegenheit fand, einen Blick auf diese Veranstaltungen zu werfen, wird ge stehen müssen, dafs die Erwartung, etwas ab solut Neues zu finden, sich sehr bald als eine getäuschte erweisen mufste. Ist doch eine nicht unerhebliche Zahl der einem auf jeder Aus stellung entgegentretenden Schaustücke kaum richtiger als mit dem Ausdrücke »bekannter Ausstellungshüter« analog den in den Schau fenstern grofser Städte paradirenden »Ladenhüter« , zu bezeichnen. Daher kommt es, dafs für den häufigeren Besucher auch die in Zwischenräumen von 5 Jahren veranstalteten Expositionen ent schieden unter dem ungünstigen Eindrücke leiden, welchen die ermüdende Wiederholung des ziemlich Gleichartigen, welches sich bei der kurzen Auf einanderfolge der Ausstellungen als Haupteindruck derselben einprägt, naturgemäfs hervorbringt. Nun ist es gewifs, dafs der offenbare Mifsbrauch dieser modernen Einrichtung als Reclamemittel zu politischen Zwecken nicht hätte stattfinden können, wenn nicht von vornherein die Industrie aller Länder in grofser Zahl gewisser- masen eine ihrer Repräsentation schuldige Ver pflichtung empfand, — sobald das Zustande kommen eines . derartigen Unternehmens mit Sicherheit zu gewärtigen war — sich an dem selben zu betheiligen, koste es selbst in ein zelnen Fällen, was es wolle. Es ist wunderbar, wie trotz der enorm vor geschrittenen Intelligenz unseres Jahrhunderts es stellenweise nur der Lancirung eines Ge dankens bedarf, um sozusagen eine geheimnifs- volle Macht auf die ganze europäische Gesell schaft auszuüben. Der Industrielle sagt sich bei jedem in seine Hände gelangenden Prospect