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Kapitalien erblicken, welche von der Industrie nicht entbehrt werden können. Die Grundzüge halten auch daran fest, dafs das Heilverfahren bis zur 14. Woche nach Ein tritt des Unfalls den Krankenkassen zur Last fallen soll. Im übrigen aber sollen die ge- sammten Lasten der Unfallversicherung von den Betriebsunternehmern getragen werden; denn der Reichszuschufs ist fallen gelassen und auch den Arbeitern eine Beitragspflicht nicht auferlegt worden. Es ist genugsam bekannt, dafs auch von ein zelnen Industriellen dem Reichszuschufs eine wesentliche Bedeutung nicht beigelegt wird, die grofse Masse der Industriellen hält jedoch an demselben fest, erstens weil durch die Unfall versicherung die Jahrhunderte alte Unterstützungs pflicht der Gemeinde in dieser Beziehung auf gehoben wird und zweitens weil mit dem Unfall versicherungsgesetze auf socialem Gebiete eine Besserung der gegenwärtigen Zustände erzielt werden soll, die herbeizuführen im gemein samen Interesse des Staats und der Gesellschaft liegt. Die Opfer dafür einer einzigen Gesell schaftsklasse , den Betriebsunternehmern, aufzu legen, wird von der grofsen Mehrzahl der Indu striellen um so mehr für ungerecht gehalten, da die Productionsverhältnisse im allgemeinen nicht günstig liegen, da die Höhe der Belastung noch nicht zu erkennen ist, und da namentlich diejenigen Industrieen, bei denen der Arbeitslohn einen sehr hohen Procentsatz der ganzen Selbst kosten bildet, eine ungemein schwere Last zu tragen haben werden. Der Beitrag der Arbeiter ist weniger aus materiellen Rücksichten als wegen der ethischen Bedeutung desselben gefordert worden. Es dürfte sich kaum jemand finden, der ernstlich den Satz anfechten wollte, dafs die Versicherung für den Arbeiter erst werthvoll werden dürfte, wenn er zur Erlangung derselben selbst etwas opfern mufs; das Geschenk ist in diesen Fällen übel angebracht. Alle Factoren unserer Gesetzgebung werden jedoch gegenwärtig von-dem Streben, die Arbeiterkreise, oder vielmehr die Stimmen der Ar beiter für sich zu gewinnen, beherrscht; unter diesen Umständen will keiner dieser Factoren das Odium auf sich nehmen, dem Arbeiter ein Opfer zuzumutben. Daraus folgt aber auch, dafs inan die Arbeitgeber um so weniger zu schonen für nothwendig erachtet; denn ihrer sind ja im Verhältnifs zu der grofsen Masse der Wähler nur Wenige, auf ihre Stimmen ist daher um so weniger Rücksicht zu nehmen, da von ihnen zu erwarten ist, dafs sie sich, in ihrer Stellung als Producenten, so wie so der grofsen Mehrzahl nach den staatserhaltenden Parteien anschliefsen werden. Die Belastung der Betriebsunternehmer ist in den Grundzügen aber noch vermehrt worden, denn der 4 •46 täglich übersteigende Betrag des Arbeitsverdienstes, welcher nach dem vorjährigen Entwürfe nicht berücksichtigt werden sollte, wird, nach den Grundzügen, bei der Entschädigungs- berechnung mit einem Drittel zur Anrechnung ge bracht. Die Industrie verlangte aber, wie bereits ein gangs angedeutet worden ist, die Betheiligung der Arbeiter an der Beitragszahlung, um ihnen auch die Theilnahme an' der Verwaltung ein- räumen zu können und sie dadurch mehr, als es auf irgend einem andern Wege möglich ist, an einem nach allen Richtungen günstigen und be friedigenden Verlauf der neuen, für die socialen Ver hältnisse so wichtigen Institution zu interessiren. Wenn der Arbeiter aber activen Antheil an allen Zweigen der Verwaltung der Unfallversiche rung nehmen soll, wird auch von der Kreirung der Arbeiterausschüsse abgesehen werden können, an denen' die Grundzüge wunderbarer weise festhalten. Zum Zwecke der Wahl von Beisitzern zum Schiedsgericht, der Mitwirkung bei der Unter suchung von Unfällen und der Begutachtung der zur Verhütung von Unfällen zu erlassenden Mafs- regeln soll für jede Genossenschaft, und so fern die Genossenschaft in Sectionen getheilt ist, für jede Section ein Arbeiterausschufs errichtet werden. Eine Vermehrung der Arbeiterausschüsse kann auf Antrag der Interessenten, also der Ar beiter, vom Bundesrathe angeordnet werden. Die Wahl erfolgt durch die Vorstände der Orts- und Fabrikkrankenkassen und der Knappschaftskassen, unter Ausschlufs der denselben angehörigen Ver treter der Arbeitgeber. Der Arbeiterausschufs soll aus mindestens neun und höchstens achtzehn Personen und ebenso vielen Stellvertretern be stehen ; er wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzen den und fafst seine Beschlüsse unter Leitung desselben. Die Mitglieder erhalten aus der Ge nossenschaftskasse Ersatz der haaren Auslagen und des entgangenen Arbeitsverdienstes. Die Begründung findet sich mit wenigen Sätzen bezüglich dieser Arbeiterausschüsse ab. Wir erfahren unter Anderm, dafs bei einer Ge nossenschaft, die nicht in Sectionen getheilt ist, das Regulativ bezüglich des Wahlverfahrens von dem Reichs-Versicherungsamte festgestellt wird. Es sollen dabei Wahlbezirke abgegrenzt werden und es heifst wörtlich: „Eine der hauptsächlichsten Aufgaben des Regulativs wird darin bestehen, das Stimmenverhältnifs unter den wahlberechtigten Kassenvorständen festzustellen.“ Das erscheint in der That sehr wichtig, ist aber leicht gesagt, denn die Ausführung dürfte doch recht grofse Schwierigkeiten bieten. Wie aber ein Arbeiter ausschufs von achtzehn Mitgliedern bei einer, das ganze Reichsgebiet umfassenden Betriebsgenossen schaft bezüglich seiner Mitgliederzahl auf dieses Gebiet vertheilt werden und die vorangeführten