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temperatur ein, so bleibt der Stahl nach der Spiegel- reaction unruhig, steigt und giebt in der Coquille Gase mit höherem Kohlenoxydgehalt. Diese That- sachc wendet unsern Blick wieder zum Thomasstahl zurück. Es erscheint uns unzweifelhaft, dafs auch bei ihm die nach der Spiegelreaction verbleibende starke Gassecretion aus einer niedrigen Reactionstem- peratur entspringt. Dafs die Endtemperatur der ausgeblasenen basischen Charge wirklich weit unter derjenigen einer heifsen, sauren Charge bleibt, erkennt man auf den ersten Blick, wo inan beide Processe dicht nebeneinander sieht, wozu gerade in Bochum die günstigste Ge legenheit ist. Nachdem somit festgestellt, dafs der Stahl, speeiell der basische Stahl, bei niedriger Reactions- temperatur nach Spiegeleisenzusatz eine vermehrte Kohlenoxydentwicklung in der Pfanne und in den Formen zeigt, während umgekehrt bei höherer Temperatur aus dem gasreichen oxydischen Eisen nach starker Spiegelreaction ein ruhiger, dichter Stahl resultirt, handelt es sich nunmehr darum, die wissenschaftlichen Gründe aufzufinden, wes halb die Erscheinungen gerade so verlaufen und nicht anders. Beim Eintritt in diese theoretische Unter suchung haben wir uns über eine Vorfrage schlüssig zu machen, ob das vom Stahl in der Coquille reichlich entwickelte Kohlenoxydgas in dem Momente, wo es sich ausscheidet, gebildet wird, oder ob es bereits gleich nach dem Zu satze des Spiegeleisens vom Bade absorbirt und beim Abkühlen wieder abgegeben wurde. Die letztere Auffassung nimmt dem Plus von Kohlen oxyd zu Liebe kein anderes Erklärungsprincip zu Hülfe, wie für die Gasausscheidung aus dem oxydischen Metall ohne jeden Zusatz, sowie für den Wasserstoff und Stickstoff überhaupt, näm lich die Löslichkeits- resp. Bindungsgesetze. Die erstere dagegen führt uns ein neues Erklärungs princip ein, nämlich die Nachreaction. Man kann nun die Nachreaction rein che misch fassen oder auch mechanische Ursachen zu Hülfe nehmen. Diese letzteren sind in der unvoll kommenen Mischung der Stoffe gesucht worden. Ich sehliefse von meiner Erklärung eine unvoll kommene Mischung auf das entschiedenste aus. Es kann eine solche ja beim Einwerfen kalter Zusätze gewifs vorkommen, von solchen Fällen rede ich aber auch nicht. Gerade beim basischen Stahl liegt in der von den Gasen selber erzeug ten brodelnden Bewegung die sichere Garantie, dafs sich in der Pfanne die beste Mischung voll zieht. Um jeden Zweifel zu besiegen, habe ich auf einem Werke nach der Spiegelreaction den Gonvertor einige Secunden aufrichten lassen, ein beim sauren Verfahren allgemein eingeführter Usus, worauf der Stahl in Pfanne und Coquille sich nicht im mindesten anders benahm. Man hat neuerdings die Schwierigkeit einer gleich- mäfsigen Mischung des Stahls auf verschiedenen Seiten sehr übertrieben. Wenn man dabei an die oftmals beobachtete Unhomogenität des erstarrten Gufseisens erinnert, so handelt es sich dort um ein ganz entgegengesetztes Phänomen, nämlich um die Entmischung eines mit vielen Stoffen stark legirten Metalls. In betreff des Allenschen Rührers kann ich berichten, dafs ich denselben an seiner Geburtsstätte auf Bessemers Stahlwerk in Sheffield habe functioniren sehen, aber den Eindruck gewonnen habe, dafs diese Vorrichtung nur eine Portion gelöster Gase mechanisch auf rührt. Der ziemlich harte Stahl exhalirte aufser- dem in den Formen noch sehr viel Gas, so dafs die Flammen im Spectroskop die grünen Bauden zeigten. Die Güsse waren bei alle dem ganz untadelhaft. Demgemäfs schliefsen wir bei dem, was wir uns unter Nachreaction denken, eine unvollkom mene Mischung der Stoffe ein für alle Mal aus. Es handelt sich vielmehr darum, ob eine langsam weitergehende Einwirkung des Sauerstoffrestes auf den Kohlenstoff des Bades' anzunehmen ist, nachdem der Hauptchoc der Spiegelreaction vor übergegangen. Sehen wir uns zuvörderst nach ähnlichen chemi schen Erscheinungen- in der Chemie um. Prof. Ledebur macht uns auf die langsame Ausscheidung von Niederschlägen aufmerksam. Wir meinen aber, dafs diese Kategorie der Erscheinungen gerade das Gegentheil demonstrirt. Der Niederschlag beim Zusatz von Magnesiamixtur zu sehr ver dünnter Lösung eines Phosphats entsteht nicht deshalb so langsam, weil der ihn erzeugende chemische Procefs so langsam verläuft, sondern weil das Magnesium-Ammonium-Phosphat nach seiner Bildung aus dem Lösungsmittel so langsam auskrystallisirt. Wie rasch die eigentliche Bil dung eines Stoffes in höchst verdünnten Lösungen vor sich geht, läfst sich nur dann genau beob achten, wenn der Stoff eine intensive Farbenwande lung hervorruft. Nun setze man z. B. zu einer äufserst verdünnten Eisenoxydlösung Rhodankalium, Ferrocyankalium, Schwefelammonium, Gerbsäure etc., und die Färbung wird, falls sie überhaupt eintritt, in wenigen Secunden und dann sofort in ihrer ganzen Intensität auftreten. Es geht also auch in den verdünntesten Lösungen die Ein wirkung der Stoffe rasch und vollständig vor sich; ob die Reactionsproducte sich schnell, langsam oder gar nicht ausscheiden, hängt ledig lich von den Löslichkeitsverhältnissen ab. Ein Beispiel einer wahren Nachreaction, welches der Spiegelreaction beim basischen Stahl gut ent spräche, vermag ich nicht anzugeben. Wenn es somit schwer hält, die Existenz einer Nachreaction durch analoge Erscheinungen der Chemie wahrscheinlich zu machen, so soll