Volltext Seite (XML)
October 1884. gegen jedes einseitige Decretiren von Lieferungs bedingungen und warnen vor übertriebener Stei gerung der Qualitätsvorschriften (nicht zu ver wechseln mit den Qualitätsvorschriften für fertige Waare), die den Fabricanten zwingen, zum Nach theile der öffentlichen Sicherheit, zu künstlichen Hülfsmitteln Zuflucht zu nehmen, um seine Er zeugnisse der Gefahr der Zurückweisung zu ent- reifsen. Wir haben alle Ursache, den Ver sicherungen einzelner, objectiv denkender Hütten männer Glauben zu schenken, dafs die Werke oft gegen ihr eigenstes Interesse, je nach dem Standpunkte der Bahnverwaltung und des Ueber- nahmsbeamten bald auf gute Schienen, bald lediglich auf gute Zerreifsungsproben zu ar beiten bemüfsigt sind. Aus vorstehender Darlegung erhellt zur Ge nüge, dafs die anläfslich der Discussion der Resultate unserer Festigkeitsproben, der Methode und den Qualitätsansätzen gemachten Vorwürfe vollständig unbegründet sind. Im Gegentheil müfste jede Methode der Qualitätsbestimmung als herzlich schlecht bezeichnet werden, die Ver hältnisse wie die vorliegenden nicht mit der nöthigen Zuverlässigkeit zur Geltung brächte. Nicht die Methode, wohl aber die Art ihrer Be nutzung und die Urtheilsfällung sind falsch. Man hüte sich vor jedem einseitigen Vorgehen und prüfe die Schiene, der oft Hunderte von Menschen leben an vertraut sind, so einläfslich und weit gehend als überhaupt möglich. Die Zerreifsungs- probe bleibt zur Feststellung der Materialqualität unerläfslich; weil sie jedoch das fertige Product nicht mit der nöthigen Sicherheit zu kennzeichnen vermag, wird der wohlorganisirten Schlagprobe im Sinne unseres Gutachtens an die General versammlung des Schweiz. Ingenieur- und Archi- tekten-Vereins vom Jahre 1883 bis auf weiteres eine mafsgebende Bedeutung beizumessen sein. Es ist selbstverständlich, dafs Schienen einer Charge, die in jeder Hinsicht tadelloses Verhalten zeigen, unbeanstandet zu übernehmen sind. Die Uebernahme hätte aber auch dann Platz zu greifen, wenn die Schienen, wie dies bei Mangan stahl vorkommen kann, neben wechselnd guten Zerreifsproben, durchwegs günstige Schlagproben ergeben. Die Zerreifsprobe allein kann derzeit kein sicheres Kriterium für den Werth der Schiene beanspruchen. Vollends werthlos, den Produ- centen unberechtigterweise schädigend, ist die neuerdings aufgetauchte Mikrobensucherei in den Bruchstücken von Zerreifsungsproben. An Stelle Nr. 10. 613 dieses zweifelhaften Verfahrens zur Aufklärung der Widersprüche der Zerreifsproben scheint es viel rathsamer, sachlich ungleich correcter, die Schiene selbst hinsichtlich ihres Verhaltens gegen lebendige Kräfte, insbesondere Schlag- und Stofs- Wirkungen gründlich zu untersuchen. Auch die Art der Entnahme von Probestäben zu Zerreifsungsversuchen, die bekanntlich ganz willkürlich aus der Mitte des Schienenkopfes er folgt, bedarf im Interesse der richtigen Be- urtheilung der obwaltenden Verhältnisse einer gründlichen Reform. Durch die Zerreifsprobe sollte doch mindestens constatirt werden, ob der der Abnutzung unterworfene Theil der Kopf fläche und die meist beanspruchten Fasern des Schienenfufses gesundes Material von vorge schriebener Qualität enthalten. Es empfiehlt sich daher, vom jetzigen Usus abzuweichen und aus jeder zur Probe bestimmten Schiene Flachstäbe mit 2,5 bis 3,5 cm 2 Querschnittsfläche aus der unmittelbaren Nähe der Lauffläche und der äufsersten Fasern des Fufses herauszuarbeiten und an diesem die Qualitätsprobe auszuführen. Damit umgeht man die eventuell vorhandene Zone der Manganblasen, tritt dafür in jene der gefährlichen Silicium- resp. heifsen Stahl-Blasen und gewinnt den Vortheil, ein zuverlässiges Ma terial zur Beurtheilung des Zusammenhangs zwischen der Materialqualität und den Effecten der Schlagversuche, zwischen Materialqualität und dem Verschleifs der Schiene durch Abnutzung, Quetschungen etc. etc. zu erhallen. Bei Abfassung von Pflichtheften für Lieferung von Eisenbahnmaterialien sollte all diesen Be obachtungen gebührend Rechnung getragen wer den. Insbesondere wäre anzurathen, die schäd liche Beimengung an Silicium, Phosphor und Schwefel durch Feststellung einer zulässigen oberen Grenze* einzudämmen; die Nachweis leistung des Einhaltens dieser Grenze müssen wir aus Gründen, die jeder Schmied kennt, der Qualitätsprobe gleichwerthig bezeichnen. Hin sichtlich der Härtungs- und Dichtungsmittel, also bezüglich des für Schienen wünschbaren Pro centzusatzes an Kohlenstoff und Mangan, enthalten wir uns angesichts der widersprechenden Er fahrungen, die über die Abnutzung weicher und harter Schienen vorliegen, derzeit jeder Kund gebung. * Etwa 0,1 bis 0,12 %. „STAHL UND EISEN.“