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October 1884. „STAHL UND EISEN.“ Nr. 10. 581 nicht wohl erfolgen kann. Ich will zugeben, dafs die Erwägungen des Herrn Referenten, so fern man auf die Bildung von Bezirksgenossen schaften ausgeht, etwas für sich haben. Würde man z. B. in Rheinland und Westfalen oder in einer einzelnen Provinz nur die ganz verwandten Industriebranchen verbinden wollen, so könnte es der Fall sein, dafs die Reichsbehörde die Ansicht hätte, hier wäre nicht eine genügende Leistungsfähigkeit vorhanden, um auf »Jahrhun derte« hinaus die Gewährung der nach der Unfall versicherung den Industriellen aufgelegten Lasten zu sichern. Das ist indessen ein Bedenken, welches meines Erachtens bei der Bildung einer Berufsgenossenschaft für die deutsche Eisen- giefserei für das ganze Reich, eventuell mit Hinzuziehung der Maschinenfabriken, jedenfalls nicht vorliegt. Irgend eine Schwierigkeit, die Betriebsarten als solche für die Genossenschaft abzugrenzen, haben wir nicht gefunden, denn das Kriterium ist klar gegeben: wir haben ge sagt, die Eisen giefserei soll der Hauptbetriebs- zweig sein, eventuell also Maschinenfabrication und Eisengiefserei. Auch bezüglich der Verwal tung haben wir keine Sorge, denn die Bedenken des Herrn Referenten in bezug auf die räumliche Abgrenzung der Bezirke sind nicht so schwer wiegend, wie sie klingen. Da das Gesetz in seinen Bestimmungen die Sectionsbildung und die Ernennung von Vertrauensmännern vorge sehen hat, so können wir nicht im entferntesten Schwierigkeiten finden, eine solche Genossen schaft über das ganze Reich auszudehnen, und selbst der Verschiedenheit des Volkscharakters in den einzelnen Landestheilen, in bezug auf das Verhalten der Arbeiter in den Betrieben, welche hier so wichtig hervorgehoben wurde, kann in den Sectionen vollständig Rechnung ge tragen werden. Wir sind im übrigen der Meinung gewesen, dafs das Interesse der Genossen selbst in bezug auf deren active Theilnahme bei der Reichs genossenschaft kein geringeres sein wird, als wenn Genossenschaften für räumlich enger be grenzte Bezirke gebildet werden, denn, m. H.! machen wir uns darüber keine Illusionen: wenn es sich demnächst darum handeln wird, die Interessen der Genossenschaft wahrzunehmen, wenn Generalversammlungen abgehalten und wenn Vorstände berufen werden, Sie werden immer wieder den freundlichen und bekannten lieben Gesichtern begegnen, denen Sie schon jetzt in unseren wirthschaftlichen Versammlungen ent gegenzutreten gewohnt sind. Anders wird es auch in Zukunft nicht kommen. Diejenigen Herren, welche wissen, dafs gewisse Leute seit Jahren für ihren Industriezweig in der uneigen nützigsten Weise sich aufgeopfert haben, werden ihnen auch in Zukunft die Wahrung ihrer Inter essen überlassen. Wenn hervorgehoben wird, dafs in räumlich begrenzten Genossenschaften die Befugnifs der Vorstände, Vorschriften über das Verhalten der Arbeiter zu erlassen, leichter zu handhaben sei, so erlaube ich mir darüber einen gelinden Zweifel. Ich bin ganz entschieden der Meinung, dafs eine Berufsgenossenschaft, die thatsächlich Betriebe desselben Berufes, derselben Art um- schliefst, es nicht allein viel leichter haben wird, Unfallverhütungsvorschriften zu erlassen und über das Verhalten der Arbeiter richtige Normen auf zustellen, sondern dafs sie vor allen Dingen auch eine viel unbestrittenere Gompetenz dafür haben wird; — denn wer von Ihnen würde z. B. den Eisengiefsern gestatten, ihrerseits ein entscheiden des Votum darüber abzugeben, welche Einrich tungen Sie in den Walzwerken treffen sollen, um die Unfallsgefahr zu vermindern. Ich bin der Meinung, auch in dieser Beziehung kann das Gesetz ein solches Gonglomerat von nicht zu sammengehörigen, lediglich durch den zufälligen Namen des „Eisens“ allenfalls gewaltsam zu ver bindenden Betriebsarten nicht im Auge gehabt haben. Was die Gefahrenklassen angeht, so ist es richtig, dafs nach 2 Jahren, wo eine Revision stattfinden soll, vielleicht grofse Nachtheile für die verschiedenen Betriebsunternehmungen, die in einer Genossenschaft vereinigt sind, nicht mehr eintreten können. Ich sage: das ist möglich, es ist aber ein ganz dunkler Punkt für uns alle, denn thatsächlich wird es so kommen: Die Genossenschaftsversammlung und der Genossen schaftsvorstand bestimmen demnächst die Ab grenzung der Gefahrenklassen, und wenn Sie ein Conglomerat, im Sinne der Vorschläge des Herrn Referenten, eine aus allen möglichen Betriebs zweigen zusammengesetzte Genossenschaft bilden, dann glaube ich kaum, dafs für jede einzelne Betriebsart eine Gefahrenklasse wird gebildet werden können, und so werden immerhin dabei einzelne Betriebsarten benachtheiligt sein, und namentlich könnte es denjenigen Industrieen, die bei dieser Umfassung nicht in der Lage sind, irgend welchen Einflufs auf das Majoritätsvotum auszuüben, schlecht ergehen. Wie die Erfahrungen jetzt liegen, ist die Gefahr zwischen der Grofs- industrie, unter der ich die Werke begreife, die sich mit der Massenproduction beschäftigen, und der Eisengiefserei so colossal verschieden, dafs die Unfallslast bei der ersteren nach den bis herigen Erfahrungen sich geradezu auf das Dop pelte stellt. Während die Eisengiefserei nach der Statistik, die wir aufgestellt haben, heute z. B. pro Kopf 3,67 •6 aufzubringen hat, haben die Walzwerke und gröfseren Betriebe über 7 •46 aufzubringen gehabt. Sie werden zugeben, dafs zwischen diesen beiden Betriebsarten eine Ver schiedenheit besteht, die kein Motiv dafür liefert, dafs diese so heterogenen Unternehmungen in einer Genossenschaft sich vereinigen. Wir sind