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von der Annahme geleitet, dafs sich ein Weg finden werde, dieselben zu verwerthen, was bis jetzt jedoch, wegen der weiten und theuren Eisenbahnfrachten, nicht geschehen konnte. Was zahlreiche Techniker lange vergebens erstrebt, die Entphosphorung des Eisens, gelang endlich den Engländern Thomas und Gilchrist, und diese grofse Erfindung war, wie keine vorhergehende, geeignet und bestimmt, grade in Deutschland die Productionsbedingungen zu verrücken und dadurch eine gewaltige Um wälzung in der Eisen- und Stahlerzeugung her beizuführen. Nach jahrelangen Versuchen und Verbesse rungen, wobei Deutschland sich schnell an die Spitze stellte , ist das ■ sogenannte Thomasver fahren jetzt zu solcher Vollkommenheit ge bracht worden, dafs a u s phosphorhaltigem, also auch aus phosphorreichen Erzen erblasenem Roheisen mit absoluter Sicherheit, je nach Be darf, Flufsstahl aller Art und bester Qualität, sowie schweifsbares Flufseisen im Converter, also in Massenproduction, zu vorher nicht ge kanntem billigen Preise hergestellt werden kann. Ja, es bat sich herausgestellt, dafs grade ein ziemlich hoher Phosphorgehalt in den Erzen und demgemäfs in dem Roheisen dasselbe für den T h o mas p r ocef s ge eigneter und werthvoller macht, wäh rend bei den alten Methoden der Phosphor jede Qualität verschlechterte und den Mafsstab für unbedingte geringe Bewerthung bildete. Demgemäfs ist eine vollständige Verrückung der Verhältnisse eingetreten. Aus dem Material, aus welchem früher nur geringe Qualitäten ge fertigt werden konnten, können jetzt vermittelst des Thomasverfahres äufserst billig die besten und theuersten Walzwerksproducte hergestellt werden; die Schwierigkeiten, die sich hin und wieder noch zeigen, hofft die Technik zuver sichtlich auch noch zu überwinden. Die gewaltige Umwälzung infolge des Tho masverfahrens liegt also in dem Umstande, dafs der Vorzug, welchen die Verwendung des früher besten Materials zur Herstel lung guter und bester Qualitäten ge währte, kein Vorzug mehr ist, keinen Werth mehr hat, da diese besten Quali täten jetzt auch aus den früher schlec h- testen Materialien, aus diesen sogar vortheilhafter, erzeugt werden können. Damit aber ist die niederrheinisch westfälische Eisen- und Stahlindustrie, deren Vorzug die Herstellung der guten und besten Qualitäten war, in ihren Existenzbedingungen schwer getroffen, dies um so mehr, da die Grund lage ihrer Existenz von unberechenbaren Ver hältnissen abhängig geworden ist. IV.o Ihre nächstgelegenen Bezugsquellen für Erze sind die Lager an der Sieg, Lahn und Dill; der ungeheuere Rückgang der Preise auf dem Weltmarkt hat die Werke aber gezwungen, sich mehr und mehr den spanischen Erzen zuzu wenden, die bei gleich guter, ja besserer Qua lität sich im Anschaffungspreise loco Werk ver- hältnifsmäfsig billiger als die vorerwähnten deutschen Erze stellen. Umstände aber, wie Steigen der Schiffs frachten, Erschwerung oder Behinderung der Schiffahrt durch Krieg oder Sperrungen infolge von Epidemien, Erhebung eines Ausfuhrzolles seitens der spanischen Regierung, oder Er schöpfung der Lagerstätten, Umstände also, die aufserhalb jeder Berechnung und Einwirkung seitens der deutschen Interessenten liegen, können den Preis der spanischen Erze so er höhen , dafs auch diese Grundlage der nieder rheinisch-westfälischen Industrie verloren gehl. Damit würde sie aber nicht nur ihre Goncurrenzfähigkeit auf dem Welt markt, sondern auch ihre Stellung im Inlande aufgeben müssen; denn wir ver- I weisen hier nochmals auf den Umstand, dafs die I Sieg- und Lahnerze zu theuer und auch sonst nicht geeignet sind und daher nur in sehr ge ringen Zusätzen verwendet werden können. Die Production von Stahl und Flufseisen im Wege des Thomasverfahrens hat inzwischen an Bedeutung ungemein gewonnen.* Das Verfahren ist eingeführt überhaupt in 30 Werken, davon liegen 7 in England und 15 im deutschen Zollgebiete. Wir gehen nicht soweit zu behaupten, dafs damit der Puddelprocefs als beseitigt anzusehen ist, es ist aber eine Thatsache, dafs das Flufs eisen das Schweifseisen mehr und mehr verdrängt, und es ist ferner mit Bestimmtheit anzunehmen, dafs die Massenproduction an Stahl- und Flufs- eisenfabricaten in Zukunft aus dem Thomas- verfahren hervorgehen wird. Die rheinisch - westfälische Industrie durfte nicht zögern, an diesem gewaltigen Fortschritt theilzunehmen; von den 15 Werken, welche das Thomasverfahren im deutschen Zollgebiet einge führt haben, gehören 8 dem vorbezeichneten Industriebezirke an. Leider ist auch für diese Production die natürliche Grundlage nicht vor handen; denn der Transport der zu diesem Ver- * Nach dem Thomasverfahren wurden erzeugt: Jnhr.endi- In Grofsbri- In andern 7 Dav. i.Deutschland gend m. d. tannien Ländern -sommen und Oesterreich* 30. Sept. Tonnen Tonnen rönnen Tonnen 1878 20 — 20 1879 1 150 50 1 200 1880 10 000 40 000 50 000 1881 46 120 289 880 336 000 1882 109 364 346 636 450 000 1883 122 380 511 993 634 373 415 915 1884 179 000 685 000 864 000 520 300 1885 145 707 799 610 945 317 617 514 • Der Aniheil Oesterreichs ist ein sehr geringer. 6