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techniker, aber nichtsdestoweniger wird man sich doch wohl erlauben dürfen, die Meinung zu ver lautbaren , welche man über die Neuheit und die Wirkung des Siemensschen Heizverfahrens mit freier Flammen-Entfaltung als praktischer Ingenieur' auch dann noch hat, nachdem derselbe den oben erwähnten Vortrag in Berlin ge halten hat. Was zunächst die Bezeichnungen von Siemens anbetrifft, so sind selbst diese, wie wiederholt nachgewiesen, immer unzutreffend. Ein „Heizverfahren“ würde Siemens er funden haben, wenn er z. B. ein neues Verfahren zur Verbindung des Kohlenstoffs der Brennma terialien mit Sauerstoff, oder ein neues Verfahren, die Flamme ausschliefslich durch Strahlung wirken zu lassen, aufgestellt hätte. Um eine freie „Entfaltung“ der Flamme zu veranlassen, will Siemens zuerst und allein die Feuerungen und Oefen so hoch und breit gebaut haben, dafs die Flamme nicht auf die Wandungen und den Herd treffen kann, der Einwirkung der Flächen derselben also entzogen ist: Zu dem Ende hat er aber doch kein „Ver fahren“ angewandt, sondern nur Constructionen ausgeführt, welche die freie Flammen - Entfaltung ermöglichen sollen. ■ Ferner spricht man wohl davon, dafs Blätter und Blüthen von Blumen ihre Reize „entfalten“; Flammen-Entfaltung aber ist auch eine der Siemens schen Erfindungen. Siemens hat also gar kein „neues Verfahren“ eingeführt; erfunden hat er auch keins, denn ein Patent ist ihm nicht ertheilt worden; die Resultate berühmter Gelehrter sprechen gegen ihn u. s. w. Nichtsdestoweniger bleibt Siemens dabei, in allen seinen Reklamen sein Heizverfahren mit freier Flammen-Entfaltung als rationellste Feuerung für alle Arten von Oefen hinzustellen. Diese Art der Reklame ist wahrscheinlich für die Siemenssche Pyrotechnik nothwendig. Von Worten und Theorieen abgesehen, haben die Constructionen von Siemens den praktischen Zweck, so grofse Feuerungen und Oefen zu schaffen, dafs die Flammen in denselben nirgend wo anschlagen. Ich habe nachgewiesen, dafs Oefen mit solchen Verbrennungsraum - Verhält nissen , wie Siemens sie neuerlich anwendet, schon immer vorhanden gewesen sind.* In dem Vortrage vor dem Verein für Beförde rung des Gewerbfleifses hat Siemens nun trotz dem, zum Beweise der Richtigkeit seiner Theorieen und der Uebereinstimmung derselben mit seinen Constructionen, auch wieder seine danach ge troffene Einrichtung an Dampfkesseln vorgeführt. Dieselben sind in Fig. 3 (aus den Verhandl. des V. f. G. Heft II) wiedergegeben. Wie schon nachgewiesen**, ist auch diese Einrichtung keine Verbesserung. Man würde mit einem wirklichen, geräumigen Vorbau, wie solche schon lange angewandt werden, viel mehr erreichen, als mit der Veren gung des Feuerrohres durch Chamotteringe, welche für die Flamme in dem Feuerrohr das Gegentheil der freien Entfaltung ermöglichen. Siemens dagegen sagt in dem Vortrage S. 54: Derartige Dissociationen, welche hervorgerufen sind durch Einwirkung der Flächen, sowie die dritte Art sogenannter Dissociation, welche eigentlich nichts weiter ist, wie unvollkommene Verbrennung, eben falls durch Flächeneinwirkung veranlafst, können durch Anwendung meines Heizverfahrens mit freier Flam menentfaltung vollständig vermieden werden. Sobald die directe Einwirkung der Flächen aufhört, hört * »Stahl und Eisen« 1885, S. 238. ** »Stahl und Eisen« 1885, S. 239. Fig. 3. Friedr. Siemens’ Dampfkesselfeuerung mit freier Flammen-Entfaltung.