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lassen habende Bergleute nicht mehr als zur Belegschaft gehörig betrachtet wurden. Am 4. März verliefs der Deputirte Camelinat Decazeville, woselbst er den Deputirten Basly unterstützt hatte. Er begab sich nach Paris, um die Regierung zu interpelliren ; und die Grubenarbeiter, welche gesehen hatten, wie die frühere Interpellation Baslys ins Wasser gefallen war, hofften nunmehr, dafs sein Freund Camelinat gröfseren Erfolg er zielen würde. Am 5. März wurde den Streiken den noch eine neue Ermuthigung zutheil. Der Stadt- rath von Paris stellte ihnen einen Betrag von 10 000 Fres, zur Verfügung, und die Vertretungen von Lyon, Toulon, Beziers und vielen anderen Städten und sogar Dörfern folgten schnell dem von Paris gegebenen Beispiel. Die revolutionären und socialistischen Zeitungen legten gleichfalls Subscriptionslisten für die Streikenden auf. Gleich zeitig richteten sämmtliche in Frankreich bestehen den socialistischen Comits theilnahmsvolle Adres sen an die Grubenarbeiter von Decazeville, um sie in ihrem Kampfe mit der Gesellschaft zur Ausdauer anzufeuern. Ani 6. März fand in Decazeville die endgültige Bildung des Streikcomits statt und seit jenem Tage verlor die Wahrscheinlichkeit einer Versöh nung täglich an Boden. Am 7. März hielt der General Borson, der Befehlshaber der 31. Division, eine Revue über die in Decazeville zusammengezogenen Infanterie-, Cavallerie-, Genie- und Gendarmerie - Corps ab. Die Mafsregel, deren Zweck eine Einschüchterung der Streikenden war, rief die beabsichtigte Wir kung nicht hervor. Der Widerstandsgeist der Grubenarbeiter wurde im Gegentheil durch von allen Seiten herbeifliefsende Hülfsmittel genährt, und es gab sich dies auch in den auf den täg lichen Versammlungen gehaltenen Reden und in der immer heftiger werdenden Sprache des »Cri du peuple« und anderer socialistischer Zeitungen kund. Aufserdem versprachen die Agitatoren den Streikenden einen grofsen Erfolg von der Interpellation Camelinats in der Deputirtenkammer. Einige durch die Wühlereien von allen Seiten kühngemachte Grubenarbeiter suchten den Theil ihrer Kameraden, welche noch in einigen Gruben arbeiteten, einzuschüchtern, wobei sie bald von Drohungen zu Thätlichkeiten übergingen. Infolge dessen wurden regelmäfsige militärische Patrouillen eingerichtet, um die Arbeitswilligen gegen die Revolver ihrer aufgebrachten Kameraden zu be schützen. Während dieser Vorgänge nahte sich die Interpellation Camelinats mit raschen Schritten. Jene lange Parlamentssitzung vom 13. März, in welcher die Arbeiterdeputirten lange Reden hielten, ist weniger durch die Schlappe, welche die Regierung erlitt, als durch ihre Haltung gekennzeichnet. Vier Mitglieder ; des Ministeriums ergriffen nacheinander das Wort. V.« Zuerst stellte der General Boulanger solche Behauptungen auf, dafs sie aus dem Munde des socialistischen Deputirten Basly nicht übel geklungen hätten. Man hat sie ihm seit der Zeit nicht blofs in Frankreich, sondern auch im Auslande genügend vorgeworfen. Nach dem der Kriegsminister auf die Gemeinschaft des Efsnapfes von Soldaten und Streikenden hin gewiesen hatte, versuchte der Justizminister seine Behörden zu entschuldigen, deren Pflicht es ge wesen wäre, die Meuterer von Decazeville zu verurtheilen und die Mörder eines Ingenieurs zu verfolgen. Der Minister der öffentlichen Arbeiten versprach der äufsersten Linken eine gründliche Umarbeitung der Bergwerksgesetzgebung. Schliefs- lich beschönigte der Minister des Innern das Vorgehen der städtischen Behörden, welche den Streikenden Geld zugeschickt hatten. Hierdurch glaubte die Regierung die Radicalen entwaffnet zu haben, es gelang der Kammer je doch nicht, sich über die Annahme eines aus dem Dutzend der durch ebensoviel Deputirte vorgebrachten Anträge zu einigen. Nachdem dieselben alle der Reihe nach fehlgeschlagen waren, vertagte die ohnmächtige Kammer die Fortsetzung der Debatte auf den 15. März. Vom 13. bis 15. März beriethen die Gruppen der Linken, denen mittlerweile das Lächerliche der Lage zum Bewufstsein gekommen war, über die Feststellung einer Form, welche sowohl dem Mi nisterium als auch der Mehrheit des Parlaments an nehmbar sein könnte. Infolgedessen lagen in der Kammer 2 Anträge vor, einer von der Linken und ein zweiter von der Rechten. Wir wollen dem Deputirten Camelinat nicht die Ehre anthun, den Wortlaut des von ihm eingebrachten Antrags wiederzugeben, und die Zeit ist uns zu kostbar, als dafs wir, wie die französische Kammer, uns mit Ab geschmacktheiten aufhalten und über Hirngespinste den Kopf zerbrechen könnten, wir begnügen uns mit der Mittheilung, dafs die Kammer mit 353 gegen 89 Stimmen den folgenden Beschlufs, mit welchem die Regierung ihr Einverständnifs erklärt hatte, fafste: „Im Vertrauen auf die Erklärung der Regierung, in der Bergwerksgesetzgebung die nothwendigen Verbesserungen herbeizuführen, und in der Ueberzeugung, dafs die Rechte des Staates und die Interessen der Arbeiter in gebührender Weise gewahrt werden, geht die Kammer zur Tagesordnung über.“ Dieser so mühsam ins Leben gerufene Be schlufs hatte aber nicht viel zu bedeuten, und die Zeitungen aller Parteistellungen, sowohl der socia listischen als conservativen, beeilten sich, ihren Sieg auszuposaunen. Die Socialisten wiesen dar auf hin, dafs die Kammer durch ihren Beschlufs die Interessen der Arbeiter, welche sie bis dahin gemifsachtet hatte und infolgedessen auch die Gerechtigkeit der Forderungen der Streikenden von Decazeville anerkannt hätte, und betonten, 9