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April 1886. STAHL UND EISEN.“ Nr. 4. 229 wind betrieben wurden, war ein so regelmäfsiger, dafs die Zeit zum Schweifsen kaum eine Minute differirte und des Walzwerk immer eine Viertel- schiebt hintereinander im Gange erhalten werden konnte. Dann wurde eine Viertelstunde Pause gemacht, um die Roste der Oefen zu reinigen, die Walzstrafse nachzusehen, zu schmieren etc., worauf die Arbeit von neuem begann. Nachdem ich den Besitzer des Werkes, den Herrn Baron Benoit-d’Asy, bewogen hatte, den Betrieb der Frischfeuer für die Drahtfabrication einzustellen, auch einen Theil der Puddelöfen umgebaut und deren Besetzung auf die Fabri- .cation von Feinkorneisen für Drahtmaterial ein geschult hatte, wurde fernerhin mit ungeschweifs- ten Drahtknüppeln nur noch mit zwei Schweifs öfen nach der Drahtwalze gearbeitet, und nach dem ich das Werk im Frühjahre 1860 wieder besuchte, konnte ich zu meiner Genugthuung sehen, dafs wir in Westfalen die Franzosen in bezug auf Production an Draht pro Schicht be reits überholt hatten. Die Drahtstrafse in Fourchambault batte übrigens nur fünf Gerüste in einer Reihe und ist, wie man mir voriges Jahr schrieb, auch heute noch ebenso. Nach dieser Abschweifung, welche die ge ehrten Leser entschuldigen wollen, komme ich wieder auf die Stahlfabrication zurück. Dem Herrn Lohage war durch das Ge lingen der Stahlpuddelei der Kamm gewaltig geschwollen; er hatte sich denn auch vorge nommen , eine ganze Reihe wichtiger Erfin dungen zu machen, ja selbst Diamanten zu fabriciren, zu welchem Zwecke er verlangte, dafs man ihm eine Presse baue, mit Weichei er einen Druck von einigen tausend Atmosphären ausüben könne. Seine Theorie der Diamanten bildung ist mir leider entfallen. Abgesehen davon, dafs er seine Mitgesell schafter bewog, mit ihm eine Fabrik zu gründen, in welcher er Seife nach einer von ihm erdach ten Methode herstellen wollte (womit er aber die Theilhaber gehörig einseifte) — kam er mit einem neuen Stahlraffinirverfahren, welches weit billiger als das alte sein und dieses vollständig ersetzen sollte, hervor. Lohage bildete sich nämlich ein, wenn man Stahlluppen oder Stahlstäbe in einem neutralen Schlackenbade und unter Luftabschlufs einige Stunden der Rothglühhitze aussetze, gleiche sich der in dem Rohstahle ungleichmäfsig gelagerte Kohlenstoff aus und vertheile sich gleich förmig. Ich war damals gerade damit beschäftigt, auf dem Hauptwerke des schon oben erwähnten belgischen Fabricanten F. J. Dupont, zu Fayt bei Manage, zwölf Raffinirhämmer anzulegen, als Lohage mich besuchte und aufforderte, einen Versuch mit seinem neuen Raffinirverfahren an zustellen. Meine Vorstellungen, dafs dasselbe das alte Verfahren keineswegs ersetzen könne, selbst wenn es theoretisch richtig sei, was ich be zweifeln müsse, waren dem grofsen Erfinder gegenüber nutzlos; der Versuch wurde gemacht, lieferte aber einen weichen Stahl, welcher sich beim Härten ganz krumm zog, woraus man schon auf dessen Ungleichförmigkeit schliefsen konnte. Herr Dupont meinte indessen, wenn auch die Resultate noch nicht vollkommen seien, .würden wir in Westfalen doch wahrscheinlich noch Fortschritte in dem neuen Verfahren machen und wolle er mit Rücksicht darauf die kostspielige Hammeranlage vorläufig sistiren, wie ich es vorausgesehen halle. Damit war das Geschäft von Lohage, Bremme & Go. in Belgien ruinirt. Jetzt machte Lohage dem Herrn G. Lehrkind in Haspe, welchem die Betheiligung jener Firma an dem Rohstahl-Geschäfte dieses Werkes offen bar längst lästig war, von seiner neuesten Er findung Mittheilung. Lehrkind erbot sich sofort, in Haspe jährlich 21/2 bis 3 Millionen Pfund Raffinirstahl nach Lohages Verfahren zu machen, falls jener in der That den alten Raffinirstahl ersetze; auch sollte gleich nach Lohages An gaben ein Raffinirofen erbaut, dagegen der alte Contract zwischen dem Werke und Lohage, Bremme & Go. bezüglich der Rohstahlfabrication aufgehoben werden. Ferner wurde stipulirt, dafs letztere Gesellschaft die Kosten für Ofenanlage und Versuche zu ersetzen habe, falls das Raffi nirverfahren den Erwartungen wider Verhoffen nicht entsprechen sollte. Da dieser Fall eintrat, waren Lohage, Bremme & Co. nun auch ihren Antheil an dem damals bedeutenden Gewinne des Hasper Werkes an der Stahlfabrication los; auch die auswärtig an gebahnten Geschäfte ruinirte Lohage dadurch, dafs er Leute ins Ausland schickte, welche von der Stahlfabrication nichts verstanden und sich mit den Besitzern der betreffenden Werke auch noch überwarfen. War die Puddelstahlfabrication danach an- gethan, was Jeder zugeben wird, der Gesellschaft Lohage, Bremme & Co. einen colossalen Gewinn zuzuwenden, so halte sie schliefslich von der selben durch den unheilvollen Einflufs Lohages wenig oder gar nichts von derselben, was mich denn auch schliefslich bewog, sie zu ver lassen, um so mehr, als auch innere Zwistig keiten in der Gesellschaft entstanden, die mir unangenehm waren. So setzte ich denn im Jahre 1853 das ur sprünglich kleine Stahlwerk der jetzigen Firma Asbeck, Osthaus, Eicken & Go. in Betrieb, 1857 das von Peter Harkort & Sohn in Wetter,