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118 Nr.. 2. „STAHL UND EISEN.“ Februar 1885. 3. Die im Reichstage eingebrachten Anträge, betref fend die Ausdehnung des Arbeiterschutz-Gesetzes, und zwar: a) der Antrag des Freiherrn von Hertling und Genossen: „die verbündeten Begierungen auf zufordern, womöglich noch in dieser Session dem Reichstage einen Gesetzentwurf, betreffend die weitere Ausbildung der Arbeiterschutzge setzgebung, vorzulegen, in welchem 1. die Arbeit an Sonn- und Feiertagen, vorbehaltlich einzelner genau zu bestimmender Ausnahmen, verboten, 2. die Kinder- und Frauenarbeit in Fabriken eingeschränkt, 3. die Maximalarbeitszeit erwach sener männlicher Arbeiter geregelt wird“; b) der Antrag Lohren: Art. 1 § 136 der Gewerbe ordnung wird durch folgende Bestimmung er gänzt: „§ 136 Absatz 4. Weibliche Personen dürfen in Fabriken weder an Sonn- und Fest tagen noch zur Nachtzeit zwischen 81/2 Uhr Abends und 5'1-2 Uhr Morgens beschäftigt werden“; c) die beabsichtigte Einführung eines Normal arbeitstages. 4. Die öffentliche Organisation der Arbeitsnachweis- Aemter. 5. Zustimmung zur Errichtung eines Zoll-Auskunfts bureaus , sowie weitere geschäftliche Mitthei- lungen. III. Vorberathung der Tagesordnung der am 26. ds. stattfindenden Vorstandssitzung und Generalver sammlung des Vereins deutscher Eisen- und Stahl- Industrieller. IV. Vorberathung der Tagesordnung der Fauf den 27. ds. anberaumten Plenarversammlung des deut schen Handelstages: 1. Der von Wedell-Malchowsche Gesetzentwurf, be treffend die Einführung einer Geschäftssteuer. 2. Die Erhöhung der Getreidezölle. 3. Die Frage der Colonialpolitik und deren Einflufs auf die Verhältnisse von Handel und Industrie. I. Herr Poensgen hat die Güte gehabt, einen Abschlus der Kasse einzureichen, aus welchem her vorgeht , dafs die Mittel derselben nahezu erschöpft' sind, und dafs die Kasse noch mit gröfseren Zahlungen im Rückstände ist. Der Vorstand ermächligt dem- gemäfs den Herrn Vorsitzenden zur Ausschreibung der zweiten Rate für das Geschäftsjahr 1883/84. Da der Beginn des Etatsjahrs durch die neuen Statuten — um in Uebereinstimmung mit dem Rechnungsjahr des Hauptvereins zu gelangen — auf den l.Juli festgesetzt ist, so soll die Ausschreibung von K 4.50 per Einheit, welcher nach dem Beschlufs der Generalversammlung vom 11. Juni 1884 ein Beitrag von • 9.— per Einheit zu Grunde liegt, für das erste Halbjahr des Etatsjahrs 1884/85 gelten. II. 1) Herr Geheimrath Jencke referirt über das nunmehr von dem Reichs-Versicherungsamt definitiv aufgestellte Normalstatut für Berufsgenossen schaften zum Zweck der Unfallversicherung der Arbeiter. Die in "der gemeinschaftlichen Sitzung des Vor stands der Gruppe und des Ausschusses vom wirth- schaftlichen Verein am 1. Dec. v. J. gefafsten Be schlüsse sind in der Conferenz in Frankfurt a. M. ange nommen worden.* Viele derselben wurden vom Reichs-Versicherungsamt berücksichtigt. Zu den Be schlüssen , die von demselben nicht genehmigt sind, und denen eine gröfsere Bedeutung beizulegen ist, gehört hauptsächlich derjenige, wonach das Verhältnifs mit den Beamten der Genossenschaft, im Gegensatz * Siehe Bericht über die Vorstandssitzung vom 1. December 1884, Januarheft von »Stahl und Eisen« Seite 57. zu der Auffassung des Reichs-Versicherungsamts, durch den Vorstand der Genossenschaft geregelt werden sollte. Das Reichs -Versicheruugsamt ist demgemäfs bei seiner Ansicht stehen geblieben, dafs dieses Ver hältnifs durch die Generalversammlung zu regeln sei. Der Herr Referent glaubt nach wie vor, dafs eine derartige Bestimmung als unpraktisch bezeichnet wer den müsse, ist aber der Ansicht, dafs die Auffassung des Reichs-Versicherungsamts der gesetzlichen Grund lage nicht entbehre. Im Uebrigen sei das aufgestellte Normalstatut doch nur als ein Schema aufzufassen, und es würden demgemäfs die einzelnen Berufsge nossenschaften sich der Aufgabe nicht entziehen können, ein ihren Verhältnissen entsprechendes besonderes Statut aufzustellen. Im Anschlufs an diese Ausfüh rungen beschliefst der Vorstand, zur Vorberathung des Statuts für die beantragte Berufsgenossenschaft der Eisen und Stahl producirenden und verarbeitenden Betriebe in Rheinland und Westfalen eine Commission von 15 Mitgliedern zu ernennen. In dieselbe werden gewählt die Herren: Servaes-Ruhrort, Lueg-Ober hausen, Jen cke-Essen , Ottermann-Dortmund , Kamp-Hamm, Weyland-Siegen, Frank-Düsseldorf, Dit tm ar - Aachen. Der Herr Vorsitzende wird er mächtigt, die übrigen Mitglieder der Commission aus dem Kreise derjenigen Betriebsunternehmer von Eisen- giefsereien und der Kleineisenindustrie zu ernennen, welche den Antrag des Vorstands unterstützt haben. Herr Geheimrath Jencke referirt auch über die Ausdehnung der Unfallversicherung auf das Transport gewerbe und auf die Land- und Forstwirthschaft. Die Ausdehnung auf die letztbezeichneten Betriebe berühre die Industrie nur wenig; der charakteristische Unterschied gegen das bereits erlassene Unfallver sicherungsgesetz bestehe darin, dafs die Unfallversiche rung für die Land- und Forstwirthschaft nicht auf die obligatorischen Krankenkassen basirt sei; demgemäfs werden die Verunglückten in den ersten 13 Wochen der Fürsorge der Gemeinde überwiesen. Man konnte sich hiebei nicht verhehlen, dafs in dieser Mafsregel auch eine Belastung der Industrie in solchen Gemein den zu erblicken ist, in denen Landwirthschaft und Industrie nebeneinander betrieben werden, da Letztere durch ihre Beiträge zu den Gemeindelasten verpflichtet sei, für die Verunglückten der Land- und Forstwirth schaft mitzusorgen. Ein weiterer Unterschied liege darin, dafs für die Land- und Forstwirthschaft die frei willige Bildung von Berufsgenossenschaften ausge schlossen sei. Dieselben werden nach der politischen Eintheilung des Landes von den mafsgebenden Be hörden gebildet. In bezug auf das Transportgewerbe sei zunächst zu bemerken, dafs die Betriebe der Staats- Eisenbahnen besondere Genossenschaften bilden wer den. Die nach dem jetzt bestehenden Gesetz zu bil denden Berufsgenossenschaften der Industrie werden insofern in Mitleidenschaft gezogen, als die Nebenbe triebe der Transportanstalten, wie Betriebswerkstätten u. dgl. mehr, in die Genossenschaften der Transport anstalten einbegriffen werden sollen. II. 2) Der Vorstand spricht sich entschieden gegen den von Wedell-Malchowschen Geschäfts steuerentwurf aus und erklärt sich im allgemeinen mit den von dem Reichstagsabgeordneten Oechel- häuser aufgestellten Grundsätzen für die Besteuerung der Umsätze im Bank-, Börsen- und Waaren-Verkehr einverstanden. II. 3) Die Anträge, betreffend die Aus dehnung der Arbeiterschutzgesetzgebung, welche in den letzten Tagen im Reichstag erörtert worden sind, führenzu einer eingehenden Besprechung, deren Resultat sich dahin zusammenfassen läfst, dafs der Vorstand zwar die humane Absicht, welche jenen Bestrebungen zu Grunde liegt, vollkommen anerkennt, dafs er sich aber andererseits nicht verhehlen kann,