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Was ist nun da die Aufgabe? Ich habe jüngst mit Herrn Adolf Wörmann, der in diesen Sachen ja eine Autorität ist, darüber gesprochen, und wir waren vollständig gleicher Meinung: Es ist die Aufgabe, dafs nun mit Hülfe von Deutschland diese Länder allmählich in Cultivation gesetzt werden, d. h., dafs Plantagengesellschaften sich bilden, welche die dort am besten gedeihenden und rentabelsten Producte zu pflanzen haben. Das ist aber nicht leicht, das geht langsam. Das Ka pital wäre am Ende heute unschwer zu beschaffen, die Aufseher und die wenigen Techniker, die man dazu nöthig hat, wären auch leicht zu finden. Aber, und das ist in tropischen Kolonieen die weitgreifendste und schwierigste Frage, nun kommt vor allem die Arbeitskraft in Betracht. Da ist der Neger, der ist nicht gewohnt, zu arbeiten, der legt sich lieber an die Sonne, die wenigen Producte, die er für sich und seiner Familie Unterhalt nöthig hat, giebt ihm das Land leicht und ohne Mühe. Es ist ein ungeheurer Fortschritt, m. H., (der uns vielleicht seltsam vorkommt, weil er uns, die wir in einem so harten Kampfe des Daseins uns bewegen, selbstverständlich ist) wenn ein solches Volk, das bisher nicht gearbeitet hat, das keine Vorstellung von der sittlichen Bedeutung der Arbeit hat, keine Vorstellung davon, dafs die Arbeit eigentlich die Basis jeder äufseren Cultur- entwicklung ist, bewogen wird, wirklich zur Arbeit, zur productiven Arbeit überzugehen. Da bedarf es vielerlei Hülfsmittel, bedarf es Zeit und grofser Geduld. Und hier ist besonders noch eins vonnöthen. Herr Wörmann sagte mir: Nach meinen Erfahrungen, die ich in Westafrika gemacht habe, mufs ich sagen, das erste, was uns jetzt dort in dem von Deutschland erworbenen Gebiete Noth thut, ist die Aufrichtung von deutschen Missions-Arbeiten. Diese sind gegenüber den Aufgaben, die an den Eingeborenen zu lösen sind, auch in bezug auf die Arbeitsfrage, nach dem Zeugnifs der Ge schichte, die einzig legitimen und wirklich wirksamen Pioniere einer werdenden Culturentwicklung. Das ist nicht nur auch meine Meinung, sondern auch meine langjährige Erfahrung. Der be zeichnete Weg ist aber ein langer. Nun geht freilich in der modernen Welt Alles ziemlich rasch, viel rascher, als man es vordem gewöhnt war. So wird es ja vielleicht mit der Entwicklung unserer neuen Kolonieen auch etwas rascher als sonst gehen. Man spricht ja schon im benach barten Congogebiete von der Errichtung einer Eisenbahn, hat schon, wenn ich nicht irre, Calcu- lationen darüber, die allerdings noch etwas problematischer Natur sein mögen, aufgestellt, und es wird ja, wenn es, wie jetzt angesichts der Congoconferenz nicht zu bezweifeln ist, zu einer wirk lichen und möglichst raschen Erschliefsung des Congogebiets und damit des inneren Mittelafrika kommen soll, unbedingt nöthig sein, dafs die Gebiete der Stromschnellen baldmöglichst durch eine Eisenbahn umgangen werden. Es werden sich auch weiter nördlich im Hinterlande des von uns Deutschen an dem Meerbusen von Guinea annectirten Küstenstriches solche Bedürfnisse all mählich finden. Wenn nur erst, m. H., die Aufmerksamkeit und der Wille auf diese Dinge gerichtet ist 1 , so wird es bei den heute gegebenen Verhältnissen sich wohl ziemlich rasch machen, dafs die deutsche Industrie und die deutsche Production überhaupt auf neuen Wegen, an den ver schiedensten Punkten der Erde in einer Weise, wie wir es bis jetzt nicht gekannt haben, in Mit- bewerb, in erfolgreichen Milbewerb mit anderen Nationen treten wird. Lassen Sie mich mit einem Znkunftsbild schliefsen. Ich möchte auf China hinweisen , auf dieses grofse »Land der Mitte« mit seinen etwa 400 Millionen Menschen, auf einer alten, aber ver rotteten Cultur aufgebaut, welche gegenwärtig noch mit Mühe zusammengehalten wird. Es ist ein Gedanke, der mich in den letzten Jahren öfter beschäftigt hat: wenn China einmal sich in der Weise, wie das benachbarte und stammverwandte Japan, der modernen Hülfsmittel der Cultur be mächtigt, so wird damit eine für die europäische und amerikanische Industrie höchst gefährliche Concurrenz eintreten. Wie aufserordentlich rasch aber unter Umständen eine solche innere Um wälzung sich dort vollziehen kann, sehen wir ja an Japan, wo man in 20 Jahren aller äufseren modernen Cuiturmittel sich bemächtigt hat und nun bereits bis zur Aufhebung der buddhistischen Staatsreligion und zur Proclamirung allgemeiner Religionsfreiheit gekommen ist. Erwägt man jene Eventualität im Blick auf China, so wird einem um die Zukunft der europäischen und amerikanischen Industrie im Geiste etwas bange. Denn es giebt eigentlich kein Land auf der Welt, das so sehr alle Voraussetzungen der industriellen Production in sich vereinigt, wie China. Unser angesehener und verdienter Landsmann, der Geograph von Richthofen, hat nachgewiesen, dafs China sehr werthvolle und grofse Kohlenlager besitzt; es besitzt ein ausgezeichnetes Netz von Strömen und ein schon seit langen Jahrhunderten ausgebildetes Kanal system, wie keines der modernen Culturländer, wenn dasselbe auch jetzt zum grofsen Theil in ver fallenem Zustande sich befindet. Ich rede auch nicht von dem jetzigen China, sondern von dem, das sich wieder aufrafft. Aufser jenen natürlichen Hülfsquellen besitzt China auch eine Fülle und eine Wohlfeilheit der Arbeitskraft, wie auch nicht annähernd ein anderes Land der Welt. Sie wissen, m. H., wo Chinesen hinkommen, nach San Francisco, nach Indien und wo immer, da schlagen sie alle anderen Arbeiter, sammeln häufig rasch selbst grofse Vermögen, so dafs man zuletzt sehr unhöflich gegen sie wird, Ausnahmegesetze gegen sie macht und sie womöglich vor die Thür setzt; eine Praxis, die aber auf die Dauer bei der gesammten Entwicklung unserer