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sein, das zeigt schon ganz evident der fortwährende Niedergang unseres Zinsfufses, welcher doch im wesentlichen nichts anderes sagt, als dafs Kapitalien vorhanden sind, die nach neuen, produktiven Anlagen verlangen und diese productive Anlage nicht finden. Ich habe im Verein mit den verehrten Herren und Freunden im Vorstande unseres »Westdeutschen Vereins für Kolonisation und Export« .mehrere grofse überseeische Projecte, darunter eines, welches die verschiedenartigsten Unternehmungen m Blicke auf ein zukunftsreiches Gebiet in Südamerika umfafst, bereits vor 3 Jahren ausarbeiten lassen, aber es ist trotz aller Mühe bisher nicht gelungen, eines unserer grofsen Bankinstitute zu bewegen, der artige Unternehmungen auch wirklich mit Nachdruck aufzunehmen. Nun, meine Herren, es scheint, das Eis ist jetzt gebrochen. Nachdem unser grofser leitender Staatsmann vorgegangen ist und, wenn auch vorläufig in einer bestimmten Beschränkung, zu einer deutschen Kolonialpolitik Ja gesagt hat, fehlt es jetzt — ganz abgesehen von unserer bäuerlichen Massen-Auswanderung — natürlich nicht an solchen unter uns, die nun sobald als möglich überseeisch werden möchten, sei es, dafs sie hier in ungenügenden Verhältnissen sich befinden, sei es, dafs der Trieb, über See den wirthschaftlichen Markt Deutschlands zu mehren, sie treibt. Es kann nicht fehlen, dafs sich in einem solchen Augen blick natürlich ein gewisser Hochdruck der Begeisterung kundgiebt, und man kann sich ja darüber zunächst freuen, am meisten vielleicht, wenn man Jahre lang vorher mit geholfen und mit geschoben hat, um in der öffentlichen Meinung der Nothwendigkeit unserer überseeischen Ausbreitung Aner kennung zu verschaffen. Andererseits aber ist es kein Zweifel, dafs ein solcher Augenblick auch seine Gefahren hat. Herr Dr. Bamberger hat darin nicht Unrecht, dafs er sich in seiner neuesten Haltung auf den Standpunkt der Ruhe und der verständigen Kritik gegenüber überseeischen Bemü hungen zu stellen sucht. Aber er thut das leider nicht ohne Voreingenommenheit, von engen und unzutreffenden Gesichtspunkten aus. Es arbeiten in jener Richtung auch andere, und nicht am wenigsten diejenigen, welche der bisherigen, von jener Seite lange fast nur bespöttelten Kolonialbewegung mehr oder minder als Leiter dienen durften. Ich hoffe, sie werden hierbei immer mehr von allen denen unter stützt, die überhaupt von überseeischen Fragen und Dingen etwas verstehen. Es ist ja leicht möglich, meine Herren, dafs, so schwierig es bisher gewesen ist, das deutsche Kapital für überseeische Unter nehmungen flüssig zu machen, nun nach dieser Seite hin eine rasche Wendung eintritt. Das würde wenigstens dem natürlichen Laufe menschlicher Dinge, wie wir ihn überall gewahren, entsprechen. Es kann sein, dafs infolgedessen übereilte, vielleicht schwindelhafte Unternehmungen auf diesem Gebiete da und dort versucht werden, und auch hier erst auf dem Zusammenbruch mancher ersten Unternehmungen in zweiter Linie sich Gesundes erbaute. Immerhin müssen wir, zwar besonnen, doch energisch in diesen Richtungen vorgehen. Soviel ich weifs, ist wenigstens eins unserer gröfsten Bankinstitute seit einiger Zeit mit Vorarbeiten zu verschiedenen, gröfseren überseeischen Productiv-Unternehmungen beschäftigt, und es ist wohl keine Frage, dafs auch noch andere folgen werden. Eben darum, meine Herren, aber sollte, wie mir scheint, jetzt auch der Augenblick gekommen sein, in dem ein Kreis von Interessenten und Fachmännern, wie Sie denselben darstellen, sich doch vor die Frage stellen darf: sollten nicht einige unserer gröfseren Etablissements nun auch die Aufsuchung und Ausführung überseeischer Arbeiten in gröfserem Stile unternehmen? Es giebt nach dieser Richtung hin überall zu thun. Erscheinen doch in diesem Augenblicke in London bereits eine Anzahl von Zeitschriften, die über das, was wirthschaftlich in den bedeutendsten über seeischen Gebieten vorgeht, ziemlich vollständig unterrichten. Ich meine die Zeitschrift »Colonies and India«, ich meine das »South American Journal« und neuerdings auch die-»African Times«. Wenn ein solcher Verein, ein solches Gonsortium von Fachmännern und Bankiers mit Ruhe und Vorsicht, aber zugleich mit nachhaltender Kraft in eine derartige Operation eintritt und hin und her die richtigen Vorposten aufstellt, so wird es, wie ich glaube, nicht lange währen, dafs eine solche Unternehmung auch wirklich über Erwarten Frucht bringen wird. Zum Schlufs — ich will Sie nicht zu lange ermüden — möchte ich noch einige Worte in bezug auf den wirthschaftlichen Werth der jetzt unter deutsche Protection genommenen afrikanischen Küstenstriche sagen. Es scheint ja, dafs noch weitere überseeische Ueberraschungen uns bevor stehen, und die Richtung derselben ist auch bereits ziemlich deutlich zu erkennen, es ist aber, wie mir scheint, politischer Anstand, heute in einer öffentlichen Versammlung noch nicht vermuthungs weise darüber zu reden. Also von Westafrika. Da ist zunächst von der Grenze der Kapkolonie, also vom Oranjeflufs bis hinauf zum Kap Frio, in der Nähe der Südgrenze der portugiesischen Besitzungen in Weslafrika die ganze Küste unter deutsche Protection genommen worden. Ich kenne diese Länder gerade vor anderen genauer, weil ich 27 Jahre mich mit ihnen berufsmäfsig beschäftigt und viele, die von dort gekommen und Jahre lang dort gewohnt haben, gesprochen habe und in ständiger Berührung mit ihnen gewesen bin und noch bin. Leider ist, wie Ihnen wohl bereits bekannt, diese lange Küstenstrecke im ganzen ein ziemlich werthloses Gebiet; ja, der Küstenstrich selbst ist auf etwa 6 bis 10 Meilen landeinwärts im wesentlichen nichts, als eine grofse Sandwüste. Auch die Hinterländer sind namentlich wegen Wassermangels wenig productiv, und man kann auch