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Nr. 15 KMzr M Wtlßerltz-Ieiwllg. Sonnabend, den 6. Februar 1909. ..^77 S— 75. Jahrgang. Das ItMMndisO Wim ia Lesimeili. Schon seit Jahren wird das gesamte innere politische Leben in Oesterreich durch den scharfen Gegensatz zwischen den Deutschen und den Tschechen in Böhmen mehr oder weniger ungünstig beeinflußt, mehr und mehr spitzt sich der deutsch-tschechische Gegensatz zum wichtigsten Problem der inneren Politik des Donaukaiserstaates zu. In der Erkenntnis, daß es für eine gedeihliche Entwickelung der inneren Verhältnisse Oesterreichs vor allem erforderlich ist, den Natlonalitätenfrieden in Böhmen endlich herzustellen, haben denn auch seit länger denn einem Dezennium die verschiedensten österreichischen Regierungen daran gearbeitet, die deutsch tschechischen Schwierigkeiten zu beseitigen, aber keiner glückte die Lösung dieser Aufgabe. Erst noch der im vorigen Spätherbst zurückgetretene Ministerpräsident v. Beck scheiterte mit seinem ganzen Kabinett in diesem Bemühen, und auch sein Nachfolger, Freiherr v. Bienerth, der Chef des gegenwärtigen Beamtenministeriums in Oester reich, wird kaum zweifelhaft in demselben Bestreben den nämlichen Mißerfolg verzeichnen müisen. Sein Versuch, dem deutch-tschechischen Sprachenstreit durch eine Enquente über die Sprachenoerhältnisse in Böhmen beizukommen, ist gleich im ersten Stadium gescheitert, und auch das neue Unterfangen Herrn v. Bienerths, auf dem Wege der von ihm ausgearbeiteten Gesetzentwürfe über den Gebrauch der inneren Dienstsprache wenigstens eine Art Kompromiß zwischen den deutschen und den tschechischen Forderungen in der Sprachenfrage zu schaffen, nimmt sich wenig erfolg versprechend aus. Das Ende vom Liede wird vermutlich sein, daß auch die Bienerthsche Beamtenregierung in der Versenkung verschwindet, ohne irgend etwas zur Lösung des dcutsch-tschechiichen Problems beigetragen zu haben. Aber freilich, wie sollte auch eine Halbwegs gerechte und objektive Beilegung des schweren Konfliktes zwischen Deutschtum und Tschechentum gelingen, wenn die jeweiligen Regierungen immer nur auf die Stimmungen und Forde- rungen im Tschechenlager Rücksicht nehmen! Von den Zeiten des be—rühmten „Versöhnungsgrafen" Taasfe an bis zur jüngsten Gegenwart herab hat noch fast jedes österreichische Ministerium bald verschämt, bald osfen mit den Herren Tschechen geliebäugelt und kokettiert, ist es ihren unverschämten nationalen Aspirationen und Begehr lichkeiten mehr oder weniger entgegengekommen. Auch das jetzige Kabinett Bienerth steuert, obwohl es doch kaum erst ein paar Monate im Anite ist, schon flott den tschechen freundlichen Kurs, was eine ganze Reihe voy Vorgängen eklatant beweisen. Was Wunder, wenn da dem kleinen Tschechenvolke der Kamm immer höher schwillt, wenn sich die Tschechen in ihrem Deutschenhaß Ausschreitungen zu leisten wagen, wie solche namentlich fortgesetzt in der brutalen Deutschenhetze in Prag ihren Kulminationspunkt erreichen! Erwägt man die überaus schwächliche Haltung der zuständigen Behörden gegenüber den empören den Prager Vorgängen und überhaupt gegenüber dem gesamten frechen, anmaßenden Auftreten des Tschechentumes, so kann man sich der Besorgnis nicht erwehren, daß in Oesterreich auch weiterhin das tschechenfreundliche Regime auf Kosten der Deutschen vorherrschend sein wird. Eine Fortdauer dieser Politik muß aber zweifellos alle Deutschen Oesterreichs eines Tages in eine erbitterte Opposition gegen die Regierung treiben, während der tschechen- und über haupt slawensreundliche Kurs in Oesterreich anderseits das Bündnis des Donaukaiserstaates mit dem Deutschen Reiche ernstlich zu gefährden droht. Wenn in Wien einsichtsvolle und energische Staatsmänner am Ruder wären, so hätten sie dem prätentiösen T>chechentume sicherlich schon längst einen derben Klaps auf das große M—undwerk gegeben! Lokales und Sächsisches. — Nach dem amtlichen Berichte der Kgl. Kommission für das Veterinärwesen herrschten am 31. Januar im Königreiche Sachsen überhaupt 7 verschiedene ansteckende Tierkrankheiten, und zwar: der Milzbrand in 6 Ge meinden mit 6 Gehöften; die Tollwut in 10 Gemeinden (darunter in Reichenau der Amtshauptmannschaft Dippoldis walde); die Räude der Schafe in 1 Gehöft; die Schweine seuche einschließlich Schweinepest in 2 Gemeinden mit 2 Gehöstenj die Geflügelcholera in 3 Gemeinden mit 3 Ge höften; die Brustseuche der Pferde in 14 Gemeinden mit der 18 Gehöften;s und die Gehlrnrückenmarksrntzündung Pferde in 7 Gemeinden mit 7 Gehöften. — Mittlere Niederschlagsmengen (mm oder l auf den qm) und deren Abweichungen von den Normalwerten in den uns benachbarten Flußgebieten, 3. Dekade, Jan. 1900; Vereinigte Weißeritz: beob. 6, norm. 8, Abwchg. —2; wilde Weißeritz: beob. 8, norm. 10, Abwchg. —2; rote Weißeritz: beob. 9, norm. II, Abwchg. —2; Müglitz: beob. 7, norm. I I, Abwchg. —4. — Die freie Arztwahl in Krankenkassen be- treffend seien hier einige Sätze aus einem Rundschreiben einer Anzahl Magdeburger Aerzte wiedergegeben: „Die freie Arztwahl hat die Hoffnungen, die wir auf sie ge setzt haben, leider nur zum kleinen Teil erfüllt. Zwar schützt sie den Arzt vor Willkür der Kassenvorstände bis zu einem gewissen Grade; sie kann aber nur mit Hilse von Komrollkommisslonen arbeiten, das heißt einer Art Polizei, deren bloßes Bestehen für einen Stand studierter Männer etwas Beschämendes, deren Anfragen und Nach prüfungen für jeden feinfühlenden Arzt immer etwas Pein liches haben. Und trotzdem ist noch keine Kontrollkom mission imstande gewesen, unlautere Elemente wirksam aus zuschalten; vielmehr ist es nicht wegzuleugnen, daß bei der freien Wahl die selbstlos denkenden Kollegen die Ge- schäftsführer und Beschützer der prakiischeren und skrupel- freieren Herren geworden sind. Daß durch die freie Wahl allen Kollegen gleichmäßig Arbeitsgelegenheit gegeben würde, werden wohl heute selbst die begeistertsten Anhänger nicht mehr als Vorzug ihres Systems anpreisen wollen; die Honorarstatistiken mit ihren so ungleichen Zahlen reden eine zu beredte Sprache. Selbstsucht, Mißgunst und Neid wuchern auch bei der freien Arztwahl unter nicht charakter festen Kollegen ebenso wie früher. Und an Stelle der früher so oft den anderen Systemen vorgeworfenen Kassen jägerei können wir heute ebenso oft eine nicht minder un schöne Patienten- und Couponjägerei beobachten ... Wir geben zu, daß auch das System der Fixierung und das System der beschränkten freien Wahl ihre Mängel, viel leicht große Mängel haben. Aber wir geben heute, wo genügend Erfahrungen mit der freien Wahl vorliegen, nicht mehr zu, daß das System der freien Arztwahl das Bessere oder gar das allein Gute ist. . . ." — Nach der letzten Volkszählung lebten in Sachsen 71583 männliche und 65 840 weibliche Personen öster reichischer Nationalität. Schwerlich ist es zu hoch ge griffen, wenn man von diesen Oesterreichern, die des besseren Verdienstes wegen in das Reich kommen, den Anteil der Tschechen mit 50 Prozent annimmt. Das würde etwa 70000 Tschechen in Sachsen ergeben. Die meisten von ihnen befinden sich in der Kreishauptmannschaft Dresden. Dort wohnten nämlich 42 523 und in der Stadt Dresden allein 22624 österreichische Untertanen (ohne die Ungarn und Kroaten). In den letzten Jahren ist die tschechische Invasion nach dem Reiche noch bedeutender gewesen und dürste jene Zahlen noch bedeutend übersteigen. Auch wenn 50 Prozent Tschechen zu hoch gegriffen sein sollte, so er gibt sich dennoch eine ganz erkleckliche Zahl, die gerade in der Zeit der niedergehenden Konjunktur sehr ins Gewicht fällt. Es dürften jetzt Arbeiter deutscher Nationalität genug vorhanden sein, um allen Anforderungen zu genügen. Die im Reiche arbeitenden Tschechen stärken slawische Nationalität und vor allem die Tschechen daheim, die gerade unsere deutschen Brüder bis aufs Messer bekämpfen. Man sende die edlen Wenzelssöhne hin nach ihrer Heimat, damit sie sich dort Lohn und Brot suchen und den deutschen Arbeitern in der Zeit der niedergehenden Konjunktur nicht Arbeits gelegenheit und Brot nehmen.! — Das Anwachsen der V^tkszahl und der Bevölke rungsdichtigkeit in Sachsen. Im Jahre 1815 zählte Sachsen 1 178800 Einwohner, auf ein Quadratkilometer entfielen 78,6; 1830 war es auf 1402000 gewachsen (93,5 auf einen Quadratkilometer), 1849 auf 1895 000 (126,4), 1867 auf 2424 000 (162), 1880 auf 2 973000 (212,2), 1890 auf 3503 000 (233,6), 1900 auf 4202000 (280,3), 1905 auf 4 509000 (300,7). Sachsen hat also heute viermal soviel Einwohner als vor 90 Jahren. Interessant ist weiter das Verhältnis zwischen Stadt- und Landbevölkerung. 1815 wohnten genau doppelt soviel Leute auf dem Lande als in der Stadt, 1871 war das Verhältnis 60,3 Prozent zu 39,7 Prozent, 1890: 51,9 zu 48,1 Prozent. Aber bereits 1900 überstieg die Zahl der Städler die der Landbewohner (50,04:49,96). 1905 überwog die Stadt bedeutend: 53,71 :46,29. — Deutsch land wuchs von 24816000 im Jahre 1810 auf 60650000 Einwohner im Jahre 1905. — Sämtliche Mitglieder der Stadtkapelle in Zwickau haben am Montag dem Stadtkapellmeister ihre Kündigung für den 1. April eingereicht. Jedenfalls haben seit längerer Zeit zwischen Kapelle und Kapellmeister bestehende Differenzen die Orchestermilglieder hierzu veranlaßt. — Im Hofe eines Restaurants in Aue war wahr scheinlich infolge des starken Frostes, ein Gasrohr ge sprungen, dem Gas entströmte. Durch den Harken Gas geruch aufmerksam gemacht, leuchtete die Besitzerin die Leitung ab, wobei plötzlich eine etwa 3 Meter hohe Flamme emporschlug, dabei der Besitzerin die Haare ver brennend. Glücklicherweise hat die Explosion keinen weiteren Schaden angerichiet. Glashütte. Die Postverwalteroereinigung des Müg- Wales mit Umgegend hielt hier zu Kaisers Geburtstag eine Zusammenkunft mit Damen ab. Nach Erledigung des geschäftlichen Teils gab man sich gemütlichen Bei sammenseins hin. Bärenstein. In der Hauptversammlung des hiesigen Gesangvereins erstattete der Vorstand, Herr Schuhmacher meister Jungnickel, einen kurzen Jahresbericht, nach welchem der Verein 44 Mitglieder, und zwar 4 Ehrenmitglieder, 20 aktive und 20 passive, zählt. Durch Fortzug verlor der Verein seinen verdienten Dirigenten, Herrn Lehrer Benß, dem zum Dank für sein treues Wirken die Ehren- Mitgliedschaft verliehen ist. Seit Mitte Oktober leitet den Verein Herr Lehrer Stein. Die Jahresrechnung schließt mit einem Bestand von 63,52 M. Bärenstein. Am Sonntag feierte die Schützengesell- schaft ihr 48jähriges Stiftungsfest durch einen Ball. Der Vorstand, Schmiedemeister Eßllnger, begrüßte die Er schienenen und brachte ein dreifaches Hunah auf den König aus. Eine sehr gut zum Vortrag gebrachte humoristische Aufführung trug zur Erhöhung der guten Stimmung bei, welche den ganzen Abend zu einem prächtig gelungenen machte. Döbeln. In der letzten Stadtverordneten-Sitzung wurde eine Resolution angenommen, in der der Vertreter des Wahlkreise» im Reichstage, Lic. Eberling, dringend er sucht wird, dahin zu wirken, daß die Zigarrenindustrie vor einer neuen Tabaksteuer bewahrt bleibt. Di« hiesige Zigarrenindustrie umfaßt 34 Betriebe mit 207 männlichen und 1124 weiblichen Arbeitern, welche einen wöchentlichen Arbeitsverdienst von 14000 Mark haben. Die weitere Belastung des Tabaks würde das Erwerbsleben der Stadt empfindlich schädigen. Man glaubt, daß 200 bis 300 Zigarrenarbeiter arbeitslos würden. Die Resolution wurde mit 13 gegen 10 Stimmen angenommen. Leipzig. Die Magnetiseurin Marie Baumann zu Zwickau wollte mittels der magnetischen Heilweise den Leistenbruch einer Frau heilen. Während dieser völ.ig ungeeigneten Behandlung stellte sich an dem Bruche Brand ein, an dessen Folgen die Frau starb. Wei! die Magneliseurin der Frau abgeraten hatte, sich in ärztliche Behandlung zu begeben, wurde sie für den Tod derselben verantwortlich gemacht und vom Zwickauer Landgericht zu einem Monat Gefängnis verurteilt. Die Verurteilte rügte in der gegen das Urteil eingelegten Revision, doß das Gericht es unterlassen habe, über die magnetische Heil weise ein Obergutachten einer Medizinalbehörde einzuholen. Das Reichsgericht verwarf die Revision als unbegründet. — Der Einbrecher Heil, der im vorigen Monat bei seiner Verhaftung durch einen Schuß in den Unterleib kampfunfähig gemacht worden war, ist an der erlittenen Verletzung im Krankenhause gestorben. — In der noch immer nicht aufgeklärten Blut-Affäre, der am Morgen des 2. November 1908 das Friedrichsche Ehepaar in der Windmühlenstraße zu Leipzig zum Opfer fiel, erläßt die König!. Staatsanwaltschaft neuerdings eine Bekanntmachung, in der 5000 Mark Belohnung auf die Entdeckung des Mörders ausgesetzt sind. Der Mörder ist allem Anschein nach identisch mit einem anonymen Brief schreiber, der seit Dezember 1908 eine Leipziger Familie bedroht und größere Geldsummen zu erpressen sucht. Chemnitz. Wie die „Chemnitzer Allgemeine Zeitung" berichtet, ist der frühere kaufmännische Direktor der Säch sischen Maschinenfabrik, Stöcklin, der sich umfangreiche Fälschungen von Aktien dieses Unternehmens hatte zu schulden kommen lassen und in Jsmailije in Aegypten ver haftet wurde, auf dem Heimtransport in Genua seinen Transporteuren entsprungen. Neustadt bei Stolpen. Ein unheimlicher East hat hier Einzug gehalten. Gegen 70 Schulkinder waren schon dieser Tage von der sogenannten Zitterkrankheit be fallen, und da täglich eine Anzahl neuer Fälle hinzu kommen, so dürfte sich die Zahl derselben schon auf 100 belaufen. Falls die Krankheit länger anhält und noch weitere Verbreitung annimmt, ist mit der vorläufigen Schließung der Schule zu rechnen, die in den Nachbar orten Ottendorf und Berthelsdorf bereits erfolgt sein soll. Von der Zitterkrankheit wurden hauptsächlich Mädchen befallen. Nittersgrün. Am Sonntag nachmittag halten die Kinder des Hausbesitzers Hartmann eine von dem ältesten Sohne, der demnächst als Schlosser auslernt, erbaute Dampfmaschine in Gang setzen wollen. Plötzlich explo dierte aber die Maschine, und zwei der Kinder, ein Knabe von 5 und einer von 8 Jahren, wurden schwer verletzt. Der kleinere Knabe hat u. a. eine Kehlkopfverletzung davon getragen, sodaß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. Werdau. Stadtrat Zimmermann, der Inhaber der Eisenkonstruktionswerke, Firma Franz Zimmermann, stiftete 5000 Mark zur Gründung einer Kochschule. Zittau. Bekanntlich hatte der Bezirksausschuß der Amtshauptmannschaft Zittau die Erhebung einer Bezirks- stever, wonach die Stadt Zittau allein 10 600 Mark neue Steuern aufzubringen hat, beschlossen. Der Stadtrat hat sich nun mit der Erhebung der Steuer einverstanden er- klärt, wird aber den Versuch machen, daß die Stadt Zittau aus dem Bezirksverbande ausgeschieden und dem exemten Städten zugeteilt wird. Eibau. Unser Eemeindevorstand, der in Greußen in Thüringen mit zur engeren Wahl stand und im Lause der vorigen Woche behufs Vorstellung dorthin eingeladen war, hat sich entschlossen, hier zu bleiben, nachdem ihm eine Gehaltserhöhung zugesichert worden ist. Strahwalde. Der Wassermangel macht sich auch hier empfindlich dadurch bemerkbar, daß bereits seit längerer Zeit verschiedene Brunnen versiegt sind. Auch die Bleich anstalt Herrnhut leidet bedeutend unter Wassermangel, so daß sie gezwungen ist, falls nicht bald ein Witterungs umschlag eintritt, den Betrieb auf Tage auszusetzen. Sparkasse zu Schmiedeberg. (Im Gemeindeamt daselbst.) Lrpedltionstage: an allen Wochentagen vorm. 8—12 und nachm. 3-5 Uhr, sowie Im Schentschen Gasthof: Sonntag, den 28. Februar, nachm. von 2—5 Uhr.