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alten Akten über den Abbruch de» türkisch-griechischen Krieger im Jahre 1897 nachzulesrn, wie er damals ge halten worden sei, um auch diesmal in der gleichen Weise Vorgehen zu können. So geschah er auch. Wie damals der Dragoman mit den Pässen für da» griechische Ge- sandtschastrpersonal zur griechischen Gesandtschaft abge- ordnet wurde, so begab er sich jetzt mit einer Mappe, in der die erforderlichen Pässe lagen, zur italienischen Bot schaft. Hier beschränkte er sich auf die kurze und förm liche Wendung, daß die kaiserlich-türkische Regierung ihn mit der Uebergabe der inliegenden Papiere beauftragt habe. Berlin-Reinickendorf, 10. Oktober. Der Militärballon „M. 3", der nesiern abend eine Fahrt unternommen hatte und heute zu einer neuen Fahrt aufsteigen wollte, wurde gegen 6>/2 Uhr morgens zu diesem Zweck« nachgesüllt. Dabei entstand aus noch nicht aufgeklärter Ursache eine Stichflamme, brachte den Ballon zur Explosion und ver nichtete ihn vollständig. Die Luftschisshalle in Relnicken- dors wurde zum Teil zerstört. Personen wurden nicht verletzt. Das Luftschifserbataiilon und die sofort alarmierte Charlottenburger Feuerwehr hatte stundenlang mit den Lösch- und Aufräumungsarbeiten zu tun. Der Ballon sollte nach der heutigen Morgenfahrt Metz als ständige Station erhalten. Württemberg. Die Neuwahlen zum Landtage sind auf den 13. November anberaumt worden. Oesterreich-Angarn. Die gesamte Presse beschuldigt Rußland der Kriegsanstiftung Die „Neue Freie Presse" schreibt: König Nikolaus dürfte schwerlich blotz auf eigene Rechnung arbeiten. Die montenegrinische Kriegserklärung sei die Antwort des nichtofsiziellen Rußlands an das ossizielle. Das „Extrablatt" schreibt, daß die russische Politik zwei Gesichter habe, eines für Europa und ein anderes für die panslawistische Wett. Der Krieg war be schlossen am Tage, da unter dem Patronat der russischen Balkanvertreter der Bierbund, Bulgarien, Serbien, Montenegro und Griechenland zustande kam. Was seither geschah, war Spiegelfechterei, um Zeit für die Mobil machung zu gewinnen. Dürfen wir jetzt noch glauben, Laß das Zarenreich es wirklich so meinte, wie seine offi ziellen Vertreter der Welt einreden wollen? — Das „Wiener Tagblatt" erfährt aus authentischer Quelle, daß die Ansprüche des Kriegsministers insgesamt <420 Millionen, 250 Millionen für die Armee und 170 Millionen für die Marine betragen. Wofür diese Kredite bestimmt sind, darüber wird strenges Stillschweigen beob achtet. Man vermutet jedoch, daß es sich u. a. um den Bau zweier neuer Dreadnoughts, um die Erneuerung von Geschützen alten Modells und um Verwendung von Eisen beton bei den Beseitigungen handle. England. Wegen der Tiefe des Wassers und der schweren Beschädigung des Schisses ist das Rettungswerk an dem durch den Dampfer „Amerika" zum Sinken ge brachten Unterseeboot „6 II" aufgegeben worden. Petersburg. Die „Petersb. Telegr.-Agt." ist zu der Erklärung ermächtigt, daß die Meldungen auswärtiger Blätter über eine angebliche russische Mobilisierung jeder Begründung entbehren. Nicht nur finde keine Mobilisie rung statt, sondern es sei auch die Probemobilisierung in «inem Gouvernement des europäischen Rußlands, von der in der Mitteilung vom 30. September die Rede war, nunmehr beendet. Die bei dieser Gelegenheit einberufenen Reservisten seien jetzt in die Heimat entlassen. Türkei. Einzelheiten über die Kämpfe bei Berane fehlen noch, doch wird versichert, die Montenegriner seien zurückgetrieben worden. Auch in den Kämpfen um die Linie bei Gussinje sollen die Montenegriner zurückgedrängt worden sein. — Bon Bulgarien und Serbien ist noch keine Antwort auf die Verbalnote der Großmächte eingegangen. Sie wird in ein bis zwei Tagen erwartet. Man rechnet mit «inem Mißerfolge der Bemühungen der Großmächte um den Frieden. — Das türkische Kriegsministerium hat den Zeitungs korrespondenten das Betreten des Kriegsschauplatzes untersagt. Konstantinopel. Das Komitee für Einheit und Fort schritt ist nick einem Kriegsaufruf vor die Oeffentlichkeit getreten, in dem es heißt: Da die Türkei einer unerhörten Provokation gegenabersteht, große kriegerische Ereignisse beoorstehen, so müssen wir unsere Haltung der Negierung gegenüber ändern. Daher müssen wir der frechen Heraus forderung des Königs der Hammeldiebe und seiner Ver- bündele» an dieser Stelle eine Antwort erteilen, wie sie sich dem Feinde geziemt. Die jungtürkische Partei wird von heute an die sicherste Stütze der Regierung sein! Südamerika. Tin nordamerikanisch kanadisches Unter nehmen beabsichtigt, die Eisenbahnen Brasiliens und Boliviens zu verbinden und so in Südamerika eine neue Verbindung zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Ozean herzustellen. Kirchen-Nachrichten. 19. Sonntag nach Trinitati», 13. Oktober 1912. Dippoldiswalde. (Tert: Hebr. 13, 15—16. Lied Nc. 534) Borm. 8 Uhr Beichte und hl. Abendmahl in der Sakristei. Pastor Rietzsch. — Borm. 9 Uhr Ernledank- gottesdienst. Superint Hempel. („Gott ist mein Lied", Motette von Beethoven) — Borm. 11 Uhr Kinderernle- bankgottesdienst. Pastor Rietzsch. Reichstädt. Nachm. 2 Uhr Erntedankfest-Gottesdienst. Schmiedeberg. Borm. 9 Uhr Prediglgottesdienst. Pfarrer Birkner. — Nachm. 2 Uhr Heilige» Abendmahl. Derselbe Kipsdorf. Vorm. 9 Uhr Predigtgottesdienst. Hilfs- geistlicher Krömer. — Vorm. 11 Uhr Kindergottesdienst. — Nachm. 2 Uhr Kirchliche Unterredung mit den Kon firmierten. Derselbe. Vermischtes. * Humoristische Ecke. Der Lehrer eines sächsischen Ortes, in dessen Nähe sich ein Teil de» Manövers ab- spielte, gab den neun- bis zehnjährigen Schullindern auf, etwas über das Manöver zu schreiben, natürlich soweit sie aus eigener Anschauung schildern konnten. In den Heften fanden sich seltsame Stilblüten. So urteilt ein Kleiner über die Kavallerie: „Er gab auch viele Soldaten, die waren mit Pferden besetzt." — Ein anderer hatte in der Nähe des Königs gestanden, als er mit den Offizieren nach Beendigung der Uebungen Kritik hielt und erzählt: „Nach dem Manöver hielt der König eine Predigt." — Ueber eine „merkwürdige Kurzweil" der Artillerie im Gefecht weiß ein anderer zu erzählen mit folgenden Worten: „Es waren viele Kanonen da Damit schossen sie auf die Hasen, die über die Felder rannten." ' Liebe Jugend! In der Klasse, in der ich Ordinarius bin, ist es üblich, daß der Primas das Morgengebet und der Sekundus das Schlußgebet spricht. Eine» Tage» hat der wegen seiner langwelligen Lehrweise bekannte Reltgions- lehrer die letzte Stunde. Als es zum Schluß läutet, be fiehlt der Lehrer versehentlich: „Primus beten!" Erschrocken springt der aus sanften Träumen herausgerislene Schüler empor, und gewohnheitsmäßig ertönt von seinen Lippen: „Wie fröhlich bin ich aufgewacht, wie sanft hab' ich ge schlafen . . ." " Drei Opfer der Relchsversicherung. Daß witzige Jungsrauen nicht in Verlegenheit geraten, wenn triftige Gründe zugunsten der Ehe ins Treffen geführt werden sollen, zeigt eine kleine Anzeige, die dieser Tage in einem Franksurter Blatte das Licht der Druckerschwärze erblickte. Ernstgemeint. Drei hübsche junge Damen, die von der Reichsversicherung befreit sein möchten, wünschen baldige Heirat mit Herren in sicherer Lebensstellung. Off rc. Ob der Wunsch der Damen, nicht unter die Reichsver- sicherung HU fallen, in gleichem Maße auch das stärkere Geschlecht zur Ehe anregt? Letzte Nachrichten. Dippoldiswalde. Das Finanzministerium hat im Einverständnis mit dem Ministerium des Innern be- schlossen, die aussührlichen Vorarbeiten und die Ausstellung von Einzel-Planungen für die drei Talsperren im oberen Weißeritzgebiet, bei Schellerhau, Bärenfels und Seyde, aus Grund der bereits vorhandenen Pläne durch das Talsperrenbauamt Malter ausführen zu lassen. Das Tal sperrenbauamt Malter hat Auftrag erhalten, diese aus führlichen Vorarbeiten alsbald einzuleiten. Dresden. In Gegenwart des Königs und der Spitzen der Behörden fand heute mittag auf dem könig lichen Belvedere die Feier des 50jährigen Bestehens der fünf sächsischen Gewerbekammern statt, wobei der König die Kammern in längerer Rede zu diesem Jubeltag be glückwünschte. An die Feier schloß sich ein Festessen an. i — Kriegsminisler Freiherr von Hausen hat Dresden I mit Urlaub verlassen und sich auf einige Tage nach Meran begeben. Zwickau. Der in weitesten alpinen Kreisen bekannte Vorsitzende der Sektion Zwickau des deutsch österreichischen Alpenoereins Professor Hans Schnorr ist, wie die „Zwickauer Zeitung" meldet, heute nacht gestorben. Friedrichshafen. Das neue Militärluftschlfs „l. l" ist heute vormittag 9,05 Uhr mit dem Grafen Zeppelin an Bord zu einer neuen Werkslättenfahrt aufgestiegen. Konstantinopel. Der Kriegsminifter gibt bekannt, daß die Montenegriner im Kampfe bei Beran« gegen die türkischen Freiwilligen-Korps bisher keinen Erfolg errungen hätten und daß die Kämpfe noch fortdauerten. Konstantinopel. Nach einer Mitteilung des Kriegs ministeriums haben die türkischen Truppen die Angrifse der Bulgaren aus mehrere Blockhäuser an der Grenze zurückgewiesen. Die Bulgaren verstärkten ihre Stellungen, die Türken ergriffen entsprechende Maßnahmen. In der Nacht zum 8. Oktober griffen die Griechen die türkischen Stellungen im Bezirke Diskata an. Die Nachrichten über den Ausgang des Gefechts fehlen. Podgoritza. (Amtl. Meldung). Die Montenegriner haben den Wajanafluß überschritten und die ersten türkischen Wachthäuser an der Landesgrenze gegenüber Karabasch genommen. Heute vormittag sind dir Be festigungen von Detschitsch gefallen. Die Montenegriner eroberten vier Geschütze. Der türkische Kommandant hat sich ergeben. Die Stadt Tuzi wird von dem gefallenen Detschitsch aus von den Montenegrinern beherrscht. König Nikolaus hat Begrüßung»telegr-rmme besonder» aus Ruß land, Bulgarien und Serbien erhalten. Prognose: Keine Witterungsveränderung. MMMe, Leibwäsche, WemW, Strümpfe, Hosen träger, Kmatten in reicher Auswahl zu billigsten Preisen empfiehlt Loui» Letrolä. / Melita. Roman von Rudolf Elcho. (23. Fortsetzung) Sobald sie sich eine Stunde frei machen konnte, suchte sie einsame Stellen der Küste auf und verwob ihr Denken, Sehnen und Hoffen mit dem Raunen und Brausen der Wogen. Sie gedachte des Baters, von dem ihr jede Spur verloren gegangen war, der ent schlafenen Mutter und des Geliebten. Hundert Fragen stiegen in ihr auf, für die sie die Antwort weder in sich selbst noch in der belebten Natur fand. War sie nach Hillcastle zurückgekehrt, so konnte sie dem Lord, ohne unhöflich zu werden, nicht völlig aus weichen, dieser verkehrte arglos weiter mit Edith und ihr. Kurz bevor die vereinigte Familie die Insel zu ver lassen gedachte, wurde Herr Proctor durch ein Telegramm nach London gerufen. Während seiner Abwesenheit brachte Frau Proctor eine Nummer des „Times" an den Teetisch und sagte, sich mit einer halb verächtlichen, halb schadenfrohen Miene an Melita wendend: „Da entdecke ich soeben im Handelsteil der „Times" eine Notiz, die Sie vielleicht interessieren dürfte, Fräulein Wismar; sie lautet: Aus Montevideo wird uns gemeldet: „Die vor nehmen Kreise unserer Stadt beschäftigt gegenwärtig ein sensationeller Ehekonflikt mit tragischem Ausgang. Vor zwei Jahren ließ sich ein Kaufmann nieder, der sich Oliveros nannte und dessen Gattin, eine schöne kokette Blondine große Anziehungskraft auf unsere Lebemänner ausübte. Vorgestern hat Oliveros seine treulose Gattin und dann sich selber erschossen. Die Ehetragödie wird bei manchem Börsenbesucher Londons Interesse erregen, denn — wie sich jetzt herausstellt — war Oliveros identisch mit jenem Konjul Wismar aus Hamburg, der vor etwa vier Jahren durch seine wag halsigen Spekulationen in afrikanischen Miennaktien Aussehen erregte." Frau Proctor ließ das Blatt sinken und fragte mit erheuchelter Sanftmut: „Sie, Fräulein Wismar, standen natürlich in keiner Beziehung zu dem Desperado von Montevideo?" Die Gefragte hatte bei der Vorlesung die Augen geschlossen, und es schien, als sei sie völlig erstarrt. Durch die Frage schreckte sie auf und erwiderte: „Doch, Madame, es war mein Vater." Kaum war das letzte Wort über ihre Lippen ge kommen, so schnellte sie auf und lief aus dem Speise zimmer. Mehrere Sekunden lang herrschte am Tisch pein liches Schweigen, dann erhob sich Lord Leigh und rief seiner Schwiegermutter empört zu: „Welche Roheit!" Darauf verließ auch er das Zimmer. Er hielt es für Freundespflicht, dem unglücklichen Mädchen einige Worte des Trostes und der Beruhigung zu sagen, und als durch die Tür des Musikzimmers ge dämpftes Weinen vernehmbar wurde, trat er ein. Melita hatte sich auf einen Divan geworfen und das Gesicht in ihre Hände vergraben. Der Lord eilte auf sie zu und sagte, von innigem Mitleid bewegt: „Bitte, bitte, Fräulein Wismar, nehmen Sie sich den furchtbaren Schlag nicht gar so sehr zu Herzen. Sie werden hoffentlich meiner Versicherung glauben, daß weder ich noch Alice und Edith eine Ahnung von Frau Proctors grausamer Absicht hatten. Erinnern Sie sich in dieser schweren Stunde, daß Ihnen treue Freunde zur Seite stehen, die Sie vor weiteren Be leidigungen schützen werden." Die innige Anteilnahme des Lord wirkte anders, als er erwartet hatte. Wie aufgestaute Wasser ein Wehr durchbrechen, so machte sich jetzt Melitas mühsam ver haltenes Wehgefühl in wildem Schluchzen Luft. Der Lord stand diesem Ausbruch eines gramerfüllten Herzens fassungslos gegenüber, und da es ihn drängte, mehr zu ihrer Beruhigung zu tun, fuhr er mit der Hand über ihr Haar und sagte leise: „Melita, arme Melita, beruhigen Sie sich doch!" Plötzlich fuhr er zusammen, und auch die Schluch zende verstummte, denn hinter ihnen fragte eine schrille Stimme: „Was ist dir diese arme Melita, Archibald?" Sich umwendend, sah er seine bleiche, zornbebende Frau und hinter ihr in kampfbereiter Stellung Frau Proctor. Auf der Schwelle aber erschien zaghaft und mit erschreckter Miene Edith. Der Lord war so verblüfft, daß er eine Weile die Antwort schuldig blieb, als die junge Frau aber ihre Frage wiederholte, sah er ihr fest in die zornsprühenden Augen und antwortete: „Sie ist mir eine liebe Freundin, der ich ein Wort der Beruhigung schuldete, und die ich vor weiteren brutalen Angriffen schützen werde." „Ah, diese junge Dame aus der Fremde avanciert. Früher war sie die liebe Freundin deines sogenannten Lebensretters, jetzt ist sie die Lord Leighs geworden. Die Tatsachen aber beweisen mir, daß deine Angabe, du protegierst die arme Melita nur, um eine Dankes- pflicht gegen einen gewissen Fries zu erfüllen, ein Märchen war, ersonnen, um mich und die Meinen zu täuschen." Melita, die sich bei der Entgegnung des Lords an schickte, das Zimmer zu verlassen, blieb jetzt wie an gewurzelt stehen. Der Lord errötete unter ihren fragenden Blicken und erst nach längerem Besinnen erklärte er: „Da meine Frau in ganz unberechtigtem Argwohn das ans Licht zerrte, was ich zu verheimlichen versprach, so muß ich Ihnen die volle Wahrheit bekennen, Fräulein Wismar. Ihr Landsmann Wolfgang Fries, der Sie liebt, bat mich, nachdem sie von Hamburg nach Ryde gekommen waren, ich möge, falls sich dies tun ließe, Ihren Lebensweg überwachen undIhnen in jeder Notlage beistehen. Fries hat mir in Shanghai, trotz eigener Ge fahr, das Leben gerettet, und mir, während ich, von Messerstichen schwer verletzt, im Hospital lag, so viele Freundlichkeiten und Wohltaten erwiesen, daß ich ihm zu unauslöschlicher Dankbarkeit verpflichtet bin. Selbst verständlich entsprach ich der Bitte des Freundes, und als ich erfahren batte, welcher Beliebtheit Sie sich bei