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Unterdes saß Vinzenz Schüttle mit finsterer Miene I ndben der jungen Schwägerin. Dann verlangsamte er plötzlich den Gang des Autos, um leichter reden zu können, und fuhr sie unwirsch an: „Was hat der Fant mit dir zu schaffen?" „Geht's dich was an?" „Mädle, vergiß dich nit. Gehör' ich etwa nit zu den Weylands?" „Auf solche Frag' hast kein Recht. Das wäre am End' mei'm Vaterle sein' Sach'." Er schwieg. Sie beobachtete ihn aus schrägen Augen, sah, wie er die Lippen zusammenkniff in verbissenem Aerger. Ihr selber aber zog ein heimliches Lächeln um den vollen Mund. Das Auto raste wieder. Steine lagen im Weg. Es gab harte Stöße. Angstvoll packte sie Schöttles Arm: „Du, da geh' ich lieber, mein Leben riskier' ich nit mit dir." „Bleibst sitzen; 's geschieht dir schon nix," knurrte er, verlangsamte aber die sausende Schnelligkeit. Dann sagte er nach einer Weile in leisem Spott: „Darf ich halt fragen, wo das mächtig' Sträußle her hast?" „O ja," lachte sie ihn heiter an, „hast du denn nit 'hört, wie ich mich beim Herrn Hartweg für die schönen Blümle bedankt hab'?" „Tust sie 'naus." „Denk' nit dran. Ist so ein lieber Mensch, der Herr Hartweg. Ich wüßt' nit, daß er dich gekränkt hätt'." „Ist eu Preuß', verstehst? Auf die hab' ich 'n Zorn, just wie dein Vater. Das solltest wissen und nit schar mieren mit unsere Feind'?" „Tu' ich das?" sagte sie mit unschuldigem Tauben blick. „Um die Blümlen wftr's doch schad'. Die sind auch eigentlich aus der Frau Doktor ihrem Garten und ich will sie dem Trautle geben. Hast da was gegen?" Er zuckte die Achs-eln. „Was ist mit'm Trautle?" fragte er darauf. Sie gab kurz Bescheid. „Elend ist's arm,.- Hascherle? Ja, Dirnle, da eilt's aber." Und nun raste 'der Wagen förmlich. Gleichsam im Fluge erhaschte Brirble den Tee vom Krämer, auch Hustentropfen, die Schöttle anempfahl, und jagte mit dem besorgten Sch wager zum Heim zurück. Kein Wort w ard mehr zwischen ihnen geredet. Trautes Erkältung schien eine heftige Influenza zu werden, die ihre,, zarten Körper recht mitnahm. Mit dem Lir idenblütentee und sonstigen Hausmitteln, die Muhme Loi Dis eifrig anwandte, war's nicht getan. Das Fieber wo/ ^te nicht weichen, und eine große Mattig keit hielt Traute im Bett fest. Da Schötll.e die Braut mehrere Tage nicht zu sehen bekam, hotte er eigenmächtig den Arzt aus Sörgenloch herbei, denn sein Schwiegervater, obwohl selbst von einem gelind« :ren Anfall ergriffen, nahm die Sache un- oerantwortlic' h leicht nach Schöttles Meinung „Dumm« .s Zeug," spöttelte er, „en bißle Schnupfen fieber bringt keins um. Wir Weylands sind urgesunder Stamm. Jf t Trautle eppes zart geraten, ist's drum nit aus der Ar t geschlagen. Hängt's jetzt mal ein bissel 's Köpfle, rick stet's schon wieder auf. Regungen sind 's, wie's 'nen, jungen Bräutle leicht anfliegen, aber's Herzle ist gesund und stark. Ich kenn' doch mein Trautle. La issen wir's nur ein paar Tag' in Ruh', kommt's. schon zurecht." Dennoch, Doktor Steinbach kam mit Schöttle an gesaust. Er f ühlte dem schlappen Mädel den Puls und schalt dann kopfschüttelnd in seiner jovialen Art: „FrLul'n Tr aut', wenn Sie mich schon meuchlings Sagt Vaterle das mit — der Mit klaren Daten. Am Valen- (Fortsetzung folgt.) glänzenden Augen, nahen Hochzeit?" Er nickte heiter. hintergingen, so stehen Sie jetzt wenigstens auf der Höhe Ihres Streiches. Einer jungen Braut muß das Herzblut forscher durch die Adern springen, und da liegen Sie mir mit so kleinem Pulsschlag, als wären Sie Ihre eigene Großmutter." „Ich bin halt arg müd'," hauchte sie schwermütig. „Schämen Sie sich. Spricht so eine Neunzehn jährige, die vor baldiger Hochzeit steht? Ich kitt' Sie, so ein Mädle hat so viel Kraftüberschuß zu haben, um die alte Mutter Erde ein gut Stückle aus den Angeln zu heben vor lauter Glück und Seligkeit." Sie blickte ihn unruhig an mit ihren großen fieber tinstag sollen Ihnen die Hochzeitsglocken läuten. Da werden wir zwei uns mal höllisch ranhalten, he?" „Ich glaub's nit," murmelte sie. „O nein, warum nit warten, bis wieder Freud' und gute Zeit einkehrt zu allen, allen, die jetzt Not und Kümmernis Huben im Ländle?" Ein Bangen hatte sie in den flackernden Augen, der klopfenden Stimme, das er nicht begriff. Es hatte sie doch niemand zu dem Verlöbnis gezwungen, wußte er. „Krankhaft," entschied er schließlich. „Die scheuß liche Influenza hat's in sich. So weiche, zarte Mädel- chen piesackt sie besonders gern. Aber wir werden ihr ein Schnippchen schlagen. Unser moje Trautle ist von Haus aus gesundes, frisches Rheinlandblut, das läßt sich doch nicht so bald unterkriegen." Und er schrieb seine Rezepte. Die beseitigten zwar den Erkältungszustand mit den fiebrigen Begleiterscheinungen, nicht aber Trautes Hinfälligkeit, zu der eine Gemütsdepression kam, die nun auch ihren Vater zu verstimmen begann. So war man weit in den November gekommen, ohne daß Traute, die zwar längst das Bett verlassen, aber wie der Schatten ihrer früheren munteren Frische bleich und lässig einherging, daran dachte, sich ernstlich um Aussteuer und Hochzeit zu bekümmern. Nichtsdestoweniger nahmen die Vorbereitungen un gehemmten Lauf. Vater und Muhme sorgten dafür, daß nichts versäumt wurde, eine Weylandtochter nach altem Brauch würdig auszustatten. Und wo irgendwas zufällig übersehen wurde, war das Bärble mit wachen Augen zur Stelle, um geschäftig nachzuhelfen. Sie hätte nicht rühriger für die eigene Aussteuer ein- und zugreifen können. Muhme hielt ihr Erstaunen nicht zurück. „Dirnle, bist wie ausgetauscht. Hält' nit 'dacht, daß dir 's Trautle so lieb ist. So viel schaffst für dein Schwesterle." „Nun, wenn's Trautle drauf vergißt, muß halt ich sehen, daß dem Haus und auch em Schöttle recht ge schieht. Hab' zudem mein Pläsier dran. Ist 'ne Vorübung, wenn's gilt, mein eigen Nest zu bauen." „Guck eins, bist denn schon flügge, mein jung Gänsle?" „Könnt' jede Stund' heiraten, noch vorm Trautle, wenn ich nur wollt'." „Doch nit den Preuß'?" Muhme schien ernstlich erschrocken. „Der Vinzenz hat mir was gesteckt, und neulich hattest en Briefle aus Königsberg. Von Trautles Freundin könnt' er nit sein, die kennst doch nit. Mein Dirnle, wirst doch dein-m Vaterle nix zu leide tun?