Volltext Seite (XML)
Wesendonk-Lieder von Richard Wagner Der Engel In der Kindheit frühen Tagen hört ich oft von Engeln sagen, die des Himmels hehre Wonne tauschen mit der Erdensonne, daß, wo bang ein Herz in Sorgen schmachtet vor der Welt verborgen, daß, wo still es will verbluten, und vergehn in Tränenfluten, daß, wo brünstig sein Gebet einzig um Erlösung fleht, da der Engel niederschwebt und es sanft gen Himmel hebt. Ja, es stieg auch mir ein Engel nieder und auf leuchtendem Gefieder führt er, ferne jedem Schmerz, meinen Geist nun himmelwärts! Siehe slilll Sausendes, brausendes Rad der Zeit, Messer du der Ewigkeit, leuchtende Sphären im weiten All, die ihr umringt den. Welten ball, urewige Schöpfung, halte doch ein, genug des Werdens, laß mich sein! Halte an dich, zeugende Kraft, Urgedanke, der ewig schafft! Hemmet den Atem, stillet den Drang, schweiget nur eine Sekunde lang! Schwellende Pulse, fesselt den Schlag, ende, des Wollens ewiger Tag! Daß in selig süßem Vergessen ich mög alle Wonnen ermessen! Wenn Aug' in Auge wonnig trinken, Seele ganz in Seele versinken, Wesen in Wesen sich wiederfindet und allen Höffens Ende sich kündet, die Lippe verstummt in staunendem Schweigen, keinen Wunsch mehr will das Innre zeugen: erkennt der Mensch des Ew'gen Spur und löst dein Rätsel, heil'ge Natur!