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Die Achte Sinfonie Ludwig vau Beethovens hat man mit Recht einen „Triumph des Humors“ genannt. Sie ist ein Zeugnis für das rheinische Blut in Beethoven, sie entspringt jenem leichten Sinn, der den Rheinländer vor anderen deutschen Stämmen auszeichnet. Das gilt vor allem für die drei ersten Sätze. Der erste beginnt mit einem kleine Spiel zwischen Violinen und Klarinette, einem zärtlichen Geplauder. In dieser „Sinfonie der guten Laune“ ist für einen ernsten, langsamen Satz kein Platz. Beethoven ersetzt ihn durch ein „Allegretto scherzando“, er nimmt das Scherzo vorweg. Es ist ein witziges, frohgemutes Plaudern, mit dem er uns da unterhält. Das Thema entnahm Beethoven einem Musikstück, das er an Mälzel, den Erfinder des Metronoms, jenes tickenden Tempozeigers, gerichtet hat. So etwas wie Uhrenticken steckt in diesem zweiten Satz, den man die „vielleicht kostbarste Miniatur unserer sinfonischen Literatur“ genannt hat. Der dritte Satz ist dann, dem ganzen Charakter der Sinfonie entsprechend, ein Menuett, wie in der Haydnschen Sinfonie. Es klingt wie ein etwas derber Bauerntanz, der im Trio, dem Mittelteil, eine volksliedhafte Episode einschließt. Ein Zwiegesang zwischen den Hörnern und der Klarinette — eine instrumentale Färbung, die in uns den Gedanken an das Ländliche, an Bauernmusik, an Tanz und Gesang unter der Dorflinde aufkommen läßt. Auch im vierten Satz herrscht der leichte Ton vor. In das Geigengeraschel kichern Flöten und Oboe hinein. Dann aber kommt ein fremder Ton hinein, auf einen kurzen Augenblick scheint die Stimmung umzuschlagen, so als ob mitten in einem rauschenden Fest voll Lebenslust und Lebensfreude am Fenster ein bleiches, von Elend zermürbtes Gesicht auftauchte, ein Gespenst. Aber es dauert nur einen Augenblick, das fremde, todtraurige Gesicht verschwindet wie weggewischt, und das Fest nimmt seinen Fortgang. Als eine Seltenheit im Konzertsaal ist die Zweite Leonorenouvertüre anzusprechen. Da ist es interessant zu lesen, was Robert Schumann über dieses Werk im Rahmen einer Be sprechung sämtlicher vier Ouvertüren zu Fidelio schrieb: „Dank euch, Wiener von 1805, daß euch die erste nicht ansprach, bis Beethoven in göttlichem Ingrimm eine nach der an deren hervorwühlte ... Am riesigsten zeigte er sich wohl beim zweiten Anlauf. Die erste Ouvertüre wollte nicht gefallen; halt, dachte er, bei der Zweiten soll euch das Denken ver gehen — und setzte sich von neuem an die Arbeit, und ließ das erschütternde Drama an sich vorübergehen, und sang die großen Leiden und die große Freude seiner Geliebten noch ein mal; sie ist dämonisch, diese zweite, im einzelnen wohl noch kühner als die dritte, die be kannte große in C-Dur. Denn auch jene genügte ihm nicht, daß er sie wieder beiseite legte und nur einzelne Stücke beibehielt, aus denen er, beruhigter schon und künstlerischer, jene dritte formte. Später folgte noch jene leichtere und populäre in E-Dur, die man gewöhnlich im Theater zur Eröffnung hört. Das ist das große Vier-Ouvertüren-Werk; ähnlich wie die Natur bildet, sehen wir in ihm zuerst das Wurzelgeflecht, aus dem sich in der zweiten der riesige Stamm hebt, seine Arme links und rechts ausbreitet, und zuletzt mit leichterem Blütengebüsche schließt. Daß die dritte der Ouvertüren die wirkungsvollste und künst lerisch vollendetste, darin stimmen fast alle Musiker überein. Schlage man aber auch die erste nicht zu gering an; sie ist bis auf eine matte Stelle (Part. S. 18) ein schönes, frisches Musikstück, und Beethovens gar wohl würdig. Einleitung, Übergang ins Allegro, das erste Thema, die Erinnerung an Florestans Arie, das Crescendo am Schluß — das reiche Gemüt des Meisters blickt aus allem diesem. Interessanter sind freilich die Beziehungen, in denen die zweite zur dritten steht. Hier läßt sich der Künstler recht deutlich in seiner Werkstatt be lauschen. Wie er änderte, wie er verwarf, Gedanken und Instrumentation, wie er sich in keiner von seiner Florestanschen Arie losmachen kann, wie sich die drei Anfangstakte dieser Arie durch das ganze Stück hinziehen, wie er auch den Trompetenruf hinter der Szene nicht aufgeben kann, ihn in der dritten Ouvertüre noch weit schöner anbringt als in der zweiten, wie er nicht ruht und rastet, daß sein Werk zu der Vollendung gelange, wie wir es in der dritten bewundern — dies zu beobachten und vergleichen gehört zu dem Interessan testen und Bildendsten, was der Kunstjünger vornehmen, für sich benutzen kann.“ Unter den Klavierkonzerten steht das in G-Dur träumerisch zwischen den beherzteren Genossen. Dieser neue Ton wird gleich zu Beginn angeschlagen, wenn der Solist allein das Thema von fast schumannesker Weichheit vorträgt. Kein Wunder, daß es von den Ro mantikern besonders geschätzt wurde. In den „Vertrauten Briefen“ Reichardts heißt es: „Das Adagio, ein Meistersatz von schönem durchgeführten Gesang, sang er wahrhaft auf seinem Instrumente mit tiefem, melancholischem Gefühl, das auch mich dabei durch strömte.“ Beethoven spielte das 1806 entstandene Werk in der Akademie vom 22. Dezember 1808. Es war sein letztes öffentliches Auftreten als Pianist, das ihm das Schicksal gestattete. Dr. Karl Laux.