Volltext Seite (XML)
Manchen, gleichsam (wenn auch nur dem Anschein nach) mühelos hingeworfenen Werken gegenüber ist die zweite Sinfonie von Robert Schumann die Frucht eines zähen und schmerz vollen Ringens. Diese C-dur-Sinfonie (der Entstehung nach die dritte) gehört in die Dresdner Zeit. Im Dezember 1845 wurde sie entworfen. „Ich skizzierte sie, als ich physisch noch sehr leidend war; ja ich kann wohl sagen, es war gleichsam der Widerstand des Geistes, der hier sichtbar influiert hat, und durch den ich meinen Zustand zu bekämpfen suchte“, bekennt Schumann in einem Brief. Daß es eine Sinfonie des Kampfes ist, erfahren wir gleich aus der langsamen Einleitung zum ersten Satz. Sie beginnt mit einer viertaktigen Fanfare, die den heroischen Charakter des Werkes ankündigt und als „Leitmotiv“ die ganze Sinfonie be herrscht. Diesem Grundcharakter entspricht es auch, daß im ersten Satz neben dem kraft vollen, rhythmisch bestimmten Hauptthema ein eigentliches zweites fehlt. Nach einer kunstvollen Durchführung und einer sehr verkürzten Reprise bringt die Koda eine große Steigerung, deren Höhepunkt mit dem Einlcitungsthema gebildet wird. Es schließt auch das in seinem Hauptteil graziös-bewegliche Scherzo ab, das mit seinen zwei stark gegen sätzlichen Trios von der Norm abweicht. Der langsame Satz ist die Krone des Werkes. Das innige Thema klingt an Bach an („Musikalisches Opfer“). Ein fugiertes Zwischenstück läßt gleichfalls daran denken, daß sich Schumann damals viel mit Bach beschäftigt hat. (1845 waren auch die Orgelfugen über den Namen Bach entstanden.) Die Reprise wendet sich nach C-dur. Im Finale wird die Stimmung des ersten Satzes wieder aufgegriffen. Das erste Thema hat schier marschmäßiges Gepräge, das zweite führt allerdings wieder in die seeli schen Bezirke, auf die auch Anklänge an den langsamen Satz hinweisen. Die Sinfonie endet mit einem großen Aufschwung, der sinngemäß mit der Fanfare aus der Einleitung auf den Höhepunkt geführt wird. Schumann arbeitete die Sinfonie im Jahre 1846 aus, oft gehemmt durch Anfälle von Melancholie, die ihn auch in Maxen bei Dresden, wo er Erholung suchte, überfielen. Im November des gleichen Jahres fand im Leipziger Gewandhaus die Urauf führung statt. Edvard Grieg, der geniale Miniaturist des Klaviers, der Dichter der „Lyrischen Stücke“, hat ein Klavierkonzert geschaffen, das zunächst mit Begeisterung aufgenommen wurde, dann mehr und mehr in Vergessenheit geriet, in letzter Zeit aber wieder eine gerechtere Beurteilung erfahrt. Man erkennt die vielen Schönheiten an, man sieht neben vielen An klängen an Schumann (Beginn des ersten Satzes), an Liszt (Kadenz des ersten Satzes), an Wagner (Thematik und Harmonik des langsamen Satzes) doch auch das Eigene, das spezifisch Griegsche an dem Werk: es steckt in der Harmonik und in der Rhythmik aller Sätze, es blickt uns vor allem aus dem frischen Finale mit vertrauten Klängen an, wenn sich das Hauptthema vom norwegischen Springtanz anregen läßt. Die Prägnanz der Thematik und die Phantasiefülle der Verarbeitung sind weitere Vorzüge des Werkes, die ihm seinen Platz in den Konzertsälen sichern. Grieg schrieb es im Jahre 1868, kurz nachdem das erste Heft der „Lyrischen Stücke“ erschienen war. Im Jahre 1870 erlebte es seine Uraufführung, 1879 spielte es Grieg selbst in einem Leipziger Gewandhauskonzert. Auch damit bekundete er die Freundschaft, die ihn stets mit Deutschland und seiner Musik verband. Gleich in den ersten Takten seiner Tondichtung „Don Juan“ hat Richard Strauß das Porträt seines Helden fest umrissen: da stürmt er hin, sieggewohnter Frauenverführer, abwechslungssüchtiger Abenteurer. Es ist aber auch ein Selbstporträt: so alle Schranken niederrennend trat der junge Strauß, damals 24 Jahre alt, in die Arena der Musik. (Welch ein Weg bis zum „Capriccio“!) Dem Helden werden seine Opfer gegenübergestellt. Zerlin- chen mit einem spielerischen cis-moll, die Gräfin mit blühendem Nonenakkord und üppigem Harfenschlag, Donna Anna mit süßer G-dur-Kantilene, eine trunkene Bacchantin auf dem Maskenfest mit den „billigen“ Tönen des Durdreiklangs in den gestopften Trompeten. Bei solcher Oberflächenschilderung bleibt aber Strauß nicht stehen, er gibt uns mit dem kühn-chromatischen Motiv des Überdrusses auch die tiefere Bedeutung des Vorwurfs: das ewig Unbefriedigte des menschlichen Sehnens, das Immerweitermüssen, das Ruhelose. So bleibt nur Ekel, Pessimismus, Lebensverneinung. Don Pedro, der Sohn des erschlagenen Komturs, zückt den Strahl (Trompeten!). Don Juan ist tot. „Mein letzter Hauch ist Süh nung und Entgelt, denn er verweht mich selbst und mir die Welt!“ heißt es bei Nikolaus Lenau, dem Dichter des Weltschmerzes, dessen „dramatisches Gedicht“ „Don Juan“ den Komponisten zu seinem Werk angeregt hatte. Dr. Karl Laux.