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Mit der „Sinfonischen Impression“ für großes Orchester, die als „Musikauftrag der. Stadt Bremen 1941“ entstanden ist, kommt der Konzertmeister der Dresdner Philharmo niker Bernhard Hamann (geboren 1909 in Hamburg) zum erstenmal in Dresden als Kom ponist zu Wort. Demnächst wird auch, im 3. Kammermusikabend des Hamann-Quartetts, sein Streichquartett d-Moll, das unter anderem bei den Rcichsmusiktagen in Düsseldorf und beim Europäischen Kammermusikfest in der Slowakei aufgeführt wurde, zu hören sein Außerdem liegen von Hamann, der erst seit wenigen Jahren kompositorisch tätig ist, vor: Lieder, ein „Rondo capriccioso“ für Violine mit Orchester (opus 2) und ein Konzert für Vio loncello und Orchester, das unter anderem von Cassado und Steiner gespielt wurde. Hamann ist, so schrieb einmal ein Kunstbetrachter, „Hamburger und stammt von mecklenburgischen und dittmarischen Eltern. Sein Violoncellkonzert ist ein neuer Beweis dafür, daß die Nieder deutschen bei aller aus der Tiefe ihres Temperaments quellenden Herbheit und Zurückhal tung doch hervorragend zu singen verstehen, wenn sie sich seelisch (ähnlich wie Brahms) aus dem Strom einer allzu musenbeengten Umwelt hinauszuschiffen vermochten auf das Meer, das die Grenzen ihres großen Vaterlandes in weit ausholenden Bogen umspült.“ Die „Sin fonische Inlpression“ ist trotz der Benennung „Impression“ formal deutlich gegliedert. Das verhaltende Rauschen gcgeneinanderlaufender Dreiklänge in den Streichern wird durch ein kurzes Thema abgelöst, das in der Oboe und der Flöte erscheint. Melodische Linien, die in ihrer leidenschaftlichen Mehrstimmigkeit zu großen Steigerungen führen, aber immer wieder durch die bewegten Achteltriolen und das rhythmische Baßmotiv des Anfangs unterbrochen werden, leiten zu einem ruhigen Mittelteil über. Dieser wird durch eine kadenzartige Improvi sation, in der viel Holz und Streichinstrumente solistisch aufleuchten. eingeleitet. Dann ent wickelt er sich auf einem zarten Thema der Oboe zu einem großen Aufbau, um später wieder zart und innig zu zerfließen. Nun beginnt ein Dakapo des ersten Teiles, der nach einer un geheuren Steigerung mit einem jähen Aufschrei abbricht. Verhalten erscheint jetzt in der Coda das anfängliche Baßmotiv als basso ostinato. Durch das Hinzutreten immer weiterer Stimmen entwickelt sich das Werk, das ungemein farbig und differenziert angelegt ist, zu einem strahlenden Abschluß. Hans Pfitzner hat mit dem 1924 geschaffenen Violinkonzert seinem Klavierkonzert ein bedeutendes Gegenstück zur Seite gestellt. Es ist einsätzig. Doch schimmert die übliche Dreiteiligkeit durch. Es sind drei Sätze mit drei Hauptthemen (zu denen im letzten Teil noch ein viertes tritt), die zu einem Ganzen verschmolzen sind. Das bedeutet eine Straffung der Form, die ihre Wirkung nicht verfehlt. Das erste Thema wird von der Sologeige „lebhaft und energisch“ vorgetragen, es ist in der Hauptsache auf den Tönen des Tonikadreiklangs auf gebaut. Auch das zweite Thema wird von der Geige gebracht. Das dritte Thema, chromatisch in der Trompete abwärtsgleitend, wird in sieben Variationen abgewandclt. Die Sologeige leitet über zum „langsamen Satz“, der nur das Orchester zu Wort kommen läßt. Er basiert auf dem zweiten Thema des ersten Tcilps. Den Schlußteil führt dann das vierte Thema an, das zunächst „gemächlich“ einherschreitet, dann aber zurücktritt und der vielfachen Ver kettung der Themen in einem großgesteigerten Satz Platz macht. Über den Charakter des Werkes schreibt Erich Valentin, einer der Getreuen des Meisters: „Pfitzner hat das Unmög liche möglich gemacht, aus dem Technischen, dem Spielhaften, Geigerischen einen absolut musikalischen Ausdruck herauszuformen. Es ist erstaunlich, mit welcher Sparsamkeit der Mittel es Pfitzner gelungen ist, ein trotz seiner vier Themen aus einem einzigen Themenkern entwickeltes Konzert zu schreiben, in dem ein virtuoser Grundzug zum Träger des musika lischen Inhalts wird. Denn dieses Virtuose ist wiederum nicht spielerischer Selbstzweck, sondern schöpferisches Mittel.“ Nach langem Zögern, nach mancherlei Vorarbeiten schrieb Johannes Brahms im Sommer 1876 in Saßnitz auf Rügen seine erste Sinfonie. Am 5. Oktober meldete er Sim- rock: „An den Wissower Klincken ist eine schöne Sinfonie hängengeblieben.“ Er läßt sie mit einer langsamen Einleitung beginnen (er hat diese übrigens nachkomponiert), in der das ge samte Motivmaterial des ersten Satzes, zugleich aber auch die ganze Stimmung jener frühen Zeit, in der der Grundstein zu der Sinfonie gelegt wurde (1862), enthalten ist: es war eine Schmerzenszeit. Das Allegro beginnt mit dem gleichen grüblerischen chromatischen Motiv, aus dem sich dann das erste Thema kraftvoll, als wollte es die trüben Gedanken abschütteln, herauslöst. Einen Kontrast bringt das zweite Thema (Oboe), das aber in seiner chromatischen Führung doch auch mit dem ersten verwandt ist. Auch im langsamen Satz wird das „Schick salsmotiv“ der Einleitung zitiert. An die dritte Stelle hat Brahms statt des üblichen Scherzos, das in den Stimmungsgehalt dieser pathetisch-tragischen Sinfonie nicht passen würde, ein Allegretto gestellt. So tritt die „Lösung“ erst im Finale ein, wo das Horn seine tröstliche Stimme erhebt, das Gewölk auseinanderfegt, und die Streicher in der Helle eines neuen Tages ihren frohen Gesang beginnen. Dr. Karl Laux