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Mozarts Sinfonie in g-moll hat Robert Schumann, der das Werk besonders liebte, in einer Kritik von D. F. Schubarths Tonarten-Ästhetik, „diese griechisch-schwebende Grazie“ ge nannt. Ein Urteil, das den Romantiker verrät. Ein Urteil, das an dem wahren Charakter der Sinfonie vorbeigeht. Schon bald danach hat man aber Mozart im Sinne von Mozart be urteilt und seine sinfonische Schöpfung als den Ausdruck eines großen Leides erkannt. Wir wissen nicht, was Mozart dazu bewogen hat, eine solche Sinfonie zu schreiben. Die Musik ist stumm. Aber schon die Wahl der Tonart sagt uns, daß es ihm darauf ankam, etwas Be sonderes zu sagen. Ich erinnere an das leidenschaftliche Klavierquintett in g-moll und an das schmerzlich-resignierte Streichquintett in der gleichen Tonart. Man könnte bei der Sinfonie an das dämonische Ringen eines Beethoven denken. Aber was wir bei Beethoven immer finden, die endliche Lösung, das Sichbefreien von Leid und Gram, das bleibt hier bei Mozart aus. Auch der letzte Satz der Sinfonie bringt nicht den „Aufschwung des Herzens“, die Grundstimmung des ersten Satzes wird noch vertieft, aus der Klage wird finsterer Trotz. Konnte man beim Hauptthema des ersten Satzes noch an ein anmutiges, wenn auch sehr ernstes Spiel denken, die Formung des Finalethemas schließt eine solche Deutung völlig aus. Trotzig steigt es auf, den g-moll-Dreiklang über zwei Oktaven hin durchmessend, stürmische Achtclfiguren sind die Antwort. Nach dem gleichen Prinzip ist das Thema des „Menuetts“ aufgebaut: ein Anrennen in die Höhe (übrigens mit den gleichen Dreiklangtönen wie beim Finalcthema) und ein wellenförmiges Zurücksinken. Während die Achtel im Finalethema Bogen nach oben bilden, ist im Menuett der Achtelbogen nach abwärts geschwungen. Das ergibt auch bei flüchtigem Zusehen eine geradezu verblüffende Einheitlichkeit der Archi tektur. Die Achte Sinfonie Ludwig van Beethovens hat man mit Recht einen „Triumph des Humors“ genannt. Sie ist ein Zeugnis für das rheinische Blut in Beethoven, sie entspringt jenem leichten Sinn, der den Rheinländer vor anderen deutschen Stämmen auszeichnet. Das gilt vor allem für die drei ersten Sätze. Der erste beginnt mit einem kleinen Spiel zwischen Violinen und Klarinette, einem zärtlichen Geplauder. So leicht und locker dieses Haupt thema ist, an ihm kann man ablesen, was „Einfall“ und „Verarbeitung“ bedeuten. Wir sind nämlich in der glücklichen Lage, bei Beethoven zu wissen, wo der Einfall aufhört und die Arbeit beginnt. Er hat uns in seinen Skizzenbüchern ein kostbares Gut hinterlassen: in ihnen können wir nachlesen, wie er seine Einfälle geformt, wie er um seine Themen gerungen hat. Und gerade dieses scheinbar so leichte Thema dieses ersten Satzes der Achten Sinfonie ist nicht auf den ersten Anhieb, sondern erst nach vielen Skizzen und Entwürfen so geworden, wie es heute vor uns steht. In dieser „Sinfonie der guten Laune“ ist für einen ernsten, lang samen Satz kein Platz. Beethoven ersetzt ihn durch ein „Allegretto scherzando“, er nimmt das Scherzo vorweg. Es ist ein witziges, frohgemutes Plaudern, mit dem er uns da unterhält. Das Thema entnahm Beethoven einem Musikstück, das er an Mälzel, den Erfinder des Metro noms, jenes tickenden Tempozeigers, gerichtet hat. So etwas wie Uhrenticken steckt in diesem zweiten Satz, den man die „vielleicht kostbarste Miniatur unserer sinfonischen Lite ratur“ genannt hat. Der dritte Satz ist dann, dem ganzen Charakter der Sinfonie ent sprechend, ein Menuett, wie in der Haydnschen Sinfonie. Es klingt wie ein etwas derber Bauerntanz, der im Trio, dem Mittelteil, eine volkslicdhal'te Episode einschließt. Es ist ein Zwiegesang zwischen den Hörnern und der Klarinette — eine instrumentale Färbung, die in uns den Gedanken an das Ländliche, an Bauernmusik, an Tanz und Gesang unter der Dorf linde, aufkommen läßt. Auch im vierten Satz herrscht der leichte Ton vor. In das Geigen geraschel kichern Flöten und Oboe hinein. Dann aber kommt ein fremder Ton hinein, auf einen kurzen Augenblick scheint die Stimmung umzuschlagen, so als ob mitten in einem rauschenden Fest voll Lebenslust und Lebensfreude am Fenster ein bleiches, von Elend zer mürbtes Gesicht auftauchte, ein Gespenst. Aber es dauert nur einen Augenblick, das fremde, todtraurige Gesicht verschwindet wie weggewischt, und das Fest nimmt seinen Fortgang. Im Jahre 1841, einem Jahr des Glückes für Robert Schumann, schrieb er ein Allegro affettuoso für Klavier und Orchester, das als selbständiges Werk gedacht war. Da er aber keinen Verleger dafür fand, ergänzte er es 1845 zu dem dreisätzigen Klavierkonzert, wie wir es heute als eines der schönsten Werke der Gattung, eines der gültigsten Zeugnisse der deut schen Romantik besitzen. Dem ersten Satz mit seinem bald leidenschaftlich erregten, bald schwermütigen Grundcharaktcr folgen das köstliche „Intermezzo“, das mit seinem Duett zwischen Klavier und Orchester klingt, als verplauderten zwei Liebesleute eine Sommer nacht, und das sprühende Finale mit seinen rollenden Klavierpassagen und den glitzernden Raketen eines phantastisch-unwirklichen Feuerwerks. ^ Karl I aux