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lidie“, erotische, entfesselte Musik — bei Brahms der unerotische, männliche Ein schlag in unentfesseltem Gefühl. Und trotz dem lugt auch hier (allerdings nur rein technisch) der „Vater der Sinfonie, Papa Haydn“, der der Sinfonie die Konstruktion gab, in der Durchführungstechnik heraus — wenn auch nur auf dem Wege über die Tonwelt Beethovens (in der durchbrochenen Arbeit und der Kunst der Uebergänge aus einer Stimmung in die andere). Der Anfangssatz der C-Moll-Sinfonie steht da wie ein Berg in Wetterwolken und entwickelt sich mit einer furchtbaren Energie fast nur aus einem einzigen Motiv aus drei Noten. Und dann als Gegensatz die verklärte Schönheit des herrlichen Andantes mit der rührenden C-Dur-Melo- die der Oboe und dem Zwiegesang des Horns mit der Violine, in dem unter wolkenverhangenem gewitterschwülem Him mel Blüten einer seligen Hoffnung auf brechen. „Gracioso“ träumt im dritten Satze die Phantasie des Grüblers in freundlichen Erinnerungen, um dann im gemeißelten, quaderhaft aufgebauten Schlußsatz in mächtigster Steigerung zur Krönung, zum siegreichen C-Dur zu gelangen und sich zum gewaltigsten Denkmal für den Schöp fer aufzutürmen, dessen ewige, niegestillte Sehnsucht, mit einem norddeutschen Renais sanceherzen, ein Werk von der edlen Klar heit der Antike schuf. Einsam war der Weg, den Brahms ging (auch hier): er, der Bachverehrer von einst, der Beethovenver ehrer von einst und — der Schumann- verehrer von einst: Schumann, mit dem ihn nicht nur persönliche Freundschaft ver band. * Schumanns Cello-Konzert in A-Moll Friedrich Nietzsche hat sich bekanntlich gern an den zeitgenössischen Komponisten gerieben. Der „Parsifal“ Wagners, den er anfangs als „Ersten“ der Olympier be grüßte, war für ihn (nach seiner Verfein dung mit dem großen Bayreuther) Stüm perwerk. Und der „süfilidie Sachse“ Robert Schumann war für ihn „unfähig jeden Be griffs der Größe“ (Kritik der „Manfred“- Ouvertüre — in ihrem seelischen Inhalte wohl das Erschütterndste und Ergreifendste, was die Romantik hervorgebracht hat). Wer sich in jene wundersame Welt einer gläubigen Phantasie allerdings erst mit überlegenem Lächeln „zurückkonstruieren“ muß, der hat dem Genie Schumanns gegen über von vornherein verspielt — „so ihr nicht werdet, wie die Kinder ...“ Wenn Nietzsches absprechendes Urteil nicht über den von Schumanns kongenia lem Geiste erfaßten „Manfred“ Byrons ge fällt worden wäre, sondern etwa über das Schumannsche Konzert für Violoncello, so wäre vielleicht der Vorwurf der fehlenden^ Größe in einem Schimmer berechtigt wesen. Aber audi nur in einem Schimmelt Denn tatsächlidi können die beiden Eck sätze nidit gerade als Monumentalbauten angesprochen werden. Es läuft da dodi manches leer. Und die Dürftigkeit, oder besser Magerkeit der Instrumentation ist stellenweise so evident, daß man unwill- kürlidi auf diesen schwadien Punkt im sonst so genialen Können des Zwickauer Romantikers gestoßen wird. Gewiß — man kann auch anderer Meinung sein. Und kein geringerer als Nikiseh hielt Schumann im Gegensatz zur landläufigen Meinung für einen guten Instrumentator, dessen Orche- stration in .den Sinfonien er nie antastete. Aber in den beiden Allegrosätzen des Cello konzerts sind doch so manche Stellen, denen instrumentatorische Ueberarbeitung nichts schaden könnte. Nietzsdies Urteil wäre also nodi zu verstehen, wenn Schumann nidit in dieses Konzert als zweiten Teil jene wundervolle, innige „Romanze ‘ geschrieben hätte, die, von echtester Lyrik eingegeben, den edlen Schwung und die vornehme Zärtlichkeit der Empfindungswelt ihres Sdiöpfers besonde^fe stark aufweist. Diese „Romanze“ bestimim^ denn auch die Solocellisten, daß sie immer wieder zu dem Schumannsdien Konzert greifen — zumal die Violoncello-Literatur sowieso an Werken für dieses Instrument mit Orchesterbegleitung nicht allzu reidi ist. Wie gerne Schumann übrigens gerade dem Cello, dem Bariton der Streidier, seine Lieder und Sdimerzen anvertraute, zeigte er in seinen „Fünf Stücken im Volkston für Violoncello“ (opus 102), denen man leider nur wenig im Konzertsaal begegnet.