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Dresdner Journal : 09.11.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188211091
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18821109
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18821109
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-11
- Tag 1882-11-09
-
Monat
1882-11
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 09.11.1882
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W261 Donnerstag, den 9. November. 1882. dLbilietl! . ... 18 Aurlc. jUirttcti: 4 >tark LO ?k. Liarvto« Kuwws»^: lv?k. La»»«rd»Id de, dsottcbeo kviet»»« tritt ko,t- und 8tsmp'>Iru,c^It^ piv,u. lo»vrat«oprel»er kür d«a L»uro «ioer ^espütteueli kvtittsils SV kV. 0»t»r „Liv8«»»oüt" di« 2«il« üO kV. Lei VebsIIeu- und 2iNsru»»tr LO Fukictd»^. krickelaen r l^liek mit Xu«v»time der 8orm- und keisrt»^» Fp«od» für den tollenden Dresdner Journal. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. »ue^Lrttt Fr Lra^d«t«tter, Oomwi—ionLr de» k)re«dner dournel»; S»mdurx >«rl>» - Vt«n - t«ipii^ >r«»I»u-kr»nktlirt k/aM>rnv<r,n F kvA/er, Lrrlln - Vi,»LLwkur, rr»x-l.«ip»>^-kr»»Ilk»t ». ».-»üned»ai ktud. A/u««- »«rltn: 7»<vai,drndant, Sr«iv«»: L. Lc/dotte, : V. Lta^Aen', Luneau FutiU/»), rrenkkort ». >.: daeA-^'-cks Luekt>»ndlun8; 8»rMr: t/. ÄüUer; S»noovr: t7. Lc/iü^t«', k»rt» L«rUo-rr»nktnrt ». N.- k>uitde F 60, Liundurx: Fd. Li«»'»«' llsrausxsdvrr Lvoisl. Lrpedition de» Dresdner dourmU», Dresden, Lvio^erstr»»»« Ko SO. Nichtamtlicher Theil. Telegrstzhische Nachrichte». Wien, Dienstag, 7. November, Nachts. (Tel. d. Boh.) Heute Abends fanden wieder Zusammen rottungen am Rruban Statt, dies Mal ziemlich ernster Natur. Militär mußte eiuschreite», und find mehrfache Verhaftungen vorgekommeu. Die Ruhe ist wieder hergeftellt. (vgl. die »Tage«, geschichtet) Wien, Mittwoch, 8. November, Mittags. (Tel. d. DreSdn. Journ.) »ährend des gestrigen Versuchsschießens bei Aelixdorf zersprang rin ISCeutimeterhiuterladermörserrohr. Dabei wurde Hauptmann Matvusek grtödtet und Oberlieuteuaut Kuczera schwer verwundet. Bestem vernehmen nach war das Mörserrohr aus Gußeisen, nicht, wir ein hiesiges Blatt meldet, aus Ttahlbrouze hergrstellt. Triest, Dienstag, 7. November, Abends. (Tel. d. Boh.) Der Erzherzog Albrecht ist heute Morgen hier angrkommeu und wurde vou drm Statthalter, dem Pottzeidirector, dem Admiral Pauer und drm Generalmajor Kober brgrüßt. Der Erzherzog brsuchtr sämmtliche Abthrilungrn drr Ausstellung, fuhr um 2 Uhr nach Miramar, divirtr um 5 Uhr mit drn Spitzen der Militär- und Civilbehördea »nd reist um Mitternacht mit einem Lloyddampfer nach Venedig, vou wo er sich zum Besuche des italienischen Ksnigs begibt. Buda-Pest, Dieustag, 7. Rvvember, Abends. (Tel. d. Dre-dn. Journ.) Der Biererausschuß der ungarischen Delegation hielt heute unter dem Präsidium des Lardinals Haynald eine Sitznag. Drr Nrfereul Barvß richtrte in Angelrgrnheit der Verwaltung Bosniens und der Herzegowina an die Negierung mehrere Kragen, welche der Reichs- sinauzminister v. Kallay beantwortete. Drr Minister v. Kallay erklärte, daß genügend zahl- reiche OccupationStruppen noch eine gewisse Zeit noth wendig seien, die Hauplaufgabe bilde die EonwUdirung der Verwaltung und die Verhinderung fremden Ein flüsse«. Vielleicht insolge der loyalen Mitwirkung de« Fürsten sei in letzter Zeit in dieser Beziehung rin großer Umschwung in Montenegro eingetreten. Zur Besiegung de« Räuderunwesen« in einigen Grenz- drstricten sei eine fliegende Eolonne von 300 Frei» willigen in Aussicht genommen. Die Einführung de« Tabak-monopolS habe keine Erbitterung hervorgerusen und günstige Resultate gehabt, die Tabak-production hab« zugenommen. Die Recrutirung werde im nächsten Jahre wie m diesem durchgefühlt werden, kesertlonen i» größerer Zahl seien nicht vorgekommen. Das Extraordinarium für die Occupatious- truppeu wurde geuehmigt. Loudon, Dienstag, 7. November, Abends. (W. T. B) Zu der heutigen Sitzung des Unter- Hauses erfolgte zunächst die Beantwortuug vou Interpellationen. Lawson theilte mit, er werde zu dem gestern von Noithcote angekündigten Anträge betreff» der Verwen dung der englischen Truppen in Aegypten ein Amen dement rinbringen, dahin gehend, da» Hau» möge er klären, daß e« die Nothwendigkeit, genauer über die Verwendung der englischen Truppen informirt zu werden, anerkenne, gleichzeitig aber der Ansicht sei, e» sollten keine militärischen Operationen m Aegypten genehmigt werden, welche geeignet wären, die ägyp tische Ration an der Tontrole über ihre eigenen In stitutionen zu verhindern. — Der Unterstaatssecretär de« Auswärtigen, Sir Eharle« Dilke erwiderte auf eine Anfrage Wolff», e» fänden vertrauliche Mitthei- lungen zwischen der englischen und der französischen Regierung bezüglich Aegypten» Statt. Die von dem Premier Gladstone am ersten Abend de« Wiederzu- sammentritt« de« Hause« abgegebene Erklärung müsse ihn jedoch verhindern, über den Charakter jener Mit- thrilungen irgend welche Auskunft zu geben. — Dem Staatifecretär de« Kriege», Ehilder-, antwortete Herbert, e» sei nicht wahr, daß englischen Offizieren und Soldaten gestattet worden sei, al» Freiwillige im Sudan Dienste zu nehmen. Hierauf wurde die Berathung der Geschäfts ordnung fortgesetzt. St. Petersburg, Mittwoch, 8. November, Mittags. (Tel. d. Dre-dn. Journ.) Anläßlich der Meldung drr „Reuen freien Presse" vou einer liatlgcbablen Unterredung zwischen dem öfter- rrichischrv Minister Grafen Kaluoky und Hrn. v. GirrS bemerkt das „Journal de St. PStrrs- bourg", daß Hr. v. Giers St. Petersburg nicht verlassen hat. Mau möge daher Lommeutare über eine angebliche Unterredung unterlassen. Konstantinopel, Mittwoch, 8. November. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die Pforte »achte dem französischen Botschafter, Marquis v. Noailles, wegen Tunis abermalige Borstrllunge». Kairo, Dienstag, 7. November, Abends. (W. T. B.) Drr britische Botschafter, Lord Dufferiv, ist über Alexandrien aus Konstantinopel hier an- gekommeu. Rew-Aork, Dienstag, 7. November, Abends. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Ja 23 Staaten fand heute die Wahl der Congreßmitglirdrr und der Legislatur- beamten der Eiuzelstaaten Statt. Die bisherigen Berichte constatirru große Gewinne der Drmokra- tea. Gewiß scheint, daß die Demokraten in der Stadt und dem Staate New-Aork gesiegt haben. In Tonvecticut, New-Jersey und Penusylvanieu schreiben sie sich ebenfalls den Sieg zu. Rrw-Aork, Mittwoch, 8. November, früh. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Di« bisherigen Kahl- verichte ergeben wesentliche Gewinne drr Demokra ten; danach würden dieselben in der neuen Re- präsentantenkammer über die Majorität verfügen. Halifax (Neu-Schottland), Dienstag, 7. No vember, Abends. (W. T. B.) Das hiesige Armen- Hospital wurde heute durch eine Feuersbrunst in Asche gelegt; Sl Kranke, die in dem obersten Stockwerke des Hauses uutergebracht waren, ka- men in den Klammen ums Leben. Das Keuer brach im Erdgeschosse aus, verbreitete sich aber durch das Aufzugswerk sehr rasch iu das oberste Stockwerk; die Rettung der dort untrrgebrachten Kranken war unmöglich, weil das oberste Stock werk mit den vorhandenen Leitern nicht zu er reichen »ar. Dresden, 8. November. Lord Dufferin, der britische Botschafter bei der Pforte, ist am gestrigen Tage in Kairo ringrtroffen. Damit ist in der ägyptischen Angelegenheit eine neue wichtig» Wandlung erngetreteu, und der Gegensatz zwi schen England und Frankreich beginnt schärfer her- vorzutreten. England, welche» bisher mit Frankreich gemeinsam ein Oberaufsicht-recht über Aegypten auS- übte, will letztere» aus feiner seitherigen Stellung ver drängen; diese» dagegen beginnt eifersüchtig die Schritte Englands zu bewachen. „Die Besorgnisse," schreibt der „Tempr", „welche die Mission de»Lord»Dufferin ,m Dildiz-Kio-t hervorruft, scheinen nicht unbegründet zu sein. Wenn England an den Khedive einen seiner au-gezeichnetsten Staatsmänner, einen Diplomaten, dessen Ruf begründet ist, ein Mitglied der englischen Aristokratie und Paine abordnen zu sollen geglaubt hat, so ist die« nicht geschehen, weil e« in den Geist und da- sarvir-kairv seiner Agenten bei Tewfik Pascha kein Vertrauen hat; vielmehr hat eS durch den Glanz de- Namen- und der Dienstleistungen de- Abgesandten, welchen eS gewählt hat, zeigen wollen, welche Bedeu- tung e» der Mission beilegt, mit welcher er betraut ist. Welches auch da» Ansehen Sir Edward Malet'S in dem Rathe de- Khedive sein mag, e» konnte nicht an da- Prestige eine- Botschafter« hinanreichen, der einer der großen Familien de- Bereinigten Königreichs an gehört, früher mit wichtigen Aemtern betraut war und gegenwärtig beim Oberhaupte des Islam beglau bigt ist. Der Khedive wird fein Nicht- fühlen neben d'esem edeln Lord, der mit dem Vertrauen seine- CabinetS bekleidet ist und in seiner srühern Stel lung al» Unterstaatssecretär Indiens alle Gelegen heit gehabt hat, sich mit dem Versahren vertraut zu machen, welches die englische Macht gegenüber den Radschah» der indischen Halbinsel in Anwendung bringt. Die Ankunft eine» Botschafter» der Königin wird die englische Diplomatie zugleich von den Ver legenheiten einer Gleichheit befreien, welche die Hierarchie wie die frischen Erinnerungen einer gemein samen politischen Action zwischen ihrem Vertreter und den Generalconsuln der anderen Mächte begründeten. Die ungewöhnliche Form, welche man der Mission ' e» Lord» Dufferin gegeben hat, die Ungewißheit über ihr Ziel und oa» Geheimniß, das über den Instruc tionen de» Botschafter» ruht und seinen Vollmachten den Schein d«S Dictatorischen verleiht, haben den Eindruck, den diese Sendung am Bosporus gemacht hat, noch verstärken müssen. Indem der Sultan den Vertreter einer fremden Macht in seiner Hauptstadt mit fast confularischem Gepränge zur Organisation eine» Lande» schreiten sieht, welche» er stelS al» einen integrirendrn Theil seiner Staaten zu betrachten affec- tirt hatte, muß Se. Majestät sich fragen, ob Groß britannien noch die Bande anerkennt, welche durch diplomatische Fiction Aegypten osficiell an da» tür- kische Reich knüpfen und ob e» denselben noch einen rechtlichen Werth beilegt. Die Besorgmß des Sul tans m dieser Beziehung muß nur noch steigen, wenn irgend ein türkischer Officiöjer sich die Mühe nimmt, ihm die Artikel der „Times" zu übersetzen, welche die organischen Fermane al» blose Auswüchse der künftigen Organisation Aegyptens behandeln." In welcher Weise Lord Dufferin in Aegypten feinen Einfluß geltend machen soll, darüber verlautet nur noch wenig, doch über Eine» ist durch osficielle Kundgebun gen bereit» Gewißheit vorhanden: daß die Doppel- controle, die von England und Frankreich bisher ge- meinsam auSgeübte Beaufsichtigung deS ägyptischen Finanzwesens, ausgehoben und durch irgend eine andere Einrichtung ersetzt werden soll. Regierung und Kam mer m Frankreich haben selbst England die willkommene Handhabe zu dieser Umwälzung geliefert dadurch, daß sie sich weigerten, militärisch in Aegypten mit einzu- schreiten. Sie überließen die Niederwerfung de- Auf stande- den englischen Waffen, diese haben da» Werk allein gethan, und daraus leitet die englische Diplo matie das Recht ab, die Zukunft Aegypten», zwar nicht ohne Mitwirkung Europa», aber doch ohne besondere Bevorzugung irgend einer andern Macht, zu regeln. Diese Absicht trat unmißverständlich zu Tage, al» die englische Regierung ihren bisherigen Tontroleur, Lolvin, anwü», von den Sitzungen de- ägyptischen Mimster- rath» künftig fernzudleiben. Damit war der bisherigen gemeinschaftlichen Lontrole die Bast» entzogen. Frank reich verlangt nun, daß die bisherige Doppelcontrole wiederhergestellt werde, und sind die betreffenden diplo ¬ matischen Schritte bereit« eingeleitet. Mit welchem Ersolg bleibt adzuwarten. Man schreibt Großbritan nien große Pläne im Orient zu. Die britische See macht begnügt sich angeblich nicht mehr, der Spediteur und internationale Vermittler für die ganze Welt zu sein; sie strebt nach einerneuen Art von Weltherrschaft, und wie für die alte Welt der HelleSpont, soll heute, wo der politische Schwerpunkt Europa- wieder nach Osten verlegt ist, der Eanal von Suez für da- Stre ben nach Monopolisirung ihre- Welthandel- ihr die Straße von Europa nach Asien sichern, während die Alleinherrschaft in Aegypten und freundschaftliche Be ziehungen zu den islamitischen Völkern ihr lästige Eoncurrenten fern halten sollen. Der nachfolgende, vielleicht in seinen Folgerungen und Befürchtungen etwas weit gehende Artikel der „Allgemeinen Zei tung" beschäftigt sich mit diesen Perspectiven. Der selbe lautet: „Je loser das Band wird, welche» die Anhänger de» Islam zu einer großen, unter dem oSmanlschcn Sultan stehenden Organisation vereinigte, um so bestimmter treten die zwei nationalen Elemente hervor, aus denen jene Bereinigung bestanden hat. Nicht lange ist eS her, daß man die türkische und die arabische Nationalität und ihre Bestrebungen schärser von einander zu sondern gelernt hat, und schon gewinnt die Vermuthung an Wahrscheinlichkeit, e» werde die nationale Scheidelinie, welche durch das türkische Reich geht, in der nächsten Zeit zu einer sehr erhöhten Be deutung gelangen. Die Haltung des Sultans in der ägyptischen Verwickelung war bekanntlich großentheil» durch die Befürchtung geleitet, eS werde Arabi, im Falle eines militärischen Eingreifens der Türkei in Aegypten, einen Abfall deS arabischen Element» in Scene setzen. Heute hat Arabi einen andern Herrn, und der verschmitzte Fellah wird rasch begriffen haben, wie und wodurch er sich nicht nur die Begnadigung, sondern die dauernde Gnade der neuen Gewalthaber AegypienS erwerben könne. Schon längst suchen die Engländer nach Stützpunkten im arabischen Element. Letzteres hat jetzt für sie größere Bedeutung, al» da» OSmanenthum. Von Indien über drn persischen urd arabischen Meerbusen diS Marokko halten die Araber die Küsten besetzt und umgeben die Inseln und User- festungen, die sich England dort geschaffen hat; ebenso können sie von Syrien und Arabien auS da» englische Uebergewicht in Aegypten bedrohen oder befestigen und als Schützlinge Großbritanniens vermittelst der heiligen Städte de- J»lam dem Khalifen in Stambul einen großen Theil feiner Macht entwinden. Sollte e» der englischen Politik jetzt, nach leicht und glänzend erfochtenem Siege, gelingen, mit den Führern der arabischen Bewegung auf guten Fuß zu kommen und die vor einigen Jahren durch Midhat Pascha angesponnenen Fäden fester zu knüpfen, so eröffnen sich für die britische Herrschaft blendende Autfichten. D.e Lande am Euphrat und TigriS würden ihnen zusallen, Kleinasien und Syrien wären im Rücken ge faßt, die asiatischen Pläne der rwalisirenden Mächte müßten zerstieben, und der Universalerbe de« oströmi- scheu Reichs und der OSmanensultane wäre gefunden, sobald der europäische Eontinent vom Getöse de» näch sten thörichten Krieges widerhallt. DaS Alle« würde sich nicht m kolossalen Actionen mit Riesenschlachten vollziehen, wie die kontinentalen Mächte sie lieben, sondern allmählich, ruhig, friedlich, durch die den Stein höhlende Macht deS Handels und der Industrie, also billig und sogar mit einem mehr al- bürgerlichen Gewinne nicht nur für die Nachkommen, sondern schon für die ersten Unternehmer. Wer sollte auch eine solche Entwickelung hindern? Die Seewege beherrscht die britische Flotte, und der Landweg über die Bal kanhalbinsel ist unter Mitwirkung der weitblickenden englischen Staat-kunst in wirksamster Weise verram melt. Der Jubelruf, in welchen der Marquis v. SaliS- Feuilleton. Redlgiri von Otto Baue«. Bühurvttuschuug und das moderne Theater. Ueber diese« ost auch an dieser Stelle berührte Thema hielt der bekannte W. H. v. Riehl au« Mün chen kürzlich (in Bremen) einen Vortrag, dessen Inhalt reproducirt zu werden verdient. Er war, nach der „Wes. Ztg.", ungefähr folgender: Die Kunst will und soll täuschen, und je mehr sie täuscht, um so wahrer ist sie. Die Bühne soll doppelt, innerlich und äußer- lich, täuschen. Die innere Täuschung durch den Dich ter — in Zeichnung der Lharaktere, Darstellung und Lösung der Eonflicte, durch den Schauspieler in Bor- führung der Personen in Geberde, Gespräch und Hand lung, al« ob sie lebten — kann nicht hoch genug betrieben werden, e« giebt aber auch eine äußere Bühnentäuschung, welche un« durch Dekoration, Eo- stüme und sonstige Ausstattung in das lebendige Da sein der Personen, welche vor un« handeln, einführen soll. Die letztere muß sich nach der Ansicht de« Red ner« der erstern Art der Täuschung unterordnen, sie muß sich auf eine andeutend« Boxstellung beschränken. Die Geschichte de« Theater« zeige un« aber die fort währenden Eonflicte zwischen innerer und äußerer Bühnentäuschung. In dem englischen Theater zur Zeit Shakespeare'« fehlte die äußere Bühnentäuschung so gut wie ganz. Da» Theater war meist im Hose eine- Wirth»hause«, die Zuschauer befanden sich auf den Galerien de» Hause», Dekorationen waren nicht vorhanden, den Hintergrund der Bühne, auf wel ¬ cher häufig noch eine kleine Bühne errichtet war, schloffen Teppiche und Vorhänge ab; Scenerie und somit auch Scenenwechsel gab e« nicht; sobald die vom Dichter vorgeschriebene Verwandlung einttrten sollte, wurde von der Galerie ein Bret herabgelaffen, aus welchem die Scenerie, welche sich der Zuschauer mit seiner Phantasie »orzustellen hatte, verzeichnet war. Die Schauspieler erschienen auch nicht in dem Eostüm der Zeit, in welcher da« Stück spielte; der Erfolg hing also einzig und allein von ihrer Kunst der Darstellung in Sprache, Mienen und Geberden ab, da» zum Theil aus der Bühne selbst placirte Publicum vei folgte da her einzig und allein mit gespannter Aufmerksamkeit die Leistungen der Schauspieler. Die Franzosen de» 17. Jahrhundert» forderten äußere Bühnentäuschung, aber in e'ncm engen Rahmen, indem sie auf Erfüllung der bekannten Forderung: Einheit der Handlung, de» Ort» und der Zeit drangen. In Uebereinstunmung mit dieser Forderung spielen die altfranzösischen Stücke an einem Orte, einem freien Platze oder dem Vor zimmer, die Handlung mußte m die Zeit von 24 Stunden eingeschnürt werden und wurde die zum Ver ständnisse nöthige Kunde au» früherer Zeit durch die erzählenden Personen (Berttaute, Damen rc.) vermittelt; der Poesie waren damit die Flügel beschnitten. Die in Italien entstandene, am Hose de» prächtigen Lud wig'« XlV. weitergebildete Oper schuf die Decorationen und überhaupt die glänzende Ausstattung. Bei dem Aufschwünge de» Theater» in Deutschland im vorigen Jahrhundert lehnte man sich an die Traditionen de« englischen Theater«, man war hinsichtlich der Befrie- digung der Forderung drr äußern Bühnentäuschung bescheiden und verlangte keine künstlerisch vollendete Ausstattung; so nahm mau z. B. keinen Anstoß daran, wenn bei der Ausführung des „Barbier» von Sevilla" in dem Gemache de» vr. Bartolo ein mächtiger Ofen erschien. In neuerer Zeit hat sich aber unter Vor antritt der großen Hosbühnen und besonders durch da- Wagnertheater ein gänzlicher Umschwung vollzogen, man fordert, daß die äußere Bühnentäuschung sich auf möglichst gleicher Höhe mit der innern Bühnentäu schung bewege, wir sollen da« Dargestellte malerisch schön, culturgeschichtlich treu und historisch wahr er blicken, man verlangt ferner für da- Theatergebäude einen glänzenden Palast, dessen kostspielige Herstellung sich nur dann bezahlt macht, wenn die Zuschauerräume jederzeit b>» auf den letzten Platz gefüllt sind. So große Räume haben auch den Nachtheil, daß das Mienenspiel de- Darsteller- vom Zuschauer nicht mehr verfolgt werden kann, daß in der Musik die Streich- gegen die Bla-instrumente mehr und mehr zurücktreten und daß auch im Operngesang der „große Ton" do- minirt. Die Steigerung der EintrittSpreife führt da hin, daß der Mittelstand den Besuch de- Theater» mehr und mehr ausgiebt und letztere» nur für die Reichen, die durchau« nicht immer die Gebildetsten sind, vorhanden zu sein scheint, während wir doch in anderer Beziehung, z. B in der Literatur, bei den „Bo k-auSgaben", dem Grundsatz huldigen: baß da» Beste noch immer gut genug für da» Volk ist. Der Redner besprach nun im Einzelnen die Anstrengungen und Opfer, welch« heut zu Tage von großen Bühnen zu Gunsten einer möglichst vollkommenen äußeren Büh- nentäuschung gemacht und gebracht werden, und wie» da rauf hin, daß diefelbe ihren Zweck auch nicht vollstän- dig erreichen könne und, soweit sie e« thue, diese« zum Theil auf Kosten der innern Täuschung, welche doch der Hauptzweck de« Theater» sei, geschehe. Er wie« z. B. auf die verkehrte Verbindung de» Plastifchen mit dem Gemalten, auf die unter allen Umständen verwerflichen Sosfiten, auf die Versatzstücke mit ver kehrtem Schatten, auf die HuUserperspectiven, welche der großen Mehrzahl der Zuschauer unnatürlich er scheinen müssen, auf die Verwandlung-Vorgänge, die künstliche Beleuchtung, endlich auf da» kostspielige Uebermaß in der Vorführung echter Eostüme und Ge- räthe hin und führte auS, wie olle diese Bemühungen weit ab von dem Ziele führen, dem da« Theater zu streben soll. Eine Umkehr von diesem falichen Wege sei nothwendig, da« äußere Scenische muß wieder mehr zurücktreten. Zum Beleg für die Richtigkeit seiner Auffassung führte Redner zwei Beispiele an. In früherer Zeit war der scenische Verlauf de« Schluffe« der Oper „Don Jaan" einfach der, daß Don Juan, nachdem er, zuletzt allein, gezecht und geschwelgt, in die Erde sank; dann folgte da» große Finale. Später ließ man Don Juan noch in einem Feucrregen, um geben von fackeltraqenden tanzenden Teufeln, er scheinen. Neuester Zeit giebt man Don Juan bei semem Gastmahle Ballettänzerinnen zu Gefährtinnen, und die Katastrophe wird durch einen Zusammensturz de» prachtvoll erleuchteten Palastes dargestellt, ein Meisterstück der Bühnenleitung, wenn e» gelingt; die Ausmerksamkett der Hörer richtet sich nun aber nicht auf die Musik, deren mächtige Wirkung infolge davon gänzlich verloren geht, sondern darauf, ob der Zu sammensturz gut gelingt, nicht Brand entsteht. Ein andere» Beispiel betrifft die Auführung de« „Wilhelm Trü". Bisher erschien Geßler in drm nach Küßnacht
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