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M 24« Tonnabend, de» ii. Oktober, 1882. I» U1U«» <i,vi«d»» »«1«»,: ^Lbrlicb, .... 18 ^jLkrlieb: « t1»rk »0 ?f Lia»»!«« Humrosr»: I0IV. L»—rd»ld ä« ä-totsekev ttvicl»»» tritt ko«t- »vü 8t»lop«I«u»cbl»^ tiiQiu. 1a»vr»tenprel»«r kür ä»o R»uw eivvr ^eipLltsoeo ?«t>tr«ils 2V ?f. Ovt«r „Kio^e»»n<jt" üi» 2«ilv SV ?s 8si 1'»d«IIe»- unci 2i8»rn»»tr dü K Xukvotü»^. krvkkvln««: Itt-Ilcb mit Xu»n»dme üsr 8orm- uvü keiert»^« Xbvoü» kür 6so kolxsQÜen 1'«^. DreMerImmal. 1n»er»1«ii»i»i>»kw« »u«HrIr1»: l^Iprtz: /k> LraneiÄHttrr, Ooo»wi^ionLr ü», vrexloer ^ovrv»l»; S»wdor, >«rlt» V»»o v»»»l V---I»» vr»uk1VN ». //ae»rnÄeii« ^OA/rr, v»rU»-Vi«» S»wdLr,. kr»U-l.«jp»tU-2r»Lktl»'1 ». U -NÜLcd«»: Vtuei Lerli»: /nra^iei^ekjanl , Lr«m«» Lc^/ott«, >r,,I»u: /. Lta^A^n » Lurrau ^m>/ ^'abat^-, vrnkNcrt ». > : ^akAei^seke öuckkLväluvx; oirUU: 6. ItfMrr; S»ru»or«r: 6. k»rt» N«rU» -kr»Lkkatt ». ».- 8Nitlz»rt: Lai«Le<S0o., St«-«' Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Ner»u»xedvrr Lüvisl. Lipeüition äs, Ore «Iver ^oariuü», Orvsüea, Lvia^erstr«»»« Xo. 20. Ämtlichcr Llieil. Arkmntmachung, Im Auftrage der unterzeichneten Ministerien wird auch diese» Jahr an der Königlichen Forstakademie zu Tharand ein Lehrcursu» für künstliche Fischzucht durch den Professor Dr. Nitsche abge- halten werden. Derselbe beginnt Donaer-tag, den 2. November, Nachmittag» 5 Uhr, und schließt Sonnabend, den 4. November, Abends 6k Uhr. Er wird wie früher au» praktischen Hebungen und Vorlesungen bestehen und Jedermann unentgelt lich gegen einfache Einzeichnung de» Namen» in die ln dem Locale, worin die Vorlesungen stattfinden, ausliegende Liste zugänglich sein. Dresden, am 18. October 1882. Die Ministerien des Innern und der Finanzen. v. Nostitz Wallwitz. v. Könueritz. Fromm. Aichtamtlichtr LheU. uedersicht.- Telegraphische Nachrichten. Zeitung-schau. (Popolo Romano. Bund. Diritto. Gaz- zetta d^talia. Moniteur de Rome.) Tagesgeschichte. (Dresden. Berlin. Karlsruhe. Wien. Prag. Buda-Pest. Brüssel. Madrid.) Ernennungen, Vrrsetzungeu re. iw Sstentl. Dienste. Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichten. (Leipzig. Groitzsch. Chemnitz. Limbach. Wilsdruff. Frohburg. Freiberg. Kamenz.) Vermischte». Statistik und Lolkswirthschaft. Keuilletou. Tageskalender. Kirchenuachrichten. Beilage. Börsennachrichtrn. Telegraphische Nachrichten. Pari», Donnerstag, 19. Oktober, Abend». (W L. B.) Unter dem Vorsitz Ryan'», de» Corre- spondenten de» „New - Dort Herald", fand heute iu dem Stanleyclub ein Banket zu Ehren de» Afrikareisenden Stanley Statt. Ryan brachte ein Hoch auf Stanley auS und rühmte seinen Charakter und seine Forschungsarbeiten, erklärte aber gleichzeitig, daß die Amerikaner trotz aller Sympathie, die sie für Stanley hegten, in dem zwischen ihm und Brazza entstandenen Streite neutral zu bleiben wünschten. — Hierauf hielt Stanley eine Rede, in welcher er Brazza heftig angriff und auf die Unbe deutendheit der von demselben erzielten ForschungS- rejultate hinwie», indem Brazza nur etwa 160 Meilen Weges in einem noch nicht erforschten LandeStheile zurückgelegt habe. Stanley kam auch auf den von Brazza mit Makoko abgeschlossenen Vertrag, den er in» Lächerliche zog, und erklärte, daß Makoko gar nicht verstanden habe, wa» er thue, und daß derselbe nicht im Entferntesten an eine Gebietsabtretung gedacht habe, sondern lediglich zur Erbauung von Häusern für den Handelsbetrieb habe ermächtigen wollen. Ebenso wurde Brazza von Stanley der Borwurf gemacht, daß er mit dem von der internationalen Association erhaltenen Fond französische Stationen habe gründen wollen. Zum Schluß gab Stanley eine Uedersicht über die von ihm selbst am Congoflusse im Interesse der, Civili- sation und der Humanität vorgenommenen Arbeiten. London, Donnerstag, 19. Oktober. (Tel. d. Polit. Corr.) Die Negierung hat da» Projekt de» unterseeischen Canaltuuvel» definitiv verworfeu. St. Petersburg, Freitag, 20. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Dem „St. Petersburger Herold" wird von zuverlässiger Seite mitgetheilt, daß in der verstossenen NeichStagSsesfion dir Kragen, be treffend die confiScirten Güter in den westlichen Gouvernement», geprüft und erledigt worden seien. Ein großer Theil dieser confiScirten Güter soll wieder an die früheren Besitzer oder an die Erben derselben zurückgegeben werden. Dresden, 20. October. Die italienischen Kammerwahlen finden be reit» in 8 Tagen Statt. Der Ministerpräsident De- preti» hat m Stradtlla sein Evangelium verkündet, die Abgeordneten bereisen ihre di»herigen Wahlbezirke, aber die eigentlichen Wähler sind stumm wie Fische. Im ganzen Lande herrscht, wie eine Reihe von Blät tern, die „Opinione*. die ministerielle „Libertü* und der .Popolo Romano*, letzterer namentlich bezüglich Rom», constatiren, eine überraschende Gleichgiltigkeit, welche eine viel geringere Theilnahme an den Wahlen in Aussicht stellt, al» man bisher erwartet hatte. In Rom »st von einer Wahlbewegung nichts zu merken. Und doch hat die Rede de» Ministerpräsidenten De- pretiS alle Parteien befriedigt, was allerdings von vornherein feststand; denn inmitten der allgemeinen Zersetzung der politischen Parteien beruht auf der Person des leitenden Minister» die einzige Hoffnung auf eine Hebung de» italienischen Parlamentarismus. Seine Red« schmeichelte auf der einen Seite den Ge mäßigten, die mit Behagen die Botschaft von der Stabilität de« monarchischen Princip» vernommen ha ben, und auf der andern Seite befriedigte sie auch die Linke, die mit Stolz die eigene Vertheidigung mit anhörte. Ja selbst die Radicalen und Republikaner durften sich über die unbestimmten Aeußerungen, die nach keiner Richtung hin wehe thaten, nicht beklagen. Allein darin liegt eben die Schwäche de» Programm». Niemand kann zweien Herren dienen, selbst der Mi nisterpräsident Depreti» nicht, welcher e» ruhig ge schehen läßt, daß, während er selbst in Stradella für da» dynastische Princip schwärmt, sich sein College Bac- carini m Bari mit dem Republikaner Bovio verbün det, um in de: Kammer einen Doppelsitz zu erzielen. Wenn Alle» so rosig wäre, wie DepreliS e» von Ita lien behauptet hat, dann wäre da» Land voll Sonnen schein in politischer, in moralischer und in materieller Hinsicht ein Muster. Da» ist nun aber keineswegs der Fall. Bei den großen Zeit- und Streitfragen im Innern: der Regulirung der Valuta, der Durchfüh rung de» neuen Wahlgesetze-, der Agrarfrage und der Jrredenta handelt eS sich di» jetzt nur erst um sromme Wünsche und fadenscheinige Theorien, welche die Feuerprobe der praktischen Durchführung noch nicht bestanden haben. Man beurtheilt die Staatsmänner aber nicht nach deren Projecten, nach ihren vielseitigen Vorlagen, sondern nach dem positiven Erfolg. Nun, biS heute ist von der Blüthe und dem materiellen Fortschritt, den Depret,» mit so vieler Begeisterung verkündigte, noch nicht viel zu verspüren. E» ist viel mehr eine bittere Thatsache, daß unter dem vielge- rühmten Fortschrittsprogramm Viele- schlechter ge worden ist. Ein Mailändische- Blatt bemerkte zu der Banket- rede: „Ein WahldiScurS! Jedermann weiß, waS da- besagen will: Alle zufrieden stellen, den Gefühlen der Mafien schmeicheln; nicht» Neue» proclamiren, um die Aengstlichen nicht zu erschrecken; sich nicht an da» Vergangene festhaken, um die Fortschrittler nicht zu verstimmen; stet» die Umwege benutzen; keine Princi- pien, keine absoluten Theorien; Auszählung von Specwl- mtereffen und weisen Vorlagen, um die Wähler nicht zu entmuthigen; zahllose Versprechungen, viel Geschrei und .... wenig Wollei* Da» heißt in der That den Nagel, mit dem Depreti» arbeitet, auf den Kopf treffen. In der Kunst, seine Gedanken hinter schönen Redens arten zu verbergen, Meister, ist eS ihm gelungen,die Massen durch dieses rosige SltuatlonSbild zu seinen Gunsten zu erwärmen. Durch seine Zweideutigkeit hat e» denn auch der Ministerpräsident zu Stande gebracht, seinen srühern Collegen CriSpi wieder zu sich herüberzuzlehen. Die Radicalen behaupten nämlich, daß die Erklärung de» Ministerpräsidenten, „die Monarchie werde keinerlei politische, noch sociale Reform verhindern*, auch die Reformen im republikanischen Sinne umfasse. Curio» ist, daß auch CriSpi seine Opposition gegen da- Cabinet auf Grund derselben Erklärung aufgab und da» in Stradella proclamirte Programm plötzlich acceptirte. Eine Versammlung von südltaliemschen Exdeputtrten der Linken, welche einige Tage später, nachdem Depreti» in Stradella gesprochen hatte, in Neapel unter dem Vorsitze de» Herzog- v. San Donato stattfand, beschloß nämlich eine Resolution, worin die Majorität da» Programm de- Minister präsidenten al- den Principien der Linken entsprechend anerkannte. In dieser Majorität befand sich auch CriSpi, welcher soeben in Palermo seine Theorien über die demokratische Monarchie wiederholte. Der König habe eine Basis in der Demokratie; die Monarchie gewährleiste dem Staate den Fortschritt ohne Erschütterungen. Sie sei eigentlich eine Republik mit erblichem Präsidenten. Eine Minorität aber fand da- Programm, nament lich hinsichtlich der Beschleunigung der Rüstungen, welche CriSpi bekanntlich vor der Banketrede in Stra- deüa ebenfalls noch verlangte, für unzureichend. Nicotero, der zu dieser Minorität gehört, verharrt da her unter den Opponenten auf der Linken, wozu den selben wohl der Wahlkrieg veranlaßt haben mag, den ihm Depreti- in seinem bisherigen Wahlbezirke Sa- lerno dadurch erklärte, daß er dort die Gegencandidatur de« frühern Justizminister» Tajani, eine- Todfeindes Nicotera'S, begünstigt. In Tapani hat Depreti- über haupt eine große Stütze für Süditalien gesunden; der selbe hat für die Wahlperiode extra eine täglich in Rom erscheinende Zeitung, „La Stampa*, gegründet, natürlich unter den Fittichen de- Ministerpräsidenten, welche die Durchdringung der ministeriellen Landidaten nicht al- letzten Zweck verficht und dem Eigentümer die Rückkehr in dar Cabinet al- Justizminister nach den Wahlen in Aussicht stellt. Der „Popolo Romano* erklärt inzwischen, wie man in ministeriellen Kreisen über die Verschmelzung der Parteien denkt, und schreibt: „Es ist wahrschein lich, daß aus der künftigen parlamentarischen Lage eine Umbildung der Parteien hervorgehen wird, allem diese wird sich auf Grund deS Programm- „ Depreti-* vollziehen; denn diese Ideen hat ja da- Land gut- geheißen; mit anderen Worten, Diejenigen, welche die sem Programme treu geblieben, und Diejenigen, welche da- Programm de- CabinetS DepreliS annehmen, werden künftig die Linke und die ministerielle Majo rität sein, Diejenigen aber, welche sich davon ent fernen oder eS zurückweisen, werden eine neue Partei oder eine Coalttion alter Fractionrn sein und die Opposition bilden. Jetzt handelt eS sich um d,e Wahlen und darum, die Wähler und Gewählten zu fragen, ob sie ohne Hintergedanken und Vorbehalte die Erklärungen deS Hrn. Depreti- annehmen.* BemrrkenSwerth erscheinen die Aussichten, welche der römische Correspondent deS Berner „Bund* auf die bevorstehende Parlamentssession eröffnet. Derselbe schreibt: Es scheint, daß die Lobgesänge »U' uowooo, welche au» den Spalten aller Blätter — die clericalen allein ausgenommen — dem Ministerpräsidenten von r.cht» und link» mit vollem Klange entgegentönen, ihrer einstimmigen Ueberschwänglichkeit selber keine rechte Dauer versprechen und de» Guten zu viel thun. In der That kann diese paradiesische Einstimmigkeit höchsten» bi» nach dem Tage, an welchem da» Parla- ment zusammentreten wird, dauern, weil die Regierung nicht vergessen hat, daß ihr im Jahre 1876 nicht» mehr geschadet, al- die unnatürlich«, kolossale Ma jorität von 435 Deputirten unter 508. E» ist deshalb auch begreislich, daß sich jetzt schon, ehe noch die Wahlen stattfanden, Riffe in der künftigen, unstreitig in großer Anzahl in Aussicht stehenden ministeriellen Majorität im Vorau- kundgeben, die dr in da- Cabinet hinausreichen. Dieselben sind auch der wirkliche Grund, weshalb Depreti» e» bei den gegen wärtigen Wahlen durchsetzte, daß er allein da» Pro gramm der Regierung verkünden sollte, während in früheren Zeiten jeder Minister vor den eigenen Wählern zu sprechen pflegte. Nicht allen zum Stillschweigen verurtheilten Collegen hat aber dir Rede von Stradella gefallen. Hauptsächlich waren e» die Sätze, welche der Redner der Innern Politik widmete, die m den Cabi- neten der Minister Zanardelli, Baccarini und Baccelli verstimmt haben sollen. Daß infolge dieser Verstimmung der Justizminister Zanardelli aber, w»e einzelne Blätter behaupten, seine Entlassung angeboten haben soll, ist für den Augenblick wohl kaum glaublich, obgleich da» ostentative Entgegenkommen de» Ministerpräsidenten, mit welchem er in seiner Rede die Exdeputlrten der Rechten indirect aufforderte, sich ihm anzuschließen, wie e» 1876 die toScanischen Deputirten von der Rechten thaten, ein solche» Ereigniß — welche» nicht allein den Rücktritt Zanardelli'», sondern auch jenen der beiden Minister Baccarini und Bacelll umfassen dürfte — nach den Wahlen nicht unmöglich macht. Die genannten drei Minister sind nämlich durchaus nicht für die Ausschließung der Republikaner au» der Kammer, soweit dieselbe von der Wahlmaschine der Regierung abhängt. Sie verlangen, daß man die Re publikaner nicht unterstützen, aber auch nicht bekämpfen soll bei den Wahlen. Depreti» hat aber nun einmal in diesem Punkte ganz bestimmt seine Stellung ge- nommen, indem er den Präfecten Befehl ertheilte, überall, wo Radical« auf der Liste stehen, statt ihrer die gemäßigten Candida,en zu unterstützen. Dit neuesten Nachrichten aus Rom bestätigen da» Vorhandensein einer KnsiS im italienischen Mini sterium. Der Minister Zanardelli soll sogleich nach dem Eintreffen des stenographischen Bericht» der Rede von Stradella dem Mlnltterpräsidenten Depreti» seine Entlassung telegraphisch mitgetheilt haben. Er und sein College Baccarini halten die- Programm wegen seiner „reaciionären* Tendenz mit ihrem Gewissen für unverein bar. Man spricht im Anschluß daran sogar von einer Coalition Zanardelli CnSpi-Baccarini-Bacelll gegen Don Agostino Depreti», den man auf diese Weise au» der Linken herau-bechen möchte. ES ist jedenfalls bezeichnend für die Lage Italien-, daß sich konstitutio nelle Minister auf dem Boden eine- Angriff- gegen die Umsturzpartei entzweien. Die Ohnmacht, in welcher sich olle Parteien gegen über der von Depretis au-geübten Allgewalt befinden, tritt nirgend- offenbarer hervor, als in der Rede Minghettl'S, eines der Führer der frühern Rechten. Minghettl wagt nicht den geringsten Angriff auf die an Lücken und verwundbaren Stellen so reichr Rede deS Sprechers von Stradella. Er unterschreibt ohne langes Bedenken die vier Hauptforderungen der ministe- riellen Partei: die Trennung von den Radicalen, die Feuilleton. Redigirt von Otto Banck. Wandlungen. Novelle von F. L. Reimar. (Fortsetzung.) Schon die Begrüßung verrieth, daß dar verhält- niß der beiden Personen sich seit dem ersten Hiersein de- Geistlichen geändert hatte; während da» Fräulein da- mal» kaum von ihrem Sitze aufgestanden war, kam sie ihrem Besuch« jetzt um zwei volle Schutte entgegen, und er wieder unterließ r» nicht, mit Artigkeit ihre Hand zu ergreifen und sie an seine Lippen zu führen. Dann aber waren jetzt alle seine Reden von einer so viel höflichern Wendung, daß sein Rathgeber sicher nicht unzufrieden gewesen wäre, wenn er gelauscht hätte; auf jeden Fall schien Fräulein v. Dorsen e» mit Genugthuung zu empfinden, daß er nun den rich tigen Ton ihr gegenüber gefunden, daß er e» begriffen hatte, wie man mit einer Dame von ihrem Rang und Namen zu verkehren hatte. Heute, da der Geistliche jede vulgäre Vertraulichkeit, die früher schon in seiner blosen Anrede gelegen hatte, vermied, wo er sich augen scheinlich Mühe gab, ihr seinen vollen Resp«ct zu be weisen, fand sie, daß er im Grunde ganz angenehm sei, und stand nicht an, auch ihm eine gewisse Freund lichkeit zu bezeigen. Hatte e» ihr aber schon wohl- gethan, daß er ihrer aroßmüthigen Spende die dank- barste Anerkennung zollte, so erreichte ihre Befriedigung «neu noch viel Hähern Grad, al» fie erfuhr, daß die ¬ selbe der weitaus bedeutendste unter allen gelieferten Beiträgen gewesen sei, wobei e» ihr dann nicht wenig schmeichelte, daß er einige Worte einfließen ließ, au» denen sie entnehmen konnte, daß er sie al» eine echte Tochter der Dorsen'», deren Großmuth ja noch in der Tradition lebe, anerkenne. Sie war in ihre beste Stimmung versetzt worden und hielt den Gast zu längerer Unterredung fest, in der noch viele Einzelheiten au» ihrer Familiengeschichte Erwähnung fanden, wobei e» ihr fast so viel Genug thuung gewährte, wenn er sich mit denselben vertraut zeigte, als wenn sie ihm erst die Mittheilung zu machen hatte. — Aber auch aus da« zunächst lie gende Interesse, die Angelegenheit de» Waisenhau- se», g,ng sie heute mit einem gewissen Eifer ein, und e» ermüdete sie gar nicht, ja, e- schien wirklichen Antheil bei ihr hervorrurufen, al» der Geistliche ihr den Plan und die Bestimmung desselben ausfühl lich au»emandtrsetzt«. Zum Mindesten hörte sie sehr auf merksam zu, und als er endlich geschloffen hatte und sie um Erlaubniß bat, seiner nicht reichlich vorhandenen Zeit wegen den heutigen Besuch beendigen zu dürfen, reichte sie ihm so freundlich die Hand, daß man in dem Augenblick kaum noch von Herablassung sprechen konnte, und sagte: „Run, mein Herr Pastor, ich hoffe, Sie werden sich in Ihrem Vertrauen zu dem Ramen der Dorsen nicht getäuscht fühlen! Vielleicht spricht oder liest man noch einmal von mir, von Adelgunde v. Dorsen, wenn in späterer Zeit von der Geschichte Ihre» Waisenhause» di« Red« ist. Ich nxrde da» noch weiter m» Auge fassen I* Da» waren dir letzten Worte dieser Unterredung; der Geistliche aber mußte, al» er da» HauS verließ, mit zufriedenem Lächeln an den Unterschied der heu tigen und neulichen Entlassung denken, und mit diesem Gedanken verband sich dann eine erneute dankbare Empfindung für Philipp Strecker, denn e» war ihm nun zur Ueberzeugung geworden, kch er allein diesem den Gesinnungswechsel der alten Dame zuzuschreiben hatte. Es freute ihn, daß er bereit» warm für den würdigen Mann geredet hatte, al» eS sich darum han delte, ihm die gewünschte Stelle bei der Kirchenverwal tung zuzuwenden und daß ihm nur noch wenige Stim men entgegen waren; er beschloß jetzt, seinen gan zen Einfluß aufzubieten, um auch diese vollend- zu ge winnen. — * * Wenn Virginie nach jener Begegnung mit Hermann von dem einzigen Verlangen durchdrungen gewesen war, ihre brennende Stirn in die Einsamkeit Ihre» Zimmer» zu flüchten, so hatte ihr der Trost der Allerndleiben» nicht werden sollen. — Schon bei dem Eintritt in da» Hau» kam ihr der Vater mit geröthetem Gesicht und den ziemlich erregten Worten entgegen: „Aber wo bleibst Du, Mädchen? Schon seit einer Stunde warte ,ch auf Dich!* E»war ihr unmöglich, ihm zu sagen, mit wem sie eben erst zusammen gewesen war, und so murmelt« sie Etwa-, da- einer Erklärung gleichkommen sollte, ohne doch eine eigentliche Auskunft zu sein, was ihm jedoch genügen mußte, denn er hielt sich mit keiner weitern Nachfrage auf, sondern zog sie m sein Zimmer, das er hinter sich schloß. „Ich habe Ernstes mit Dir zu reden, Virginiel* sagte er, sah aber dabei so befriedigt auS, daß man wohl zu der Annahme kommen konnte, „das Ernste* bedeute ihm eigentlich nur etwa- Heitere». — „OSkar Wallburg ist bei nur gewesen und — ja, und wir haben nur von Dir mit einander gesprochen!* Er sah sie an, al» erwarte er, daß sie etwas ent gegnen würde, aber statt zu reden, preßte sie nur ihre Lippen zusammen. „Er hat mir auch einen Brief an Dich gegeben*, fuhr der Vater fort — „hier ist er, Kind!* Sie nahm da» Schreiben fast gleichgiltig auS seiner Hand, immer noch, ohne ein Wort zu sprechen. „Wie?* sagte erverwundert, „Du bist nicht begie rig — Du fragst nicht?* „Ich kann mir leicht denken, waS in dem Briefe steht!* entgegnete sie halb trotzig. „OSkar sagte mir neulich schon, daß er mich liebcn»würd,g fänd«!* „Nun und ist das eine Sache, die man so be- handelt?* ries der Vater in aufkeimendem Unmuth. „Virginie, hier in diesem Briefe bittet Oskar Dich um Deine Hand, wie er bei mir um Dich ge worben hat* „Papa*, entgegnete sie und kehrte ihr Gesicht ab, „ich kann darauf nicht antworten — jetzt nicht!* Seine Stirn runzelte sich leicht, aber er bezwang sich, daß er die Worte ruhig ou-sprechen konnte: „Aber Du bist ihm doch gut, Virginie?* „Gut? — ja*, sagte sie; „wir sprachen ja noch neulich über ihn und «ch gab Dir zu, daß er mir gefiele, weit besser al» die meisten Uebngen, und ander» ist e» seitdem nicht geworden, aber — —* „Aber!?* nahm er da» Wort auf, da sie abbcach, und fuhr dann, al» sie nicht gleich antwortete, selbst fort: „Ich brauche Dir wohl nicht erst vorzustclleu,