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Dresdner Journal : 15.10.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-10-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188210155
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18821015
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18821015
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-10
- Tag 1882-10-15
-
Monat
1882-10
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 15.10.1882
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W 241 Somtag, de» lS October. 1882. Abvnoeweoisprelir 1» ä«ut»ek«ll L«ie^«: dLkrlickr .... 18 U»rtr. >^)Lbrtiob: 4 Slarlc 50 Dk. Kuwu-vi-ll.- IO?k. L»»««rd«Id «le, deutickeo liorcks» trittDost- «ud Ltompvlrusobl»^ Kiuru. lusorLtenprelrvr kLr dso R»iuu eiosr ^-«P^Itvnen ?stitrsi!s 20 ?5. Dot«r ,,küuxe,!u>dt" di» 2sils 50 ?k. 8«i l'rdsUeu- und 2iKernis.tr so Aussokt»^. Lrsekelnkn: l^blick mit Xurnskm« der 8onn- und keiertLK» Abend» kür den kolbenden DresdnerAMMl. Berantwortliche Nedaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. 1o»eraten»un»kme »n8^>rt»r I.»ipiix i F>. kiranciettetter, Comn>i«iovitr de« Dresdner dourn»!»; Nswdorx L«r1in-Vl,n - betpil^ S»»«i Nr»,I»e ». Il //aasenstein F ^OA/er, L,rUn-Vi»n Srmdurx- kr»sr I-«jp»i^ - krrnllkurt ». H. Httued»»: kiud klkc-««,' NsrNv: /iralideriduntt,' Lr«m»»: L Lc/dntte, Nr»»I»u: /. LtanAer»', klureau Kadett/«), ^rrnllkurt ». ; F?. daeAer'seks Nuvt.kundlun^; NkrUt»: HküNer; ll»noov«r: O. HclnE/er, krrt, Leriio krLnIlttirr ». >.- Stutlxrrt: Daud«FOo., Lrwdur^: Fd. üteiner. U«r»u8xvderr Löoisl. Lrpeditioo de» Dresdner dourn»!», Dresden, 2«in^erstrs»»e t^o. SO. Amtlicher Theil. Dresden, 10. October. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß die Nachgenannten Vie von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser und Könige von Preußen ihnen verliehenen Ord-nSdecorationen und zwar: der Oberbereiter Stößner den Kronenorden IV. Klasse, die Bereiter Herrmann, Ackermann und Bon gardt, der Rechnungsführer Schubert und der Ober- wachmeister Opitz die silberne Medaille de» Rothen Adlrrorden» annehmen und tragen. Dresden, 13. October. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Gardemeuble-Aufseher Gottfried Lange und derHaut mann und FeuerlöschgrräthSgehilfe Johann Karl Trau gott Rätze die von Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser und Könige von Preußen ihnen verliehene silberne Medaille der Rothen AdlerordenS annehmen und tragen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der städtische BeleuchtungS- Jnspecwr Anton Tanner zu Dresden den von Sr. Majestät dem Kaiser von Deutschland und König von Preußen ihm verliehenen Kronenorden IV. Klasse an nehme und trage. Nichtamtlicher Theil. Uebersicht: Telegraphische Nachrichten. ZritungSschau. TagrSgeschichte. Ernennungen, Versetzungen rc. im öffentl. Dienste. Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichten. (Flöha.) Eingesandt»». Feuilleton. TageSkalrnder. Inserate. Erste Beilage. Dresdner Nachrichten. Provinzialnachrichten. Vermischtes. Zweite Beilage. Börsennachrichten. (Telegraphische Nachrichten. Linz, Freitag, IS. October, Abend». (Corr.-Bur.) Der Landtag von Oberösterreich hat in seiner heutigen Sitzung nach eingehender lebhafter De batte, an welcher auch Bischof Rudigier sich be- theiligte, den Antrag auf Abänderung der Schul gesetze mit 25 gegen 2V Stimmen verworfen. Buda-Pest, Sonnabend, 14. Oktober. (T«l. d DreSdn. Journ.) Der bisherige HandrlSminister Baron v. Krmrny ist zum CommunicationSminister, Graf Paul Szechenyi zum HandrlSminister er nannt worden. Kopenhagen, Freitag, 13, October, AbendS. (W. T. B.) Sämmtliche Gruppen der Linken, sowie die gemäßigte Rechte Haden i« der heutigen Sitzung oeS BolkSthingS eine Resolution beantragt, iu welcher der Regierung die Befugniß abgesprochen wird, daS Verbot der Einfuhr von Hornvieh auS Schweden aufrecht zu erhalten. (Vgl. die»Tage»- g^sch'chte"). Kairo, Freitag, 13. October, Nachmittags. (W. T. B.) Dem Vernehmen nach steht in Kurzem Feuilleton. Redigirt von Otto Bauet. K. Hoftheater. — Altstadt. — Am 13. October: »Die Rantzau" Schauspiel in 4 Acten von Erck- mann - Ehatrian, deutsch von Karl Saar. (Zum ersten Male.) Unsere Bühne ist bei der Wahl ihrer neuen und neueinstudirten Darbietungen in dieser Saison von einem glücklichen Erfolg begleitet, der bekanntlich auf diesem launischen Gebiet die Arbeit und den Fleiß nicht immer belohnt. Auch do» Drama der sranzösischen Doppelfirma au» dem Elsaß — von welcher Erckmann (1822 in Pfalzburg geboren) echt deutscher, und Ehatrian (ge boren aus deutschem Boden in Soldatenthal 1826) französischer Abstammung ist — bewährte sich al» eine dankbare Novität. Man kann sich darüber nur erfreuen und ebenso verdient eS volle Anerkennung, daß e» un sere Bühne unternommen hat, da» vom deutschen Theater bi» jetzt vernachlässigte Talent der beiden ge nannten Autoren dem Publicum vorzuführen. Die Uebersetzung von dem tüchtigen Saar ist eine gute, sorgfältige, und nicht minder gediegen war die Vorstellung, sowohl im Ensemble, wie in der Reprä sentation der Hauptpersonen. Sie läßt die Möglich keit mannichfacher Wiederholungen unter reger Theil« nähme hoffen. Die literarische Association, für die freilich nur der Geschäst»mann schwärmen kann, ist in Frankreich keine neue Erfindung; doch kaum ward sie jemal» so praktisch eia Decret deS Khedive zu erwarten, in welchem angeordnet wird, daß die internationalen Gerichts höfe Schadenersatzansprüche auS Anlaß der statt- gehabten Unruhen nicht zu berücksichtigen haben, da zur Untersuchung solcher Ansprüche in lieber- einstimmung mit den Mächten eine Sprcialcom- Mission ernannt worden sei. Alexandrien, Freitag, 13. Oktober, Nach mittags. (L. TB.) Nach der amtlichen „Aegyp- tischen Zeitung" soll die ägyptische Armee einen Esfrctivbrstand von 11000 Mann unter englischen und ägyptischen Offizieren erhalten; die Unter- offiziell sollen Albanesen, Türken und Bulgaren sein und aus dem Stabe der früher» Armee ge- wählt werden. Die Gendarmerie soll 1500 Mann zählen. Die Kosten hierfür sollen per Jahr 400000 Pfd. Sterl, nicht übersteigen. In Damanhur find 17 Eingeborene, die in die Ereignisse vom 11. Juni verwickelt find und entkommen waren, verhaftet worden. New-Dort, Freitag, 13. Oktober. (W.T B.) Der „Commercial Advertiser" bemerkt anderwei tigen Mitthrilungen gegenüber, daß über die De mission des SchatzsecretärS Folger noch nichts be schlossen sei. Dresden, 14. Oktober. Der zwischen dem allgewaltigen, die russischen Ostseeprovinzen revidirenden Senator Manassein und dem Eivilgouverneur von Livland, Baron Uexküll- Gylleuband, entstandene Zwiespalt ist zu Gunsten de» Letztern entschieden worden. Der neue Minister de» Innern, Graf Tolstoi, ist trotz seiner slawischen und nationalen Gesinnung ein konservativer Mann und ein älterer erfahrener Beamter, der au» seiner frühem Praxis als Unterrichtsminister weiß, daß mit dem Feuer socialistischer Ideen nicht ungestraft gespielt wer den darf. Ausführlich von der Sachlage in Kenntniß ge setzt, hat der Minister sich veranlaßt gesehen, dem Kaiser den ganzen Umfang der vom Senator Manassein heraufbeschworenen Gefahr zu schildern und vor weiteren Schritten in derselben verderblichen Richtung nachdrück' lich zu warnen. Die Sache kam im Ministerrathe zur Sprache, und hier entschied eine direkte Willen» kundgebung deS Kaisers zu Gunsten der Auffassung Tolstoi'S. Wie der »Hamb. Eorr." von gut unter richteter Seite erfährt, hat die Sache indessen einen harten Kampf gekostet, da der Minister des Innern seine sämmtlichen Collegen gegen sich hatte und eS direkter kaiserlicher Dazwischenkunft bedurfte. Baron Uexküll ist als Sieger auS dem ungleichen Kampfe auf seinen Gouverneurposten zurückgekehrt, und Ma- nasse'in hat die Weisung erhalten, sich aus die nächsten Aufgaben seines Amtes zu beschränken und Alles zu ver meiden, was dem revolutionären Gebühren der lettisch- esthnischen Agitatoren Vorschub leisten könnte. Den gefähr lichen und einmal unheilbar compromittirten Mann abzu berufen, hat auch Graf Tolstoi nicht den Muth gehabt, ob gleich er sich unzweifelhaft selbst hat sagen müssen, daß nur diese- Mittel helfen könne. Weder hat die thörichte Masse, die von Manassein die Erfüllung ihrer aus schweifenden Wünsche erwartet, von den veränderten Instructionen deS „Lreevsl eslo-lruugs" (großen russi schen Herrn) irgend welche Kunde erhalten, noch läßt sich irgend eine Beruhigung der verbrecherischer Weise aufgeregten Gemüther hoffen, so lange nicht durch die förmliche Abberufung des Urhebers aller Berwirruugen die lettlsch-esthnische Volksphantasie aä adsuräum ge fühlt worden ist. Wie schlimm die Dinge stehen, hat gerade die jüngste Vergangenheit gelehrt. Auf die zahlreichen, früher unerhört gewesenen Brandstiftungen, die den gesammten Sommer ihr Wesen getrieben haben, und ernst betrieben, wie von Erckmann und Chatrian, die in ihrer ArbeitStheilung beinahe zu einem ein zigen geistigen Individuum zusammengeschmolzen sind und sich niemals trennten und auf eigene Füße stell ten. Sie hatten eine lange, last hoffnungslose Prü- sungSzeit durchzumachen, bis sie endlich mit einer No velle („Docteur Uietbeus") die Gunst deS Publikums und zwar sür die Dauer erwarben. Ihre Erzählungen, von säst bedenklich großer Anzahl, doch niemals von flüchtiger Arbeit, weder in der Technik, noch in der Eomposition und Durchführung deS Grundgedanken», haben mehrfache Uebersetzungen gefunden und sind wehl auch im Original von einem nicht kleinen Theil des deutschen Publicum» mit Vergnügen gelesen worden. Kaum erlebten andere belletristische Productionen de» modernen Frankreich» so viele Auflagen wie diese. „I/ami kritr", „l^üistoir« ä'uu „Oomtss ile l» rllontLun«", Ibers»«" und andere geben davon Zeuguiß Nach dem Jahre 1871 wird die sonst so geschickte, oft beinahe künstlerische Harmonie der kleinen und großen Geschichten nicht selten durch einen aufgeregten politischen Revanchegeist getrübt, der den krankhaft gereizten Patriotl-muS zu wunderlichen Auswüchsen veranlaßte. Doch dergleichen vorüber gehende Stimmungen haben mit dem eigentlichen lite rarischen Werth eine» Talente» gar nicht» zu thun, indem sie nur da» augenblickliche Product schädigen und endlich vor übergehen. Erckmann und Ehatrian sind für Frankreich keines wegs die Erfinder der Dorfgeschichte geworden, die längst vor ihnen, und zwar in modernen höchst genialen Lonceptionen (George Sand) da war und die sie auch aus der deutschen Literatur kennen lernten. Aber sie ist der heillose Exceß von Kirrumpich gefolgt, wo die betrunkenen Massen eine Anzahl Jahrmarktsbuden ge plündert und die abwehrenden Gendarmen durchgeprügelt haben. Das Beispiel des Ungehorsams hatte freilich die örtliche esthnische Gemeindeverwaltung gegeben, in dem sie die Anordnungen de» Ordnungsrichters (des selben Beamten, der in Preußen Landrath heißt) und seine» »MarschcommissarS" unausgeführt ließ. Der Ordnungsrichter war ja ein Baron und seine Beamten sind (wie alle Landes-, Stadt- und Gerichts beamten, mit Ausnahme der bäuerlichen), Deutsche: diesen freiwillig »u gehorchen, hat man ja nicht mehr nöthig, nachdem ver Senator Manassein mit dem Bei spiele der Nichtachtung gegen die Autorität dieser »Deutschen" und noch dazu aus der Ritterschaftswahl hervorgegangenen Behörden vorangegangen ist. In demselben Sinne wie der Gewährsmann deS »Hamb. Corr." äußert sich die deutsche »St.Peters burger Zeitung" über die Zustände in den baltischen Provinzen, indem sie schreibt: »Die unsinnigen Er wartungen, welche das Landvolk an die Revision knüpfte, haben die Aufregung nur gesteigert. Es giebt kaum ein Gut, dessen Bauern nicht über ihren Herrn Klage geführt haben. Wer wünscht eben nicht irgend etwas, oder wer hat nicht etwa» an den bestehenden Ordnun gen auSzusetzen- Die kurländischen Bauern haben unter Anderm um einen lettischen Eingebornenadel pe- trrt. Die Hauptfabrik der Bittgeluche ist Riga, wo 2 Advocaten, der eine Lette von Geburt, der an dere durch freie Wahl, für je 25 Rubel alle denkbaren Wünsche in die passende Form bringen. Jedenfalls ein höchst einträgliches Geschäft. Dabei suchen die Leute einander in Bittschriften zu übertrumpfen; Jeder fürchtet, fall» er nicht ebenfalls bittet, leer auszugehen. Im Dörptschen bittet ein ausgedienter Soldat um höhere Pension und — eine esthnische Universität. Im Ruigenschen gehen die Knechte eines bekannten libera len Gutsbesitzer» zu ihrem Herrn und bitten, er möge ihnen doch ein Bittgesuch aufsetzen, die Wirthe hätten sich bereit» zusammengethan — sie wollten auch Land haben. Natürlich das deS Gutsherrn! Am schlimm sten vielleicht wirkt das Gefühl der Rechtsunsicherheit; man glaubt, daß alle Entscheidungen der örtlichen Ge richte nicht mehr zu Kraft bestehen und längst erledigte Sachen werden wieder aufgerührt. Man könnte eine ganze Reihe von Fällen herzählen, daS ganze Land ist voll davon. In allen besitzenden Kreisen aber erhebt sich der Ruf nach der Wiederkehr geordneter Verhält nisse, vor Allem ober nach einer Regelung und Beaufsichtigung deS Vereins- und VersammlungSrech- teS, unter dessen Deckmantel die gewissenlose und verbrecherische Wühlerei ihr Spiel treibt. Unter dem Deckmantel geselliger lettischer Vereine ist die revolutionäre Propaganda aufs Beste eingerichtet und die Letten'genießen in denselben eine vollständige aufsichtslose Redefreiheit, wie sie selbst in jedem con- stitutionellen Staate unmöglich wäre. So hielt der Vorsitzende de» lettischen Vereins in Mitau eine Rede, in welchem er die Arbeitsbienen im Bienenstaate mit den Letten, die Drohnen mit den Deutschen verglich. Der Schluß führte aus, wie die klugen Bienen die Drohnen, nachdem sie ihre Pflicht guhan, als unnütze NlchtSthuer und Fresser tödten und aus dem Stocke hlnauöwerfen. Gehet hin und thuet desgleichen! Solche Reden sind heute ganz an der Tagesordnung Auch die Presse stimmt in diesen Ton ein. DaS in Reval erscheinende esthnische Blatt »Wirulane" sagt in einem Aufsatze über die »Arbeitervereine" u. A. Folgendes: »»Der Mensch ist weder ein Pferd, noch ein unvernünftiges Thier, daß er für einmaliges Voll stopfen deS MagenS und Nachtlager dem Andern zu Danke arbeiten muß, während er für sich selbst auch srci, ohne den Wirth arbeiten kann. Dennoch sind solcher Arbeiter wenig, denen eS eingefallen ist, daß gaben der Dorfgeschichte ein bestimmte» Gepräge und machten sie als specielleS GenuS bei den Franzosen beliebt. Man darf sagen — und daS zeigt sich auch im fraglichen Drama —, daß beide Autoren im höhern Sinne ken e wahren Dichter, keine idealen und als solche echt künstlerisch fühlende und schaffende Naturen sind. DaS Talent diese» DuumviratS — den Ein zelnen kennt man nicht und weiß nicht, wak E ner dem Andern bietet — ist ein ganz realistisches und äußerst lebendig und feinsinnig begabt für die Aus- sossung der Wirklichkeit und ihres KleinlebenS. Ihre wundersam fleißig auSgesührten Schilderungen fesseln selbst da, wo sie da» Unbedeutende, an sich Interesse lose berühren. Doch sie verlieren sich nicht in der malerischen Hingabe an da» Materielle, denn eine ausfallende Erfindungskraft und ich möchte sogen ein volksökonomischer Weiiblick stehen den CompagnonS zu Gebote und verleihen ihren Darstellungen den Schwer punkt einer meisten» sehr gesunden, sittlich fortschritt lichen, wenn auch zuweilen radikalen und rationalisti schen Tendenz. Auf bürgerlichem und besonders auf ländlichem Grund und Boden haben sie wichtige sociale Probleme zu lösen versucht und Pari», der Kopf von Frankreich, lernte durch sie Zustände kennen, die nicht bloS de» literarischen Amüsement» wegen flüchtig ge streift, sondern um der Besserung willen gründlich aufgedeckt wurden. Eme solche Thätigkeit unterscheidet sich immerhin, wenn ihr auch der verklärende Glanz der Dichterkrast versagt war, sehr vortheilhast von dem frivolen Be trieb der gewöhnlichen Unterhaltung-literatur. sie von solchem Zustande, in welchem sie gegenwärtig sind, frei werden können."" Wenn solche Lehren offen gepredigt werden können, dann kann man sich freilich nicht wundern, wenn fortwährend Abends der Himmel von Feuer geröthet ist und den Gutsbesitzern die Ernte und die Arbeit des ganzen Jahre» nicdergebrannt wird. Wer dem Gange de» ganzen Verhetzungssystem» nicht mit Aufmerksamkeit gefolgt ist, der muß mit Staunen fragen, wa» hier die Arbeiterfrage soll, wo die Arbeiter in dem Sinne fehlen, den wir mit diesem Wort zu verbinden gewohnt sind. Wir haben hier keine Arbeiter im Sinne der Industrieländer, folglich auch keine derartige Frage. Die fest ange- siedelten Feldarbester der Großwiithschaften, die in der Regel zwei oder gar drei Mal so viel Land haben, al» die Seelenantheile der »Bauern" in den inneren Gouvernements de» Reiche» groß sind, die ihre, von ihrem Brodherrn unterhaltenen ländlichen Einzelwohn ungen haben, wird doch kein Socialpolititer unter die »Arbeiter" im gewöhnlichen Sinne rechnen wollen- Die einzige namhafte industrielle Anstalt unserer rngern Heimath, die Manufactur Krähnholm steht so gut wie in gar keinem Contact mit Land und Volk. Die Arbeiter recruciren sich au» Russen, Esthen, Letten und anderen Völkerschaften de» großen Reiche», und die Söhne unseres engecn Heimathlande» treten ohne eine wirthschaftliche Nöthigung in dieselbe. Der Landbau bietet hier immer noch ausreichende und lohnende Be schäftigung, und nicht am entferntesten Horizont zeigt sich eine Verengung d'eseS gesunden Arbeitsfeldes. Wennn wir für unsere Tagelöhnerbevölkerung Etwa» brauchen, so ist eS die Belebung und Leitung häus licher Industrie, deS HauSflerßes für die Winter monate, nicht aber eme Großindustrie mit ihren „Arbeitern" und ihrer Arbeiterfrage. DaS Aufwerfen der focialistischen Frage an sich ist daher zunächst in den baltischen Provinzen Rußland» durchaus gegen standslos und müssig, und e» hat auch wohl ganz andere Zwecke, al» die Verbesserung der Lage der Arbeiter. Es bezweckt die Gründung von Vereinen zu unbekannten Zwecken, und eS bezweckt die Verlegen heit und womöglich eine Verdrängung der Großwirth- schäften. Und darin liegt eben da» Demagogische. ES scheint fast, als wollten die Jungesthen, die alle» Nichtnationale sonst mit herausfordernder Verbissenheit und Bissigkeit von sich weisen, nebenbei doch alle auslän dischen, nichtheimathlichen und nichtnationalen Uebel dem Volke zuzuführen und einimpfen. Wenn nicht end lich einmal von oben her Einhalt geschieht, so ist wohl mit Sicherheit anzunehmen, daß wir Deutsche in spätestens 2 Jahren Leben und E genthum gegen die wildeste und roheste Gewalt zu vertheidigen haben werden." Von dem engen Zusammenhänge, der zwischen nationalistischen und revolutionären Umtrieben besteht, legt auch ein Vorgang Zeugniß ab, der soeben au» Dorpat gemeldet wird. Da diese deutsch-livländische Universität neben derjenigen von H^singforS die einzige des russischen Reiches ist, in welcher revolu tionäre Studentenumtriebe niemals Boden gesunden haben, erfreuen die Dorpater studentischen Verbin dungen sich einer Freiheit, um welche sie vielfach be neidet worden. Um von dieser Freiheit Nutzen zu ziehen, siedelten im Laufe der letzten Jahre eine An zahl russischer Studenten nach Dorpat über, um einen »nationalen" Kreis zu bilden, der alsbald den Mit telpunkt zahlreicher Angebereien gegen die deutschen Einrichtungen und Tendenzen der Embach-Akademie wurde. Diese russische Studentengeseüschajt «st, wie di- „Neue Preußische Zeitung" erfährt, vor etwa 14 Tagen unter polizeiliche Aufsicht gestellt worden, weil von St. Petersburg auS der dringende Verdacht ausgesprochen wurde, daß dieselbe nicht sowohl natio nale, al» revolutionäre Zwecke verfolge, und daß sie Das Stück »Die Rantzau" bestätigt die hier ge gebene Charakteristik auch auf dramatischem Gebiet. ES ist eine Dorfgeschichte von finsterer Färbung, doch mit lichtvollem AuSgang und inzwischen von Zeit zu Zeit ein wenig erhellt von dem milden Schimmer eines unwillkürlichen und oft zweifelhaften Humors, den ein braver, weichmüthiger Schulmeister in Men schenliebe und Schwachheit den Zuschauern darbringt. Dieser alte Florentius befindet sich in einer vermit telnd, n unbehaglichen Doppelstellung zwischen zwei sehr bösartigen Dorfbären, den feindlichen Brüdern Johann und Jakob Rantzau. Der Erstere hat den Letzter» durch Erbschleicherei geschädigt; dieser That ist fast ein Menschenalter hindurch gegenseitige Wuth und Schädigung gefolgt, und e» bleibt für den Zu schauer schwer zu entscheiden, welcher von den beiden brutalen, unchristlich handelnden Großbauern die ver- abscheuungSwürdigere Menschenbestie ist. Eriminalver- brecher am eignen Bruder zu werden, sehlt Jedem nur die Gelegenheit; wir bekommen von k inem einen guten HerzenSzug zu sehen, sie haben weniger Liebe zu ihren Kindern, als daS untergeordnetste Thier z» seinen Jungen, und erst al» der Tod in» Hau» hinein schaut, bricht ihr Starrsinn zusammen. Dieser unvor theilhafte Unterschied zwischen Menschen und Thier macht sich nun zwar inmitten unserer christlichen Eul- tur sehr ost geltend, aber eS ist im Grunde widerlich, solche Verbrecher einen ganzen Abend hindurch die Menschenrechte auf den Kopf stellen zu sehen und zwar bis zu thätlichen Mißhandlungen ihrer Nächsten. Die» ist an sich eine große Schwäche de» Stücke», die ver- mieden oder gedeckt wäre, wenn die schöpfe, ische Poeteumacht der Autoren hingereicht halte, so inte-
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