Suche löschen...
Dresdner Journal : 04.10.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-10-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188210047
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18821004
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18821004
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-10
- Tag 1882-10-04
-
Monat
1882-10
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 04.10.1882
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
W231 Mittwoch, de« ä. Oktober. 1882. Xdonueun'vtuprvlvr Iw äiutiekvo Lsicd« I dlikrlioü Usrlc. i^Mlirlicü: 4 >l»rtc SO kk. Liurolos ^ulaworn: I0k5. Lu«»rd»ld ds» deutoclieo ksiotis« tritt ko»t- und 8tvwpelru»etil»8 üiom. In8vratvnprvl8vr kür den R»uw «ülvr ^e«p»It6Lvn DsUtroils 20 kk. Unter „Lingssnaät" dis üeil« SO kk. Lei HdsIIeo- und 2itIerLiiu.tr SO ^utsclil»^-. Hrsekelnen: Htxlieti Wit ^»«lluitille clsr 8onn- und t eiertu^a Xdond» kür dsn kol^vudon 'Is^. Dres-ncrÄmmal. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. ko«er»teo»nn»tiiue »usM-rl«: L«tx^: H. LranUstetter, Ooinwi»«ionLr do» Dresdner dournsl«; Sswdurx N,rNn -Vt«n L«tp»i^ L»»»I Nr»»i»o?r»»k1vrt ». > : //acu«n«te«n <- IsrUL-Vt«» S»wdurx kr»ff-I.»jp»l^ krsrürtort L. H. - Näaedru: Dud Lto«««,' N»rlin: /-tvatidondan-, Nr«w»n: Le^kott«, Lr««l»ll i /> /itanAen's Lureai« /tabat^knurtturt ». N.: L. ^a«A«^»el>o tjucüÜLndlunk; äSritt»: K. LfMer; L»n»o-»r: 0. Lc^ü«ter, k»rti L«rll» -kr»Lttiu< ». N StnNx»rc: Daud«,- 6o., N»wdLrxt ^ct. §tr>ner. ll v r » u » x « d « r i LSuisI. Lipeäitioo des Dresdner dournsl», Dresden, Lvingerstrum« dio. SO. Ämtlichrr Theil. Dretden, 3. October. Se. Majestät der König haben dem Kapellmeister Professor vr. Franz Wüll- ner allhier daS Ritterkreuz I. Klasse de- AlbrechtS- ordenS Allergnädigst zu verleihen geruht. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem OrtSrichter Werner zu Callnberg daS Ritterkreuz II. Klasse vom AlbrechtSorden zu verleihen. Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichten. Buda-Pest, Montag, 2. Oktober, Abend». (Tel. d. Boh.) Anläßlich der jüngsten Vorgänge in Preßburg hat der Ministerpräsident.und Minister de» Innern, v. Tisza, sämmtlichrn Municipien folgen den Erlaß zugehen lassen: Ich bin überzeugt, daß das Municipium mit Ent rüstung Kenntlich genommen hat von jenen schmach vollen Excessen, welche in der königl. Freistadt Preß burg unter dem Aushängeschilde des Antisemitismus verübt wurden und nunmehr in einigen Gemeinden des Preßburger ComitatS Nachahmung gefunden haben. Auch davon bin ich überzeugt, daß sich das Munici pium vollkommen bewußt ist seiner Verpflichtung, um ähnlichen Vorfällen auf seinem eigenen Gebiete vorzu- beugen, und falls dies nicht überall vollständig gelin gen sollte, die vorkommenden Unruhen mit der vollen Energie der öffentlichen Gewalt niederzuschlagen und den Schuldigen gegenüber die ganze Strenge des Gesetzes zur Anwendung zu bringen. Ich meinerseits halte mich im Gefühle meiner Verantwortlichkeit ver pflichtet, zu erklären, daß ich in dieser Beziehung eine Versäumniß, ein laueS, energieloses Vorgehen nicht dulden werde. Die Sicherheit der Person und der Habe der Bürger ohne Rücksicht auf Rang, Race oder Confession zu wahren, ist eine der ersten Pflichten der Staatsgewalt. Es darf nicht geschehen, daß die öffent liche Sicherheit infolge strafrechtlicher Bemühungen ein zelner Agitatoren gestört und dadurch auch der gute Ruf deS ungarischen StaateS geschädigt werde. ES darf aber auch nicht geschehen, daß wegen ein zelner Agitatoren, die sich beim Eintritt der Gefahr m der Regel zurückziehen, die Ordnung nur um den Preis deS BluteS der Jrregeführten hergestellt werden könne. Ich erwarte daher, daß daS Municipium so fort alle Verfügungen zu dem Zwecke treffe, damit alle auf seinem Territorium etwa versuchten Agita tionen sofort zu seiner Kenntniß gelangen, daß eS die selben im Keime ersticke und die Agitatoren der Strenge deS Gesetzes überliefere. Ich erwarte, daß das Muni cipium die hier und da sich doch etwa zeigenden Unruhen selbst mit Anwendung von Brachialgewalt sofort unter drücken werde; ich erwarte, daß über jede in dieser Be ziehung gemachte Erfahrung, sowie über die getroffenen Verfügungen mir sofort Bericht erstattet werde. Meiner seits versichere ich das Municipium, daß ich dasselbe mit der ganzen Kraft der Staatsgewalt bei diesem seinen Vorgehen unterstützen werde. Marseiile, Montag, 2. October, Nachmit- tag». (W.T. B.) Die von dem Königreich Mada- gaScar abgrsendete Gesandtschaft ist heute hier ein- getroffen. Nach einer Mittheilung deS hiesigen madagassischen ConsulS beabsichtigt dieselbe, nach Fallendung ihrer Mission in Pari- sich auch nach Berlin zu begeven. " Konstantinopel, Dienstag, 3. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Said Pascha benachrichtigte gestern den Lord Dufferin, da- die aus Aegypten zurückgekehrten und augenblicklich im Polizei- Ministerium untergebrachten Arbeiter nach Sicher- htir-stellung für ihr gutes Betragen freigtlassen wurden. Feuilleton. Rcdigiri von Otto Banck. K. Hoftheater. — Neustadt. — Am 2. Oktober zum Besten der Genossenschaft deutscher Bühnen angehöriger: „Norma", Oper von Bellini (1. Act, 3. Scene). — »Vor hundert Jahren", komisches Sittengemälde von Raupach. — „Robert und Ber tram", Ballet von Hoguet, Musik von Schmidt (1. Act). Wie daS so ost in Dresden in höchst erquicklicher Weise hervortritt, so zeigt sich auch bei diesen humanen Bestrebungen für einen edlen Zweck die Theilnahme unser- PublicumS überaus warm und hilfreich. Der viele Fleiß, den unser Theaterpersonal auf da- ver gängliche Arrangement dieses Abends verwandt hatte, wurde durch die Aufnahme aller einzelnen Pidcen ent sprechend belohnt, wobei auch die sorgliche Absicht, lieber zu viel al» zu wenig zu bieten, eine freundliche Beurtheilung fand. Den Verehrern der „Norma"-Oper, die seit ge raumer Zeit auf unserm Repertoire fehlt, versuchte nach besten Kräften Frau Ueberhorst durch einen Bortrag der technisch schwierigsten Scene de» 1. Act» einen kleinen Ersatz zu bieten und erwie» sich dabei al» eine routinirte, in der Eoloratur geübte Sängerin, die ge schickt mit ihren Stimmmitteln Hau» zu halten be müht war. Ihr beifällig aufgenvmmener Bortrag ließ vermuthen, daß sie auf einem andern Rollengebiete von andrrm, mehr genrebildlichen Stil sich vielleicht glücklicher heimisch gemacht haben dürfte. Kairo, Dienstag, 3. Oktober. (Tel. d. DreSdn Journ.) Das als Mobilienkammer be kannte Gebäude wird H«r Aufnahme aller vom Kriegsgerichte abzuurtherleuden Gefangenen, da runter Arabi und Tulba, hergerichtet. DaS Kriegsgericht wird in^sdemselbeu Gebäude tagen. Dresden, 3. Oktober. Ein Communiqu«, welches der Telegraph aus St. P-.terSburg übermittelt, lenkt die Aufmerksamkeit auf die jüngst publicirte Novelle zum russischen Preß- gesetz, welche vom Minister deSJnnern demMmister- comit« unterbreitet worden war und durch die am 9. September erfolgte kaiserliche Bestätigung einer diesbezüglichen Resolution de» Ministercomite» sanctio- nirt worden ist. Dieser officiösen Kundgebung zufolge entstammen die neuen Bestimmungen über die Dresse nicht der Initiative deS jetzigen Minister», Grafen Tolstoi, sondern derjenigen de» Grafen Jgnatiew, der bereits im Mai mit einer weit schärfern Vorlage auf trat, welche den Ministern der Justiz und des öffent lichen Unterricht- zur Begutachtung zuging. Nach der Vorlage Jgnatiew'S sollte die Censur schon nach der ersten Verwarnung eintreten. Tolstoi fand die ganze Sache fertig vor, hat aber „nach Möglichkeit Milde rungen" eintreten lassen. Der jetzige Minister deS Innern lehnt also in unzweideutiger Form die Ver antwortlichkeit für die Preßgesetznovelle ab und schiebt dieselbe ausschließlich seinem Vorgänger Jgnatiew zu, wobei allerdings die Frage nahe liegt, warum Gras Tolstoi nicht daS ganze Project über Bord geworfen hat. Bereits vor mehreren Tagen hatte die „Strana " darauf hingewiesen, daß das nunmehr bestätigte Preß- gesetz „unter anderen Verhältnissen und Personen ent worfen" wurde. Die Frage von einer weitern Be schränkung der Presse sei von der „Volkspolitik" in den Vordergrund gedrängt worden, von derselben „BolkSpolitik", die mit großem Lärmen „Experten" zusammenberief, um der öffentlichen Meinung Ausdruck zu leihen, und die auch sonst bei einigen naiven Leu ten die betrügerische Hoffnung erweckte, daß im Sinne der Erkenntniß ihrer Wichtigkeit und ihre» Nutzen» für die Regierung man noch mehr die autoritative Stimme aus der Mitte der Gesellschaft beachten wolle. Die Preßgesetznovelle hat nachstehenden Wortlaut: l. Die Redactiontn von mindesten- ein Mal wöchentlich erscheinenden Zeitschristen, welche die dritte Berwaroung her- vorgerusen haben, sind verpflichtet, nach Ablauf der SuSpen- sionSsrist und beim Wiedererscheinen ihre Nummern den Censurcomilö» nicht später, al- um II Uhr Abend- zur Durch sicht vorzustellen, wobei den Tensoren da-Recht zusteht, in den Fällen, wo sie in der Verbreitung einer solchen Zeitschrift er heblichen Schaden erblicken, deren Erscheinen zu sistiren ohne Einleitung eine- gerichtlichen Verfahren- wider den Schuldigen. Der Modus der Einreichung der in diesem Punkte genannten Zeitschristen bei der Tensur behus- Durchsicht, sowie die Zeit weiligkeit oder Dauer dieser Verpflichtung werden nach dem nähern Ermeßen de- Minister- de- Innern bestimmt. II. Die Redactionen aller ohne Präventivcensur erscheinen den Zeitschriften sind verpflichtet, aus Verlangen des Minister» de» Innern Stand und Bor- und Familiennamen der Ber- sasser der in den genannten Zeitschristen veröffentlichten Artikel zu nennen. III. Die Fragen über völlige Unterdrückung von Zeitschris ten, sowohl der ohne Präventivcensur, al- auch der unter Präventivcensur erscheinenden, oder über Suspension von Zeit schriften aus unbestimmte Zeit, wobei den Redarteuren und HerauSgetern derselten verboten ist, in der Folge bei irgend welchen anderen Zeitschriften al« Redactcure und Herausgeber tyätig zu sein — sind überlaßen der gemeinsamen Berathung und Entscheidung der Minister de- Innern, der VolkSausklä- rung und der Justiz und de» OberprocuratorS de» SynodS unter Theilnahme auch noch jener Minister und Oberdirigiren ten einzelner Reffon-, von welchen derartige Fragen angeregt wurden. Der Modus der Entscheidung dieser Fragen wird den für collegialijchc Behörden bestehenden allgemeinen Grund lagen untergeordnet. IV. Die obigen Bestimmungen finden in gleicher Weise auch aus die von Regierung-- oder wissenschaftlichen Institu tionen verpachteten Zeitschriften Anwendung. DaS Raupach'fche Stück „Vor hundert Jahren" hat als Zeit- und Sittengemälde einigen Werth be halten, eS ist ein anspruchsloses CulturgeschichtSbild, ein Euriosum der Vergangenheit geworden, und so auf- gefaßt, wird man ihm williger die Schwächen Nach sehen, die eS mit den meisten Lustspielen deS hochge bildeten, doch immerhin handwerksmäßigen, verstande»- kühl reproducirenden Autors theilt. Ueberall v^n praktischem Sinn für das derb Komische ebenso sehr, wie von speciellster Bühnenkenntniß unterstützt, spinnt sich der mehrere Male halb abgerissene Faden der ganz äußerlich gemachten Action auffallend in die Länge. Doch der Verfasser weiß dabei immer wieder neue kleine Reizmittel der Erfindung rinzuschalten und sein Schlußakt überrascht durch eine nicht erwartete gute Wendung. Weder eine lebendige, aus dem Innern kommende Menschenzeichnung, noch eine durch Witz und echten Humor verjüngte Sprache lassen sich einer solchen Arbeit nachrühmen, wohl aber — und da» sst eine Lichtseite der modernen Bühnenproduction gegen über — Torrectheit und Sorgsamkeit im Dialog, wohl- durchdachte Austragung der dramatischen Motive, takt volle Wahrung de» sittlichen Gesammtgesühl» und seiner Rechte. Diese Eigenschaften geben den meisten Metierarbeiten, mit denen Raupach zum Schaden de» poetischen oder gar de» klassischen Repertoire» Decen- nien hindurch die deutsche Bühne beherrscht hat, einen gewissen gesunden, den gut bürgerlichen Sinn an- muthenden Kern. Die im Ganzen unterhaltende Wirkung de» Stücke» wurde noch durch eine vortreffliche, wenn auch zu weilen etwa« zu chargirte Darstellung erhöht. Hr Porth gab den Fürsten Leopold in vollendeter Lha- Die Analyse de» neuen Gesetze» im „Golo»" füllt 5 Spalten. In der Einleitung, in welcher der Autor u.A. auch dem „schweren Gefühl" Ausdruck leiht, da» Einen bei der Kenntnißnahme der Novelle beschleiche, wird die Frage über die Provenienz der Gesetzes bestimmung aufgeworfen. „Daß sie im Zusammenhänge steht mit der Gesammtheit der Anschauungen und Be strebungen der letzten Zeit", heißt eS, „unterliegt kei nem Zweifel. Aber „Anschauungen" entsprechen nicht immer der factischen Sachlage, wie das auch hier zu Tage tritt." Die periodische Presse war immer der Macht der Administration unterworfen, und war man jeweilig al» Emancipation der Presse bezeichnete, war nichts weiter, als administrative Toleranz, mit der man zu gewissen Zeiten der Presse entgegentrat. So erfreute sie sich unter dem Ministerium de» Grafen LoriL-Melikow größerer Freiheit, aber nicht etwa in folge einer Reorganisation de» Preßgesetze«, sondern nur, weil Graf Lori»-Melikow von dem ihm zustehen den Rechte administrativer Maßregelungen nicht allzu weit gehenden Gebrauch machte. Diese vorübergehende thatsächliche Erleichterung der Presse wurde später als die Aera der „Zügellosigkeit" bezeichnet. Diese soge nannte „Zügellosigkeit" dauerte bi» zur Ernennung deS Grafen Jgnatiew zum Minister des Innern, welche dar zeitweilige Schweigen und die vollständige Unterdrückung deS „GoloS" resp. deS „Porjadok" und anderer Zeitungen gleicher Richtung zur Folge hatte. In jedem Falle konnte man dieser sogenannten „Zügellosigkeit" mit den schon vorhandenen Mitteln ein Ende setzen. Trotzdem habe Graf Jgnatiew das ErgänzungSproject auSgearbeitet, obgleich er sich schwer lich brr seinem Rücktritt über die „Zügellosigkeit" der Presse beklagen konnte. Wenn die Zeitschriften wäh rend der Dauer der AmrSthätigeit des Grafen Jgna tiew eine größere Lebhaftigkeit entwickelten, so sei daS nicht infolge einer milden Gesetzanwendung geschehen, sondern durch die vom Grafen Jgnatiew inaugurirte „nationale Politik" hervorgerufen worden. Welcher Richtung auch die Organe der Presse angehörten, so hätten sie doch unmöglich die Trunksuchtsfrage, die Rede Skobelrw'S, Rußlands Beziehungen zu Oester reich-Ungarn und Deutschland rc. mit Stillschweigen übergehen können, denn dieses Material wurde ihnen von der Regierung geliefert. Ohne Zweifel ließ sich aus der „Zügellosigkeit" de"- Presse während der kurzen Periode der „neuen Strömungen" kaum der Schluß ziehen, daß neue Mittel zum Kampfe mit „schädlichen Richtungen" nöihig seien. Die Erfah rung lehrte, daß eS vollkommen auSreichte, wenn man die vorhandenen Mittel genügend auszunutzen und anzuwenden verstand. Der „GoloS" schildert dann die Preßverhältnisse und daS Leben der Presse unter dem Regime deS Grafen Jgnatiew und in der letzten Zeit und meint, daß im Augenblick keine Presse in der ganzen Welt so „farblos, matt und langweilig" sei, wie die Rußlands. Mit dieser Lage contrastire gar seltsam die „Novelle" zum Preßgesetz, und eS lasse sich voraussehen, daß der Kamps mit der Presse eigentlich ein gegenstandsloser sein werde und daß die Strafen zur Anwendung ge langen werden mehr in Erinnerung an die frühere „Richtung" der Zeitungen, als infolge ihrer gegen wärtigen Haltung. Zum Schlüsse heißt eS dann: „Die neuen „Ergänzungen" lassen sich von einem zweisachen Standpunkte aus betrachten. Insofern sie einen gesetzgeberischen Act bedeuten, der das Schicksal unserer Presse auf viele Jahre hinaus vorauSbestimmt, erscheinen sie nicht al- nützliche. Aber in soweit, als sie die augenblickliche Richtung zum Ausdruck bringen und die Absichten der Administration kennzeichnen, tragen sie einen sehr positiven Charakter. Danach zu urtheilen, beginnt eine sehr kritische Phase für die Existenz unserer Presse. Wie dieselbe sie überstehen wild, raktermaSke, natürlich, zwanglos und meisterhaft in der Einfachheit der Rede. Da» zankende Brautpaar Jung fer Philippine und Candidat Seibold wurde von Frl. Diacono und Hrn. MatkowSky in sehr lieben»- würdigcr und anmuthiger Weise dargestellt, eS lag ein wohlthumder Hauch über diesem Ensemble, der geeig net war, die Eindrücke aus der unbefangenern Zeit deutscher Schauspielkunst zurückzurusev. Auch Hr. Jaffa stellte den Pros. Lange wirkungsvoll dar, nur wünschte ich eine solche Gestalt, in welcher doch das sittliche Pathos deS Stücke- ruht, minder inS Bur leske gezogen zu sehen. Der Famulu» Stumpf und Max, jener von Hrn. Löber, dieser von Hrn. Schu bert sehr erheiternd dargestellt, vertragen eine über triebene Haltung schon besser. Da- Ballet „Robert und Bertram", so viel ich weiß, der Urquell für Räder- ästhetisch widerliche, wenn auch komische Posse, kann al- Pantomime niemals so realistisch und deshalb auch nicht so aufdringlich wir ken, wie ein Stück, in dem die Strolche reden und nicht blo» tanzen und ste'jlen. Der erste Act wurde mit vielem Aufwand und in geschmackvoll« m Arrange ment gegeben und gefiel auch durch seine rhythmisch gefällige, leichte und anspruchslose Musik. Es waren darin alle unsere stet- fleißigen Balletkräfte tbätig, die Herren Goli nelli und Köller sprangen die Titel rollen mit keckster Bravour, und auch die übrigen Solo tänze, in denen besonder- Frl. Zink wirkte, fanden freundlichsten Beifall. O. B. läßt sich schwer voraussehen. Aber da- Bewußt sein, daß da- Geschick jeder Ausgabe einer „schwe ren Kugel gleicht, die an zartem Haare hängt", daß mit dem Geschick deS Organ- auch da» persönliche Schicksal der Autoren verknüpft ist, daß beiden gegenüber die Anklage leicht ist, während beiden die Rechtfertigung ziemlich un möglich ist — da- Alle- wird natürlich nicht zur Be lebung „schöpferischen GedankenlebenS" beitragen, an dem eS so wie so schon längst fehlt und nicht auf dem Gebiete der Presse allein. Und wie soll nun diese Belebung sich zeigen, wenn die Presse schweigen wird? Werden unsere Misdren auf dem Wege der SuSpen- dirung einiger Preßorgane geheilt werden können? Werden die geistigen Kräfte Rußlands erstarken können, ohne eine gewisse Freiheit de» Worte»? Werden un sere inneren und äußeren Fragen entschieden werden können, wenn ihre öffentliche Beurtheilung fehlt? Diese Fragen wird die Zukunft beantworten, wenn die Geschichte ihr rechte» und gerechte» Urthril über das Heute fällen wird. Vielleicht wird sie auch darthun, daß die Presse kein Uebel ist und daß nicht die Presse da» Uebel hervorgebracht hat." BemerkenSwerth erscheint, daß die in deutscher Sprache erscheinenden Organe aus jede selbstständige Meinungsäußerung verzichten und auch bei der Wie dergabe natwnalrussischer Stimmen der peinlichsten Vorsicht sich befleißigen, wie z. B. die deutsche „St. PeterSb. Ztg." den Passus de» , GoloS" über die Lieferung von „Material" für die Zeitungen durch die Regierung zu Gunsten der „nationalen Politik" de» Grafen Jgnatiew zu unterdrücken für gerathen hält. Fast gleichzeitig mit der Veröffentlichung derPreß- gesetznovelle ist auch in der Person de» Generalmajor» Besak ein neuer Director des Telegraphendeparte ments ernannt worden. Diese Ernennung, bei wel cher selbstverständlich auch die Zeitungen in hervor ragender Weise interessirt sind, veranlaßte den„GoloS" zu einigen Bemerkungen über die bevorstehende Thätig-' keit deS neuen Chefs. Der „Golo»" erwartet von ihm, daß er den Mißbräuchen und den Willkürlich keiten der Beamten ein Ende bereite. „Die Tele- graphencensur", so sagt Krajewski'» Blatt, „wird jetzt in einer Weise gehandhabt, wie die» früher nie denk bar gewesen ist." Da» ist vollkommen wahr, schreibt man der „Kölnischen Zeitung" au» St. Peters burg, und der Berichterstatter des rheinischen Blatte» fügt dann folgende, für die russischen Preßverhältnisse charakteristische Bemerkungen hinzu: Wenn aber der „Golo»" meint, daß der neue Director im Stande wäre, diesem Uebelstande Abhilfe zu schaffen, so irrt er sich gewaltig. Der Besitzer de» „GoloS" ist nämlich gleichzeitig Eigenthümer der „Internationalen Tele- graphenagentur", und diese wird natürlich durch die ganz unberechenbare und durchaus willkürliche Lensur schwer geschädigt. Aber gerade diese Schädigung ist e», welche der Regierung sehr behagt. Man ist dem „GoloS" mitsammt Krajewski nie besonder- grün gewesen und sähe eS wohl am liebsten, wenn beide und mit ihnen die „InternationaleTelegraphenagentui" von der Bild fläche verschwänden. Deshalb ist schon zu Jgnatiew'» Zeiten der Gedanke aufgetaucht, ein von der Regie rung unterstütztes Concurrenzunternehmen inS Leben zu rufen, weiches die „Internationale Agentur" und wo möglich auch die häufig unbequemen Specialbericht erstatter ausländischer Blätter mundtodt machen sollte. Ein Israelit aus Wien oder Buda-Pest von ziemlich anrüchigem Ruse versuchte damals bereits, dem Mini ster gefällig zu sein und durch gleichzeitiges Tetegra- phiren an einige 20 Zeitungen diese für die in Aus sicht stehende neue Agentur zu ködern, aber die Sache schlug glücklicher Weise fehl. Gegenwärtig ist nun thatsächlich eine neue, die „Nordische Telegraphenagen tur", gegründet worden, welche mit großen Mitteln Wandlungen. Novelle von F. L. Reimar. (Fortsetzung.) Während Strecker im Hause seiner Gönnerin ge weilt hatte, war in seinem eignen wieder ein Gast gewesen, für den er selbst nicht» weniger al» freund liche Empfindungen hegte, wenn sein Kommen auch auf dem Gesicht der Schwester den Abglanz einer tiefen Freude hervorgerufen hatte: Hermann war ein getreten, al» er von seiner Tante kam, und hatte auch sein Besuch keine lange Dauer gehabt, hatte er kaum etwa» Andere» mit dem jungen Mädchen gesprochen, als wa» sich auf ihren Zustand bezog, den er für einen etwas leidenden ansah, so hatte sie doch wieder seine Stimme gehört, die einen so eigenartig bewegenden Klang besaß, sie hatte cus» Neue die weiche Hand ge fühlt, welche ihre Stirn berührte und dann auch ihre Finger faßte — über da» Alle» aber empfunden, daß seine milden, ernsten Augen auf ihr ruhten! So lange er da war freilich — so lange vermochte sie die alte Scheu immer noch nicht zu überwinden, nicht mit völliger Freiheit zu ,hm zu sprechen, ja, nur ihre eigenen Augen recht aufzuschlagen, wenn er sie ansah; in der Erinnerung abcr fiel jene seltsame Be klommenheit weg; sie fühlte nun keine Aengstllchkeit mehr, und wie ihr darum jede» seiner Worte, wenn sie an dasselbe zurückdachte, doppelt wohl that, so empsand sie auch eigentlich jetzt erst, al» sie seine Augen nicht mehr vor sich hatte, die wunderbare Be sänftigung, die von ihrem Blick au-gegangen war. Sie saß einsam bei ihrem Lämpchen, dessen Licht einem Nadelwerl zu Gute kommen sollte; die Borstel-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite