Suche löschen...
Dresdner Journal : 26.07.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-07-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188207260
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820726
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820726
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-07
- Tag 1882-07-26
-
Monat
1882-07
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 26.07.1882
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
die Pokizeidelegirten («el) bestraft werde«, weil sie fich unterstanden haben, sich an dem Gedächtuih de» unsterblichen Vandalin zu vergehen Run exlftirt aber eia Ministererlaß, der da» Herumtragen von rolhen Fahnen und ähnlichem radikalen Kr,mtkram» au»drücklich untersagt. Danach Haden die Beamten also nur ihre Pflicht erfüllt, al» sie gegen die Socia- ltften einschritteu. Oder will man e» ihnen etwa ver denken, daß sie sich im Handgemenge in» Seitenge wehr» und Revolver» bedient haben? Die» Factum genügt, um die angebliche Sinnesänderung de» Mini ster» Depreti» zu beleuchten. Wer, wie er, sein Lebe- lang mit den Rothen coquettirt hat, bekehrt sich nicht so leicht zu einer mehr konservativen Politik. Ueder da» Wesen de» italienischen Polizei» inftilut», an dessen Resorm b,»her noch Niemand ernstlich gedacht hat und gegen welche» sich jetzt eme tiefgreifende Agitation geltend macht, giebt nachstehende» Schreiben nähern Aufschluß, welche« dem „Ham- durgischen Correspoudenten" von seinem Bericht erstatter in Rom zugeht: Der italienische Polizei- apparat in seiner heutigen Fassung ist noch eine ent schieden barbarische Institution, die nicht wenig dazu beigetragrn hat, da» sittliche Selbstbewuhtsein >m Volke zu Mitergraben und da» Ansehen de» Gesetzes zu schädigen. Nicht ohne Grund wird der italienische Ouesturino von allen, auch von den gebildeteren Volk»- klassen „»birraecio", d. h. al» ein „elender Spion* gehaßt und tief verabscheut. Wie erst neuerlich von der ParlamentStribüne herab constatirt wuroe, ist die Anwesenheit eines blauschärpigen Polizeidelegirten bei öffentlichen Meeting; stet» eine „Provokation", auf wrlche die Massen meisten» mit Gewaltthätigkeiten ant worten. Diese» socialpolitische Panathum erstreckt sich selbst auf die höhere Polizeihierarchie, deren Beamte von der Bevölkerung im socialen Verkehr absolut ge mieden werden. Selbst die Presse, die doch angeblich dre öffentliche Meinung repräsentiren soll, macht keine Au»nahme von dieser originellen Regel. Infolge ihrer fortgesetzten Angriffe ist ein Polizeipräsident nur sehr selten im Stande, längere Zeit auf ein und demselben Posten au-zuharren. Ja, diese tiefe Aversion gegen die italienische Hermandad erstreckt sich sogar auf die Magistratur, auf den Richterstand, welcher z. B. da» Zeugniß eine» Questurino mit fast beleidigender Vor sicht entgegenzunehmen pflegt. E» ,st noch gar nicht lange her, wo der Exquestor und jetzige Advocat Com- mandeur Amore vor einer süditalienijchen Jury gegen da» Berhör von polizistischen Zeugen protestine, weil — dieselben absolut keinen Glauben verdienten und nicht nach Recht und Gewissen, sondern „nach den In structionen ihrer Oberen" deponirten. Fragt man nun nach dem Warum dieser unversöhnlichen Antipathie gegen die Polizei, so fällt die Antwort im Hinwei» auf die verdächtigen Elemente, au» denen sie sich recrutirt, auf die vehmartlge Manier ihrer Procedur, auf ihre ganze mittelalterliche Organisation wahrlich nicht schwer. Wenn m Deutschland die Anwartfthaft zur Anstellung bei der Polizeibehörde durch einen langjährigen und tadellosen militärischen Dienst bedingt wird, so genügt in Italien einfach eine gesunde phy sische Constitution und irgend ein einflußreicher Pro- tector, um jedem, auch einem nicht ganz unbescholtenen Aspiranten den Weg zur Polizeicarriere zu öffnen. Mehr al» ein Mal hat man infolge dessen den Wolf im Schafstalle entdeckt. Ich erinnere nur an Neapel, wo unlängst mehrere höhere SicherhrttSdeamte heimlich mit den Dieben und Lamorristen gemeinschaftliche Sache machten, indem sie sich von ihnen unter trügerischen BesreiungSvorspiegelungen den Bersteck eine» Raube» angeben ließen, um denselben dann heimlich unter sich zu vertheilen — wo ein an derer Beamter Befehl erhielt, die gestohlene Summe von H Million bei einem gewissen Frauenzimmer zu sequestriren, und damit da» Weite suchte — wo mehr fach Sicherheit»leute beim Taschendiedstahl «u Üagrunt äölit abgefaßt wurden, wo wissentlich falsche Anzeigen wegen Münzfälschung und ähnlicher Verbrechen an der Tagesordnung find, weil die italienischen Banken jede derartige „Entdeckung" durch ein gewisse- Stipendium vergütigen, — wo sich nur zu oft der monströse Fall herautgestellt hat, daß Polizisten irgend einer Person heimlich ewige falsche Bankblllet» in die Hintertasche hrnewetcamonrten, um sich durch ihre sofortige Ver haftung den begehrten Judaslohn zu verdienen. Es ist die» ein skandalöse» Eapitel, über da» sich ganze Bände mit Citaten füllen ließen. Außer diesen ehren rührigen Fakten hat aber auch die Art und Weise, wie der italienische Polizeiapparat arbeitet, nicht wenig sewe Unpopularität erhöht. Dahin gehört vor Allem da» sogenannte „AmmonitionS- oder Verwar- nung»system". Jeder Polizeidelegat besitzt, ohne irgend welch« juridisch« Control«, da» Recht, einem Bürger diese eigenmächtige Verwarnung und da mit da» Brandmal der Ehrlosigkeit zu erthetten. Ein Ammonirter verliert nämlich die bürgerlichen Ehrenrechte; er steht so zu sogen außer dem Bereich de» Gesetzschutze» und befindet sich ganz und gar unter dem willkürlichen Einfluß der brutalsten Polizeigewalt. Wa» aber da« Unerhörteste, da» Ungeheuerlichste dabei ist, da» ist der absolute Mangel jedweden gesetzlichen Appell». Daß diese mittelalterliche Einrichtung nur zu oft al» Instrument der Privatrache, oft aber auch zu politischen Partelzwecken au»grbeuiet wird, da» liegt auf der Hand. Erft kürzlich entfernte man in Smola einen Demokraten von der Wahlliste, indem man ihn einfach ammonirte. Lagesgeschichte. Dresden, 25. Juli. Der am hiesigen königl. Hofe beglaubigte königl. preußische außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister, Graf v. Dönhoff, hat Dresden mit mehrwöchigem Urlaubt verlassen. Während der Dauer seiner Abwesenheit wird der königl. preußische LegationSsecretär Graf v. Walden burg die Leitung der gesandtjchasllichen Geschäfte übernehmen. Dresden, 25. Juli. Vom Reichs-Gesetzblatt ist da» 18. Stück deS Jahres 1882 heute hier ein getroffen. Dasselbe enthält: Nr. 1479) Internationale ReblauSconvention vom 3. November 1881; Nr. 1480) Bekanntmachung vom 7. Juli d. I., den Beitritt Bel gien» zu der unterm 3. November 1881 abgeschlossenen internationalen ReblauSconvention betreffend. * Berlin, 24. Juli. Se. Majestät der Kaiser setzt mit gutem Erfolge die Cur in Gastew fort. — Ihre Majestät die Kaiserin beabsichtigt, wir aus Coblenz gemeldet wird, morgen Nachmittag Loblenz zu verlassen, um sich, wie schon früher berichtet, vor der Rückkehr nach Babelsberg, au» Gesundheitsrück sichten, erst noch zu kurzem Aufenthalt nach Homburg v. d. H. zu begeben. — Der Umstand, daß w ver schiedenen Gegenden deS Reiches zum Apotheken- betriebe junge Leute verwandt worden sind, welche sich nicht ,m Besitze der BesählgungSnachwelse als Apothekerlehrling oder Apothekergehilfe besanden, son dern al» Lehrlinge, beziehentlich Gehilfen eine» Dro- guengeschäjt» vor- und ausgebildet sein wollten, hat, wie die „Nat.-Ztg." schreibt, die Aufmerksamkeit der Bundesregierungen auf sich gezogen und diese zum Ein schreiten veranlaßt. Sobald eine Verletzung der in den Einzelstaaten bestehenden Apothekenges-tzgebung vorliegt, soll letztere zu etwaiger Abhilfe in Anspruch genommen werden. Das Reichsamt de» Innern hatte bereit- Gelegenheit, sich mit der Angelegenheit insofern zu beschäftigen, als Fälle vorgekommen sind, in wel chen in Apotheken, angeblich für ein Droguengeschäft ausgebildete junge Leute bei ihrem Uebergang zum Apothekerfach die Befreiung von dem Nachweise wissen schaftlicher Vorbildung, wie er zur Apothekerprüsung erforderlich »st oder Anrechnung ihrer Beschäftigung in Apotheken aus die vorgejchriebene Apothekerlehrlwg-zeit nachgesucht hatten. — Innerhalb der städtischen Ver waltung wird jetzt, wie die „Nat.-Ztg." hört, angenom men, daß die Auflösung der Berliner Stadt verordnetenversammlung beschlossene Sache sei.— Dieselben Theile deS Diensteinkommens der Reichs beamten, welche nach Maßgabe der HZ 42 bis 44 deS Reichsbeamtengesetzes vom 31. Marz 1873 bei Berechnung der Pension zu Grunde zu legen sind, bilden nach einem Urtheil de» Reichsgericht», II. CivilsrnatS, vom 9. Juni d. I., auch die Grundlage bei der B-rechnung des Wartegeldes der zur Disposi tion gestellten Reichsbeamten. —Wien, 24. Jult. Die Ernennung deS Guts besitzer» BaronS NicolicS de Budna zum Civil- adlatuS de» LandeSchefS für Bosnien und die Herzego wina hat sowohl in der diesseitigen ReichShälfte, wie in Ungarn einen guten Eindruck gemacht, da man sich von der Thätigkeit deS neuen Funktionärs, der Land und Leute w Bosnien gründlich kennt und auch der hervorragendsten Landessprachen vollkommen mächtig ist, «ine günstige Rückwirkung auf die Stimmung der dortigen Bevölkerung verspricht. Auch in der untern Beamtenwelt der occuprrten Länder steht eine gründ liche Purification bevor, die jedoch erst nach durch- gesührter Bereisung dieser Länder durch den neuen Reichsfinanzminister und Letter deS boSmichen De partements, Hrn. v. Kallay, inS Werk gesetzt werden soll. Ueberhaupt soll nunmehr die Verwaltung Bos ¬ niens und der Herzegowina auf neue, den nationalen und religiöse« Traditionen der Bevölkerung mehr e«t- sprechende Grundlagen gestellt werden; die bezüglichen Organisation-entwürfe sind bereit» frstgesteUt und dürsten ln der bevorstehenden Herbstsession den zu ständigen parlamentarischen Körperschaften unterbrettet werden. Zu bemerken wäre noch, daß die Assen- tirung in Bo»nien nahezu beendet ist und ein in jeder Beziehung befriedigende» Ergeboiß geliefert hat. — Aus Wunsch der Vertreter der Bukowina ist der dortige Landtag zur Wiederaufnahme seiner verfassungsmäßigen Thätigkeit aus den 1. August d. I. nach Czernowitz einderusen worden. Die übrigen, b'Sher noch nicht versammelt gewesenen LandeSverlre- tungen, darunter jene von Böhmen und Galizien, sollen erst im September zusammentreten. Den Haupt- gegenstand der Berathung wird die Feststellung der betreffenden LandeSdudget» bilden. — Die durch den Millijterialerlaß, betreffend di« Staatsprüfungen an der neuen tschechischen Universität m Prag hervorgerufene Erregung unter der tschechischen Stu dentenschaft dauert fort und wtrd durch die Aus lassungen der tschechischen Presse noch genährt. Die Regierung wird sich jedoch voraussichtlich durch diese, von gewisser Sette kräftig Unterstützte Bewegung in ihrem Thun und Lassen um so weniger beirren lassen, alS der verlangte Nachweis der Kenmnlß der deutschen Sprache sür die tschechischen StaalSprüfungScandldaten in dem kaiserl. Handschreiben, durch welches die Er richtung einer tschechischen Universität angeorbnet wurde, ausdrücklich betont wiro und die bezüglichen Normen mit Wissen und Willen der Repräsentanten der neuen tschechischen Universität, sowie der tschechischen ReichS- rathSabgeordnrten erlassen worden sind. Lemberg, 24. Juli. (Tel.) In der heutigen Ver handlung dr» ruthenlschen Hochvcrrathsprocesie» kam rin durch Vermittelung der österreichisch-ungarischen Botschaft in St. Petersburg zugegangenes, an Graf Wolkenstein adresfirteS Schreiben PobedonoSzew's, ProcuratorS de» heiligen Synod in St. Petersburg, zur Verl.sung. In demselben berichtigt Schreiber einige ihn betreffend« Angaben der Anklageschrift. Pobedo- noszew verneint, daß Olga Hrabar sich seiner Pro tection ersreute, erklärt, mit DobrzanSki in keinen näheren Beziehungen gestanden zu haben und mit Aus nahme Dodrzanskl'S keinen der Angeklagten zu kennen. Auf Naumow-cz' Blatt „Nauka" m Warschau zufällig aufmerksam gemacht, habe er sich eine Collection der ruthenischen Blätter in Galizien durch Vermittelung Dodrzanskl'S verschaffen wollen. Palmow, der auf Ver anlassung Pobedonoszew'S eine Studienreise machte, sei kein Agitator, sondern em junger nur feiner Wissen schaft, der vergleichenden slawischen Philologie, ergebener Gelehrter. Nach Verlesung dieses Schreibens constatirt der Präsident, daß die thatjächlichen Berichtigungen PobedonoSzew's gegenstandslos sind, da sie ElwaS be streiten, was die Anklageschrift gar nicht behauptete. Nach diesem Zwischenfalle wurde zur Fragestellung geschritten. An die Gcschwvrnen werden 66 Fiagen gestellt. Die Hauptfrage wegen Hochverraths (8 58 c) mit zwei Eventualfragen im Sinne der 88 61 und 65c deS Strafgesetzes ist für alle Angeklagte, ausge nommen den Tyatort, identisch. Die Vertheidlger Lu- diuSkl und Dulemba bekämpfen dir gestellten Fiagen. Die erste Frage (8 58 lit e) entbehre jeder thatsachlichen Grundlage, ebenso seien die Fragen wegen der 88 61 und 65, lit. b gegenstandslos. Als entscheidende Frage wäre jene zu stellen, ob die panslawistischen WohlthätigkeitSvereine wirklich einen Oesterreich be drohlichen Charakter besitzen. Die Frage wegen 865c sei schon deshalb unstatthaft, wen im Verlaufe der ganzen Verhandlung das Thema der geheimen Ver bindungen nicht einmal zur Sprache gebracht wurde. Nach der Replik deS Staatsanwaltes und der Duplik dec Vertheidlger ergreift DobrzanSki das Wort und sagt, daß er die allein entscheidende Frage vermisse, ob die panslawistischen Vereine gegen Oesterreich feindselig auftraten. Der Gerichtshof zieht sich sodann zurück, um über die Anträge der Vertheidlger zu beschließen. Der Gerichtshof beschloß, den Anträgen der Verthei- digung keine Folge zu geben und die an die Geschwor- nen zu stellenden Fragen unverändert zu belassen. Buda-Pest, 24. Juli. Zur Tisza-ESzlarer Assaire telegraphirt man der „Pr.": Der Redacteur de» „Függetlenseg", Adg. Verhovay, hat den Abg. Eötvös, Vertheidlger der Lszlarer Juden, welcher in einer in den gestrigen Buda Prster Blättern veröffent lichten Erk ärung lhn, Veihovay, als Lügner brand- malkte, gegen den er einen Preßproceß anstrevgen werde, blos um dessen Treiben zu entlarven, zum Duell gefordert und ist nach Nyirsgyhuza »«reift, so Eötvö« fich gegenwärtig aufhält. — Die Berthei- dtger der verhafteten Juden haben Gesuche an den Gerichtshof in Nyiregyhaza gerichtet, wo sie testen den endlichen Abschluß der schon über 2 Monate dauernden Vorerhebungen, ferner Einsicht in die Be funde bezüglich der in Dada gefundenen angeblichen Solymossy-Leiche verlangen. Die Untersuchung-richter hatten damal» den Vertheidigern nicht gestattet, bei der Agno-cirung und Section der Leiche anwesend zu sel«. Pari», 23. Juli. Allam-Targch der Finanz minister unter Gambetta, eröffnete am Freitag die Budgetdebatte in der Deputirtenkammer mit einer 4stündigen Rede, welche die ganze Sitzung ou»- füllte und in welcher er gegen die ungünstige Beur- theilung der Finanzlage seiten de- jetzigen Finanz- Minister- Verwahrung einlegte. Dir von Löon Say vorgeschlagtnen Hilf-mittel, die Di-contirung von Außenständen, die noch nicht fällig seien, der Appell an die Depositen- und Sparkassen, an dle Steuerein nehmer und Cautionen erinnere an ähnliche Maßregeln, die in einer Periode der drückendsten Verlegenheit er- gnffen worden seien, 1814 und 1816, um die Befrei ung de» Lande« und die Milliarde der emigrirten Edelleute zu bezahlen. Sei jetzt der Staat in einer derartigen Noth'age? Nein; die Steuern brächien große Uebeischüffe, der Natlonalreichthum wachse täg lich. Die Nothlage sei nur vom jetzigen Finanzminister künstlich geschaffen, weil er weder die Rente umwan deln, noch neue Rente auSgeben, noch Bahnen ver staatlichen wolle. Alle drei Maßregeln müßten aber ergriffen werden. Die Ausgabe von Rente zu pro ductiven Zwecken, wie Bahnbau sei die billigste und rationellste Art, Geld zu beschaffen. Die Umwandlung der 5- in 4Hprocentige Rente war, wie Redner dar- legte, vor 6 Monaten leicht und gewin ibringend; die öffentliche Meinung war auf sie vorbereitet und wollte sie. Unter den gegenwärtigen Umstanden ist sie fast unmöglich geworden. Der Bahnerwerb endlich ist gegenüber allen Gesellschaften, die Nord- und Lyoner Bahn ausgenommen, die der Staat erst durch eine Concurrenzlinie von Calais bi» an das Mittel meer zum Nachgeben zwingen muß, eine Kleinig keit, denn sie schulden dem Staate ungefähr so viel, als ihr vollendete» Material werth ist, so daß er ihnen fast nicht» zu zahlen hat. Vollend« gegenüber der Orlean-linie war die Verstaatlichung schlechter- ding» geboten. Im Jahre 1878 hätte man sie für eine Annuität von 78 Millionen lausen kö.iuen; 1881 kostete sie schon 93 Millionen, und im nächsten Jahre wird sie auf 110 Millionen zu stehen kommen. Auf keinen Fall darf der Slaat sich der Waffe de» An- kaufsrechtS, die er gegenüber den Uebergriffen der Bahncompagnien besitzt, entäußern, wie dies Hr. Say in seinem unannehmbaren Vertragsentwurf mit der Orleansbahn vorschlägt. Allain-Targö wurde öfter- mit Beifall belohnt, namentlich aber bei letzterer Be merkung. Ihm folgte gestern auf der Tiibüne der Bonapartist Haentjen», der sich ebenfall« in einer langen Rede gegen dar Say'jche Budget erging, das selbe aber im Unterschied vom Vorredner immer noch zu optimistisch fand. Man gebe mehr au» und nehme weniger ein, als man veranschlage. Insbesondere rumire der zwangsweise Volksschulunterricht da» Land; man baue Schulen wie Paläste, mache die Lehrer eitel und lasse die Gemeinden sich mit Anleihen überlasten. Auch der folgende Redner, Daynaud, findet die Finan zen der Republik durchaus schwindelhaft, hat aber das Verdienst, dies in kürzerer Zeit auSeinanderzusetzen. Man hofft, die Generaldebatte am Montag schließen zu können. London, 24. Juli. (Tel.) Der zum Botschafter Rußlands m Wien ernannte Fürst Lobanow ist heute früh nach dem Continent abgereist. Zur ägyptischen Frage. ES unterliegt keinem Zweifel mehr, daß die Con- ferenz irgend einer Macht da» Mandat zur Inter vention in Aegypten nicht ertheilen wird. Wenn England dennoch in Aegypten einschreitet, wa» eben falls kaum noch zweifelhaft ist, so würde ein solche« Vorgehen unter den obwaltender Verhältnissen, nach Ansichr der „N. Preuß Ztg.", zu einem Zerfalle de« europäischen Concert« führen. Selbstverständlich wer den eS die Mächte nicht an Bemühungen fehlen lassen, durch versöhnliche Einwirkungen diesen Fall zu ver hüten. Dasselbe Blatt meint, daß der Unterschied zwischen der der Herstellung der O-dnung in Aegypten geltenden Action und den auf den Schutz Unter den Araukanrr«. Die wilden Urbewohner Amerika«, welche seit der Entdeckung diese- Lande» durch Hunderte von Reisen den beschrieben, durch die Dichter aller Länder und auch Amerikas geschildert und leider großen Thest» romantisch verzeichnet sind, befinden sich, gedrückt und vergiftet von einer zu jähe auf sie einstürmenden Lul- tur, beraubt und verdrängt von der beutegierigen Hand der Europäer, immer entschiedener auf dem Aussterbe etat. Gerade jetzt, wo die anthropologische Forschung ««sängt, eine orgavisirte Wissenschaft zu werden und den rückgewandten Blick in die Tiese zu senken, em pfindet man die« doppelt lchmerzlich. In Nordamerika find nur noch Rester unvermischter Jndianerstämme vorhanden. Glücklicher noch steht eS in Südamerika. Ave-Lallemand und Andere haben darüber schöne Bei träge geliefert Sehr dünn sind übrigens >m Allge meinen die Berichte gesät, welche ein anschauliche« Bild von jenen verschieden verzweigten Völkertypen lieser«. In allerneuester Zeit ist nun wieder ein Rei- sender aufgetreten, Paul Treutler („Fünfzehn Jahre i« Südamerika" Leipzig, Weltpostverlag), welcher durch seine getreuen, schmucklosen und doch so lebendig wieder gegebenen Anregungen eine Stelle allerersten Range« einnimmt. Ohne ein Gelehrter in irgend einem Ge biete zu sein, denn da« praktische Bergmanntfach war seine LebenSsphäre, sieht er doch überall mit dem or» aonifirenden, wißbegierigen Auge dc? Gelehrten. Er hat fich durch weite Gebiete Südamerika?, namentlich Chile», in wahrhaft abenteuerlichen, kühnen Zü,cn be wegt und sich überall al» Mann von Geist und be sonder» muthiger Thatkrast gezeigt. Er wollte die Metallschätze der Erde auSbeuten und that eS auch zum Theil, in Wahrheit beutete er sür die allgemeine Intelligenz reiche Schätze deS Wissens aus und erwarb sich den Dank de» Geographen, de» Geognosten, des Anthropologen und ganz besonder» deS gebildeten Leser» überhaupt, der sich nicht langweilen will und von der Anspruchslosigkeit eine» schönen unbefangenen Naturell» immer von Neuem angezogen wird. DaS dreibändige Werk enthält nirgends etwas Uninteressante-; von ganz besonderem Specialwerth sür die Erkenntniß der Eingebornen, die er noch da» Glück hatte, zahlreicher und unberührter al» jetzt ver sammelt zu finden, sind un» aber seine wiederholten verwegenen EntdcckungSzüge, auf denen er tief in die Distrikte der wilden Araukrmer eindrang. ES ist möglich, nach diesen complicirten Grund lagen ein Gemälde zusammenzustellen, welches zwar mancher Ergänzungen fähig wäre, in sich aber eme geschlossene Abrundung bildet. Im Gebiete von Villarica erreichte der rastlose Reisende unter anderen Plätzen auch den bedeutenden Jndwnerort Petrusqueen, der vermöge seiner garten üppigen Fruchtbarkeit zu den bevorzugten Punkten ge bürte und unter der Herrschaft eine» großen Kaziken Pailwlef stand. Hier knüpfen wir mit Unterbrechun gen und Zusammenziehungen den Faden de» Er zähler» an. Dieser Ort war unstreitig für den Händler ein sehr vortheilhafter, indem ersten» viele reiche Indianer da selbst lebten, welche groß- Heerden besaßen, außerdem aber auch da» 200 Einwohner zählende Boroa nur 8 spanische Meilen davon lag, dessen Bewohner ebenfalls große Hcrdn, besaßen und binnen wenigen Stunden hierher gelangen konnten. Ferner bezahlten die In dianer dieser Stämme bedeutend bessere Preise al» die anderen, weil sie durch den Paß von Villarica viel Handel mit den Pampaindianern trieben und mit den hier erkauften Waaren drüben glänzende Geschäfte machten. Schließlich hielt der Kazike Pailialef hier sehr streng darauf, daß jede von Christen gekaufte Waare richtig zur Zeit bezahlt wurde und man ruhig Alle» auf Credit und Zeit verkaufen konnte. Man rechnete nach Vollmonden, und am bestimmten Tage wurden sicher die Pferde oder Rinder geliefert. Wit gute Geschäfte ein Händler hier machen konnte, geht wohl aus Folgendem hervor. Ich kaufte z. B. 2jährige Kühe für 5, 4- und 5jährige Kühe für 10 Unzen Indigo, deren erster^ mich 3 Mark, letztere 6 Mark gekostet. Die Kühe warben mir in Valdivia mit 15 und 30 Mark bezahlt. Der Prei» eine» guten Pferde», welche» ich für 90 Mark wieder verkaufte, betrug 2 Pfand Indigo (W rth 20 Mark); Thier- häute kaufte ich für H Pfund Glasperlen (Werth 1H Mark) und verkaufte sie für 9 — 12 Mark; Äuanako und Straußfederdecken für 2 Pfund derselben (Werth 6 Mark), die ich mit 60 Mark wieder verkaufte. DaS Hauptgeschäft war jedoch mit Branntwein zu machen. Die Maufthierladung kostete mich mit Lohn für Treiber 150 Mark und enthielt 160 Flaschen, und da jede dieser Flaschen mit 3 Mark bezahlt wur den, so verdiente ich über 300 Mark an der Ladung. In Bezug auf den Werth deS Geldes herrschte hier große Unwissenheit; so offerilte mir z. B ein In dianer eine Kuh für 30 Dollar, welche ich in Val divia höchstens mit 10 Dollar verkaufen konnte; da aber der Indianer viel zu stolz ist, um mit sich han ¬ deln zu lassen, nahm ich dieses Thier für 30 Dollar an, gab dem Besitzer aber natürlich nur Waaren im Wertlre von 4 Dollar, womit er sehr zufrieden war. Während ich m,t dem Handel beschäftigt war, er tönten plötzlich Trompetensignale und ich erfuhr, daß der Hauptkazike von Pltrufqueen, Pailialef, mit seinem Gefolge aufbreche, mir einen Besuch zu machen, um auch Waaren zu tauschen, weshalb ich meinen Leuten den Befrhl gab, zu seinem Empfange sämmt- liche Revolver und Flinten abzuschießen. Einige Minuten nachher erschien der Zug beS Häuptling», welchem der Trompeter, einen Marsch blasend, voranritt und in welchem sich auch seine Frauen, sein Sohn und viele angesehene Indianer be sanden, vor meiner Wohnung. ES war ei« kleiner, sehr dicker, einige 60 Jahre zählender Mann, trug eine Milltäruniform, die er auf einem Raubzug er beutet hatte, eine galonirte Mütze, einen Säbel mit gediegener S lberscheide und hohe Wasserstiefeln, an weichen schwere, massive silberne Sporen angeschnallt waren, und ritt einen schönen, fast ganz mst Silber schmuck behangenenen Rappenhengst. At» er vom Pferde stieg, umarmte und küßte er mich zum Gruß drei Mal, welche Ceremonie ich wiederholen mußte, während eine Salve von allen Feuerwaffen abgegeben wurde und der Trompeter einen Tusch dl'e». Hierauf nahmen wir unter hohen Apfelbäumen auf auSge- breiteten Guanako- und Löwenfellen Platz, und ich übergab diesem Häuptling wie seinen Frauen einige G schenke. D m Alten schmeckte mein Rum so vor trefflich, daß er bald ein« schwere Zunge und eine« noch schwerer« Kops bekam und mf sein Pferd ge hoben werden mußte, woraus er trotz seine» Alter»,
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)