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W169. Sonntag, den 23. Juli. 1882. Xdoaoewent«prel»r I» x»»r«a 6«nk,ek»o Nsiok,: düUrlickr.... 18 Ll»r^. ^Mlirtiek: L Asrlc K0 ?k. icioe«,!«» ^inomsra: 10 Df. La,»,rk»Id de» deuticken NeicNs» tritt. ?o»t- und Ltempelruietlliiz dioru. laseratenprvlser ?ar de» N»nm einer sespidtsnsn petitreil« so ?k. Dot«r „Din^es^ndt" d>« 2vil« SO kk. Ne» l'itkeUoa- und 2i8srn»»tr SV H ^uk»ci»1»^. üriedelneu r DtAliel» mit Xu»n»dm« der 8onn- und keiertux» FV«vdi kür den kolbenden Dres-ncrIMriml. l»»er»ten»nn»kwe au»Pf>rt»: ^r. /irandstetter, OornmixiooLr de« Dresdner dournul»; Lswdur^ - >«rll» -Vie» l^ipiiz L»»«I ». A ; //aaren^tei» F ^oA/er; LerUu-Vi«» S»mk»r^ - kr»nlllurt ». >. Hünedsn: /tud. ^koiv>e,' L»rUu: /nratidendnnl', Lr«m»o: F .ddott«, Lr»»l»u: /. Ltan-en'» Luren« ^mik ^'adat/D,' krsatikaet » A r L daeAer'seks Ituckkundlunx; 68rU»»: kr. ^kükter,' 8»rmo,«r: 0. §ck«t«ker, ?»id» L»rlm - krsulcturr ». H - »tunxsrt: Dautes 60 , Lswdur^^ ^td. Lt«ner. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. llerxusxederr Tonis!. Tipedition de» Dresdner dourmtt», Dresden, Xvin^erstrL»»« Ho. SV Nachbestellungen auf das „Dresdner Journal" für die Monate August und September werden zum Preise von 3 M. angenommen für Dresden bei der unter zeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), für auswärts bei den betreffenden Postanstalten. Auküudiguugen aller Art finden im „Dresd ner Journal" eine sehr geeignete Verbreitung, und werden die Gebühren im Ankündigungs theile mit 20 Pf. für die kleingespaltene Zeile oder deren Raum berechnet; für Ankündigungen unter „Eingesandtes" sind die Gebühren auf 50 Pf. für die Zeile festgestellt. In DreSden-Nevstadt können Bestellungen abgegeben werden in der Kunst- und Musikalien handlung des Herrn Adolf Brauer (Haupt straße 2), sowie bei Herrn Kaufmann Arthur Reimann (Albertplatz gegenüber dem Albert« theater), woselbst auch Ankündigungen zur Be förderung an unser Blatt angenommen werden und einzelne Nummern des „ Dresdner Journals " zu haben sind. riömgl. Expedition des Dresdner Journals. (Zwingerstraße Nr. 20, in der Nähe des neuen Postgebäudes.) !— ' . S Ämtlichcr Lheil. Dresden, 19. Juli. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Untersteuereinnehmer Christian Fr edrich Koch in Liebstadt das AlbrechtSkreuz zu ver- leihen. Nichtamtlicher Theil, uebersicht: Telegraphische Nachrichten. Zritung«schan. (New-Uorker StaatSzeitung.) r» geSgeschichte. Dresdner Nachrichten. Vermischtes. Beilage. Zur ägyptischen Krage. Die Mittheilungen deS evangelisch - lutherischen LandeScovfistoriumS, II. Provinzialnachrichteu. L ärsennachrichten. Telegraphische Nachrichten. Wien, Freitag, 21. Juli, AbendS. (Tel. d. Schles. Ztg.) In hiesigen diplomatischen Kreisen erachtet man den Austritt Englands auS dem ru7opäischen Concert alS eine drohende Eventua- lOät. England perhorreScirt entschieden eine Intervention, wenn mit einer solchen die Türkei al ein betraut werden sollte. Lemberg, Freitag, 21. Juli, AbendS. (Tel.d. Pilit.Corr.) Die auS Rußland nach Amerika auS- giwanderten Juden beginnen, da sie sich in ihren Erwartungen getäuscht sehen, nach Galizien zu- r lckzuströmev. An 1W derselben find schon ein- g troffen, und eine größere Zahl hat ihre Rück- angrzeigt. Dieselben werden mit den noch ^Galizien weilenden Flüchtlingen auf gleichem auna' behandelt und ungeachtet ihrer Abneigung ktlletlriirt werden, n einer Feuilleton. in Redigier von Otto Banck. Mr. Timsen der Tpeculant. Roman von Tonrad Fiicher-Sallstein. (Fortsetzung.) Franziska benutzte jetzt diese Gelegenheit, da» präsentirbret mit den Eiern vom Tische de» Borzim- r.erS zu nehmen, um damit hinein zu Franz zu 1' »lüpfen. Sie traf ihn, ruhig auf seinem Lager lie- r ad, wie rin Mensch, der bereit ist, sich in Alle» zu t geben, der in allen Punkten mit sich abgerechnet hat. Und jetzt erst sah sie, wie bleich und angegriffen sein t-rsicht sich von den weißen Kissen abhob. „Franz, ich bringe die Eier." Der Angeredetr richtete sich langsam auf, wobei ihn Franziska unterstützte. Er flüsterte schüchtern, mit gebrochenen Worten seinen Dank, und darüber lächelte ihn diese an und fand seinen Dank so lustig. Dann schob sie ihm mit schäkernder Lust das Präsentirbret auf die Bettdecke, so daß sich, ohne daß er es wollte, ein dankbares Lächeln auf seine Lippen drängte und darüber hätte da» schöne gute Kind aufjauchzen mögen, denn da» war zum ersten Male, daß er lächelte; oh, sie hätte e» ihm von den Lippen küssen mögen. Die Mutter kam nun in» Zimmer und winkte ihr, ihn allein zu lasten, da der Arzt strenge Ruhe empfohlen habe; sie sei schon zu lange bei ihm ge- blieben. Al» ob e» ihr wehe thue, von ihm hinweg zu PariS, Freitag, 21. Juli, AbendS. (W T B) Die Deputirtenkammer begann heute mit der Budgetberathung. Die Mitglieder der mit Lorberathuug der Crrditvorlage für militärische Vorbereitungen be auftragten SrnatScommisfion find durchweg für Bewilligung deS geforderten CreditS. Die Ver handlung über die Vorlage findet voraussichtlich nächsten DienStag Statt. Die Journale find der Meinung, daß der Seinepräfect Kloquet auf seinem DemisfionSgesuche nicht beharren werde, um uicht von Neuem zu einer MinisterkrifiS Veranlassung zu geben, indem der Minister de« Innern, Goblet, an den Rück tritt Aloquet'S auch seinen Rücktritt geknüpft habe. Der „TempS" schreibt, Frankreich und Eng land, die der Conferenz den Vorschlag einer Be setzung deS SuezcanalS unterbreitet hätten, wür den die Entscheidung der Conferenz nicht abwarten, um zur Ausführung ihres Vorschlag« zu schreiten; dir französische Regierung würde deshalb nach dem Beispiel der englischen unverweilt von der Kam mer dir für ein ErpeditionScorpS erforderlichen Credite verlangen. (Bgl. die Rubrik „Zur ägyp tischen Frage" in der Beilage.) London, Freitag, 21. Juli, NachtS. (W. T. B.) In der heurigen Sitzung deS Unterhauses theilte der Premier Gladstone dem Hause mit, eS sei ein Telegramm auS Alexandrien eingegaugea, welche« einen AuSzug au« einer Proklamation Arabi BryS enthalte. In dieser Proklamation heißt er, Arabi Bey agire gegen die unversöhnlichen Feinde, die Engländer, mit denen der Khedive mr Bunde stehe, welcher die Nacht an Bord britischer Schiffe zubringe und bei Tage bei dem Tödten ägyptischer Truppen und unbe waffneter Aegypter in Alexandrien helfe. Er (Arabi Bey) fahre daher fort, das gesammte Land wie bis her unter dem Kriegsgesetze zu halten und bestimme, daß nur seinen Befehlen zu gehorchen sei. Die mili tärischen Vorbereitungen würden lebhaft fortgesetzt, jeder Ungehorsam gegen seine Befehle werte summa risch bestraft werden. Da« Unterhaus setzte sodann die Berathung der irischen PachtrückstandSbill fort und nahm die selbe mit 28s gegen 177 Stimmen in dritter Lesung an. AuS Bombay vom heutigen Tage meldet der Telegraph: 2 TranSportdampfer find mit Truppen nach Aegypten abgegangeu. London, Sonnabend, 22. Juli. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die „TimeS" melden auS Paris von gestern, daS französische Cabinet habe sich an die englische Regierung gewendet, um deren An- ficht über die Thunlichkeit, Italien zur Theil- nähme an der englisch-französischen Expedition in Aegypten einzuladrn, zu ermitteln. Man glaubt, England werde sich der Einladung an eine dritte Macht zur Betheiligung an dem Unternehmen bereitwillig anschlirßen. DaS englische Expedi- tionScorpS wird etwa 14 VW Mann stark sein. Die Armeereserve ist thrilweise einberufen wor den; die Mannschaften haben sich spätestens am 2. August bei der Fahne einzusinden. Konstantinopel, Freitag, 21. Juli, AbendS. (W. T. B.) Assym Pascha ist rum alleinigen Ler- treter der Pforte auf der Conferenz ernannt worden. Dresden, 22. Juli. Die in den letzten Tagen eingetroffenen nordameri- kanischen Zeitungen schildern die Hinrichtung deS Präsidentenmörders Eharle« Guiteau m ihren müssen, heftete sie nochmals einen tiefen, herzlichen Blick in da» bleiche Brudergesicht und verließ mit der Mama da» Zimmer. Al» er allein war, kam eS über ihn, wie ein süßer Rausch und ihr Lächeln schwebte ihm vor den Augen, ihre Stimme schien sich irgendwo im Zimmer für ihn versteckt zu haben und ihm fortwährend heimlich zuzu flüstern. Und dabei fühlte er den leisen, sanften Druck ihrer Hand auf feiner Schulter, so daß er sich um blickte, weil er meinte, diele süße, zarte Hand sei für ihn dageblieben. Er saß eme gute halbe Stunde vor feinen gesottenen Eiern, ohne auch nur einen Bissen davon genießen zu können. Ein Zauber verhinderte ihn daran, ein Zauber, der ihn umschwebte, wie eine Wolke berauschender Düfte, ein Zauber, der sein Fühlen und Denken be herrschte, der ein Wesen für ihn zurückgelasfen, e» ihm mitten in» Herz hineingepflanzt — und von dieser Thatsache wagte er selber sich kein Geständniß zu machen — ein Wesen, zu dem er aufzublicken jetzt nicht wagen möchte, von dem er seine Gedanken hiv- wegjagen will, solche Gedanken und alle diese Ge danken, die ihm vom Herzen aufsteigen, denn sie sind eine Sünde, er muß sie vernichten — Franzirka darf nur seine Schwester sein. Frau v. Leuteritz trat nun leise in» Zimmer. Sie porchte eine Weile, ob Franz schlafe; aber er schlief nicht, so regungSlo» er auch dalag. Er wagte nicht den Blick emporzurichtelt und sich umzusehen, well er fürchtete, sie möchte e» sein, von der er wün schen mußte, daß sie jetzt um Gotte»willen nicht zu ihm komme. kleinsten Einzelheiten. Wir verzichten darauf, dielen» widrigen Schauspiele unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden, widrig darum, weil der unter der Wucht der heran- nahenden Sühne zusammenbrechende Mörder bei dieser Gelegenheit die von ihm während de» Processe» ange nommene eitle Eomödiantenrolle mit Aufgebot seiner letzten Kräfte noch ein Mal durchzuführen versuchte. In seinem Sterbegebete, einem Gemisch von Rachsucht und Sanstmuth, von Wuth und Resignation, worin er in einem Alhem das ganze amerikanische Volk in seinem eigenen Blute ersäufte und zur Hölle spedirte und wiederum mit „keinem bösen Wunsche gegen irgend ein menschliche» Wesen" von der Welt Abschied nahm, offenbarte sich zum letzten Male der erbärmliche, in seinen Plänen getäuschte Aemterjäger, der sich in eine Art Heiligenextase hmeinzuarbeiten versucht, der aber, wenn er Gott anrufen will, nur Lästerungen ver nehmen läßt und dessen ganzes Reden und Thun gerade bei seinem letzten Gange erkennen läßt, daß seine Frömmigkeit nur eme geheuchelte und daß dieser Mensch, der unmittelbar vor seinem Tode mit klagendem, jammerndem Tone ein „Einfalt und religiöses Kinderschwatz" (simplicitv or rslizious bab^ tullc) betiteltes abgeschmackte» Lied singt, weder den Glauben an die erhabenen Lehren des Christen- thum», noch den Glauben an die von ihm angerufene göttliche Wiedervergeltung jemals gekannt hat. Sein Ende war daS eines Heuchlers. Dieser Ueberzeugung giebt auch der überwiegende Theil der nordamerlkanischen Presse Ausdruck, und beinahe sämmiliche Blätter äußern sich Mit Befriedi gung darüber, daß dieser Mensch, dessen Leben ein Schandfleck für die Nation war, nunmehr beseitigt und nicht mehr der Gegenstand des Gesprächs ist. „Es brauchte genau ein Jahr", sagt die „New-Uorker StaatSzeitung" in einem „Galgenbetrachtungen" überschriebenen Artikel, „vom Tage des Attentats auf Präsident Garfield an gerechnet, um den Mörder an den Galgen zu bringen. Der abscheuliche Act ist über standen, und je weniger künftig über diese Episode der AttentatSgeschlchte gesprochen und geschrieben wird, desto besser wird es sein. Die Hinrichtung war das Werk eine» unwiderstehlichen Drucks der öffentlichen Mei nung, die mit allen juristischen, moralischen und po litischen Bedenken sehr kurzen Proceß machte. Auch über nachträgliche Ermittelungen betreffs abnormer physischer Beschaffenheit de» Mörders würde man sich mit derselben Leichtigkeit hinwegsetzen. Die scheußliche moralische Beschaffenheit Guiteau'S genügt dem ameri kanischen Volke zu einer allgemeinen Anwendung der „Reptiltheorie" auf diesen Fall, und eS ist wahrschein lich nur Wenigen dabei eingesallen, daß sie dadurch die sonst dieses Volk noch ziemlich allgemein beherrschenden religiösen Anschauungen im Stich lassen. Also — das Reptil »st vernichtet, und man ist nicht mehr genöthtgt, sich mit seinem bestialischen Dasein zu beschäftigen. Diese» Bewußtsein war am Jahrestage deS Atten tate» für die Meisten eine Quelle der Erleichte rung. Wenn doch die öffentliche Meinung sich, wie über jenen Punkt, über einen andern mit derselben Einmüthigkeit und Kraft geäußert hätte: wir meinen die Lehren de» Attentats! Diejenigen, welche für die politische Entwicklung der Union offene Augen haben, konnten vom ersten Augenblick an über den Zusammen hang de» Attentat» mit dem am tiefsten sitzenden Uebel diese» Landes — dem Mißbrauch deS öffentlichen Dienste- zur Erhaltung der politischen Maschinen — nicht im Zweifel sein, und die amerikanische Presse hat sich auch, wenngleich großentheilS mit einigem Widerstreben, in die Anerkennung der sich daraus er gebenden Lehren gefunden. E» blieb im Allgemeinen der ausländischen, namentlich der deutschländischen Presse überlassen, daS Attentat als einen Act der Rache der Corruptionisten an einem Reformator zu deuten. „Du schläfst nicht, mein lieber Sohn; hast Du gegessen?" „Ein wenig", log der Angeredete. „Ich habe hier die Medicm, Du wirst gleich einen Löffel voll nehmen und dann ein Schläfchen machen. Nein, richte Dich nicht ganz empor, Franz; der Ver band möchte sich verschieben, so — komm so — da» genüqt." Sie goß hier einen Löffel voll Arznei, schob ihre linke Hand sanft unter seinen Kopf, so daß ihm ein seltsamer Gefühl durch den ganzen Körper ging, hob ihm fanft den Kopf ein wenig empor und führte den Löffel an seine Lippen. Als er die Medicin genommen, nahm Frau »x Leuteritz auf seinen Wunsch da- Präsentirbret von der Bettdecke herunter und ging langsam au» dem Zimmer. Draußen »m Vorzimmer schien Franziska die Mutter erwartet zu haben. „O, Mama", hörte er sie sagen, „ich wußte gar nicht, daß man einen Bruder so sehr, so sehr lieb haben könne, ich hatte Franz sonst nie so lieb." „Du warst noch zu klein damals, als er nach Amerika g»ng. Die Bettlade, in der Franz v. Leuteritz lag, gab in diesem Momente einen ächzenden Ton von sich und gleich darauf wühlte Franz den brennend heißen Kopf tief, tief in die Kissen. — Nach einer halben Stunde war soviel Ruhe über ihn gekommen, daß er in der That etwas eingeschlum mert war, nicht fest, etwa so, wie wenn ihn em spinn- webenrr Flor vom Wachen trenne. Ein Einlullen, wo sich die Gedanken und Gefühle von unS eine Hier ging e» nicht an, die Thatsache wegleugnen zu wollen, daß der Kampf der republikanischen Fractionen nur ein Kampf um die Beute und daß da« Attentat der Act eines durch unbefriedigte Aemtergirr bi» zur Raserei erbitterten und größtentheil» durch sein Treiben als Politiker und unter den Politikern moralisch total verkommenen SubjectS war. Man hätte sich vor einem Jahre eine« argen Pessimismus schuldig zu machen ge glaubt, wenn man daran gezweifelt hätte, daß diese» Atten tat im amerikanischen Volke die Erkenntniß wachrufen werde: e» müfse dem Beutesystem energisch zu Leibe gehen, und daß die Lehren deS Attentat» zunächst von Den jenigen werden beherzigt werden, die vor Allen berufen waren, die betreffende Reform anzubahnen. Und doch hat man in Jahresfrist finden müssen, daß das amerikanische Volk durchaus keinen allgemeinen „neuen AuSgang", wie hier die Phrase lautet, in dieser Frage bewirkt, und daß die politische Entwickelung sich im Großen und Ganzen kaum gebessert hat, einzelne Fälle von Besserung vielmehr vollständig durch Fälle von Ver schlechterung ausgewogen werden; und daß insbesondere die Politiker, welche durch die „Hinwegräumung' Garfield'- zur Macht gelangten, sich durch keinerlei GewissenSscrupel abhalten ließen, von ihrer Macht denselben Gebrauch zu machen, den man von ihnen hätte erwarten können, fall« sie im natürlichen Ver lauf der Dinge an- Ruder gelangt wären. Der Trost, welcher dem amerikanischen Volke erwachsen wäre, wenn die daS Andenken an Garfield trübenden Miß bräuche seiner Administration unter der Amt-Verwal tung seine- Nachfolger- weggefallen wären, ist uns von diesem Nachfolger vollständig geraubt worden, und jede Hoffnung, daß er durch die erfchütternden Umstände über da- Niveau de» Drahtzieher- und BeutepolitikerS, aus dem er bi» dahin gestanden, sich werde emporziehen lassen, ist längst geschwunden. Hr. Arthur giebt zur Stunde an politischem EyniSmuS dem Scheusal, da- ihn zum Präsidenten gemacht, kaum etwa- nach, und die „Hinwegräumung" Gar field'» hat in der That Das bewirkt, was Guiteau alS seine Mission bezeichnet hat, nämlich den Stal^ wart- die Ausbeutung der Patronage zur Be herrschung der republikanischen Partei und deS Lande- zu ermöglichen. Hr. Arthur und die Stal- wartS haben kein Bedenken gettagen, die Früchte der That Guiteau'S rücksichtslos für sich einzuheimsen. Da» amerikanische Volk läßt aber diese» Treiben an scheinend gleichgiltig über sich ergehen, und nicht» ver- räth eine große Bewegung, welche die Entlüftung über jene» Treiben mit sich bringen sollte. Wo soll man sich nun gegen da» Deprimirende solcher Ersahrungen Trost holen? Wenn die vor dem Mord mcht mehr zurückscheuende Aemtergier dem Volke derart in ihrer ganzen Scheußlichkeit vor Augen gerückt wird, Aemter jäger wie Aemterverleiher e» aber nach wie vor treiben und das Volk sie nach wie vor gewähren läßt, wird da der Pessimismus hinsichtlich der Zukunft diese» Landes nicht vollberechtigt? E» hält in der That sehr schwer, unter solchen Umständen im Glauben an diese Zukunft nicht wankend zu werden. Die Opti misten sind freilich auch in dieser Situation um einen Trost nicht verlegen, und wir möchten ihnen denselben um Alle» in der Welt nicht rauben. Sie leiten gerade daraus, daß durch da» Attentat und nach dem Atten tat sich nicht» geändert hat, außer, daß e» ein anderer Mann ist, der zu Gunsten einer andern Faction „ar beitet", einen Beweis für die Unerschütterlichkeit unserer glorreichen Institutionen ab. In jedem andern Lande und unter jedem andern politischen System hätte ein solches Ereigniß, wie die Ermordung deS RegierungS- obe» Haupte», politische und sociale Erschütterungen der gefährlichsten Art mit sich bringen müssen. Bei un» ging Alle» seinen gewohnten Gang; e- wurde nichts schlechter, und dadurch muß man sich vollständig ent- Strecke hinwegschleichen, als wollten sie unS ein wenig von der Ferne betrachten, um husch, husch wieder bei unS zu sein, wenn der eigene Athem den dünnen Flor zerreißt, und wir erwachen. Die Rosen blickten zum Fenster herein, sich kosend an einander festhaltend und lachten ihn au»; er schämte sich. Die große Standuhr in der Ecke kam dort her vorgewackelt, mit ticklackendem Schritte und ging vor seinem Bette auf und ab, tick, tack — bald leise, dann wieder stärker, wie ein hagerer Pastor im hölzernen HauSrocke, der seine Sonntagspredigt aus dem Eon- cepte memorirt. Und jetzt fiel er plötzlich hinab in den unergründ lichen Krater mächtiger Träume und er vergaß e», sich vor den Rosen zu schämen, hörte nicht mehr den ticktackenden Schritt vor seinem Bette, und befand sich im Nu im wilden Getümmel einer blutigen Schlacht — er mußte sich flüchten — eine Rotte schwarzer Kerle verfolgte ihn — er wollte sich über einen Hau fen Leichen hmwegstürzen, da krachte hinter ihm ein Schuß und er stürzte nieder. — Auf ein Mal erhob sich eine Leiche neben ihm, mit einer klaffenden Wunde in der Stirn. ES war Franz v. Leuteritz. „Sei ihr ein Sohn, Kamerad, ein besserer Sohn als ich e» war, — wie gefällt D»r Deine Schwester?" Er sah ihn an und wurde roth, er fühlte im Traum, wie sich sein Herz aufbäumte. „Sei meiner Mutter gut, sei ihr ein Sohn, sie ist eS werth", hörte er ihn sagen und dann fiel er wieder auf die Stirn und schien so todt zu sein, wie alle Andern. „Ich bin ihr gut", rief er der Leiche zu, und in diesem Augenblicke fuhr ihm etwa» über die Stirn, leise und sauft — er erwachte. (F«tsi»uug soi,t)