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Beilage zu <64 des Dresdner J-NNtals. Dienstag, den 18. Juli 1882. -, Zur ägyptischen Frage. Wie der Telegraph aus Konstantinopel meldet, haben infolge de» am 15. Juli Vormittag» gefaßten Beschlusse» der Lonserenz die Botschafter Nach mittag» der Pforte eine identische Note überreicht, in welcher dieselbe eingeladen wird, in Aegypten militärisch zu interveniren, um den »tat», guo aufrecht zu halten und der Anarchie ein Ende zu machen. Zu diesem Zwecke empfiehlt die Note der Pforte, sich mit den Vertretern der Mächte zu ver einigen, um die Bedingungen und die Begrenzung der Intervention zu regeln. Sollte der Sultan daS Jn- terventionSmandat der Mächte au»schlagen, dann wird die Eonferenz eine gemischte Intervention beschließen. Ueber die eventuelle Theilnahme der Mächte an dieser Intervention ist, wie die „N. fr. Pr." erfährt, bl» jetzt noch nicht» Nähere- bestimmt worden. Man nimmt an, daß entweder England, oder Frankreich diesbezügliche Vorschläge machen werden, insbesondere England, weil diese Macht ihre Bereitwilligkeit, zu inter- veniren, angeboten und zugleich angedeutet habe, daß sie die Mitwirkung einer oder mehrerer Mächte bei der Intervention in Aegypten für wünschenSwerth httte. In Alexandrien ist daS Feuer in der Abnahme begriffen, dauert aber noch fort; e» find fast nur noch Ruinen vorhanden. Die Straßen find bereit» ohne EScorte pasfirbar. ES gelingt den englischen Seeleuten, mit der erbetenen und gewährten Unterstützung der anderen fremdländischen Schiffsmannschaften, allmählich wieder die Ordnung herzustellen und in Sicherheit zu bringen, was gerettet ist. Mit Ausnahme der öster reichischen und griechischen Schiffe haben nämlich die Schiffe aller übrigen Nationalitäten Mannschaften ge landet. 125 amerikanische Mattosen stellen das zer schossene Consulat wieder her. Zum Schutze des Hospitals sind auch deutsche Mattosen gelandet. Man wird sich an die Mittheilung erinnern, wonach 10 deutsche Diakonissen den heroischen Entschluß gefaßt hatten, trotz der allgemeinen Panique und der drohenden Gefahren auf ihrem Posten in Alexandrien zu ver harren. Ueber das Schicksal dieser Deutschen melden die neuesten Londoner Blätter Folgende»: Etwa 80 deutsche Flüchtlinge einschließlich der barmherzigen Schwestern und des Personals des deutschen Hospital» mußten sich, da sich in der Nähe des Hospitals Truppen befinden und dasselbe von dem Feuer der Gatling- kanonen bedroht ist, mit den Kranken einschiffen und wurden von 25 Mann des „Habicht" durch die bren nende Stadt nach diesem Schiffe eScortirt, an dessen Bord sie sich in Sicherheit befinden; drei Viertel der Flüchtlinge sind Frauen. Die Verluste an Eigenthum durch Brand und Plünderung sind ungeheure. Die Zahl der ermordeten Ehristen wird verschieden ange geben, von 200 bi» 2000; nach einem Londoner Tele gramm der „Köln. Ztg." wäre die Zahl der christ lichen Opfer auf 500 herabgesunken. Bei solchen SchreckenSscenen liegen Uebertteibungen immer sehr nahe. Am 15. d. Abend» wurden alle englischen Marinesoldaten und Matrosen zusammenbeordert, weil man einen Versuch Arabi BeyS, in die Stadt zu ge langen, erwartete. Am 16. d. früh 3 Uhr fand ein Kampf außerhalb de» Thore» Moharrem Bey Statt; über den Umfang und daS Resultat desselben ver lautet nicht». Starkes Gewehrfeuer wurde nicht ver nommen. Die Gerüchte von einem Angriff Arabi BeyS in der Nacht vom 15. zum 16. d. haben bi» jetzt noch keine Bestätigung gefunden. Der Khedive hat in einem D« crete die Auflösung der ägyptischen Armee ausge sprochen, und diese» Decret findet bei den in Alex andrien zurückgebliebenen Truppen bereitwillige Folge. Doch auch der Anhang Arabi BeyS lichtet sich stark durch Desertion. Die meisten der in Kairo zurückgebliebenen Euro päer, unter denen sehr viele Italiener waren, haben sich mit der Bahn nach Suez geflüchtet; der Polizri- director von Kairo hat sie von Polizisten nach dem Bahnhofe begleiten lassen. Der Gouverneur der Eita delle in Kairo, Ali Jussuf Bey, ist ein treuer Anhänger de» Khedive. Au» Suez vom 16. d. wird gemeldet, der Be fehlshaber de» englischen Kriegsschiffe» „Iris" habe den ägyptischen Kriegsschiffen befohlen, bl» auf Weite re» Suez nicht zu verlassen. E» heißt, der ägyptische Befehlshaber habe seine Schiffe durch den Canal bringen wollen. Bis heute früh ist kein Versuch ge macht worden, die Schifffahrt auf dem Lanal zu hin dern. Die Gerüchte von der angeblichen Plünderung von Kauffahrern sind unbegründet. Die' Capitäne werden nicht mehr vor der Einfahrt in den Lanal ge warnt, doch werden alle Schiffe zuvor genau untersucht. Dresdner Uachrichter» vom 17. Juli. U Der in den Tagen vom 16. bi» mit 18. Juli in der Residenz- und Hauptstadt Sachsen» zu Wahr nehmung wichtiger Berufsinleressen zusammengetretrne II. deutsche Glasertag hatte eine große Anzahl von Gewerbsgenossen aus allen Gauen des deutschen Vater landes vereinigt. Die hiesige Glaserinnung, welcher als Ortsausschuß die Arrangement» zugefallen waren, ließ jedem der erschienenen Theilnehmer zur sichern Orien- tirung und gleichzeitigen Legitimation ein geschmackvoll auSgestattete» „Programm und Führer" überreichen und hatte für die bereit» am Sonnabend eingetroffenen Mitglieder und Gäste auf dem tönigl. Belvedere der Brühl'schen Terrasse einen mit Loncertgenuß verbun denen Commer» veranstaltet, welcher sich allgemeinen Beifall» zu erstellen hatte. Sonntag von Vormittag» H10 Uhr an fanden sich die Longreßtheilnehmer in dem auf der Ostraallee befindlichen AuSstellungSgebäude der Gartenbaugesellschaft „Flora" ein, besten Halle in zweckentsprechender Weise durch Pflanzendecoration und Flaggen- und Wappenschmuck in einen freundlich an- - muthendeu BerathungLsaal umgewandelt worden war. Die im gleichen Raume uutergebrachte Ausstellung von Erzeugnissen de» Glasergewerde», welche die beiden Längsseiten der Halle einnuhm, hatte n cht den Lharak« ter einer Landesausstellung, wie anfangs von verschie denen Seiten gewünscht worden war, trug vielmehr ein rein locale- Gepräge und machte gerade infolge der maßvollen Begrenzung und harmonischen Ab schließung einen alle Besucher befriedigenden Eindruck Unter den Anwesenden befand sich auch Hr. Oberbürger meister Or. Stübel, welcher unter Führung de» Orts ausschusses seiner Freude über die Vortrfflichkeit der ausgestellten Gegenstände wiederholt Ausdruck gab. Von den Ausstellern, welche der hiesigen Innung an gehörten, seien der Anzayl, Giöße und Neuheit der durchweg gediegenen Arbeitserzeugnisse wegen hier be sonders genannt die Firmen Ferdinand Hillmann L Söhne (Spiegel in geschmackvollen Einfassungen), Ge brüder Liebert (Fenster von KathedralglaS in Blei fassung), Herm. Mehnert (vollständige Zimmeraus stattung von Spiegel, Bilderrahmen und Fenster in Bleifassung), Sahre L Tümmler (geätzte und geschliffene Fenstergläser, Spiegel und Glasbuchftaben), C. Weiß (patentirtes Kastenfenster mit praktischer Ventilations- Vorrichtung), Hugo Bähr (Bleiverglasungen mit schöner Glasmalerei), Otto Ritschel u. Ä. (ansprechende Blei- verglasungen), Ed. Wetzlich (Spiegel in verschiedenen Fassungen). Dresdner Industrielle anderer Branchen hatten noch Diamante, Kitte, Farben, Firnisse, Werk zeuge, Beschläge, Jalousien rc. ausgelegt. Namens der Dresdner Innung begrüßte der Vorstand Hr. Oskar Liebert die zahlreiche Versammlung mit dem Wunsche, daß die bevorstehenden Verhandlungen einen weitern erfreulichen Schritt zu dem angestrebten Ziele führen mögen, und schloß mit einem beifällig aufgenommenen Hoch auf den zweiten deutschen Glasertag. Der Nach mittag wurde programmgemäß einem ÄuSfluge nach Meißen zum Besuche der ÄlbrechtSburg und des Domes gewidmet. — Bis zum Schluß der Präsenzliste hatten sich 202 Theilnehmer eingefunden und außer Dresden und den sächsischen Städten, wie Leipzig, Chemnitz, Zwickau, Kamenz, Schandau, Großenhain, Hohenstein, Zittau, Stollberg, Radeberg, Döbeln, Plauen i. B. waren noch Altenburg, Görlitz, Breslau, Dessau, Magdeburg, Halle, Berlin, Hamburg, Freden, Nürn berg und München vertreten. Zur Vertheilung ge langte das vom Verlagsbuchhändler Alexander Duncker- Leipzig herausgegebene Organ der Glasennnungen „Der Diamant". Die Verhandlungen wurden heute Vor mittags 10 Uhr vom Vorsitzenden des Vorstandes, Hrn. C. H Koch-Hamburg, mit einer h.rzlichen Be grüßung der Erschienenen eröffnet. Hr. Liebert be willkommnete die Versammlung namens der Dresdner Berufs- und Jnnung^genossen. Das Bureau besteht aus den Herren C. H. Koch, Sturm, Rapke, sämmtlich aus Hamburg, Limprecht-Breslau, DierckS-SchleSwig, Hering-Leipzig, Jüttner-Berlin, Krüger-Stettin und O. Liebert-Dresden. Seiten der städtischen Behörde hatte sich Hr. Bürgermeister geh. Justizrath l)r. Rüger emgrfunden, welcher namens des Vorstands von Jüttner-Berlin mit einem Hoch begrüßt wurde. Hr. Bürgermeister Vr. Rüger dankte in beifällig auf genommener Rede für den ihm als Vertreter der Stadt gewcrdenen sympathischen Empfang und mit dem Wunsche eines gedeihlichen Ergebnisse» der Berathungen. Dem vom Vorsitzenden erstatteten 1881/82er Jahresberichte ist zu entnehmen, daß bereits 10 Provinzialverbände für 1) Hamburg- Altona, 2) Schleswig-Holstein, 3) Königreich Sachsen, 4) thüringer Fürstenthümer, 5) Großherzogthümer Mecklenburg-Schwerin und Strelltz, 6) Provinzen Schlesien, 7) Pommern, 8) Brandenburg, 9) Rhein hessen und 10) Hannover mit 647 Mitgliedern be stehen. Die Delegirten, Herren O. Liebert-DreSden, Limprecht-BreSlau, Jüttner-Berlin, Kunze-Altenburg, Tatze - Hannover, erstatteten sodann Bericht über die Bildung von Proviuzialverbänden in ihren Heimaths- bezirken. Insbesondere betonte Hr. Liebert-Dresden die Nothwendigkeit, bei Begründung neuer Verbände aus die neue JnnungSgesetzgebung Rücksicht zu nehmen. Der sich anschließenden Beralhung über die Statuten für den deutschen Glaserverband war ein Hamburger Entwurf zu Grunde gelegt, welchen der Referent Lie- bert-DreSden als „provisorische Satzungen" bezeichnet. Delegirter Mehnert-DreSden wünschte nach Genehmi gung dieser einer länger» Debatte unterzogenen Be stimmungen die Niedersetzung einer Commision mit der Aufgabe, sobald als möglich ein definitiv gütiges Verbandsstatut festzustellen. Der deutsche Glaserver band bezweckt nach diesem provisorischen Statut in der Hauptsache die Vertretung der den verschiedenen Pro vinzialverbänden gemeinsamen Interessen durch einen neungliedrigen, auf die Dauer von 2 Jahren gewähl ten Vorstand. Während der Verhandlungen gingen BegrüßungStelegramme aus Hamburg, Wiesbaden, Rostock und Fürth ein. Der Nachmittag war einem Besuche des zoologischen und Großen Gartens ge widmet, und der Abend vereinigt die Festgenossen bei frohem Male in dem Locale der „Flora". Die Aus stellung, welche SehenswertheS bietet, wird auch nach Schluß des bis morgen dauernden CongresseS am Mittwoch und Donnerstag geöffnet bleiben. keruulchies. * Der Proceß gegen die vor einiger Zeit in Metz festgenommene Spielergesellschaft ist am 13. d. in Saarbrücken vor der Strafkammer zur Verhandlung gekommen. Die 3 Angeklagten haben eine Spieler bande gebildet, welche es hauptsächlich auf Offiziere abgesehen hatte und die es verstand, ihren Opfern sehr bedeutende Summen abzunehmen. Auch in Saar brücken hatten diese Gauner 2 Tage lang ihr Wesen getrieben und reiche Ernte gehalten. Leider forderte ihre Anwesenheit auch ein Menschenleben. Ein junger, allgemein geachteter und beliebter Offizier, welcher sich mit den Spielern eingelassen hatte, hatte sich am 14. Februar eine Kugel in den Kopf gejagt. Angeklagt deS gewerbsmäßigen HazardspielS und der Bestechung sind Samuel Philipp Fuchs, 68 Jahre alt, früher OptckuS und Kaufmann, Bürger zu Wien, zuletzt in Dresden wohnhaft, geboren zu Möppen in Holland, J-raelit, Heinemann, 43 Jahre alt, Chemiker aus Kassel, ferner Ferd. Eug. Varadin, etwa 35 Jahre alt, aus Großwardein in Ungarn. Der erste der Be schuldigten ist bereits 7 oder 8 Mal wegen Hazard- spiel» mit Geld und Gefängniß bestraft worden; letztere Strafe wurde bi» jetzt noch stet- auf dem Gnaden wege in Geldstrafe verwandelt. Der zweite Beschul digte ist ebenfalls mehrere Male bestraft; dem dritten ist eine Bestrafung bis jetzt nicht nachgewiesen worden. Die 3 Angeklagten haben bereits an vielen Orten Hazardspiele mit Anderen getrieben. Fuchs will nicht wissen, wie viel der Lieutenant, welcher sich entleibt, verloren, e- ist aber ein von demselben au- gestellter Schuldschein über 26000 M. gefunden worden. Ein anderer Offizier verlor 6000M., ein dritter 20000M. Ueber das Zeu/zenverhör berichtet man der „Post", daß dasselbe keinen Zweifel darüber ließ, wie die An geklagten gewerbsmäßig daS Glücksspiel betrieben. In den Städten, wohin sie kamen, logirten sie sich gewöhnlich in den ersten Gasthöfen ein. Womöglich wurden mehrere Zimmer nebst Salon gemiethet und dort Roulette und Makao eingerichtet. Karten und sonstige Utensilien wurden mitgeführt. An bekannte Offiziere und junge, wohlhabende Leute wurden Ein ladungen gerichtet zu erscheinen und ihre Kameraden mitzubringen, und da- Spiel konnte dann beginnen. So war eS in Saarbrücken, so in Köln und Düssel dorf. 2 Zeugen bekundeten, daß sie recht bedeutende Summen an den Spielabenden auf dem Tische sahen, ca. 20000 M. Alle 3 Angeklagten hatten sich an dem Spiel betheiligt. Erwähnt sei noch, daß dem Fuchs bei seiner Verhaftung 22000 M. und eine Büchse mit seltenen Münzen, Heinemann 810 M. und Varady 1273 M. und 1100 FrcS. abgenommen worden sind. In den Koffern fand man auch die Spiel apparate, Karten, sowie 2 Kartenbeschneidemaschinen vor. Al- Experte wird ein früherer Croupier auS Wiesbaden vernommen. Derselbe findet indeß an den bei den Spielern vorgefundenen Apparaten und Karten nichts Ungewöhnliche-, namentlich keine Vorrichtungen zum Falschspiel. Der Staat-anwalt hält daS gemein gefährliche Treiben der 3 Angeklagten für voll ständig erwiesen, ebenso daß solche» den Tod eine» braven Offizier» verursacht habe. Das nach kurzer Be- rathung verkündete Urtheil stellt sest, daß an der gewerbsmäßigen gemeinsamen Ausübung des Glücks spiel» in gewinnsüchtiger Absicht durch die drei An geklagten nicht zu zweifeln sei, und daß die Be stechungsversuche des Heinemann durch glaubhafte Zeugen erwiesen worden. Bei Ausmessung der Strafe sei der gemeingefährliche Charakter deS heimlichen HazardspielS zu berücksichtigen, wobei gerade der Um stand, daß meist mit Offizieren gespielt wurde, nicht als Milderung»-, sondern als Erschwerungsgrund an zusehen sei, weil vermöge ihrer Stellung gerade die Offiziere Spielverpflichtungen bi» zum Aeußersten ge recht werden müssen, wa» bei Civilpersonen nicht der Fall sei. Ferner sei evident, daß der Tod de» Lieu tenant» v. R. den Spieloperationen der Angeklagten zuzuschreiben sei. Fuchs war am Tode-tag bei R, dieser sah keine Rettung und entleibte sich. Straf erschwerend gegen Fuchs und Heinemann seien endlich deren Vorstrafen, während der unbestrafte Varady milder zu behandeln sei. Demnach verhängt da» Ur theil über die Angeklagten folgende Strafen: 1) gegen Fuchs 2 Jahre Gefängniß und 6000 M. Geldbuße, eventuell noch 1 Jahr Gefängniß und 2 Jahre Ehr verlust; 2) gegen Heinemann 1 Jahr Gefängniß und 2 Jahre Ehrverlust; 3) gegen Varady 6 Monate Ge fängniß, außerdem wird die ConfiScation der Spiel apparate, Karten rc., nicht aber der bei Fuchs be schlagnahmten 22 000 M. ausgesprochen, und den Verurtheilten die Kosten solidarisch zur Last gelegt, mit Ausnahme der Kosten für die Metzer Zeugen, welche Heinemann allein zu tragen hat. * Wie der „Bersagliere" meldet, sand am 12. d. in Siena ein Erdbeben Statt. Die Bewohner der genannten Stadt wurden um 2 Uhr Nachmittags durch zwei heftige Erdstöße aufgeschreckt, welchen in kurzer Zeit andere minder heftige Stöße folgten. Die Bevölkerung flüchtete aus den Häusern und sammelte sich erschreckt auf den öffentlichen Plätzen an. Die Stadt hat jedoch bisher kein Schaden getroffen, und es ist auch kein Verlust an Menschenleben zu be klagen. * AuS Tunis vom 16. d. meldet der Telegraph: Zwischen Goulette und Marsa hat ein Zusammenstoß von Eisenbahnzügen stattgefunden, bei welchem 27 Personen verletzt worden sind, darunter der deutsche Viceconsul und ein Sohn Ali BeyS. Statistik und Volkswirthschaft. 8. Dresden, 17. Juli. An der heutigen Dresdner Fonds börse wurden die StammpriorilätSactien der Actien- bierbrauerri zum Feldschlößchen zum Lourse von 7b eingeführt. 88 Dresden, 17. Juli Aus dem heute abgehaltenen Schlachtviehmarkte waren 3SS Rinder, b7S Land- und 14L Ungarschweine, in Summa mithin 718 Schweine, desgleichen 8K7 Hammel und 177 Kälber ausgetrieben. Die anhaltende Wärme während der verflogenen Woche, gleichwie der Beginn der großen Ferien beeinflußten Geschäftsgang aus daS Ungün stigste und würde sich das ohnehin belanglose Resultat noch wesentlich schlechter gestellt haben, hätten nicht mehrere aus wärtige Exporteure größere Suskäuse bewirkt Rinder wurden zu vorwöchigen Preisen nur ungern gekauft und Primawaare pro Lentner Schlachtgewicht mit 66 bis 6S M.. Mittelsorte mit 64 bis b7 M, geringe Qualität mit 30 M bezahlt Hammel reichten auS, und das Paar englischer Lämmer im Gewichte zu KO kx Fleisch galt 66 M , da- der Landhammel in derselben Schwere 62 bis 64 M., Bracken 30 M Schweine erweckten nur geringe Kauflust, so daß die Zahl der Ueberstände trotz des geringen Austriebes eine ganz bedeutende war und die Händler io eine ca. bprocentigePreisredüction willigen mußten Land schweine englischer Kreuzung galten pro Lentner Fleisch bb bi» b7 M, Schlesier bl bis 64 M. Mecklenburger sehlten. O-- wiciner wurden bei 40 Psd Tara mit b4 M, Bakonier, von denen in der Hauptsache nur serbische vertreten waren, bei der nämlichen Tara mit b8 bis 60 M. pro Lentner lebende» Ge wicht notirt. Sanz schleppend verlies der Kälberhandel trotz lebhasten Angebote» feiten der Händler, so daß viele derselben aus Noth gezwungen ihre Waare selbst schlachten und verpsun- keu mußten. Nur für ganz gute Waare wurden pro Kilo Fleisch SO Pf. bewilligt, während geringere Qualität gern mit 6b Ps. abgegeben wurde. VariS, 16. Juli. AuS Bordeaux und der ganzen Gironde, aus den beiden Lharentet, den Gegenden von Orleans und Tour- sind sehr ungünstige Nachrichten über den Stand der Reben eingelausen; allenthalben hat der Regen die Aus sichten aus einen guten Herbst vernichte: Im Süden, um Lette, Pezrna», Narbonoe, sowie in der Auvergne steht der Weinstock bester, doch wird im Ganzen die französische Lrnle unter dem Durchschnitt bleiben. In der Gegend von Tour- Hat sich gleichzeitig auch die Phylloxera eingestellt, von welcher da» Departement Indre-et-Loire bisher verschont geblieben war. Die au- Italien und Spanien hier eingegangrnen Berichte sind günstiger und lasten eine gute Mittelernte »»hoffen. Lt. Petersburg, iS. Juli (Tel.) Nach den heute ver öffentlichten Berichten über den Stand der Saaten ver spricht da« Sommergetreide saft durchweg einen befriedigend»« Ertrag. Eleichsalls einen befriedigenden und guten Ertrag verspricht auch da- Wintergetreide im ganzen Reiche mit Au»- nähme de- Mittlern Theile» des schwarzen Erdedistricts und einiger Gouvernements des Mittlern Wolgagebiets und L»u> tralrußlandS. ^illgtsandtes. ** Stecken die Schwindfüchtigen ihre Um gebung an? Seitdem Koch in den Lungen von Schwindsüchtigen und in deren AuSwurf Bacillen ge funden und nachgewiesen hat daß diese auf gesunde Thiere geimpft, in diesen die Tuberculoje erzeugen: feitdem hat sich die Ansicht im Publicum verbreitet, daß die Schwindsüchtigen in ihrem Verkehr auch ge sunde Menschen anstecken können. Diese Ansicht wurde wesentlich befördert durch Artikel von Aerzten, welche die Koch'schen Arbeiten wohl schwerlich richtig beunheilt haben. Keiner von ihnen hat nachgewiesen, da doch keinem Lungenkranken diese Krankheit eingeimpft worden ist, wie «st der Koch'sche Bacillus denn in den Menschen gekommen und im Menschen geblieben? Die Annahme, die dem Laien so geläufig ist, durch die Athemlust, dürfte kaum stichhaltig sein. Denn der Mensch hat in den Luftröhren Vorrichtungen (Flimmerepilhel), welche Schleim und Eindringlinge in die Lunge wieder herauibefördern. Jeder Mensch kann dies an der Färbung seine» Auswurfs studiren, wenn er sich in einer staubigen Atmosphäre aushält; der SchleimauS- wurf ist grau und mit den Staubpartikelchen gemacht. Warum sollten die Bacillen.eine Ausnahme machen. Der Mitentdecker der Bacillen, Professor Baumgarten in Königsberg, sagt selbst: „Und wenn bei der Tuber- culose die eventuelle Uebertragung des Contagium» durch die AthmungSluft aus naheliegenden Gründen in Betracht kommt, so ist es doch nicht nur nicht be wiesen, sondern sogar sehr unwahrscheinlich, daß durch die Hustenstöße der Phthisiker die Theilchen deS fixen Contaglums derart in der Atmosphäre v.rtheilt werden, daß sie mit der Leichtigkeit von Staubtheilchen direkt in die Lungen der in der nächsten Umgebung solcher Kranker lebenden Personen hinemdrmgen können." Hiermit stimmen auch die Experimente überein, die Toppeiner, der größte Verfechter der Ansteckung, schon vor der Koch - Baumgarten'schen Entdeckung ängestellt hatte. Er ließ eine stark schwindsüchtige und viel ex- pectorirende Patientin zwei in einem Kasten befindliche Kaninchen sechzig Tage lang täglich anhusten, um zu sehen, ob die Phthisiker infektiöse feine Theilchen in die Luft schleudern und dadurch die Krankheit, also durch Ansteckung weiter verbreiten. Aber die Thiere, die an sich große Neigung haben, schwind'üchtig zu werden, erwiesen sich bei der Sektion als vollständig gesund. Die Anhänger der Jnsection-lehre schlossen daraus, die Ansteckung müsse also dadurch geschehen, das tuder« culoS-infectiöse Theilchen auf die Fußböden, Taschen tücher rc. kommen, hier hasten, emtrocknen, zu Pulver gerieben als Staub und mit dem Staube in die Lun gen anderer Menschen gelangen und die Menschen krank machen. Auf den ersten Blick scheint eS schwer, auch diese Erwartung als irrig zu beweisen. Denn er ist un möglich zu beweisen, was ein Mensch vorher in der Lust etwa eingeathmel habe So viel steht aber doch fest, daß, wenn die Auswurfsstoffe der Schwindsüchti gen, im frischen Zustande oder emg-trockuet, zu Staub gerieben rc. schon unter den gewöhnlichen Verhältnissen, wie sie daS Zusammenleben der Menschen mit sich bringen, eine Gefahr für die Mei schen bedingen, daß diese Gefahr um so größer werden mußte, je mehr Schwindsüchtige sich irgend wo aushalten rc., daß also in so höherm Grade die Umgebung durch diese Jn- fection leiden und an Schwindsucht erkranken müsse. Daß aber auch dies nicht geschieht, hat Brehmer in einem Vortrage bewiesen, den er im December auf dem schlesischen Bädertage über die Immunität der Gebirgsbewohner von Schwindsucht hielt. Dieser Forscher wies damals nach, daß in unserer Breite schon bei 550 Meter dieselbe Immunität von Lungenschwindsucht herrscht, wie in der Schweiz erst bei einer Erhebung von 1500—1600 Meter, nämlich jährlich 0,34. Er gründete diesen Beweis auf eine 100jährige SterblichkeitSstatistik 1780 —1880 Zer legte er nun diese Statistik in zwei Theile, in die Zeit von Errichtung seiner Heilanstalt für Lungen kranke und in die nach deren Errichtung, d. h. also in der Zeit von 1780—1854 und von 1854—1880, so erhielt er folgende ResuUate: In der Zeit von 1780 bis 1854 starben an Lun genschwindsucht jährlich 0,41 oder von 1000 Einwoh nern 0,2o. In der Zeit von 1854 bis 1880, in welcher Zeit mehr al» 10000 Schwindsüchtige Gölb-rSdorf besucht haben, starben von den Einwohnern nur 0,18 järlich oder auf 1000 O,os. Die Sterblichkeit der Einwohner an Schwindiucht lst also eine bedeutend geringere geworden, seitdem 10000 Schwindsüchtige mit ihren AuSwursstoffen dort verkehrt haben. Diese Thatsache wird hoffentlich mit zur Beruhi gung der ängstlichen Gemüther beitragen. Sie steht ebenso fest, wie die Koch'sche Entdeckung der Bacillen und dessen Jmpfoersuche, aber in der Medicin ent scheidet die klinische Beobachtung, und die scheint nach Obigem so sehr wenig für Uebertragung der Schwind sucht auf d»e Umgebung zu sprechen. Man kann auch die auffallend geringe Sterblichkeit an Schwindsucht in Görbcr-dorf nicht etwa damit erklären, daß durch die Heilanstalt des l)r Brehmer etwa die Wohlhaben heit und damit die hygienischen Verhältnisse besser ge worden sind. Denn die allgemeine Sterblichkeit betrug in beiden Zeitabschnitten 10,o? und 10,or, im letzter» also sogar etwa» mehr, al» in dem erstern.