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Dresdner Journal : 21.06.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188206215
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820621
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820621
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-06
- Tag 1882-06-21
-
Monat
1882-06
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 21.06.1882
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141 Mittwoch, den 21. Juni. 1882. ^doaoewvatsprvt» r Iw 8-^--» <»ut«ek«» L»i«d»: ^Ldrlicl»7 .... 18 tlkrlc. ^)Lt»rIielt: 4 II»rIl bv kk^ ^umw«r»: 10 kk Lo«»«rd»Id 6e» 6sut»ckeo lisictis« tritt?o»t- uoä 8t6mpslru»eül»8 üinru. Inserateopretsor kür äs» I»uw einer gespaltenen ketitrvil« 20 kk. vnter „Linge,avät" äis 2eile SV ?k. 2«i l'KbsUso- un6 2i§erns»tr bO Fnk»etü»g. NresdnerAmmial. loseratenannatiaie »n^^-rtsr I-slxrig: H Branstetter, CowmüiionLr äs» Dresäoer Journals; »Rwdorg LsrUs -Vlss - l^iprig 8»»,I vr«»I»u knuitkart ». U : //aasen«kein <1- I^uA/er/ 8,rlm Vi«n N^ndurg- vr»z I-rjpiig krLNklart ». H. Hüoed«»: //u6 M,««,' LsrUo: /nra/i</en</an^ - Srsmsa: />e?»/atte,' 8r««l»a: /, Stangen'» //urkau /i'abatk),' kr»vkkvrt » A.; F? ^aeAer'scks tjucktiao6Iuvg; üdrUti: //. .Vatter,' L»nnov«r: 0. //c/iu^/er, k»rt, L«rUü-Vr»LktLrl » II 8rnNg»rk: Daube F t/o., s-undnrg: F6. Lteiner. Lrsedelaen r »it Xusoakms 6er 8onn- ur>6 keiertags Fdeo6» für 6eo kotgen6en 'Hg. Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichten. Berlin, Dienstag, 2V. Juni, Bormittags, (Tel. d. Dresdn. Journ.) Fürst Bismarck ist heute früh ^9 Uhr nach Larzia abgereist. Berlin, Dienstag, 2V. Juni, Nachmittags. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die aus Kiel resp. Danzig gegebene Nachricht über eine gegen den Oberste»»- mann Neilivg schwebende Untersuchung wegen Landesverraths ist richtig. Nach den bisher be kannten Resultaten der Untersuchung hat indeß die Größe des BerrathS nach keiner Richtung die Bedeutung, welche demselben in jener Nachricht beigemeffen wird. (Diese Richtigstellung bezieht sich auf die nach stehende Mittheilung Berliner Blätter, deren Repro- duction vor anderweiter Bestätigung unS nicht ange- zeigt erschien: „Ein bei der Admiralität commandirter Obersteuermann hat der russischen Regierung für 150000 Rubel Copien unseres ganzen Küstenverthei- digungSsystemS und Flottensignalwesens vrrrathen und wichtige Enthüllungen über daS Torpedo- und Minen wesen gemacht. Er ist der russischen Sprache voll kommen mächtig. Der Obersteuermaun ist bereits verhaftet. Es herrscht ungeheure Entrüstung in Ma rinekreisen. ") Wien, Montag, IS. Juni, Abends. (W. T. B.) Die türkische Mission, bestehend auS dem Adjutanten deS Sultans, DrigalSky Pascha, und dem SecretLr deS Sultans. Kiazim Bey, welche Sr. Majestät dem Kaiser Wilhelm fünf araber Hengste alS Geschenk deS SultanS überbringt, ist heute Nachmittag hier eingetroffen und wird mor gen die Reise nach Berlin fortsetzen. London, Montag, lv. Juni, Abend». (W- T. B.) In der heutigen Sitzung deS Unterbaust» erklärte der UnterstaatSsecretär Dilke, die deutsche Regierung habe den Borschlag betreffs der Eon- ferenz gestern, Oesterreich Ungarn heute auge- uommrn. Rußland habe demselben vor einiger Zeit zugestimmt; Italien habe bereits früher er klärt, eS werde dem Beispiele der anderen Mächte folgen. Somit sei jetzt die Covferevz von allen Mächten angenommen. Dem Lordmayor ist ein Telegramm deS eng lischen EonsulatSarztes in Alexandrien zugegangen, worin mitgrtheilt wird, daß Tausende von christ- Uchen Familien unter Zurücklassung ihrer gesamm- ten Habe aus Aegypten flüchteten, und worin dem Lordmayor die Organifirung eines Hilfsfonds zur Unterstützung der Nothleidendeu aller Nationen vorgrschlagen wird. DaS Telegramm ist vom Lordmayor mit dem Bemerken veröffentlicht wor den, daß eS Sache der englischen Bevölkerung sei, sich über die zu ergreifenden Maßnahmen auS- zusprechen. Die gerichtliche Verhandlung gegen den wegen der beschlagnahmten Waffenvorräthe verhafteten Irländer Thomas Walsh ist heute auf 8 Tage vertagt worden. Der Antrag auf Freilassung desselben gegen Caution wurde vom Richter ab- gelehnt. (Bgl. die „TageSgeschlchte".) London, Montag, 19. Juni. (Tel. d. N. fr. Pr.) In Anbetracht deS UmstandeS, daß in Aegypten keine Insurrektion gegen den Suzerain existirt, verweigerte der türkische Mivisterrath die Ab sendung von Truppen nach Aegypten. Konstantinopel, DienStag, 20. Juni. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Eine von Derwisch Pascha an die Pforte gerichtete Depesche bezeichnet die Zu- Feuilleton. stedigirt von Otto Baues. Aegypten» „heilige Stadt". Ein Zeitbild zur politischen Situation. (Schluß zu Rr. 14S.) Bedawih wird einmal von allen Muhamedanern al» Krieg-Heiliger verehrt, dann aber gilt er noch be sonder» bei den Arabern als Genius der Fruchtbar keit und des unsterblichen, ewig sich wiedergebärenden Lebens. Zu ihm fleht der Krieger in der Schlacht ebenso gut, wie der arme Fellache um eine reiche Ernte, wie nicht minder daS kinderlose Eheweib um Kinder segen. Alle kinderlosen Ehefrauen wallfahren daher nach Tantah, rutschen auf den Knien über die Teppiche und Matten der Moschee, um inbrünstig da» Gitter zu küssen, welches das Sanktuarium umschließt, in dem der heilige Mantel liegt. Hat aber eine Frau nicht mindestens stundenlang vor dem Heiligthum in from mer Verzückung ihre Andacht verrichtet, dann bleiben ihre Gebete erfolglos, denn Bedawih ist ein strenger Heiliger und befiehlt schwere Opfer. Jeder orthodoxe Aegypter muß mindesten» aller zwei, jeder Arader wenigsten» aller fünf Jahre einmal nach Tantah pilgern. Der Glanzpunkt de» Feste» findet an den letzten Abenden Statt. Wir ritten durch die Zeltestadt und jede Straße strahlte in einem wahren Feuermeer. Grohe Glaskronen, Papierlampen, bunte Ballon», stände in Aegypten al» sehr befriedigend. Arabi Bey gehorche pünktlich den Anordnungen de» Khedive. Alexandrien, Dien»tag, 20. Juni. (Tel. d. Dresdn Journ.) „Reuter's Office" zufolge ist hier da» Gerücht verbreitet, daß der Polizei- präfert, welcher der Urheberschaft de» jüngsten Blutbade» verdächtigt war, plötzlich gestorben sei. Ragheb Pascha, Raschid Pascha und Arabi Bey find von Kairo hier eingetroffen und haben dem Khedive und Derwisch Pascha die Neubildung des Cabinets angezeigt. Die Namen der Mi nister find noch nicht bekannt. Die französischen und griechischen Kriegsschiffe nehmen die Flüchtlinge aller Nationalitäten auf. Der englische Consul Cookson rieth allen eng lischen Staatsangehörigen, Aegypten zu verlassen. DaS Consulat schätzt die Zahl derselben auf 300. Dresden, 20. Juni. DaS Schicksal der russischen Ostseeprovinzen erscheint heute in mancher Beziehung als ein zweifel haftes. Eine für diefe Provinzen wichtige Aen- derung wird allgemein in der von der russischen Regierung angeordneten Senatorenrevision erblickt, lieber die Bedeutung dieser Maßregel äußert sich eine, die Lage der russischen Ostseeprovinzen behandelnde Eorrespondenz der „Kölnischen Zeitung", welche insbesondere auch darum sehr lehrreich für uns ist, weil sie über die Stellung des deutschen Adels in jenen Provinzen, sowie über die Verdienste, welche sich derselbe um die Cultur jener Länder erworben hat, viele wichtige Aufschlüsse giebt. Es giebt ja allerlei Leute in Deutschland, heißt eS in jenem Artikel, welche in einem vorsündfluthlichen Liberalismus befangen, weit lieber hören, daß Provinzen, in denen „Barone" viel zu sagen haben, in elendem Zustande sich befinden, als daß ein altes deutsches EolonisationSgebiet unter der Leitung des deutschen Adels zu schöner Blüthe gelangt fei. Und das ist zum Aerger dieser unschuldsvollen Politiker nun hier in den Ostseeprovinzen der Fall. Ich fordere Jeden, dem eS ernstlich darum zu thun ist, die Wahrheit kennen zu lernen, auf, sich persönlich in diese Provinzen zu be geben. Er wird finden, daß hier all' jene verschiedenen Bedingungen des Volkslebens sich finden, auf denen sich gesunde und lebensvolle Zufriedenheit aufzubauen pflegt. DaS Land »st mäßig bevölkert, eS mangelt noch nicht an Raum zu landwirthschaftlicher Aus breitung; eS besitzt wenig Industrie und daher keines der Leiden, welche mit dem industriellen Wesen ver bunden sind. Soweit die Verwaltung und Justiz in den Händen der deutschen Stände liegen, werden sie mit Gewissenhaftigkeit und besonders mit ausgezeich neter Redlichkeit, Unbestechlichkeit, Ehrenhaftigkeit ge handhabt. DaS Unterrichtswesen ist musterhaft. Ein mittlerer Wohlstand ist allgemein verbreitet; eS giebt wenig große Vermögen und sehr wenig Bettler. Die Arbeitslöhne sind hoch, erheblich höher als in Preußen oder dem benachbarten Polen, von Rußland nicht zu reden. Die Entwicklung der ländlichen Verhältnisse nimmt einen guten Verlauf; jährlich wächst der bäuer liche Grundbesitz durch freien Kauf. Ueber die Hälfte der ehemaligen Pächter ist in etwa 20 Jahren zu Eigenthümern geworden. Capital und Intelligenz steigen in wunderbarer Weise beim Landvolk. Die etwa 1H Millionen Letten und Esthen sind vorzüg liche Ackerbauer und haben überall ihre guten Schulen. Sie haben ihre 16 oder mehr Zeitungen und fast jeder Hofb iuer liest und hält deren wenigstens eine. Die Ab gaben laufen regelmäßig ein, die Wege sind vortrefflich. Die öffentlichen Lasten werden von den Ständen in gerechter Bertheilung getragen. Der Adel besteuert sich wohlriechende und seltsam gestaltete Kerzen, Laternen in Form von Thieren, Blumen und Gewächsen brann ten in und vor den Zelten und beleuchteten das wilde zügellose Treiben der Messe auf der einen, wie auf der andern Seite die reichen Schätze, welche die tür kischen, persischen und armenischen Kaufleute zum Kaufe auSgelegt hatten. Die vielfarbigen Eostüme bewegten sich durcheinander, Käufer und Verkäufer in allen nur denkbaren Trachten, in allen existtrenden Racen, in allen Farben, in welche die Natur ein Menschengesicht getüncht. Hier erfreut sich daS Auge deS Besuchers an dem abwechSlungsvollsten Bilde, wie eS sich nur selten entrollen mag. Wie im mannichfaltigen Spiele deS Kaleidoskops geben hier die durcheinander gewür felten Völker deS Orients und vieler Europas ein Schauspiel, welches den ganzen Reiz eines MaSken- festeS mit der Gediegenheit der Wirklichkeit verbindet und zu den interessantesten Vergleichen auffordert. Der betäubende Lärm, der allen orientalischen Märkten eigen ist, gellt verhundertfacht hier wieder und erhöht den Reiz dieser Gewühles und Pompes. Was an europäischen uud orientalischen Manufakturen, an Wolle, Seide, Leder, an Waffen, Schmuckgegenstänten, an Teppichen, Stickereien, an Eisenwaaren, Gesäßen, an Glasperlen, bunten Zeugen u. s. w. in geschmack vollen und malerischen Gruppirungen in den Buden und Zelten auSgebreitet liegt, grenzt an das Unglaub licht. Dazu kommt noch ein Vieh-, Gemüse- und Sclavenmarkt. Innerhalb dreier Tage wurden ver kauft 20000 Kameele, 40000 Pferde, 60000 Eskl, 20000 Schafe. Für ein Kameel wurden im Durch schnitt 800 Frei, gezahlt, für ein Pferd 20 bis 100 englische Pfund. Bei Goldwaaren belief sich der Um zu Gunsten deS gemeinen Wesens in erheblichem Maße, während diese Provinzen zu Gunsten deS ReichSschotzeS höher besteuert sind, als irgend eine andere Provinz des Reiche-, sollen die Lasten für die Provinzialbe- dürsnlsse in unverhältnißmäßig hohem Maße auf den privaten Besitz, besonders auf den Großgrundbesitz. Die Summe, welche durch Selbstbesteuerung des Groß grundbesitzes zu provinziellen Zwecken ausgebracht wird, beträgt etwa drei Mal so viel als die ReichSsteuern. Und dabei trägt der private Großgrundbesitz drei Viertel dieser Provinziallasten, während die Domänen, welche in Kurland ein Drittel, in Livland ein Viertel bis ein Fünftel des gesammten Landes ausmachen, nur ein Viertel deS Steuersatzes tragen, mit anderen Worten: der private Grundbesitz zahlt vom Haken Landes in Livland 80 Rubel, der domaniale nur 20 Rubel. Ein großer Theil dec im übrigen Reiche durch theure- und schlechtes Beamtenthum ausgeführten Arbeiten der Re gierung wird hier ohne Kosten deS StaateS in gewissen hafter Weise von Adel und Bürger auf eigene Kosten geleistet. Keine Provinz Rußlands ist so billig und zugleich so gut verwaltet, als diese Provinzen, und die einzige, welche ihnen gleichkommt, ist Finnland mit seiner glücklichen Selbstständigkeit. Daß dieses Land in solch blühendem Zustande sich befindet, ist nun einfach das Verdienst des dortigen deutschen Adels und Bürger-. Dieser Umstand aber ist nicht bloS den zurückgebliebenen Spielarten des Li beralismus in Deutschland, sondern ebenso dem Slawen thum ein Greuel, welches gegenwärtig in Rußland die Gewalt bat. Die national-russische Presse, unterstützt von der Regierung, hat seit Jahren darauf hingrardeitet, die Verhältnisse in den Ostseeprovinzen zu verwirren und zu entstellen, und sie hat dieses Ziel erreicht; nämlich diese Verhältnisse als höchst traurige Folgen der Mißwirthschaft der deutschen Barone erscheinen zu lassen. Die jahrelangen Verdächtigungen trieben diese Barone endlich selbst zu dem Wunsche, daß der Kaiser die Lage durch eine Vertrauensperson klarlegen möge. Der Kaiser aber ordnete nun die Senatorenrevision an. Nach langen Vorbereitungen ging Senator Ma- naffeln nach Riga ab, um die Provinzen Livland und Esthland in allen und jeden Beziehungen zu unter suchen. Dort hatten die seit vielen Jahren thättgen Treibereien gegen Besitz und Deutschthum inzwischen sich ebenfalls vorbereitet. Zu Tausenden waren Auf rufe an daS Landvolk ergangen, um Bittschriften an den Senator gelangen ,u lassen und Abordnungen zu schicken. Einerlei, warum gebeten wurde, wenn nur möglichst viel Bedürfnisse, Mißvergnügen, Mißwirth- schäft und Deutschenhaß dem Revidenten konnte vor gelegt werden. Kaum war er angekommen, so begann die tägliche Belagerung. Hundertfach wurde gefordert Verdrängung der Deutschen aus Justiz und Verwal tung, Russificirung der Volksschule, Bertheilung deS Landes an die Bauern esthischer und lettischer Natio nalität. Diese Bitten gingen durch die Hände der Unterbeamten de- Senator-, deren so manche erklärte Feinde der Deutschen sind. Darunter sind deutsche Renegaten, darunter ist der lettische Advocat, welcher soeben den lettischen Agitator und russischen Offizier Aisup vertheidigt und in seiner VertheidigungSrede vor dem russischen Militärgericht erklärt hat, daß alle Deutschen in den Provinzen des HochverratHS ver dächtig seien und bei einem Kriege mit Deutschland von den Letten schleunigst müßten unschädlich gemacht werden. Natürlich kann man in den Provinzen wenig Vertrauen haben zu einer Revision, die von solchen Händen auSgesührt wird. Der Verdacht liegt zu nahe, daß es dabei wenig darauf abgesehen ist, die Wahrheit aufzudecken, vielmehr darauf, etwas nicht Vorhandenes oder Gewünschtes dort zu finden, nämlich einen for mellen Grund, um die Führung der Provinzen den deutschen Händen zu entreißen. Was die Folgen einer satz auf 5 Mill. Frcs., bei Leinenwaaren, Teppichen, Stickereien und gewebten Stoffen auf 8 Mill. FrcS., bei Waffen auf eine halbe Million u. s. w. Der Sclavenmarkt war früher öffentlich und wurde draußen in der Zeltestadt abgehalten, jetzt findet er im Geheimen und im Centrum von Tantah Statt. Es ist ja bekanntermaßen in ganz Aegypten kein Ge- heimniß, daß der Sklavenhandel, obschon er nominell von Ismail Pascha abgeschafft wurde, in Wirklichkeit noch in demselben Umfange wie früher weiter existirt. Dieselben Gouverneure, B-yS und Präfekten, die ganz speciell beauftragt sind, diesem scheußlichen Gewerbe entgegenzuarbeiten, kaufen sich als die Ersten hübsche Sklavinnen oder brauchbare Hausdiener, sobald die Transport auS Oberägypten nach Siout und Kairo gelangen. Im Frühjahr 1881 war zwar auch Graf Sala, der österreichische Generalkonsul, aus Kairo in Tantah anwesend, um den Verkauf ui.d Kauf deS „Menschen- fleischeS" zu inhibiren, aber man hat ihm keck die schönsten Nasen gedreht. Etwa 1500 Sklaven und Sclavinnen sollen verkauft worden sein. Die Preise für daS einzelne Individuum oariiren sehr; am besten werden Kinder bezahlt, weil diefe am leichtesten sich ihrem Hausherrn zugewöhnen und selten Verlangen zeigen, in ihr Vaterland zu entfliehen, daS sie in vielen Fällen gar nicht einmal kennen, da sie schon in zar tester Jugend geraubt worden sind. Für erwachsene und männliche Sklaven werden in Tantah durchschnitt- schnittlich pro Kopf 1000 FrcS. gezahlt. In Tantah selbst besuchte ich eine europäische Familie, in der der Hausherr sich zwei hübsche schwarze Sclavinnen hielt. Tantah genießt aber noch eines andern traurigen Ruhmes. ES ist nämlich die Stadt, wo der Muha- llersnsgvdvrr Lvoigl. Lipe6ition 6e« Dresdner lournat^ Dresäeo, AvivgerstraE Ho. 20. solchen Umwälzung sein werden, darauf kommt es wenig an: mag daS blühende Land deSorganisirl, mag eS verwüstet werden — wenn nur die Deutschen mit untergehen. Und zugleich gilt eS, die unteren VolkS- klassen durch die Hoffnung aus Beute an Land, Gut, Macht gegen die oberen deutschen Klaffen so weit auf zustacheln, daß im gegebenen Augenblick sie ebenso gegen dieselben loSgelaffen werden können, wie ehedem die Lithauer gegen die Polen. Aber welchen Grund haben diese deutschen Stände etwa gegeben zu Miß trauen oder Unzufriedenheit? Keinen, und nochmals keinen! Eine Deutung dieser Mission läßt sich auch auS dem vom Zaren bestätigten Gutachten des ReichS- ratdS ziehen, welches die russische Sprache in die „Wehr- pfllchtScommissionen" der Provinzen einsührt. Das Ge schäft der Recrutenaushebung und sonstige Leitung der Militärlasten ist bisher unter Mitwirkung von Beamten des MilitärressortS in den Händen der deutsch-ritterschast- lichen Beamten. Diese verstehen im Allgemeinen kein Russisch. Nun soll die Geschäftsführung m jenen Be hörden nicht mehr deutsch, sondern russisch sein, also die deutschen Beamten verdrängt werden durch Russen, oder die Deutschen genöthigt werden, sich ungebildeten Uebersetzern anzuvertrauen. Dieser Erlaß ist bezeich nend für die Absichten der Regierung. DaS Deutsche wird in diesen Behörden durch Russisch, Lettisch und Esthnisch verdrängt und eS ist wahrscheinlich, daß das selbe Geschick auf andere Zweige der Provinzialver waltung wird ausgedehnt werden. WaS die Ursache davon ist, daß mau eS für nöthig hält, eine gute und geschulte, billige und redliche Verwaltung durch russi sches Beamtenthum zu ersetzen, kann man in der rus sischen Presse lesen: es ist. die Besorgniß, daß Deutsch land bei einem Kriege in jenen Provinzen Fuß sassen werde. Daher die tägliche Verdächtigung einer bisher stets loyalen Bevölkerung, daher daS Bestreben, alle Deutschen zu Hochverräthern zu stempeln, um sie da nach ungefährlich machen zu können. Lieber eine Wüste, als Provinzen, wo Deutsche die Führung haben! Lieber die schreiendste Ungerechtigkeit, als an zunehmen, daß die deutschen Barone loyale Untertha- nen bleiben könnten! Offen wird dem Bauer gepredigt, eS komme nun der Augenblick, wo er nur zugreifen dürfe, um den Besitz Aller, die von deutschem Stamme sind, an sich zu bringen. Wenn einer dieser Gutsbe sitzer die Bauern fragt, ob sie eS denn für recht hiel ten, daß er beraubt werde, so bekommt er saft immer zur Antwort: „Nun, Sie, Herr, wird ja Niemand be rauben; nur von den Andern wird man das Land nehmen " Die persönliche Achtung ist eben noch zu stark; aber die Ach tung vor fremdem Recht, das RechiSbewußtsein ist bereit- tief erschüttert durch diese jahrelange Predigt von der Rechtlosigkeit der Deutschen. VolkSblätter, welche dazu von der Regierung unterstützt werden, verbreiten diese Lehre seit Jahren, russische Beamte und Sendlinge bearbeiten das Volk in demselben Sinne: eS ist ein Wunder, daß die Ordnung bisher noch aufrecht steht, und nur erklärlich durch die Gewohnheit de- Recht» und der Ordnung, durch die Wohlfahrt, welche dort herrscht. Aber Alles hat sein Maß, und geht eS so fort, so wird die Habsucht doch endlich über daS RechtS- gesühl siegen. Daher ist diese Senatorenrevision viel leicht entscheidend für das Land. Verfährt man dabei billig, gerecht; will man die Wahrheit ergründen und die Wohlfahrt der Provinzen bauen ohne Rücksicht auf nationale und äußere politische Erwägungen — dann haben die Provinzen nicht- zu fürchten. Hat man den Senator hingeschickt, um die Entwickelung von 7 Jahrhunderten dort gewaltsam niederzubrechen, dann — ist es dort aus, nicht bloS mit Recht und Gerechtigkeit, mit Deutschthum und Ordnung, sondern mit der Cultur. Der Lebensnerv deS Landes wird getödtet. Es handelt sich jetzt für die Ostseeprovinzen um Leben und Sterben! medaner sich ungenirt der größten Ausschweifung hingeben kann. Kein Ort der Welt ist hinsichtlich der Sittengeschichte mit Tantah zu vergleichen. Fasse Alle- zusammen, Leser, so sagt ein deutscher Schriftsteller, der vor 15 Jahren den Orient bereiste, was sich von den Extravaganzen und sündhaften Orgien eines Bel sazar erdenken läßt, nimm aber dazu all die unver schämteste öffentliche Schmach Babylons in seiner gan zen Versunkenheit und verlege da- Alle- nach Tantah, denn hier haben sich die frivolsten Feste deS alten Aegyptens, Babylons, die Schamlosigkeit der Feste von SaiS, bei denen Herodot seine Feder niederlegte, in ihrer ganzen Brutalität erhalten. Im arabischen Volksliede wird Tantah in über schwenglicher Weise besungen: O Tantah — Du hei liger Ort —Du bevorzugte Stadt unter den Städten — Du liebliche Stätte, auf welcher der Fuß de» hei ligen Seyyid wandelte — DeS Lieblings des Propheten Du Ort der Lustbarkeit, Du Perle deS Paradiese- — Deine Nächte bezaubern den Gläubigen, Deine Tänze- rinnen entzücken sein fromme» Gemüth — Deine Freu den versetzen ihn in den siebenten Himmel — O Tantah, o Nächte des Entzückens! Ein ebenso schändliche- Raffinement wie in den Hallen der AlmeeS, die diesen Markl zu Tausenden beziehen, herrscht in den Spielhöllen. Zu Hunderten trifft man diese von Griechen unv Levantinern gehal tenen Spielbuden an. Dazw schen produciren sich Schlangevbändiger, Feuerfresjer, Gaukler,Zauberkünstler, Wunderthäter, Wahrsagerinnen u. f. w. Alle die fah renden Künstler erzielen brillante Geschäfte und aller dings muß ich gestehen, daß selbst sechs- bis achtjährige
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