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Dresdner Journal : 16.06.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188206163
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820616
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820616
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-06
- Tag 1882-06-16
-
Monat
1882-06
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 16.06.1882
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^137. Freitag, den 16 Juni 1882. Xdoovowentoproso: lw ck,ut,«L,» Uoiev« i ^Lbrlicb: .... 1- -tartl. 4 U»etc K0 ks. Linrelo« Kuwworv: 10kt. ^a»»«riLLlk 6e» cteuttcken k«icl»s» tritt?o»t- uoU Ltswpvtruoobl!«^- binru. tuseratenprvtvv r kür a«n Rnum einer ^ppultenen pstitteils 20 ?f. Unter „Liv^se-encit" äio 2eils S0 kk. Lei UbeUeo- unä 2iffsrn»»tr SO Aukocbtvx. Ii^ekeinev: l^lict» mit Auvonkw« 6er 8ovn- unä keiertt^a . Xdsnlie kür <iso kolbevtien Nes-nerZom nal. Verantwortliche Nedaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Ia»er»teo»nai»kme »ue^Nrte: I.«!p»ix: n. Lraextstetter, ComwieeiooLr äoo DreeUner ^ourvnl»; Kowdor, Lerlia-Viea - l-oipei, N»»»I Nr,»I»n rroodlvrt ». U.: //a<l«rn«tein ct ^c»A/er, NorUn-Vt-o llomdor,- ?r»8 - - kr»ll>it«rt e. vl.-Nvord»»: Ako«e,' L-rlm: /ni ai>ae,lcia»i ,' Nromsa: Lc/Uotte,' Lroilon: ÄariAen's Lurea« Aabat/«),' krovilkort » X : L ^aeAer'oeke NuctitlLnälunß; ÜLrUii: kr. .Vtt/trr,' Sonoover: 0. Kckün/er, kort, Norlin rroovtort » H 8tnN,»rt: Dnui-e 6,0., Kowdor,: Aci. Linner. Ilvr»lli,xvdvrr Lüoiei Lrpeäition 6e« Vre»aovr ^ournnt», Dreeävo, ^vioxerotraoov Ho. SV. Amtlicher Llieil. Dresden, 10. Juni. Se. Majestät der König haben dem Kirchschullehrer eurer. Julius Hermann Tögel von Lockwitz da« AlbrechtSkreuz Allergnädigst zu verleihen geruht. Dresden, 13. Juni. Se. Majestät der König haben dem Ort»r,chter Carl Gottfried Frenzel in Etzdorf da« allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen Allergnädigst geruht. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Bahnhofsmspector Wil helm Winter in Leipzig das von Ihren Durch lauchten den Fürsten zur Lippe und zu Schaumburg- Lippe ihm verliehene Ehrenkreuz III. Classe de« Fürst lich Lippischen HauSordenS annehme und trage. Se. Majestät der König haben auf den Vortrag der ill Lvungeliois beauftragten Staatsminister den von Letzteren zum juristischen Hilfsarbeiter bei tum evangelisch - lutherischen Landesconsistorium ernannten, bisherigen Reg erungsassessor Otto Adolf von Brück den Titel und Rang eines Consistorialrathes in der IV. Klasse der Hofrangordnung Allergnädigst zu ver leihen geruht. Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichten. Berlin, Donnerstag, IS. Juni. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die Strafkammer deS Landge richt« II hat den ReichStagSabgeordneten Prof. I)r. Mommsen von der Anklage der BiSmarck- belridigung freigesprochen. Wien, Mittwoch, 14. Juni, AbendS. (W. T. B.) Kürst Alexander von Bulgarien ist heute Abend auS Darmstadt hier eingetroffen und in der Hofburg abgestiegrn. Die Kaiserin ist heute Abend nach Arldaffing abgereist. Wien, Donnerstag, 15. Juni. (Tel. d.DreSdn. Journ) Dem „Kremdrnblatte" zufolge wurde die Fregatte „Laudon" beordert, unverzüglich nach Alexandrien abzugehen. Wien, Mittwoch, 14. Juni. (Tel.d.Boh.) Die nach Alexandrien gesandte österreichische Panzer- fregatte „Laudon" hat die Instruction, sich unter allen Umständen auf de» Schutz der österreichisch ungarischen Unterthanen zu beschränken. Nachrichten auS Alexandrien berichten von großer Aufregung der Bevölkerung und besagen, daß eine Ausschiffung von Truppen nicht ohne Widerstand und Blutvergießen ablaufen würde. Sonnabend treffen in Triest mit dem Lloyd- dampfer, der wegen großen ZudrangeS von Alexan drien einen Tag früher abfuhr, über 1060 Flücht linge rin. D»e Lloyddirection sandte heute die beiden großen Dampfer „Achille" und „Minerva" mit voller Maschinenkraft nach Alexandrien zur weitern Aufnahme von Flüchtigen ab. Die französische Messagerie entsandte dahin 7 Dampfer. Marseille, Mittwoch, 14. Juni. (W. T. B.) DaS Mittelmeergeschwader erwartet im Hafen von Toulon den letzten Befehl zum Abdampfen. DaS Transportschiff „Sarthe" ist heute gegen Mittag mit Truppen und Proviantvorräthen in der Rich tung auf Alexandrien in Ser gegangen. Der Dampfer „Corrdze" wird ebenfalls zum Truppen transport ausgerüstet. Loudon, Mittwoch, 14. Juni, AbendS. (Tel. d. Boh.) Die Fenier drohten, den Cardinal Erzbischof von Dublin zu ermorden. Die Regierung traf Maßregeln zu dessen Schutze. Feuilleton. Nedigirt von Otto Banck. Eine Audienz beim Khedive Tevfik. (Schluß zu Nr. iss.) Da mir der Khedive da- Wort gelassen, so theilte ich ,hm die Motive unt, die mich bewogen, die Er- laubmß einer Audienz nachzusuchen. Eine Cigarette rauchend, hörte er mich ruhig an. Er erfuhr nun mehr auS meinem Munde meine kurz zuvor erfolgte Ankunft in Aegypten, sowie den einen der Beweg gründe, die mich zu dieser Reise veranlaßt. Bei mei ner flüchtigen Visite der Hauptptätze Aegypten« wollte ich nämlich auch m Ersahrung bringen, ob am Nil noch Raum für eine gewisse Klasse deutscher Einwan derer, wenn auch natürlich nur in beschränktem Maße, vorhanden sei. Ich wie« in meinen Ausführungen, die ich in französischer Sprache geben mußte, besonder- auf die zahlreichen deutschen jüngeren Kausleute, Tech niker, Ingenieure und strebsamen Handwerker hin, denen im alten Baterlande so oft die Mittel zur eige nen Etablirung fehlen und die vielfach, trotz tüchtiger Kenntnisse, durch die Ungunst der Zeiten mehr und mehr zu blosen Lohnarbeitern degradirt werden. Al ich die Uebervölkerung Deutschlands betonte, nickte mir der Khedive beipflichtend zu und entgegnete in einem fließenden und remen Französisch etwa Folgende» auf meine Worte: „Ich habe wiederholt von der regen Auiwande- rung-lust der Deutschen Kenntniß genommen. Wir haben ja auch zwei deutsche Colouieu hier im Lande, London, Donnerstag, 15. Juni. (Tel. d. Dresdn Journ.) Wie die „TimeS" au« Alexan drien melden, ersuchten der Khedive und Derwisch Pascha die Pforte gemeinschaftlich, 18 <»00 türkische Truppen nach Aegypten zu senden. ES haben 450 Verhaftungen stattgefunden und eS wird be absichtigt, eine internationale Commission zur Ab- urtheilung der Theilnehmer an den jüngsten Ruhe störungen niederzusetzen. St. Petersburg, Mittwoch, 14.Juni, AbendS. (W. T. B.) Nach dem neuesten Bulletin über da« Befinden der Kaiserin war die vergangene Nacht etwas unruhig infolge deS nervösen Zustande-; Puls und Temperatur normal, Appetit vorhanden. Der Zustand deS KindeS ist ein ausgezeichneter. Konstantinopel, Mittwoch, 14. Juni. (Dl. d Dresdn. Journ.) Der Sultan drückte dem Lord Dufferin sein Bedauern au« wegen der bei den Unruhen in Alexandrien zum Opfer gefallenen Engländer. Der Ministerrath ist seit gestern wegen der ägyptischen Frage im Kaiserpalast versammelt. Bisher wurde jedoch keinerlei Entschluß gefaßt. Auf der Admiralität und im Arsenal werden je doch Vorbereitungen für jede Eventualität getroffen. Kairo, Mittwoch, 14. Juni. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die Panik nimmt zu. Der allgemeine Kortzug dauert fort. Mehrere Bankinstitute wur- den geschloffen, ebenso da« Bureau der europäi schen Kinanzcontroleure; Colvin hat sich gestern nach Alexandrien begeben, Bredif reist AbendS dahin ab, alle ihre Beamten find in Urlaub ge gangen. Voraussichtlich werden alle Burraux der ägyptischen Verwaltung, auch die Staat«- schuldenkaffe nach Alexandrien verlegt. ES heißt, der französische diplomatische Agent habe um seine Abberufung gebeten und heute einer Versammlung französischer Staatsangehöriger erklärt, er müsse ablebnen, dir Verantwortung für ihre Sicherheit zu übernehmen. Alexandrien, Mittwoch, 14. Juni. (W.T.B.) Der Gouverneur von Alexandrien erklärte in einer Proklamation an die Bevölkerung, die Ankunft de« Khedive und Derwisch Pascha« sei eine Bürg schaft für die Aufrechterhaltung der Ordnung, und die Bürger dürften mit Vertrauen ihre Geschäfte wieder aufnehmen. Eine türkische Fregatte ist außerhalb de« Ha fen« signalifirr worden. Bei dem Empfange der Patriarchen, de« diplo matischen Corp«, der Beamten und europäischen Notabilitäten richtete der Khedive Worte der Be ruhigung an die Versammelten und sagte, die Stadt sei in vier Quartiere eingrtheilt, von denen jede« eine starke Garnison habe. ES sei kein Grund zu der Befürchtung vorhanden, daß die Unruhen sich erneuern würden. Dresden, 15. Juni. DaS Cabinet Freycinet hat in den letzten Ta gen mehrere, eine nähere Beleuchtung verdienende Nie derlagen erlitten. Der BudgetauSfchuß vertagte die EntfchädigungSfrage wegen der in Saida mißhandelten spanischen Colonisten auf unbestimmte Zeit; die Kam mer votirte sodann am 10. gegen den Willen des JustizministerL die Ausdehnung de» Lirkungskreise- der Schwurgerichte auf zuchtpolizeiliche Angelegenheiten, sowie Absetzbarkeit und Wählbarkeit der Rich ter. Letzteres ist ein für das gesammte Leben bedeut samer Beschluß. Der Justizminister Humbert, der, gleich den übrigen Mitgliedern deS CabmetS, einer praktischen, den dringenden Bedürfnissen des Augen die zu Alexandrien und Kairo. Aber in Aegypten ist die Bevölkerung eine zu dichte, als daß man den Deutschen rathen könnte, sich hier niederzulassen. Neun Zehntel unseres Lande«*) sind Wüste und nur ein Zehntel ertragsfähiger Acker. JSmail Pascha, mein Vater, versuchte 1867 eine deutsche Ackerbauansiedelung bei Kafr-esch-Scheich-Selim ins Leben zu rufen. Er versprach, das Land den deutschen Landsleuten zu schenken und er ließ ihnen etwa 1200 Feddan (3 Feddan — 1 Hektar) durch Regierungsbeamte ab messen. Die Felder waren steuerfrei und für die Colonisten der Boden der denkbar beste, denn er lag im Lande Benha-el-Asl (im Honigbienengarten). Aber e- kamen nur Handwerker, die sich niederlasfen wollten und keine Ackerbauer. So gelangte da- Projekt nicht zur Ausführung. Deutsche Ackerbauer müssen nach Nordamerika und Brasilien gehen. Im Kataster zu Kairo sind viele deutsche Geometer und Ingenieure. Man findet unter ihnen pflichttreue und äußerst eifrige Leute. Stets wird der Aegypter den intelligenten Deutschen, Franzosen und Engländern große Dankbar keit bewahren, denn er hat von diesen europäischen Nationen Jahre lang lernen können. Jetzt haben wir selber vorzügliche Fachschulen und der Eingeborene wird mehr und mehr den fremden Nationen vollkom men ebenbürtig. Der Deutsche muß eben dahin gehen, *) Dit Sesammtheit de» cultivirbaren Lande« in Aegypten, d. h. im eigentlichen Aegypten, also bi« Assuan auswärt« ge rechnet, wird aus nur «soQuadratmnlen genoßt wovon noch etwa '/, brach liegen sollen — withrend der FlLcheninyalt de» ganzen Lande« gegen bboo bi« «ooo Quadratmeilrn beträgt, w daß also ungesähr neun Zehntel Wüste und nur rin Zehntel für den Ackerbau geeignet«» Land find. blicks entsprechenden Reform durchaus nicht abgeneigt ist, trat den höchst gefährlichen Neuerungen des Ent wurf« mit aller Entschiedenheit entgegen. Zunächst, führte er auS, fei darauf hinzuwirken, daß das Perso nal der Gerichtshöfe, sowie die Zahl der Klassen be schränkt werde, daß die Magistralspersonen im Allge meinen besser besoldet werden, als bisher, und daß die Unabsetzbarkeit für eine Frist von 3 Monaten aufge hoben werde, damit die den bestehenden Einrichtungen offenkundig feindlichen Richter während dieser Zeit all dem Amte entfernt werden könnten. Gegen die defini tive Aufhebung der Unabsitzbarkeit der Richter ver wahrte sich der Siegelbewahrer ausdrücklich und nicht minder entschieden äußerte er sich gegen die Ernennung der Richter durch das allgemeine Stimmrecht, indem er auf die einer unparteiischen Rechtspflege hohnsprechen den Mißbräuche hinwieS, zu denen dieses System in den Vereinigten Staaten Anlaß gebe. Zum Schluß warnte Herr Humbert in eindringlichen Worten vor extremen Lösungen und erinnerte daran, daß die Republik vor 7 Jahren nur Dank der weisen Mäßigung der Majori tät gegi ündet werden konnte; man solle dieses Beispiel be herzigen und die Reform des RichterstandeS werde er reicht werden, wie dereinst die Republik zu Stande kam. Ungeachtet dieser ebenso nachdrücklichen wie ver nünftigen Verwahrung ging da-HauS mit 411 gegen 82 Stimmen auf die Specialdebatte ein und nahm darauf, trotz der fortgesetzten Einsprache deS Justiz ministers, mit 300 gegen 204 Stimmen die Abschaf fung der Unabsehbarkeit der Richter und mit 284 gegen 212 Stimmen das Princip der Wahl der Richter au. Es ist die- ein höchst bedauerlicher, die Unab hängigkeit deS RichterstandeS schwer schädigende- Votum, das aber, wie sicher zu erwarten steht, von dem Se nate wird zurückgewiejen werden. Bei allen ernsthaf ten Politikern erregt daS Votum die grüßten Bedenken. In ironischer Weise wird daher der Beschluß der Kam mer, d,e eine so hochwichtige, eine Summe von Vor sicht, Weisheit und Ueberlegung erforderliche Frage, so zu sagen mit dem Säbel zu durchhauen versucht, in dem bessern Theil der Presse besprochen, und man kann sagen, daß lange kein Kammerdeschluß in Frank reich in ähnlicher Weise die vernünftigen Leute erschreckt hat „Die verständigen Männer unter der republika nischen Partei*, sagt John Lemoinne im „Journal de« DedatS", „mußten mit Unruhe und einer ge- Hssen Trauer diesem Acte unwissender und unvernünf tiger Uebereilung zusehen. Die Kammer scheint wie daS Kaiserreich von dem Ehrgeiz beseelt zu sein, Große- zu thun. Man wisse, daß sie etwa- zu Großes gethan hat, das heißt, sie hat die Verdamm mung ihres Urtheils veranlaß», waS vielleicht zur Be erdigung der Gerichtsreform führen dürfte.* „Dieser große Säbelhieb der Kammer", meintLemoinne weiter, „wird ein Schlag ins Wasser bleiben. Er bringt nur den Nachtheil, daß er verdirbt und verwirrt und daß durch ihn mögliche, vernünftige, ausführbare Reformen vielleicht verunglücken; man darf eS ferner sagen, daß durch diesen improvisirten, unbedachten und leichtsinni gen Streich die Kammer dem Ruf deS Ernstes, dessen sie sich erfreute, nicht viel hinzugefügt hat.* Diese Aeußerung deS bekannten Publicisten ist keineswegs eine vereinzelte, oder der Ausdruck der Mei nung der Einsichtigen, welche bekanntlich stets klein an Zahl zu sein pflegen. Die Radicalen in der Theorie und Kühlen von Temperament, die Jakobiner von der unbestechlichen Tugend, die Grevystischen undBrisson'- schen Radikalen erschrecken über diesen Sturmschritt der Ideen. Man vernimmt sogar Stimmen, welche den Kammerbeschluß gegen den Parlamentarismus selbst auSnutzen und hierin ein Symptom eines ihm m der gegenwärtigen Periode in ganz Europa eigenen krankhaften Charakters erblicken; entsprungen au- der Sucht nach Popularität. In diesem Sinne äußert wo er schon deutsche Dörfer und deutsche Städte findet: nach Nordamerika. DaS gemäßigiere Klima wird ihm auch eher zusagen, als unser heiße« ägyptisches * Hier brach der Khedive vom eigentlichen Thema ab und verbreitete sich über die deutschen Ansiedelun gen im benachbarten Syrien. Auf meine Anfrage, ob eS mir erlaubt fei, feine eben ausgesprochenen Ansichten in der Presse zu ver öffentlichen, erklärte er mir: „Ich habe nichts dagegen, nur müssen Sie mich in den Zeitungen allein Das jenige sagen lassen, waS ich wirklich gesprochen habe. ES gab srüher hier m Alexandrien auch eine deutsche Wochenschrift, sie hat sich indessen eine« länger» Da sein« nicht gerade erfreuen können. Die hier ansässt- gen Deutschen fühlten sich mehr als Oesterreicher, Schweizer, Preußen, Bay rn u. s. w , und immer erst in zweiter Linie als Deutsche. So geriethen sie bald und zum Oeftern mit ihrem eigenen Organe in Con- flict, das wenige Wochen nach seiner Geburt begraben werden mußte.* Inzwischen war ein Offizier mit brennender Ci garette in daS Arbeitszimmer deS Khedive getreten. ES war eine schöne stattliche Figur, nur schien eS mir im höchsten Grade unpassend, daß er rauchend vor seinem Gebieter die Honneurs machte. Erst später erfuhr ich, daß die höheren Beamten und Militär- ge genüber dem Khedive sehr häufig mit brennender Ci garette verkehren. Ich fühlte, daß eS Zeit sei, meinen Abschied zu erbitten. In der vorgeschriebenen Weise entledigte ich mich dieser complicirten Aufgabe, an die der Neuling vielfach mit einer gewissen Befangenheit herantritt. Im Salon wieder angekommen, wo ich zuerst gewartet, sich beispielsweise ein Correspondent der „Wiener Allgemeinen Zeitung", welcher schreibt: „Wie be schämend wenig muß diese Kammer wiegen, daß man sie mit einem schwachen Ruck so weit nach vorwäri- oder, besser gesagt, so weit nach rückwärt- schieben kann. Weniger >h»e Talentlosigkeit, als ihre Richtung-- losigkeit, ihre Zersplitterung ist schuld daran. Zwar finden wir gegenwärtig fast in allen Parlamenten Europa- eine ähnliche Zersplitterung. Die alten großen Parteien haben ihre Ausgaben, so weit sie konnten, vollbracht und sind in Auflösung ge»athen. Allenthalben sehen wir mit Bruchstücken regieren, mit Bruchstücken Opposition machen. Die neuen Ideen wirken bi- ?um Augenblicke noch mehr zersetzend, al» einigend. DaS wird sich ändern. Aber in Frankreich blicken wir unS vergebens noch wirklich neuen, nach fruchtbaren Ideen um. Nur eine Beschleunigung de« radikalen Gedankens, daS heißt eines unbestimmt fort schrittlichen demokratischen Gedanken«, ist die herrschende Tendenz. Sie hat sich zuerst Gambetta'S, dann Frey- cinet'S willige oder unwillige Unterstützung erzwungen, sie hat ohne wesentlichen geistigen Aufwand eine au- behäbigen Männern bestehende Mehrheit mit sich zu ziehen gewußt. In ihrer gegenwärtigen planlosen Un- mäßigkeit kann sie der Republik gefährlich werden. Sie in vernünftige Grenzen fassen, ihr eine vernünf tige Richtung geben, wäre die Aufgabe eines wahr haften Staatsmannes. Dieser aber ist nirgend- zu sehen.* Jedenfalls beweist der Beschluß der Kammer ftr die in Frankreich herrschende maßlose Zersplitterung, welche geradezu zu einem Rückfall in die Barbarei führt. Frankreich, daS bisher sich eines in hohem Grade ehrenwerthen RichterstandeS erfreute, scheint durch das Uebermaß des Liberalismus Zuständen ent gegen gehen zu wollen, wie eS diejenigen sind, welche in Amerika bestehen, wo, wie Minister Humbert be merkte, bei der Erwählung der Richter zuweilen die von den Dieben vorgeschlagenen Candldaten au- der Wahlurne hervorgehen. Die Richter wüiden, wenn der Beschluß der Kammer zur Ausführung gelangte, zu einem Spielblatt der Parteien werden. Gunst oder Ungunst der unwissenden Menge würden bei Besetzung der Richterstellen entscheiden, bei dem Allen aber würde die GerechtigkeitSpflege verkümmern. Mit dem Zerfall der die Reiche festigenden Gerechtigkeit würde auch die Macht und daS Ansehen der französischen Republik dahinschwinden. Tagesgeschichte. * Berlin, 14. Juni. Mit dem heutigen Tage haben die Besichtigungen der Gardecavallerieregimenter durch Se. Majestät den Kaiser begonnen, und zwar waren eS das Gardekürassierregiment unter Oberst v. Ostau und daS 2. Gardeulanenregiment unter Oberst lieutenant v. Scholten, welche zur Vorstellung gelang ten. — Die vereinigten Ausschüsse des Bunde-rath» für Zoll- und Steuerwefen und für Rechnungswesen, sowie der Ausschuß für Zoll- und Steuerwefen hielten heute Sitzungen. — Der Reichskanzler Fürst Bis marck hatte, wie die „Post* berichtet, gestern Abend eine Besprechung mit den Abgg. Frhrn. v. Francken stein, Frhrn. v. Minnigrode, v. Bennigsen und v.Kor- dorff über die geschäftliche Lage deS Reich-tag». Sämmtliche genannte Herren drückten dem Reichskanzler den Wunsch auS, nicht den Schluß, sondern nur eine Vertagung der Session eintreten zu lassen, damit die überaus fleißigen Arbeiten der Commissionen für die socialpolitischen Gesetze nicht verloren gehen möchten. Die Pause in der gegenwärtigen Sitzungsperiode würde hiernach vermuthlich in den ersten Tagen der nächsten Woche eintreten. — Wie die „VolkSztg." meldet, ver läßt I)r. Jul Eckardt in den nächsten Tagen Hamburg, ward mir auf Befehl de» Khedive eine Tasse arabisch präparirter Kaffee nebst einem werßseideneu Tuche gereicht. Mit letzterm wischte ich mir alsdann, eben falls nach Vorschrift deS ägyptischen Hofceremoniel», die Lippen ab. Fast Jeder, der dem Khedive vor gestellt wird, sowohl Eingeborene, wie Europäer wer den derartig bewrrthet. Unmittelbar darauf verließ ich den Palast. Die Audienz hatte mich, w»e ich mir direkt eingestand, be treff» der Person drS VicekönigS sehr entnüchtert. Bon dem faScinirenden und bestechenden Auftreten I»- mael Pascha» hat Tewfik nichts geerbt. Ehrgeiz, Herrschbeg'erde und Sucht zu glänzen, sind ihm fremd. Eine Entthronung würde ihm sicherlich den Schlaf nicht rauben. Seit diesem für mich immerhin interessanten Er- eigniß ist mehr denn ein Jahr verflossen. Verhält nisse verschiedener Art hinderten mich, diese» Vor- kommniß der Oeffentlichkeit zu übergeben. Erst heute thue ich e» und zwar in dem Augenblicke, wo die Augen Europa« wieder einmal mit Spannung auf da» Nilland gerichtet sind. Mögen diese Zeilen freund liche und nachsichtige Leser finden. Theod. Hermann Lange. Verstoßen. Novelle von 8. v. d. Horst. (Fortfetzung.) Miß Prodder, sobald sie sich erkannt sah, flüchtet« eilenden Schritte» au» dem Park in da» Hau». Im Wohnzimmer hatten sich sämmtliche Pensionärinnen um den großen Familientisch geschaart, die Rectoru»
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