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Dresdner Journal : 10.06.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-06-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188206105
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820610
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820610
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-06
- Tag 1882-06-10
-
Monat
1882-06
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 10.06.1882
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O132 Sonnabend, den 10 Juni. 1882. Ado»»ewe»t,pr«l»: Im ^»»«» 4»»t»«L»» N»ieL«: ^TNrlieNr. ... 18 ^Lrk. ^MrUeb: 4 ilvk 60 ?k. Lior«U»« Haww«ra : 10 kk L»Krk»Id üe» üsottcke» k«»eb«, tritt?o»t- uuU 8t«wp«I»u»<.U1»^ Nin«» lo»er»teoprel»«: I'ür a«l k»mo einer ^eepLlteoen Petitteils so pk. vnter „Lu>b^oat" äio 2eils Ü0 kk. bei 1'»b«U»»- >ulä 2iNenis»tt so H FukictU»^. Lriekeloeo r H^UeU mit Aurv»tiws äsr 8orw- ooä peisrtLKS Abooct» kür üen kol^enüsn DreMerHournal. In «ernte»»» n»t»me »a»MLrt»: l^ipriz F>. Lra«lk«tetter, t,oii»l»u»iooLr 6s, l>re»<insr äouriml»; L»»dnrx v«rlt» Vi»» 1»tp«tU-»»»»l Nr»»i»» »r»kf»rr ». H i ^kaa>em>te>n <« poA/rr/ >«rU»-Vi«» Ll»»»d»rx- ?r»^-l,«ipii8-^r»»kti>r1 ». N.->4»eI»»»: Mo»»«/ Lirün: /nral»<te»«ka»t, Iremeo l F' §c/Uott«, >r»«1»». F §ta»Aen » Kvreau ,HiI »r»»>lt»rc » N : ^aeA^sclie liucdkLnüIun^; vvrllt»: <r. .Vn/ier / s»ll»o-«r: <7. 8ckiu«Ier, r»rt» L»rU» rr»ottorr » N - >tottx»rt />autx ck tÄ., Lnmdorx: Verantwortliche Redaction: Oberredacteur Rudolf Günther in Dresden. Nernunxedvrr Lüoial. klipeüitioa <ie» Pre^koer ^ouro»!». Dreien, 2vin8e"tr»«e Xo. SV. Amtlicher Theil. Dresden, 30. Mai. Se. Königliche Majestät haben zu genehmigen Allergnädigst geruht, daß der erste Staatsanwalt bei dem Landgericht Leipzig, Ober staatsanwalt Karl Theodor Hoffmann, den ihm von Er. Majestät dem Kaiser von Oesterreich verliehenen Orden der eisernen Krone III. Klasse annehme und trage. Dresden, 9. Juni. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den zeitherigen zweiten Director am Königlichen Historischen Musrum, Gustav Hermann Büttner, zum Director diese- Museums sowie der Königlichen Porzellan- und Gefäß-Sammlung zu er nennen und ihm den Charakter al- Hofrath in der vierten Elaste der Hofrangordnung zu vei leihen. Bekanntmachung. Zu Deckung des Bedarfs für die römisch-katho lischen Kirchen der Erblande ist für das laufende Jahr eine Parochialanlaqe nach Maßgabe der Verordnung vom 4. April 1879, die Aufbringung de- Bedars- für die katholischen Kirchen und Schulen der Erblande mit Ausnahme der katholischen Kirche und Schule zu Schirgiswalde betreffend (Gesetz und Verordnungs blatt v. I. 1879 S. 160) in Höhe von 20 Pfennigen von jeder Mark deS normal- mäßigen Einkommensteuersatze- für Anlagen pflichtige, welche nicht über und von 10 Pfennigen von jeder Mark deS normal- mäßigen Einkommensteuersatze- für An- lagnipflichttge, welche weiter al- 7,s Kilo meter entfcrnt vom Kirchorte oder von einem erbländischen Orte, in welchem eine stehende geistliche Delegation (Hilfrcaplan) fungirt, wohnen oder ansässig sind, zu erheben. Die hiernach sich ergebenden Anlagenbeträge sind von den verpflichteten Parochianen am 1S. Juli dieses Jahres an die Ortssteuereinnahme unerinnert abzuführen. Dresden, am 6. Juni 1882. Ministerium des Cultus und öffent lichen Unterrichts. ». Gerber. Götz. Nichtamtlicher Theil. Übersicht: Telegraphische Nachrichten. Zeituugsschau. Tagesgrschichtr. Dresdner Nachrichten. Proviazialnachrichten. Stati-ik vnd Lolkswirthscbafl. Telegraphische Witteruvgsberichte. Beilage. Dresdner Nachrichten. Eiugesandtes. Ueherficht der Sparkassen des Königreich- Sachsen »o» Monat Lpril d. I. Kirch eimachrichteu. Börseuvachrichte«. Telegraphische Nachrichten. Kassel, Krritag, v. Javi. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Prinz Karl hat die vergangene Nacht weniger gut geschlafen, weil bei dem nunmehr freien Bewußtsein die Beschwerden de-Lerdaude- Feuilleton. Rebi-in »on Otto Baack. Verstoßen. Novelle von E. v. d. Horst. (Fortsetzung.) Otto lächelte. „Nach kleinstädtischem Muster, Papa, da- nimm mir nicht übel. Wäre ich der be handelnde Arzt, so würde ich auf einem erhöhten Punkte rin große- Barakenlazareth bauen lasten und meine Kranken dem frischen Windzüge, der Lust, wie sie unverfälscht die Erd« umkreist, auSsetzen. DaS ist bester als das alte Unglückssystem mit verhängten Fenstern und einer Atmosphäre, die schon t^n Ge sunde» umbringen könnte. — Natürlich darf man unter so bewandten Umständen auch die Kranken nicht besuchen? Wer pflegt sie übrigens?' „Wir haben zwei Diakonissen aus der Stadt er halten, das Weitere müsten die weiblichen und männ lichen Strafgefangenen besorgen. Leute, die für Geld zu diese« gefährlichen Dienste bereit wären, finden fich nicht.' „Du schickst also auch keine Suppen, Mama, Du kannst für diese Verlassenen da in der spukhaften licht losen Halle gar nicht« thun? Die Rector,n hob abwehrend beide Hände. „Ich bitte Dich, Otto, — das wäre doch schon unseren lieben kleinen Schülerinnen gegenüber unverantwort- lich. Nur her Prediger besucht da« Lazareth, sonst piemanb.* «ehr empfunden werden; sonst ist der Zustand un verändert. Buda Pest, Donnerstag, 8. Juni, Abends. (W T. B.) Der Vertrag zwischen der ungarischen Regierung und der österreichischen Staatsrisev- bahngrsrllschaft ist heute Abend unterzeichnet worden. Nom, Donnerstag, 8. Juni, Abend-. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Bei der Leichenfeier in Caprera waren über SA) Vereine vertreten. Diejenigen Marsala- trugen den mit Kränzen überdeckten Sarg Garibaldi'-. Alfieri namens deS Senat-, Karin! namen- der Kammer und die Minister Zanardelli, Krrrero und Crispi hielten sehr bei- fällig aufgeuommeve Reden. Der Sarg wurde unter Kanonensalven der Schiffe „Washington" und „Cariddi" auf de« Friedhöfe beigesetzt. Turin, Donnerstag, 8. Juni, AbendS. (W.T. B.) Prinz AmadeuS, Herzog v. Aosta, ist heute Abend nach Berlin abgereist. Dublin, Donnerstag, 8. Juni Abends. (W. T. B.) Nach hier ringegangenen Nachrichten ist der in Rahasane (Grafschaft Galway) wohnende Eigrnthümer Walter Bourke heute, als er aus der Stadt Gort nach Hause zurückkrhrte, erschossen worden. Ebenso wurde der ihn begleitende Dra goner getödtet. Bourke war schon seit längerer Zeit Feindseligkeiten feiten der Pächter au-gesetzt. BiS jetzt find infolge diese- Morde- keine Ver haftungen erfolgt. Konstantinopel, Freitag, S. Ium. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Gegenüber der iucorrect gehal tenen Meldung der „Agrare Havas" wird erklärt: Said Pascha habe am 7. Juni die letzten Mit- theiluugen des Lord- Dufferin und deS Marquis v. Roaille- mit Wiederholung der früheren Argu mente beantwortet und hinzugefügt, die Pforte sei überzeugt, daß die Mission Derwisch Paschas voll kommen gelingen werde uud kein Grund zu der Auuahme vorliege, die Pforte werde ihren gegen »artigen Beschluß bezüglich der Coufereuz ändern. Kairo, Donnerstag, 8. Juni. (Tel. o. DreSdn. Journ.) Derwisch Pascha und seine Begleiter hat ten heute eine ^stündige Audienz beim Khedive. Später wurde Lrabi Bey und die übrigen Offi ziere von Derwisch empfangen; es heißt, der Em- pfaug sei kühl gewesen. Derwisch Pascha über- bringt ein Schreiben deS Sultans, in welchem auseinandrrgesetzt wird, der Zweck seiner Mission sei, die Ordnung wiedrrherzustrllen uud die Auto rität des Khedive zu befestigen. Dresden, 9. Juni. Unter dem Titel: „Austriaca, Betrachtungen und Streiflichter,' erschien vor Kurzem bei Dunker u. Hum blot in Leipzig (Preis 5 M), eine bereits viel facher Aufsehen erregende, auch an dieser Stelle eine Würdigung verdienende Schrift. DaS Buch gehört zu dem überaus seltenen, dem großen Publicum zugäng lichen, über Oesterreich-Ungarn vorhandenen, orientl- renden Material. Sein Verfasser steht nicht auf dem Standpunkte de- Parteipolitikers, sondern auf dem jenigen deS Staatsmannes; mit ruhiger Objectivität giebt er, die einzelnen Elemente und Atome deS viel- gliederigen DonaustaateS abwägend, eine Darstellung von dessen gegenwärtiger Lage und sucht die Richt schnur zu finden, welcher die Staatsmänner desselben zu folgen haben. DaS Buch zerfällt in 4 Abschnitte: die auswärtige Politik; Oesterreich und Ungarn; der Parlamentarismus in Oesterreich; Juden in Oesterreich. Wir wählen unter diesen da« dem Parlamentaris mus in Oesterreich gewidmete Lapitel, weil wir „Also doch wenigsten- der! — Ich würde zur Stunde hingeheu, w-nn eS erlaubt wäre, ja ich denke sogar wirklich den Versuch zu machen.' „Hilf Himmel!' Es war Miß Prodder, von deren Lippen der Aus ruf kam, sie schauderte sichtlich. „In den Saal gehen, wo jeder Athemzug den Tod birgt, der schrecklichsten Pest entgegen! Sie könnten eS doch unmöglich thun.' Ein leichte- Lächeln umzuckte den Mund deS jungen Mannes.' So hartherzig ist die stille liebens würdige Miß Prodder!' sagte er gutmüthig tadelnd. „Nun, und Sie, Fräulein Mildener, welcher ist Ihre Ansicht!' Zum ersten Male begegnete ihr sein Blick, empfing sie seme directe Anrede. Ohne Ziererei die Augen zu ihm erhebend, antwortete sie offen: „Ich beneide die beiden Diakonissen! Diese sanften selbstlosen Christinnen find glücklich, ihren Schritten, ihrem Andenken folgt der Segen de- Himmels.' „Gewiß!' rief Otto, „gewiß. Werden Sie mich begleiten und die unglücklichen Opfer trösten, ihnen ein freundliche- Wort, eine Blume, ein Lächeln in da- Hau- deS Jammers bringen, wenn eS mir ge lingt, dazu die Erlaubniß zu erhalten?' „Ora «t labora", murmelte der Rector, „richtig, wieder labor» mit einem h geschrieben, diese Böotier!' Und während die Rechte kräftigst die Feder handhabte, legte er die Linke beschwichtigend auf jewes Sohnes Achsel. „Du mußt unsere Stellung den Aeltern der jungen Mädchen gegenüber im Auge behalten mein guter Otto — e- geht absolut nicht ' Der juoge Mann wandte beinahe heftig den Kopf. „Und das sagst Du, Vater, Du? — Ist Dein Gott gerade in diesem eine Reihe in der TageSpresse ver breiteter irriger Meinungen berichtigt finden. Er ist hier zunächst von Bedeutung, daß der Ver fasser, obwohl der heutige Parlamentarismus in Oester reich nicht gerade geeignet ist, uns für denselben ein zunehmen, dessen Nothwendigkeit eingehend be- gründet. Eine Wiederherstellung deS absolutistischen Regime hält er einfach für unmöglich. Unter Anderm erblickt er in dieser Beziehung in der Stellung der ungarischen Reich-Hälfte ein kaum zu bewältigende- Hinderniß; „ebenso wie die Finanzlage der Monarchie, deren Schuld zum größten Theit >m AuSlande ist, jede Veränderung, die ein Aufhören der parlamen tarischen Lontrole bedingt, geradezu undurchführbar er scheinen läßt, da sie da- Reich mit unberechenbaren Consequenzen bedrohen müßte.' Allein, würden selbst diese Hindernisse nicht bestehen, „eS fehlen die Männer, die durch die Bedeutung ihrer Namen, da- Vertrauen, da- die Bevölkerung ihnen entgegenbnngt, die con- stitutwnellen Einrichtungen für den Augenblick wenig sten- zu ersetzen vermögen; eS fehlt die Unterstützung eine- irgendwie inS Gewichi fallenden BruchtheilS der Population'. Der Parlamentarismus ist also in Oesterreich Ungarn vorhanden, ohne ihn ist, wie der Verfasser der Schrift weiter beweist, die Monarchie überhaupt nicht denkbar, wenn auch zugestanden werden muß, daß ein großer Theil der Bevölkerung keines wegs ausreichend vorbereitet für die parlamentarischen Einrichtungen erscheint. Der Verfasser führt nun aus, wie der Parlamen tarismus den Aspirationen der zahlreichen, in der österreichisch-ungarischen Monarchie vorhandenen Natio nalitäten den weitesten Spielraum gestattet, legt aber Gewicht daraus, daß daS deutsche Element und seine Sprache vermittelnd zwischen all' den verschiedenen Nationen de- Reichs stehen soll, „auch in Zukunft sei die Nation nur zu kräftigen und zu erhalten, wenn den Deutschen die Stellung gewährleistet bleibe, welche sie als erste Culturnation, als Kitt und Bindemittel deS SlaateS errungen.' DaS Deutichthum ist geradezu daS staatenbildende Element deS Reichs. Von diesem GesichtSpunkre aus legt er aus die bevorzugte Ver tretung deS Großgrundbesitzes Gewicht und führt aus, wie hierdurch keineswegs ein zu große- Ueberwiegen de- conservalivrn Elements bewirft werde. Die in anderen Staaten eine so große Bedeutung besitzenden Gegenlätze konservativ und liberal „ stehen in Oesterreich erst in zweiter' Reihe; nationale Ten denzen beherrschen die Situation und erst innerhalb der nach diesen Pruiclplen gegliederten Parteien kom men die Momente zur Geltung, die sonst in constitu tionellen Ländern bestimmend sind. Unter den diver- girenden nationalen Aspirationen bot der Großgrund besitz die sicherste Garantie für eine lediglich vom öster reichischen Standpunkte geleitete Vertretung dar, und da relativ wenig Bürgerthum und noch weniger con- servativeS Bürgerthum in Oesterreich vorhanden, half er zugleich mit dessen Ausfall ersetzen und ward zu einer Unterstützung aller gemäßigten Elemente, die sich im Reichstag vereinigten!' ES wird hierauf erörtert, wie der Großgrundbesitz durch seine, dem Ministerium Auersperg bei der Ver längerung des Ausgleichs mit Ungarn und der bos nischen Occupation geliehene Unterstützung sich die Feindschaft der Fortschrittspartei zuzog und wie die bisher dem linken Centrum angehörigen Großgrund besitzer hierdurch genörhigt wurden, sich die mächtige Allianz deS conservativen, gewöhnlich „feudal' bezeich neten, hochadligen Besitzes zu sichern. Durch Bildung einer solchen großen starken Mittelpartei war die Aus sicht zu fruchtbringender, nationaler Thätigkeit vor handen. Allein diese Voraussetzung erfüllte sich nicht. Die „feudalen' böhmischen Grundbesitzer schlossen sich dem tschechischen Club an, die verfassungstreuen Groß ¬ em Wütherich, der mit erhobener Geißel deS Augen blicke- wartet, wo er Dich empfindlich züchtigen kann, während Du seine, seine eigensten Gebote besolgst, ja noch mehr, weil Du dar zu thun wagst?' Der alte Herr sah von seinem Buche aus, er war sehr blaß geworden, DaS, was er jetzt sagte, hörte nur sein Sohn. „Und wenn ich, ich eS weiß, daß im einen und andern Falle doch nur geschieht, was daS Schicksal will, erkennen eS darum auch schon Diejenigen, mit deren Anschauungen ich rechnen muß um zu leben, mein guter Junge?' Otto antwortete nichts, er trank seinen Kaffee und verließ bald darauf das Zimmer, ohne noch ein ein ziges Wort hinzugesetzt zu haben. „Mein Sohn wünschte früher nicht- so lebhaft, al» Medicin zu studiren', jagte gleichsam entschuldigend die Rectoriv, während auf ihrem abgehärmten Antlitz ein schnelles Roth erschien, „er treibt zu seiner Er holung, in jeder Mußestunde die Sache heimlich noch immer — daher diese etwas unpassende Heftigkeit.' Miß Prodder sah in ihre Tasse, die sämmtlichen kleinen Mädchen schwiegen verschüchtert, und auch Anna fand >m Augenblick keine Worte. Armer Otto! er war der älteste Sohn; al- e» galt, für ihn einen Be ruf zu wählen, da konnten die Aeltern aus ihrer ge ringen Einnahme und un Angesichte de« zahlreichen Nachwuchst» die Kosten eine» Studium» nicht bestrei ten; wie so oft im Leben mußte der innige Herzens wunsch dem Gebote der harten Nothwendigkeit weichen, Otto wurde Kaufmann, aber seine Seele blieb den Idealen früherer Tage unwandelbar treu, und al- der nächstfolgende Bruder nach glücklich überstandenem grundbesitzer de- frühem linken Lentrum» traten in den Club der Liberalen ein und damit schwand die einzige Hoffnung auf eine Mittelpartei. Durch diese Wandlung verlor die zur Minorität werdende Berfassung-partri ihren Einfluß. Persönliche Gründe und Ambitionen erweckten >n ihr vielleicht unter nicht Wenigen, nach dem Abgang de» Ministe rium» Auer-perg, die Hoffnungen aus frei werdende Portefeuilles, und eS folgte nun eine Reihe von ihren Niedergang herbeiführenden politischen Fehlern. Als solche bezeichnet der Verfasser der Schrift ihre Stellung zu dem Ausgleich mit Ungarn und zur bosnischen Agitation. „AuS dem Lager der Berfassungspartei wurde zuerst die Parole ausgegeben, daß der Eintritt der Tschechen erwünscht und nothwrndig sei, und nichts war natürlicher, al» daß dieser Ruf den innerste» Wünschen der Krone entsprach, die von den Intentionen geleitet, eine Versöhnung herbeizuführen, alle Völker der Monarchie zu gemeinsamer Arbeit vereinigen wollte'. Allein der Nutzen, den man sich von libe raler Seite durch den Eintritt der Tschechen versprach, war ganz illusorisch, während die Rechte hierdurch ge wann. In der bosnischen Angelegenheit verschloß sich die Partei der weltgeschichtlichen Thatsache, daß der unaufhaltsame Zersetzungsproceß der Türkei begonnen, und die Partei und ihre Journale traten in die schroffste Opposition zur Regierung. „Gegen den Leiter der auswärtigen Politik, gegen den Grafen An- drassy, der die Allianz mit Deutschland gefestigt und sichergestellt, deren erste Anregung bereits Graf Beust gegeben, trotz der Schwierigkeit, die seine Vergangen heit, seine Stellung als einstiger leitender Minister eines deutschen MittelstaatcS ihm boten, ward der heftigste Ansturm der BerfassungSpartei gerichtet'. Seitdem haben die Wahlen noch mehr ihre Stel lung geschädigt; allein schroffer als je berühren sich die Gegensätze in dem jetzigen ReichSrathe. „Die politischen Parteien werden durch die nationalen er setzt, und statt der erhofften Versöhnung hat eme Aera de» Kampfes begonnen, welche befürchten läßt, daß sie die Zukunft des Reichs gefährdet. Eine merkwürdige Veränderung hat Platz gegriffen; die Verfassungspartei, getheilt und gespalten zur Zeit ihrer Macht, ist einig geworden in der Opposit.on, und wenn er einen Be wer» ziebl für die Kraft de» staatlichen Gedanken» gegenüber der sprachlichen und nationalen Verschieden heit, so ward er mit dem Augenblicke geliefert, al ber Einfluß desselben sich stark genug erwies, eine fast gesprengte Partei neu zu orgamsiren'. Auch bei der VerfasiungSpartei hat sich, wie die Schrift aus- führt, die Umwandlung aus einer politischen in eine nationale vollzogen. Nach einer Prüfung der Nationcklitätenfrage in den verschiedenen Theilen der Monarchie und angesichts der berechtigten Befürchtung, daß da- slawische Element da» deutsche verdrängt und den Charakter der Mo narchie verändert, blickt der Verfasser auf diese Wand lung mit ernsten Besorgnissen. DaS bindende Ele ment, die Reichspartei, wäre verschwunden, die ceniri- fugalen Kräfte wären um eine vermehrt und zwar um eine solche, die absolut nicht ignorirt werden kann, selbst wenn man sie ignoriren wollte, und so wenig die Attractionskraft des Nachbarreichcs zu fürchten, so lange die Monarchie den Charakter behält, den si: seit ihrer Entstehung getragen, so gewaltig muß sich die selbe zum Ausdrucke bringen, wenn die Deutschen nicht mehr in Oesterreich sondern wenn sie in Deutschland ihren letzten Halt und ihre Zuflucht erblicken. Bei aller Loyalität der deutschen Regierung, ja selbst bei der Absicht, soweit nur irgend thunlich, sich der Jn- gerenz in österreichische Verhälnisse zu enthalten, wäre eine Situation denkbar, wo unter den treibenden Mo menten hüben und drüben ein Schmerzensschrei der Abiturientenexamen gen Heidelberg zog, um zur Fahne AeskulapS zu schwören, da war er eS, der sich überall einjchränkte und vierteljährlich den Wechsel det flotten Studenten au« eigenen Mitteln bezahlte. Anna wußte eS, kannte das Geheimniß, welches Otto in der Nacht dem Vater vertraute — die Ge schichte von Karl'S Thorheit und Reue. Ihr Herz schlug schneller, Zug um Zug erstand vor ihrer Er innerung alles Gehörte — sie mußte herausdringen, wo sich Otto bis jetzt ausgehalten hatte. Ein späterer Augenblick de» Alleinsein- mit der Engländerin gab dazu die günstige Gelegenheit. Alle Fenster deS SchulzimmerS standen weit offen, und die kleinen Mädchen sprangen vergnügt auf dem Hose herum, ihre Pause zwischen den Lehrstunden bestens benutzend. Anna und Miß Prodder aßen einige der köstlichen Pfirsichen deS Klostergarten-, welche Nikolaus, auS der Unterwelt der Kellerregionen auftauchend, ihnen überbracht hatte — die Engländerin setzte in dessen ihren Teller sehr bald wieder hin, um anstatt der wohlschmeckenden Früchte lieber halbverstohlen ein paar Gewürznelken zu verkauen. „Nehmen Sie nicht auch einige, Fräulein Mii- dener? LS überläuft mich immer rin Grauen, so ost die Fenster nach dem Hofe hinaus geöffnet find, aber wir besitzen ja keine anderen. Da unten liegt da schreckliche Lazareth!' . ... „Emilie!' rief sie den Kindern zu, „Mathilde! — Ihr sollt hier bleiben, ganz dicht am le. Wie oft muß ich eS wiederholen?' Anna lächelte. „Sie fürchten sich also sehr, Miß Prodder?' „Ganz entsetzlich. Schon der Gedanke schnürt mir
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