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Dresdner Journal : 11.06.1882
- Erscheinungsdatum
- 1882-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188206114
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18820611
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18820611
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1882
-
Monat
1882-06
- Tag 1882-06-11
-
Monat
1882-06
-
Jahr
1882
- Titel
- Dresdner Journal : 11.06.1882
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^§133 Sonntag, den 11. Juni. 1882. LdoaaemeowprM» r I» r»»»«» N«t,L«: dTLrlicdr.... 18 ^MrUeN- « 80 ?k. kiiuowsr»: 10?k L»»»«rd»1d de» deotscbeu R«icti«, tritt ko»t- ood 8tswpslLu»etdLA !o»er»1eoprelser kür d«v K»UM «ioer ^espaltsoea ?stitrsils LS kk. O»t«r „Lin^e«»n<it" dis 2eils SO ?k. 8«i I»d«Ueo- uud XiÜsrn^ir SO Au5,i.kl»^. ArrsdntrÄomnal. Ia,«r»te»»»»»Na>« »u«MLrt»r Fr. Lra«<t»t«ttrr, Comiot—ionLr ä« I >re»<ioer dourv»!»: S»wdurM Lsrlt» -V>«o l^tp»i^ «»»»> N-»-i»u «r»Lkrarr ». N : Aaa«en-te»» <t ^0A/rr, N«rU»-Vi«a n»ll»i>or^. kr»^ - I^jp»>ss rr»^^tar1 ». 1t.-Issüoed»»: Fud Lko«»r,' LirU»: /»«atide-idaxt, Lrswss: F Lr»»l»o: F Lureau <F,nit F'adat^),' kr»»tturt » H.r F ^cieAeF-cks Iii>ct>ti»vdluv8; 0drW»: O. 8»»ilov«r: <7. k»r1, S«rU»-kr»i»1ltLrt » N - StuN^»rt: Daube F (Ä., Ltwdurx: F<t. Ltriner. Lrsedeinear I^KUeii mit Xuiuuirm« der 800»- und keisrt»KS ^t>«od» kür dsu lol^sodeu 1^. Berantworlliche Nedaction: Oderredacteur Rudolf Lünlher in Dresden. II e r » n « x e k e r: Lüoial Lri»edition de» vre^oer douro»!», Dresden, AsriozerolrkE Xo. 80. Amtlicher Llieil. Dresden, 10. Juni. Se. Majestät der König find heute Vormittag 9 Uhr 48 Min. nach Berlin gereist. Nichtamtlicher Theil. Telegraphische Nachrichte». Berlin, Sonnabend, 10. Juni, Nachmittag». (Tel. d. Dre»dn. Journ.) Se. Majestät der König von Sachsen ist heute 1 Uhr, der Herzog von Aosta Hl Uhr hier eingetrosfeu. Die hohen Gäste wnrden von Sr. Majestät dem Kaiser, dem Kron prinzen und dem Prinzen Wilhelm, weiter von dem Stadtcommandauten, der Generalität und dem Polizripräfideutea empfangen. Auf dem Bahn- Hof »ar eiur Ehrencompaguie ausgestellt. Der Kaiser geleitete deu König von Sachsen, welcher den Empfang durch die Ehrencompaguie dankend abgelehat hatte, in» Schloß und empfing darauf im Palais Allerhöchstdeffeu Besuch. Kassel, Souaabeud, 10. Ium. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Da» Befinden de» Prinzen Karl ist unverändert. Buda-Pest, Freitag, 9. Juni, Abend». (W. T. B.) In der heutigen Abendfitzuvg de» Unter- Hause» wurde der Antrag de» Ausschusses, betref fend die Eiawavdernng der russischen Juden, mit überwiegender Majorität angenommen. (Bgl. die „Tage»geschichte*.) Pari», Freitag, 9 Juni. (Tel. d. Boh.) Die französische Regierung wird den Mächten dem- nächst die Propofition machen, zur Berläugerung de» Maudate» der europäischen Donaucommisfion eine Eonfereuz abznhalten. Loudon, Freitag, S. Javi. (Tel. d. N. fr. Pr.) Die Stellung de» Khedive Trwfik ist seit Derwisch Pascha» Ankunft noch gefährdeter. Der Snltau verzeiht dem Khedive nicht dessen vollständige Er gebenheit für die Westmächte. vnblii,, Freitag, 9. Juni. (W. T. B.) Gegen vier Gutspichter in verschiedener, Orten de» west- lichea Lheil» von Irland find gestern Abend Mord versuche uuteruommea worden. Die vier Pächter wurden säarnrtlich erheblich verwuudet. Nur iu eine« Orte wurden Lerhastuugeu vorgenommea. Odessa, Freitag, 9. Juni. (W. T. B.) Iu der verflossenen Nacht brach auf dem frauzöfischen Dampfer „Cambodge", welcher im Hafen in Qua- rauttae lag, Fener au», wodurch die Ladung des- selbe» stark beschädigt wurde. Da» Feuer wurde erst »ach zrhustüudiger Arbeit bewältigt. Der evt- sta»de»e verlast ist rin bedrateader. Kairo, Freitag, 9. Jani, Abend». (Tel. d. Dresdn. Journ.) „Reuter'» Office" meldet von hier: Der englische and frauzöfische Generalcousul haben heute dem türkischen Commiffar Derwisch Pascha gemeinschaftlich einen »esnch abgeftattet. verwisch Pascha empfing sodann Salta» Pascha »ad mehrere Mitglieder der Notabelnkammer and erklärte, er sei evtschloffea, die Ordvavg wieder- herzustellea, nöthigeafall» aber da» Kriegtmiaiste- ria» za übernehmen. Dre»dea, 10. Juni. Die Lage in Aegypten schafft für England und Frankreich eine immer schlimmere Situation. Vor Allem «st e» der thatsächliche Gang der Ereign'sse, der iu überraschender Weise ihre Pläne durchkreuzt und immer mehr wachsende Verlegenheiten herbeisührt. Der Khedive, der Schützling Englands und Frank reichs, erscheint im höchsten Grade bedroht, während der von islamitischen Einflüssen getragene, vielleicht bisher von Konstantinopel aus inspirirte Arabi Bey beiden europäischen Großmächten offen Trotz bietet. Die Entscheidung aber liegt in den Händen der Türkei. Zunächst ergeht man sich in Ver muthungen darüber, wie diese Entscheidung auSsallen wird. Wird die Türkei, wie sie sich osficiell den An schein giebt, die Autorität des Khedive ausrecht erhal ten, oder wird sie, wie die englischen, heute sogar ein bevorstehendes Verbrechen ankündigenden Blätter be haupten, den von ihr heimlich unterstützten Arabi Bey an ihre Stelle setzen? Nach den bisher von der Türker abgegebenen Versicherungen erscheint diese» kaum denk bar; wiederholt hat sie sich für den Khedive erklärt, sowie Arabi Bey zur Unterwerfung aufgefordcrt. An ders verhält sich jedoch die Sache, wenn wir auf die Geschichte der Türkei zurückblicken. DaS osmanische Reich ist kein Staat in unserem europäischen Sinne. ES ist ein mehr oder weniger lose zusammenhängen der Gesüge von Tridutstaaten, deren Häupter die Oberhoheit des Sultan- anerkennen. Der Pforte ist nun bisher im großen Ganzen die Person der Hauptes des betreffenden TributstaateS, wenn der Betreffende nur den Tribut richtig bezahlte, ziemlich gleichgiltig gewesen, und die osmanische Geschichte, wie diejenige der früheren Khalifate, weist zahlreiche Bei spiele auf, wo man sich mit einem glücklichen Usur pator, selbst im Falle er gegen die Oberhoheit deS Sultan- die Waffen ergriffen, nachträglich gütlich auS- einandersetzte, ohne daß die Autorität des „Herrscher» der Gläubigen* dadurch Noth gelitten hätte. Die Engländer können daher mit ihren Vermuthungen Recht haben; e- kann aber auch richtig sein, daß die Versicherungen der Pforte im gegenwärtigen Falle vielleicht aufrichtig gemeint sind. Die geheime Ge schichte der letzten Vorgänge entzieht sich leider zu sehr unseren Blicken, um positiv über den Fall uriheilen zu können. Nach dem äußerlichen An schein stellen sich die Ereignisse wie folgt dar. Die Nachricht von der bevorstehenden Ankunft de» türkischen Eommissar- hatte in Kairo Alle- leb haft erregt, und eS ereignete sich eine jener stürmischen, in der frühern Geschichte de- J-lam- bei Militärver- schwörungen häufigen Scenen. Die Führer der ägyp tischen Militärpartei traten am 5. d. nach einer Mel- düng deS „Standard* in der Wohnung Arabi Bey- zu einer Sitzung zusammen, um sich über ihre Haltung dem türkischen Commiffar gegenüber schlüssig zu machen. Die Erörterung war lang und stürmisch und führte zwischen den Anwesenden zu dem Uebereinkommen, vorläufig eine abwartende Haltung einzunehmen, bi» der Eommissar der Pforte die Absichten de- Sultans mit Bezug auf den khedive klar enthüllt habe. Der Kampf, so wurde urgirl, wäre nunmehr ein persön licher zwischen den rebellischen Obersten und dem Khe- dive geworden. Der Wortführer der Obersten sagte, sie wären bereit, sich irgend welchen Bedingungen zu unterwerfen, die der Sultan ihnen auferlegen dürste, so lange er die Hoffnungen verwirkliche, die ihnen während der ganzen gegenwärtigen Krisis gemacht wor den, und er, der Sultan, den Khedive absetze. Sollte Feuilleton. Redigirt »on Otto Bauck. Kaustau»stell»»g. Zu den vorzüglichsten Portraits, unter denen schon eine treffliche Arbeit von Kießling in Dresden er wähnt wurde, gehören zwei Bilder von Leon Pohle m Dresden. Sowohl der männliche wie der weibliche Kopf zeigen die sprechendste Raturtreue und den vollen Glanz der feinen, soliden Technik, Eigenschaften, die Kießling wie Pohle im besten Grade eigen sind, unbeschadet der Verschiedenartigkeit ihre- künstlerischen Naturells. Bei den hier erwähnten Bildern Pohle» wird der anspruchsvolle Kenner am meisten durch die delikate und interessante Au-führung de» Frauen kopfe» befriedigt werden. Die genannten beioen Künstler haben vielfach Zeugniß davon abgelegt, daß die Portraitmalerei gegenwärtig in Dresden in würdiger Weise gepflegt und durch die hervorragende Kraft de» Talente» zu einer Stufe ersten Range» erhoben worden ist. Die» ist ein Fortschritt localer Kunftvertretung, welchem sich da» Wirken anderer einheimischer Kräfte ehrenvoll anschl.eßi. Da» tüchtige und mehr al» routinirte Beineistern de» Portranfache» bildet zu jeder Zeit eine maßgebende Grundlage für da» mögliche Schaffen in der Genre- uud Historienmalerei. Ein solche» Jnelnandergreffen und gegenseitige» Eichunterstützen beider Kunstsphären braucht sich nicht immer innerhalb einer einzelnen Künftlerpersönlichkeit zu vollziehen, d. h. e» ist nicht immer nöthig und vom Himmel vergönnt, daß der be deutende Portraitmaler auch im Genre und in der Historie thätig und glücklich sein kann. Auch ohne diesen besonder« Fall wirkt die Förderung der Historien- und Genremalerei durch die Portraltkunst von Individuum zu Individuum hinüber, sie hebt die Prosperität der gesummten akademischen Schulwirkung, steigert Ansprüche und Ehrgeiz und befestigt den Grundgedanken aller großen Maler der besten Zeit, daß der Stelenspiegel de» MenichenantlitzeL der geistige Mittelpunkt und Erklärer aller Composilion und jeder äußerlichen aktuellen Bewegung eines Bilde- ist und bleibt. Die Erkenntniß diese- Factum» sichert der noth wendigen Pflege der Portraitmalerei ihre höhere Auf fassung und Weihe. Kunstjünger, welche sich der Menschendarstellung widmen wollen, müssen wohl unterscheiden zwischen den prosaischen Ermüdungen, welche die Portraitmalerei al- Profession auferlegen kann, und zwischen den er leuchtenden Förderungen, die sie al» eine nach freier Wahl schaffende Kunst gewährt und dem großen Ganzen der Kunst summarisch bietet. Sie mögen aber auch festhalten, daß eine künstlerische Darstellung de» mensch lichen Körper» einer sich daran subjektiv und organisch anschließenden vollendeten Wiedergabe de- Menschen antlitze» al» da» frühere Resultat der Studien vor- au»geht. So lehrt e» in der Kunstgeschichte die bio graphische Analyse bei jeder großen Genieentfaltung. Und noch auf Ein» sei hier zur Beachtung für diese» wichtige akademische Thema hingewiesen. E» ist der rasch geförderte und vertteste Entwicklungsgang der höher» Genremalerei, welcher sich in München, Wien, Se. kaiserl. Majestät andererseits versuchen, Tewfik auf dem Throne zu halten, sollte er in anderen Worten dem Drucke England» und Frankreich» nachgeben, die Militärpartei opfern, so seien sie entschlossen, den äußersten Widerstand zu leisten und sich an dem gegenwärtigen Herrscher Aegypten» und dessen Freun den zu rächen, selbst wenn e» ihnen da» Leben kosten sollte. Ali Fehmi und Abdalah insbesondere sprachen mit Heftigkeit. Sie gelobten, daß Tewfik sterben solle, ehe sie zugeben, daß Arabi entweder von den Europäern oder von den Türken aus dem Lande ver trieben werde. Da seit gestern Derwisch Pascha so wohl mit dem Khedive une mit Arabi Pascha persön lich verhandelt hat, so dürste die Ungewißheit über die von dem Sultan getroffene oder noch zu treffende Ent scheidung nicht lange mehr dauern. Zwei Tage nach diesem Vorgänge, am 7. Juni, erschien Derwisch Pascha inmitten eine» prunkvollen, aut 45 Personen, worunter 10 Generaladjutanten und 15 Bey-, bestehenden Gefolges, an Bord der Jacht „Jzzedin*, mit reichen Geschenken versehen, in Alexan drien. In Alexandrien wollte, wie ein Telegramm de» „Journal des DobatS* meldet, Jakub Pascha, Arabi Bey'S Untersecretär, Derwisch Pascha an Bord deS Schiffe- besuchen, waS ihm jedoch durch den Lere- monienmelster deS Khedive untersagt wurde. Dessen ungeachtet wurde Jakub Pascha später dem kaiserlichen Eommissar im Palast von Raseltin vorgestellt, ein allerdings zur Erweckung des Mißtrauen» geeigneter Vorfall. Auch befinden sich Personen im Gefolge Derwisch Pascha», namentlich Achmet Assad, der im vergangenen Jahre die Mission Raschld's nach Aegyp ten begleitete und dann den Vermittler zwischen dem Sultan und Arabi Bey bildete, welche eine zweideu tige Politik möglich erscheinen lassen. Auch will man aus dem Ton der türkischen und ägyptischen offiklellen Presse schließen, daß der Sultan Tewfik'S Ergebenheit gegen die Westmächte weit schlimmer auffaßt, als Arabi Bey'S Empörung. Mysteriös erscheint der Aufenthalt Derwisch Pascha« zu Tanta, einer auf dem halben Wege zwischen Alexandrien und Kairo gelegenen Eisen bahnstation, wo er am 8. Juni auf seiner Fahrt nach Kairo ausstieg, um in der für besonders heilig gehal tenen Moschee der Stadt zu beten. Englische Blätter behaupten, er habe in der Moschee eine geheime Zu sammenkunft mit Arabi Bey gehabt. Erwiesen ist diese Behauptung jedoch nicht. Bei der Ankunst Derwisch Paschas in Kairo wurde vieler Pomp entfaltet. Delegirte deS Khedive und der Scheit - ul«Islam empfingen den türkischen Com- missar, während die Truppen denselben mit dem Ruf: „Es lebe der Sultan!*, begrüßten. Der Lorrespondent deS „Journal des Debats* hebt hervor, daß kein ein ziger Rus: „ES lebe der Khedive* vernommen wurde. Gestern Morgen hatten Derwisch Pascha und seine Begleiter eine 4t stündige Audienz, später wurde der Sendbote deS Sultans auch noch von Arabi Bey aufgesucht. „Reuter'- Office* will wissen, Arabi'» Empfang bei Derwisch Pascha sei kühl ausgefallen — eine Wahrnehmung, die bei der Voreingenommenheit der genannten Londoner Telegraphenagentur für den einseitig englischen Standpunkt wohl nicht al» unbedingt zuverlässig zu erachten sein möchte. Meldete doch auch der Pariser „Tempi* vor 2 Tagen, die Zusammen- setzung der türkischen Delegation habe in Kairo „un angenehm* berührt, waS, wie der Derwisch Pascha bereitete Empfang darthut, bezüglich der einheimischen Bevölkerung jedenfalls irrthümlich war. Thatsache ist, daß Derwisch Pascha bi» jetzt nicht daS Mindeste er reicht hat, um die Wiederherstellung der Ordnung in Aegypten zu ermöglichen, daß sich die Empörer viel mehr vorbereiten, ein tait »ecompli zu schaffen und den Khedive zu beseitigen. Eine den „Times* zugegangene Depesche aus Kairo vom 8. d. NachtS Düsseldorf und in gewissem Sinne auch in Berlin im Einklang und Zusammenklang mit der Wiedergewin nung einer idealistisch-realistischen Pottraitmalerei voll zogen hat. O. B. Verfloßen. Noitlle von E. v. d. Horst. (Fortletzung.) WaS kümmerte diese Fremde mit dem Beneh men und der Toilette eiuer vornehmen Dame der Sohn deS Hause», in dem ihr Dasein wurzelte, deS armen deutschen Lehrerhauses, auf dessen Dach die Sorge im grauen Gewände jahraus, jahrein beharr lich hockte, dessen innere Kämpfe sie kannte und mit seinen Bewohnern treulich, aber ohne viele Worte zu theilen pflegte — seit Langem schon? Bisher war ihr Dasein einförmig, wie das deS Gefangenen, ereignißloS und ohne Glück, aber auch ohne Leid. Ein einziger Stern stand am Himmel desselben, nur ein einziger, in seinem Strahlenglanz sonnte sich das einsame Herz — sollte jetzt eine Wolke, schwarz und undurchdringlich, alles Licht von ihrem Pfade nehmen? Alle- zugleich? In der Stille ihres verschlossenen Zimmer» schrieb die Engländerin am Abend diese» Tage» einen seiten langen Brief und trug ihn folgenden Morgen» selbst zur Post. E» gab für sie einen sichern Weg in da» alte Patricierhau» von Brookstreet, in da» Boudoir von Frau Scott — noch zwei oder drei Wochen, dann lag da» Geheimnih der schönen jungen Gou vernante offen vor ihren Blicken. Sie hatte ein solche», Eäcilie wußte e» fühlte e» mit dem ganzen befürchtet ernste Ereignisse, sobald Arabi Pascha sich überzeugt hat, daß er auf keine Unterstützung der tür kischen Mission zu rechnen habe. Die Depesche fügt hinzu, wenn sich der Khedive nicht überreden lasse, sich sofort nach Alexandrien zu begeben, so dürfte Europa eiu Verbrechen zu beklagen haben, für welche» Eng land und Frankreich verantwortlich sein würden; mor gen wäre eS vielleicht zu spät. Line durch ein soeben eingehend«- Telegramm an- gekündigte Uedernahme de» ägyptischen KriegSministe- rium» durch Derwisch Pascha würde nur dann Bedeu tung haben, wenn man Gewißheit dafür besäße, daß die ägyptischen Offiziere und Soldaten, auch dem von Konstantinopel hergesandten Eommissar Gehorsam leisten. Die Stellung de» Khedive, gegen dessen Per son die ganze Bewegung gerichtet ist, würde dadurch nicht wesentlich gestärkt werden und Arabi Bey voraus sichtlich Herr der Situation bleiben. Auch gehen die Interessen der Pforte und der ägyptischen Empörer in manchen Dingen gemeinsam, denn beide wollen von dem Einflüsse der Westmächte nichts wissen. Ein Lon doner Telegramm der „Neuen freien Presse* von gestern meldet, daß der Sultan mehr als je an seiner Souveränetät über Aegypten sesthalte. „England werde über den Gang der Ereignisse in Aegypten täglich ver stimmter, sein Einfluß in Konstantinopel ist gänzlich geschwunden, selbst die Börse, welche bisher fest an die Möglichkeit einer Beilegung der ägyptischen Schwierig keiten durch eine englische Action glaubte, wird pessi mistisch, und Aegypter fallen fortwährend.* Angesichts dieser Vorfälle tritt die Rolle der Diplomatie für den Augenblick in den Hintergrund. Ist der französischen „Ag. Hav.* zu glauben, so hat schließlich auch der türkische Minister de» Aeußern gestern den Botschaftern Frankreichs und England- erklärt, die Pforte werde an ver Conferenz theilnehmen, wenn die Mission Derwisch Paschas scheitern sollte. Auch der türkische Minister de» Aeußern, Said Pascha, hat erklärt, daß die Mission Derwisch Paschas einen vollständigen Erfolg haben werde; eine Behaup tung, die jedenfalls insoweit zutrifft, al» die Staat», kunst der Westmächte durch diese Mission vollständig vereitelt wurde. Die Westmächte versuchen ihr Mög- lichsteS, um durch eine Intervention Europa» au» ihrer unbequemen Lage in Aegypten befreit zu werden. Welche« Erfolg diese Bestrebungen haben können, dürfte am besten in nachfolgender, wohl auch die Stimmung in Berlin wiederspiegelnder Note der „Neuen Preußischen Zeitung* gesagt sein. DaS Blatt schreibt: „Wir glauben nicht, daß sich die Ostmächte besonder» beeilen werden, sich der ägyptischen Frage gerade im unglücklichsten Momente anzunehmen und den Fehler, welchen besonders Frankreich durch sein zu rasches Vorgehen in Konstantinopel gemacht zu haben scheint, durch ihre Intervention gut zu machen. Bei dieser Frage und namentlich auch bei der jetzt vertagten Lonserenzangelegenhett han delt eS sich, wie wir bereit» andeuteten, um weit mehr al» um die Ausgleichung der jetzigen Schwierig keiten. Diese sind nur ein Ausdruck dafür, daß plötz lich das Nationalgefühl gegenüber den Westmächten sich regt, dessen Repräsentant in der gegenwärtigen Phase zunächst Arabi ist. Zugleich aber handelt e» sich um eine der vorigen sehr verwandte Seite der ganzen orientalischen Entwicklung, nämlich um da» Ansehen deS Islams gegenüber den europäischen Ein flüssen, und insofern ist der Sultan für die Massen der Repräsentant des Widerstande» gegen England und Frankre ch. Letztere werden zunächst zu sehen haben, wie sie sich in Afrika mit dem erwachenden Selbstgefühl der JSlamiten au»eiaauderzu- setzen haben. Die Rolle der Ostmächte würde erst beginnen, wenn durch die Entwicklung der europäische Friede bedroht würde.* Scharfsinn der Eifersucht au» jedem Worte, jeder Einzelheit. Und wenn die» unbekannte Etwa» auf den Charakter der Andern auch nur den leisesten Schatten warf — dann war ihre» Bleiben» im Held'- scheu Hause nicht länger, dessen durfte sie sicher sein. Einstweilen schien der alte Rector in die schöne Fremde ganz vernarrt; seit sie ihm seine Liebling»- musik, die Bach'schen gewaltigen Tonschöpfungen, vor- gespielt, konnte er nicht müde werden, ihr prächtige» eigenartiges Talent zu bewundern. Die lateinischen Hefte lagen vergessen auf dem Tisch, und die lange Pfeife stand erkaltet zwischen den knien deS magern, etwas gebeugten alten Herrn — er horchte nur. Für Musik war die jugendliche Erzieherin engagirt, aber daß eine vollendete Künstlerin in sein unbedeutende» Hau» kommen sollte, da» hatte er doch nicht gedicht. Auch Otto lauschte mit geschlossenen Augen den seltsam fesselnden Klängen, er dachte während dieser Viertelstunde nur ein» — ob die Erzieherin sang? Ihre Stimme klang sicherlich wie eine Botschaft vom Himmel. Er hatte mit ihr nach jenem ersten Morgen noch kein Wort wieder gewechselt. Mit sich und dem Leben zerfallen, wünschte er nichts, al» Europa verlassen zu können, aber ihm fehlte doch die Kraft, den heimlichen Bitten der alten Aeltern zu widerstehen und zwischen sich und der Vergangenheit die Brücke für immer ab zubrechen. „Bleib doch nur während de» nächsten Winter»*, hatte die Mutter gesagt, „mein Otto, da» darfst Du mir nicht abschlagrn. Bedenke, wie schwer wir un» Hindurchkämpfen, wie Dern Vater unter dem Ucbrrmah der Anstrengung fast erliegt — wolltest D«
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